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Sächsische Volkszeitung : 16.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190603161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19060316
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19060316
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-03
- Tag 1906-03-16
-
Monat
1906-03
-
Jahr
1906
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 16.03.1906
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Beiträge. Ohne da» Christentum wäre das deutsche Volk nicht, waS e» ist. und das beachte rch auch bei der kolonialen Schul politik. (Beifall.) 05. Sigung vom 14. März 1000. Aus der Tagesordnung steht der Antrag der freisinnigen Volkspartei und freisinnigen Vereinigung folgenden Inhalts: Den Herrn Reichskanzler zn ersuchen, dahin zu wirken, das; die landeS- gefegltchei, Beschränkungen des Vereinsrechts für Frauen beseitigt werden. — Abg Dr. Pachnicke (Frs. Vp.) begründet den Antrag. Die Gerichte fassen den Begriff .polititscher Gegenstand* immer weiter und engen so die Vereinsfreiheit der Frauen immer mehr em Für unpolitische Gegenstände bleibt nahezu nichts mehr übrig. Die heutige Zeit inns; die Frau nicht so sehr schützen, als sie hecanziehen, dag sie sich selbst schützt. Eine glückliche Heirat ist freilich die beste Lötung der Fraucnfrage: aber nicht alle Frauen können heiraten. Auf 1>0 männliche Personen kommen 102.34 weibliche. In anderen Staaten ist cs nicht anders, die Lust zu heiraten nimmt ab Also müssen immer mehr Frauen sich selbst durchs Leben bringen. Dem mutz die Gesetzgebung Rechnung tragen In der schule, im Vereinslebrn geschieht es schon. Da kann die Geittzgebung nicht mehr znrückbleideu. — Abg. Basser mann ,Ratl) itmnnl dem Anträge z». — Abg. Sindermann (So.;.) hält die volle Gleichberechtigung der Frau auf politischem Gebiete für absolut geboten. — Abg. Tr. Müller-Pleinin gen (Frs. Vp ). Die Frauenbewegung nimmt immer mehr zu. lieber 7 Millionen Frauen stehen bereits in» Erwerbsleben und da muh die Frau dieselben Rechte haben wie der Mann. In manchen Staaten hat man schon ein freies VereinSrcchl für Frauen. Wir wallen, datz alle Beschränkungen für die Frauen fallen, nicht nur für Vereine sozialpolitischer Art, wie es das Zentrum vorschlägt. -- Bei der Abstimr -> g wird der Antrag mit erheblicher Mehr heit angenommen. ES folgt der Imualivantrag der Polen: dieser lautet: Der R.ihStag wolle beschlichen, die verbündeten Regierungen zu er suche». dem Reichstag einen Gesetzentwurf, betreffend die Abände rung deS Z l:rl> des Strafgesetzbuches, vorzulegen, um der dem Sinne des gedachten Paragraphen widersprechenden Interpretation der M'grisse der „Gefährdung des öffentlichen Friedens* sowie der „Anreizung zu Gewalttätigkeiten" seitens des Reichsgerichts Ein halt z» tun. — Abg. Tr. o. EhranoivSki (Pale) begründet den Antrag unter Vorbri»gui»g einer Anzahl von Fällen, in welche» der Paragraph 130 in harter Weise in Anwendung gebracht worden sei. wo cs sich um Gefährdung des öffentlichen Friedens gar nicht handelte. Redner legt eine ganze Anzahl vo» Ansichts postkarten recht harmloser Art auf den Tisch deS HanseS nieder, deren Verbreitung nnter den 8 130 gefallen sei. (Hört!) — Abg. Strdthagen (Soz.). Wenn schon ein polnischer Lanzcnlräger anr einer Ansichtskarte zu Gewalttätigkeiten ausreizc, wie müsse erst die gesamte Kavallerie aufreizend wirken? (Heiterkeit.) Der ganze H 130 ist »»r ein politischer Artikel, der eine Waffe gegen mitzliebige Parteien »ein soll So gibt es keine Justiz mehr, seiiderii nur Macht und unsere Justiz wird schlechter als die von Russland. Der § l -io ist ein RevolntionSoarapraph und daher d-e kaum begrei'liche.i Urteile. — Abg. Dowe (Frs. Vp.'