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Betlift» «r ^4 der »Sächsische» Bolkszetl««g" v»m Ä3 Februar IVOV Der Papst uvd das Tre«»n «ngsge^rtz i« Frank« eich. Der wesentliche Inhalt der Kundgebung Pius X. an die katholischen Geistlichen und Laien in Frankreich aus Anlaß des Trennungsgesetzes ist bereits auf dem Draht- Wege aus Rom mitgeteilt worden. Man hat aus dieser In- haltsangaüe ersehen, daß die Kundgebung zum Teil, so weit sie auf die Vorgeschichte der Trennungsvorlage Bezug nimmt, auf dem seinerzeit veröffentlichten vatikanischen Weißbuche und den vor dessen Bekanntgabe verbreiteten französischen offiziellen Auszügen und Kommentaren be ruht. Sie verzeichnet im einzelnen die verschiedenen auf die Trennung vorbereitenden staatlichen und gesetzlichen Maßnahmen: Ehescheidung, Laicisierung der Schulen und Hospitäler, Wehrdienst des Klerus, Aufhebung der Orden, Abschaffung der öffentlichen Gebete, der religiösen Abzeichen usw. Der heilige Stuhl habe nichts unversucht gelassen, um die französischen Machthaber auf der abschüssigen Bahn aufzuhalten, aber weder Leo XIII. noch er, Pius X., habe etwas erreicht: schließlich habe die Gewalttätigkeit der Feinde der Religion ihr Werk doch vollendet. Der Papst geht dann auf die Frage der Trennung von Staat und Kirche grundsätzlich ein, jedoch ist aus dem Zu sammenhänge zu erkennen, daß er in der Hauptsache mehr die Trennung eines einmal bestehenden vertraglichen Ver- hältnisses im Auge hat, wie ja die Vereinigten Staaten von Nordamerika ein solches Verhältnis nicht kennen, keinerlei „Denomination", das heißt keinerlei konfessionellen Kultus anerkennen, ohne daß von kirchlicher Seite dagegen Protest erhoben würde. So wenig wie Pius X. die in den Ver einigten Staaten bezüglich der Kirche bestehenden Verhält nisse hat verurteilen wollen, so wenig kann in seinen Aus- führungen eine Spitze gegen die jüngsten theoretischen Aus einandersetzungen des Bischofs von Cremona, Msgr. Bono- melli, zu diesem Thema gesehen werden, ganz abgesehen da von, daß dies Schreiben des Papstes zu einem Zeitpunkte bereits abgeschlossen war, als von dem Hirtenbriefe des Eremoneser Kirchenfürsten noch nichts bekannt war. Der Papst bezeichnet die Forderung, daß Staat und Kirche von einander getrennt werden müßten, als eine ab solut falsche These, als einen verderblichen Irrtum. Diese im Prinzip sehr wichtige Stelle lautet: „Daß es nötig sei, die Kirche vom Staate zu trennen, ist eine durchaus falsche These, ein verderblicher Irrtum, der sich auf das Prinzip gründet, daß der Staat keinen reli giösen Kultus anzuerkennen brauche. Sie ist vor allen Dingen eine schwere Beleidigung gegen Gott, weil er der Erschaffer des Menschen und also der Gründer der mensch lichen Gesellschaft ist und sie erhält. Wir schulden ihm da her, um ihn zu ehren, nicht nur einen privaten, sondern auch einen öffentlichen Kultus. Die These der Separatio » ist die ausgesprochene Verneinung des Übernatürlichen. Sie beschränkt die Tätigkeit des Staates einzig auf die öffentliche Wohlfahrt in diesem Leben. Sie beschäftigt sich in keiner Weise, gleichsam als ob sie eine ganz fremde Sache sei, mit der ewigen Seligkeit, die der Mensch erreichen soll, wenn dieses kurze Leben zu Ende ist. Tie gegenwärtige Ordnung der Dinge ist der Erlangung dieses hohen Zieles angepaßt, die bürgerliche Macht darf ihr daher kein Hinder nis bereiten, muß ihr vielmehr dazu behilflich sein. „Die These der Separation widerspricht aber auch der göttlichen Weltordnung, die weise, harmonische Eintracht zwischen Staat und Kirche verlangt. Diese beiden Gesell- schäften, die religiöse wie die bürgerliche, haben übrigens die gleichen Untertanen, obschon jede für sich auf einem an- deren Gebiete die Autorität über sie ausübt. Es folgt dar aus logisch, daß beide sich mit Dingen zu beschäftigen haben, die gemeinschaftlichen Charakter tragen. Wenn nun zwi schen Staat und Kirche die Eintracht verschwindet, entstehen aus diesen gemeinschaftlichen Angelegenheiten die Keime der Zwietracht, die beiderseits schlimmste Folgen zeitigen. Der bürgerlichen