. Ueber diese Urteile ist man »ur im höchste» Grade erstaunt. Da mm; Abhilfe eintretc». Tic Zuspitzung der nationalen Gegensätze im Oste» wirst ihre bedenklichen Schalten in unsere Justiz und so siimmeii wir für de» Antrag. — Abg. Dr. Bachem Hst.). Das eine steht fest, das; hier etwas nicht in Ordnung ist. (^chr richtig! Gewiss haben die Bilder eine nationale Tenvenz, aber deshalb sind sie noch lange niht strafbar. daS würde gegen das den Memchen angeborene Recht sein. Tie Bilder sind zu harmlos, um amreizend zu wirken. Hier sind Justiz und Politik nicht ge nügend auseinander gehalten. Die Justiz mutz unabhängig sein, sie mutz über der Politik stehen. Die genannten Urteile sind vom politische» Standpunkte aus aber auch zu verwerfen. Sie wirken vielmehr aufreizend als alle die unschuldigen Dinger auf dein Tische deS Hauses. (Sehr richtig!) Unsere Richter in der Ostmark haben sich von den nationalen Gegensätzen leider beeinflussen lasse». Die Fassung des H 130 ist eine unglückliche. Der Gesetz geber wollte nicht ' >»eit gehen, wie es die Gerichte tim. Mit einer Abänderung sind .vir einverstanden. Die Ostmarkenpolilik «nun nmkehre», man kommt hier nicht voran. Die Justiz mutz den Anfang machen. 'Beifall.) Die Abgg. Jessen (Däne) und Brukn (Antisemit) sind für de» Antrag, der auch angenommen wird Reichste Sitzung Donnerstag I Uhr. Kolonialetat. Politische Rundschau. Dresden, den 17». März 1006. Die BiidgrklomMission des Reichstages führte am ist. d. M. die Beratung des Mariueetats fort', eilte ganze Reite Non Ab strich.» wurden auf Antrag des Referenten Freiheri'ii von Lhiineseld vorgenominen. Beim anßerordent- lcckx'n Etat stellte Abgeordneter Erzberger den Antrag, die Grundsätze für Ausstellung deS ausserordentlichen Etats einer Revision zn unterziehen, daher die Bedürfnisse deS ausserordentlichen Eta<S schärfer zn umgrenzen und genauer zu bestimmen. Durch die neue F-lotteuvorlage wachse die Schuldenlast des Reiches bereits um ! 90 Millionen über daS 1900 vorgesehene Mas; hinaus. Gerade an dein heuti gen Beisetmngstage von Engen Richter müsse die Kommis sion einen solchen Beschluss fassen, der den Etatsgrnndsätzen entspreche und der riesigen Vermehrung der Schuldenlast entgegenwirlen wolle. Roch wichtiger als Schuldentilgung sei ihm die Vermeidung von neuen Schulden. Alls Wunsch deS Abgeordneten Dr. M üller Sagg n (sreis. VoltSp.) wurde die Beratung der Resolution znrückgestellt bis zur EtatS'inanziernng: der Sacke stimme er zu. Auf Antrag deS Zentrums wurde eine 'Anzahl von Positionen ans den ordentliche'.' Etat übertragen, wgS das Anlvachsen der Schul denlast vermindert. 'Am Mittwoch begann die Beratung deS Militüretais. Dr. S Valin lZentr.) erklärte, dass daS Zentrum die Duells rage in dar Kommission nicht erörtern werde, die Erklärung deS KriegSministerS habe viel Auf sehen und böses Blut gemacht, aber ihre weitere Verfolgung müsse im Plenum vor sich gehen. Daran schloss sich eine Delxrtte über die Güte und Brauchbarkeit unserer (beschütze: der KriegSmn'.ister gab durchaus berulügende Zusicherun gen: unser Geschütz sei vorzüglich und überdauere Genera tionen. Korreferent R ö r e u (Zentr.) fragte, nwShnlb die Zivilbeamteii im KriegSmiiiisterilim in Sachsen und Württenwerg schlechter gestellt seien alS in Preusseu und Bayern, das lasse ick nickt gelten: die Beamten müssten doch nach der Verfassung gleichgestellt werden. Unterstgatssekre tär Trode erklärt die Differenzierung ans lüstorisclx'n Gründen: erst scnt 190-1 seien diese Beamten tatsächlich gleich gestellt. Es liegen aber setzt Anträge der württembergischen und sällssisciwu KriegSverwaltung vor. die ans eine Gleich stellung lünzielen. Der Staatssekretär deS ReichssckatzamtS stehe diesen Anträgen sehr nwlilivoltend gegenüber und werde im nächsten Etat die Konsequenzen ziehen. Erz- berger lZentr.) freut sich über diese Zusage, die eine nicht berc-chtigte Differenzierung beseitige, er rechne für 1907 aber ganz bestimmt auf Einlösung der Zusage. Kor referent Rören (Zentr.) bringt beim Titel Gouverneure vor. dass hier zu viel Offiziere sitzen: so in Ulm allein fünf, in Königslein ztvei: er beantrage, den Koinnrandantcn in Königstem zn streichen. Die Kommission stinnnte dem An- trage mit 13 gegen l l Stimmen zn. Beim Kapitel ..Geld- Verpflegung" fragt Rören (Zentr.) an. weshalb nun für alle Oberstleutnants die Zulage von 1.150 Mark gewährt werden soll; früher habe man ausdrücklich betont, dass man nur für die Infanterie die Zulage fordere; nun kommen alle Konsequenzen. Kriegsminister von Einem: Nachdem man die Fregattenkapitäne im Vorjahre mit 1150 Mark aufgebessert hat, nachdem die Generaloberärzte ebenfalls diese Zulage erhalten würden, wäre es ungerecht, nun die Oberstleutnants der Kavallerie nickst aufzubessern. Hätte man für die Marine nicht die Aufbesserung genehmigt, so hätte ich diese Aufbesseruirg gar nicht bewilligt. Erzber - ger (Zentr.): Das Zentrum hat im Vorjahre gegen die Zulage von 1150 Mark gestimmt; es ist durch die Haltung der freisinnigen Volkspartei überstimmt worden. So werde er auch gegen die heurige Zulage stimmen. Dr. Freiherr von Hertling, von Staudy und Graf Oriola sprachen sich für die Genehmigung aus. Auf Antrag deS Zentrums wurde die Zahl der Oberstleutnants, die eine solche Zulage erhalten, auf 195 festgestellt und damit den Konsequenzen vorgebeugt. Die Zulage wird abgelelmt, ebenso für die Generalärzte. Die Weiterberatung findet Donnerstag statt. — In der Steuerkommission wurde ein Antrag aus Einführung einer Neichssteuer eingebracht, welck>e das jähr liche Vermahlungsquantum der Großmühlen mit einer stei genden Abgabe belegt.. — Ei« ReichShauShalts-Notgesetz. Der Präsident deS Reichstages hat den Reichskanzler bereits darauf aufmerk, sam gemacht, daß nach dem Gang der parlamentarischen Verhandlungen die rechtzeitige Fertigstellung des Reichs- Haushaltsentwurfs zum 1. April unmöglich erscheine und deshalb die Einbringung eines Notqesetzes erforderlich sei. — Einer Korrespondenz zufolge soll dem preußischen Abgeordnetenhaus noch vor Ostern eine Wahlrechtsvorlage -»gehen. Die „Nordd. Allg. Ztg." dementiert das halb und halb. '— Los von Tippelskirch. Die Zentrumsfraktion hat zum Etat für das sndwestafrikanische Schutzgebiet folgende Resolution eingebracht: „Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, sofort eine Lösung derjenigen Verträge herbeiznfnhren. die über die Lieferungen für die Schutzgebiete von der Kolonialabteilung des Aus wärtigen Amtes abgeschlossen worden sind und über die Dauer eines Etatsjahres