Gesellschaft schließlich bringt diese These schwe ren Schaden, weil die Gesellschaft nicht gedeihen und nicht lange fortbestehen kann, wenn sie nicht auf der Religion fußt, der höchsten und souveränen Regel, wenn es sich um die Rechte und Pflichten des Menschen handelt. „Die römischen Päpste haben, den Umständen und der Zeit entsprechend, niemals aufgehört, die Trennung von Staat und Kirche zu verwerfen und zu verurteilen. Unser Vorgänger Leo XIII. insbesondere hat verschiedene Male herrlich ausgedrückt, wie nach der katholischen Doktrin die Beziehungen zwischen beiden Gesellschaften besckxftfen sein sollen: „Zwischen ihnen," sagt er, „muß eine weise Ver einigung bestehen, eine Vereinigung, die man jener verglei chen kann, die die Seele an den Leib bindet." Er schrieb anderwärts: „Die menschliche Gesellschaft kann nicht, ohne verbrecherisch zu werden, sich benehmen, als ob Gott nichr - eristiere, sie kann sich nicht weigern, sich mit der Religion zu beschäftigen, als ob sie für sie keinen Nutzen hätte. Was die Kirche anbetrifft, die Gott zum Urheber bat, so würde es ein großer und verhängnisvoller Irrtum sein, sie vom aktiven Leben der Nation, den Gesetzen, der Erziehung der Jugend usw. ausschließen zu wollen." Wenn aber, fährt das Rundschreiben fort, die Tren nung dem christlichen Staate schon schwere Nachteile bringe, um wie viel mehr dem so lange mit der Kirche verbunden gewesenen Frankreich! Um so größer auch das Unrecht, das von dieser Seite jetzt durch das Trennuugsgesetz der Kirche geschehe. Ter Papst setzt dies im einzelnen auseinander, wie das bereits in den Kommentaren zum Weißbuche ge schehen ist, und führt dann aus, daß der Staat bei Lösung des Konkordatsvertrages der Kirche doch wenigstens die ge meine Freiheit hätte lassen müssen, statt dessen stellte er sie durch gehässige Ausnahmemaßregeln unter die willkürliche Herrschst der bürgerlichen Gewalt: der Staat gestatte sich einen Einbruch in das ausschließliche Gebiet der kirchlichen Gewalt. Im besonderen weist der Papst dies an der Verfassung der Kultusgenossenschaften nach. Laut Meldungen aus Rom soll Pius X. nur dann die Kultusgenossenschaften anerken nen wollen, wenn diese sich im Einvernehmen mit dem zu- ständigen Bischof bilden und diesem sich unterordnen. Die bezüglichen Bestimmungen des Trennungsgesetzes seien, er klärt der Papst, gegen die Konstitution, nach welcher Christus die Kirche gegründet hat. Die Kirche bilde eine in sich ungleiche Gesellschaft, indem sie aus zwei Kategorien von Personen bestehe, von denen die eine zu führen habe als die Hirten, die andere, die Menge, als gelehrige Herde zu folgen habe. Diesem Prinzip sei direkt zuwider die Er richtung von Laiengesellsck)aften mit den ihnen vom Gesetz zugewicsenen Befugnissen, betreffend die kirchlichen Ge bäude, das Kirchenvermögen, den Kultus, die Seminaricn usw. Uebcr die hierarchische Gliederung der Kirche hülle sich das Gesetz ganz in Schweigen, der Staatsrat sei schließlich allein kompetent, und die kirchliche Autorität habe keine Ge walt mehr über die Kultusgenossenschaften. Ueberdies wür den aus der unklaren Fassung mancher Bestimmungen viele Streitigkeiten bezüglich der Auslegung sich ergeben. Gegen die göttlichen Bestimmungen verstoßend, sei das Gesetz auch aufs äußerste der Freiheit der Kirche feindlich durch die Einschränkung der Tätigkeit der Geistlichkeit, der Ausübung des Kultus, durch Aufhebung der inneren Kir chenpolizei, soweit sie durch die Kirche ausgeübt werde, durch Strafandrohungen, die der Willkür Tür und Tor öffneten. So versetze das Gesetz die Kirche in eine demütigende Lage und beraube die ungeheure Mehrheit der friedlichen Bürger Frankreichs des geheiligten Rechtes, ihre Religion nach eige nem Willen zu üben. Zu der Entfremdung der der Kirche gehörigen Güter übergehend, protestiert der Papst aufs neue gegen die rechts widrige Einziehung aller vor dem Konkordat errichteten kirchlichen Gebäude und gegen die Beseitigung des kirch lichen Budgets, das, zum Teil wenigstens, doch nur eine Entschädigung darstelle, kein Geschenk. Wenn der Papst die Ankäufe der