hinausgehen." Dieser Antrag richtet sich in erster Linie gegen die Firma Tippelskirch. welche bekanntlich ein Monopol in der Liefcrnngssrage besitzt. Diese Firma erhält derzeit Monalsausträge in der Höhe von <>00 000 Mk. Da sie nicht alle Artikel selbst Herstellen kann, so gibt sie die Fertigstellung an andere Fabrikanten ab. Uns sind Beispiele bekannt, in denen diese Fabriken dann wesentlich billigere Preise stellten, so daß die Firma Tippelskirch an der fertigen Ware -10 und mehr Prozent verdiente, ja bei einem Artikel sogar 100 Prozent! Durch die Monopolstellung selbst hat TipPelL- kirch den riesigen Vorsprung, daß eine Konkurrenz kierin sich gar nicht auftut und er so ganz allein die Preise macken kann. Das deutsche Volk aber ist genötigt, nach Millionen anszugeben, um die Dividenden solcher Firmen in die Höhe zu treiben. Das Zentrum hat es berzlich satt, hier mitzumachen und fordert deshalb sofortige Lösung der Verträge, damit alle Firmen sich an diesen Lieferungen beteiligen können. — Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte am Dienstag den Rest des Etats ohne große Debatte. Am Donnerstag erfolgt die 3. Leimig. Erzbischof Stablewski hat ein zweites Rundschreiben gegen den polnischen Kampfverein „Straz" erlassen. Es wendet sich gegen diejenigen polnischen Geistlichen, welche trotz seiner ersten Aufforderung ihre Vorstands- und Ver- tranenSäinter in der „Straz" nickt niedergelegt haben. Das neue Rundschreiben wiederholt die Aufforderung zuin Aus tritt ans der ..Straz" und erklärt deren Nichtbefolgiing für ..sündhaften Ungehorsam wider die geistliche Obrigkeit". Gegen die Geistlichen, welche jetzt noch im Ungehorsam ver harren sollten, werden die kanonischen Strafen zur Anwen dung gelangen. Wie weiter gemeldet wird, hat ein Propst der Posener Erzdiözese, vertreten durch zwei galizische Dom herren als kanonische Sachverständige, beim heiligen Stuhle Einspruch gegen daS Rundschreiben des Erzbischofs erhoben. Der Zentralverbaiid zur Bekämpfung des Alkoholis- u'.iiö (Berlin) veranstaltet wie im vorigen Jabre in der Zeit vom 17. bis 21. April im Baraclenauditoriuin der Berliner Universität wissenschaftliche Kurse znin Studium des Alto- boliSmnS. Die Altoliolsrage stellt im Vordergründe des öffentlichen Interesses. Kein Einsichtiger leugnet mehr, dass schwere Missstände, welche in den Statistiken der Irren häuser und Gefängnisse, oer Armen- und Polizeiveruxütnn- gen, der Anstalten für Nervenkranke und körperlich und gei stig Gebrochene, der Kranken- und Unfallkassen und in an deren Untersuchungen und Feststellungen zum Ausdruck kom men, mit dein AltolioliSmnS in ursächlichem Zusammenhang stellen und mir gleichzeitig mit ihm wirksam bekämpft wer den können. Diese Missstände greisen so tief hinein in das Erwerbs- und Erbolnngsleben. in die Verhältnisse der Ge meinden und des Staates, in die soziale und nationale Ent wickelung unseres Volkes, daß sie nicht mir den einzelnen Alkoholiker und dessen Angehörige angehcn. sondern jeden, welcher sich seiner sozialen Verantwortlichkeit für das Ge- sauütvohl bewußt ist, zur Mithilfe bei ibrer Beseitigung beransfordern. Gerade diejenigen, welche, sei es innerhalb oder mißerti-alb ihres Berufs, sei es durch Mitarbeit in Ver einen. aii der Lösung dieser sozialen Aufgabe mithelfen wollen, empfinden das Bedürfnis, von erfahrenen und sach kundigen Vertretern der Wissenscl>aft Bereicherung für das Wissen und Anregung für den Willst und das praktische Leben zu empfangen. Diesen: Zwecke werden die wissen schaftlichen Vorlesungen zum Studium des Alkoholismus dienen, welche sich bereits vortrefflich bcwäl-rt haben, und in diesem Jahre zmn dritten Male veranstaltet tvcrden. Die Teilnahme ist unentgeltlich. Programme sind gegen Porto vergütung von Herrn A. Kochanowdki, Berlin O, 112, Sanrariterstraße 35, zu beziehen. — Tie Zuverlässigkeit der „Borwärts".Berichte wird in geradezu klassischer Weise durch eine Berichtigung ittirstnert, die der technische Leiter deS Blattes, der Reichs- tagöabgeordnete Fischer, seinem Leiborgane sendet. Da er hebt er folgende Klage: „Ich pflege sonst auf Versamm- lungsberickste usiv., auch wenn sie meine Aeußerungen un- richtig wiedergeben, nicht zu erwidern; ich habe mir zur Er sparung ettvaigen Aergers schon lange angewöhnt, Berichte über Reden von mir in der Regel zn überschlagen. Wenn ich heute mit dem Reichstagsbcricht über die Sonnabend sitzung eine Ausnahme mache, so nur deshalb, weil ich glaube, den Angestellten der Reichsdruckerei, die im Ver trauen auf unsere Fraktion sich an uns gewandt laben, die Erklärung schuldig zu sein, daß an den zahlreichen — „Miß- Verständnissen" nickst ich die Schuld trage. Ich müßte in der Tat mit dein mir anvertrauten Material in der unverant wortlichsten und lüderlichsten Weise umgegangen sein, wenn ich all das gesagt hätte, was der „Vorwärts"-Bericht nnch sagen ließ." — Tann wird der Bericht des „Vorrvärts" bös zerzaust. Nun halte man sich vor Augen, daß einem Ge- nassen, der in diesem Blatte selbst eine leitende Stellung einnimnst, solckM passiert; wie geht dieses Organ erst mit den Gegnern um? Dieses Vorkommnis ist geradezu typisch. Oeftsrreich-Ungarn. - Dir ungarische Krise. Das ungarische Telegraphen- burcau hat viele Arbeit zu verrichten; die Koalitionspresse ist unermüdlich im Erfinden von Sensationsmeldungen. Das Geschäft über alles, selbst über die Kommandosprache und den Versassnngsbruch. Offiziell wird dementiert, daß der Kaiser sich in Sachen des Krönnngseides an den Papst gewendet habe — was die Demonstrationslustigen Herren der Ofen-Pester Universität zu dem kindischen Beschlüsse ver anlaßt«: air den Papst eine Adresse zu riclsten — daß Doktor Weckerle dem Ministerpräsidenten seine Demission als Prä sident des Vernaltungsgerichtshofes gegeben habe und end lich, daß die Ausschreibung der Neuwahlen am 12. April bereits beschlossen worden sei; das genügt vorläufig. Wahr scheinlich ist nur, daß die Entscheidung über die Nenwalsten von der Krone nicht vor Anfang April fallen wird. Der Prälat Jolxmn Molnar, Vizepräsident der katholischen Volkspartei, hat vom Papste eine Rüge erhalten, weil er die anläßlich der Auflösung des Reichstages veranstaltete Trauermesse in der Basilika zelebriert hatte. Es wurde ihm vom heiligen Stuhle bedeutet, daß sich kirchliche Würden träger derartige Veranstaltungen, die einen politischen de monstrativen Clxirat'ter tragen, zu unterlassen haben. Io- bann Molnar bestätigt die Richtigkeit dieser Nachricht. Frankreich Das neue Ministerium Sarrien hat sich konstituiert. Das Kabinett ist folgendermaßen gebildet: Sarrien Präsi dium und Justiz, Ele-menceau Inneres (mit Sarrant als Unterstaatssekretär), Bourgeois Aeußeres, Etienne Krieg, Thomson Marine, Briand Kultus und Unterricht. Dou- mergue -Handel, Barthou öffentliche Arbeiten, Ruan Acker bau, Poincar6 Finanzen, Leygues Kolonien, Dujcrrdin-. Beaumetz Uuterstaatssekretär für die schönen Künste, G6rard Unterstaatssekretär für Post. Im Laufe dieser Konferenz wurde über mehrere Programinpunkte des künftigen Kabi netts. namentlich in der Frage der Jnventaraufnahnre und der Durchführung des Separationsgesetzes eine Einigung erzielt. Unter den noch zurückgesctzten Fragen befindet sich das Syndikatsgesetz, worüber ein endgültiger Beschluß noch nicht gefaßt wurde. Tie neue Kombination wird von den Blättern je nach ihrem Parteistandpunkte aufgefaßt mrd be urteilt. Die konservative, nationalistische und gemäßigte Presse tadelt es, daß ClCnnenceau und Briand so wichtige Portefeuilles anvertraut sind, wodurch dein Kabinett der Stempel der äußersten Linken aufgedrückt erscheint. Jaure-8 erilärt sich natürlich in der „Humanste-" hierüber desto be friedigter. Der „Temps" wirft die Frage auf. wodurch das Portefeuille des Ministers des Innern Clssmenceau zugesalle,i sei und nicht einem Manne, welcher allen Re publikanern gleiches Vertrauen einflöße und die Idee der republikanischen Einigung und Versöhnung verkörpere. — Tie Minister sind in ihren Vorbesprechungen über die Fragen der Kircheninvenkarsansnahme, der Syndikats frei beit von Staatsbeamten und der gerichtlichen Verfol gung der Antimisitaristen und die übrigen Punkte des Pro gramms schlüssig geworden. Hinsichtlich der kirchlichen In- ventur erklären sich die Minister als airf der Grundlage des Separationsgesetzes stehend und beschlossen Maßnahmen, um den Widerstand gegen die Kirchencinbrüche zn brechen. Betreffs der Frage der Syndikakssreiheit anerkannten sie, daß es nach dein gegemvärtigen Gesetze den Staatsbeamten nicht gestattet sei. Syndikate zn bilden, und beschlassen, in der Kammer zu erklären, daß sie bereit sei, eine Ausdehnung der Syndikatssreiheit in Erwägung zu ziehen, ohne jedoch der Autorität der Negierung Abbruch zu tun. Bezüglich der antiinilitärischcn Umtriebe einigten sich die Minister dahin, daß die cingeleitete Verfolgung der Antimilitaristen ihren Gang nehmen soll. Was die auswärtige Politik anlangt, drückten die Minister ihre Zustimmung zu der Richtung aus, welche Ronvier den gegenwärtigen Verhandlungen ge geben hat. Spanien. — Die Marokkokonferenz. Als ein nicht zu unter- ickätzender Grund für die Verschleppung der Beratungen dürfte auch die französische Kabincttskrisis gelten, infolge deren die Delegation Frankreichs eine mehr abwartende Haltung cinnimmt, um vorerst zu sehen, wie der neue Wind in Paris estva wehen wird. Das neue französische Ministe rium wird aber enorme Schwierigkeiten haben, seine Tätig keit mit einem Schritt zu beginnen, der ihm bei der durch einen Teil der Presse erregten öffentlichen Meinung sofort den Kopf kosten kann. Dabei sind nachgerade alle anderen Delegierten der Ansicht, daß cs unverantwortlich twn Frank reich sein würde, die Konferenz durch eine intransigente Haltung nock, zmn Scheitern zu bringen. Die Kommission hat daher in ErNartnng einer Entscheidung im wesentlichen sich mit der Ausarbeitung der einzelnen prinzipiell bereits entschiedenen Punkte befaßt. — Verschiedene Londoner Blätter haben Ankündigun gen einer „die Invasion von 1910" betitelten, in einem Londoner Blatte zu veröffentlichenden Erzählung gebracht, welche eine seitens Deutschlands erfolgende Invasion Eng- lands, sowie eine Belagerung und Plünderung London)
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