seinerzeit eingezogenen Kirchengüter in Ruhe gelassen habe, so sei dies nur in der Ueberzeugung geschehen, daß der Staat auch immer seine Zusage bezüglich des Bud gets halten werde. Tie Folgen dieses Gesetzes für Frankreich würden höchst verderblich sein. „Wir können nicht ohne die lebl>asteste Angst sehen, wie die Negierung einen Akt begeht, der, in dem er auf dem religiösen Gebiete die schon allzu schlimmen ernsten Leidenschatsen noch weiter reizt, geeignet zu sein scheint, in einem ganzen Land das Unterste zu oberst zu Uhren. Und darum, uns erinnernd an unsere apostolische Aufgabe, und der gebieterischen Pflicht bewußt, die uns aus erliegt, die unverletzlichen und heiligen Rechte der Kirche gegen einen Angriff zu verteidigen und in ihrer vollen Un verderbtheit zu ben>ahren, kraft der höchsten Autorität, die uns Gott verliehen hat, weisen wir zurück und verurteilen wir aus den oben auseinandergesetzten Gründen das in Frankreich angenommene Gesetz über die Trennung von Kirche und Staat als tief beleidigend für Gott, den es amt lich verleugnet, indem es als Grundsatz aufstellt, daß die Republik keinen Kultus anerkennt. „Wir weisen es zurück und verurteilen es als eine Ver letzung des Natnrrechtes, des Völkerrechtes und von Treue und Glauben, die bei Verträgen gelten müssen: als der gött lichen Verfassung der Kirche zuwider, ihren wesentlichen — 28 — den beiden Kindern mit verzehrender Sehnsucht ini Blicke nach und krampf haft umschlossen seine Hände einen herabhängenden Buchenast. Bald nxir die liebliche Gruppe seinen Augen entschwunden, und aus der Ferne erklangen die Stimmen der Kinder: „Liebes Vöglein flieg weiter. Nimm en Gruß mit und en Kuß, Und ich kann dich nicht begleiten, Weil ich hier bleiben mutz." Als der Gesang verstummt, sank der Unbekannte in die Knie und starrte wie ein Wahnsinniger ins Leere. „Witwe . . . tot!" stöhnte er. Tann fuhr er sich mit den Händen in die dicksten, kurzen Locken und warf sich mit dem Gesicht ins feuchte Gras. Im grünen Gewölbe des Waldes sang und zwitscherte die kleine, ge fiederte Welt. Das Bäckstein erzählte, wichtigtuend, Kinderträume und Mär chen, und ein zierliches Eichhörnchen äugte neugierig zu dem Manne herab, dessen Körper ein heftiges, alle Nerven erschütterndes Schluchzen er beben machte. 6. > f/' ^ „Es »var einmal . . ." Tu Wort aus Kinderzciten, Wir schlürften dich mit Wonnczügen ein! Doch trotzig wirft der Knabe dich bei Seiten, Ihm gilt das stolze Wort: Bald wird es sein! Des Jünglings Blick hängt an der Zukunft Tagen, Was eben ist — der Mann, er spürt es kaum, Bald wird es sein: Ein stetig Hasten, Wagen, Ta Plötzlich schreckt er wie aus wüstem Traum: Verklungen ist die zauberische Weise, Er fühlt es. langsam geht die Fahrt zu Tal, Und leise klingt im Ohr ihm leise, leise, Das schlichte Kinderwort: Es war einmal . . .!" T-er jugendliche Sänger legte die Guitarre neben sich und ergriff sein Glas. o „Prosit, Hartfeld! Prosit, meine Herren!" ^Prosit, Schütz! Sehr schön! Famoser Sänger!" tönte cs von allen Seiten, und die mit goldfunkelndcn Maiwcin gefüllten Gläser klangen an einander. Der aus Jägcroffizercn bestehende kleine Kreis hatte sich in einen? freundlichen, altdeutsch ausgcstattetcn Lokale zusammcngefunden, um dem ueubesördcrteu Kameraden Hartfeld der Sitte gemäß gehörig „einzuweihen". Durch die offenen Fenster strömte der Blütenduft, und die Flammen eines mehrarmigeu Kronleuchters erhellten den traulichen Raum und die fröhlichen Gesichter der Zecher. Da der wohlbeleibte Hauptmann Schwarzwild als Aeltcster der Tafel runde auf Dienstgcspräche, Kartenspiel und klassisck-e Vorträge hohe Ord nungsstrafen gesetzt und nur Saitenspiel und Gesang für programmgemäß erklärt hatte, so ivar die Stimmung unter der Einwirkung der starken Wald- meisterbowlc bald eine fröhliche geworden. — 25 — Er wandte sich um und erblickte einen alten, vergnügt aussehenden Schafhirten, der mit Behaglichkeit sein kurzes Pfeifchen schmauchte. „Guten Morgen!" erwiderte der Fremde und ging nach kurzer lieber- legung auf den Alten zu. „Lieber Mann, Sie sind wohl in dieser Gegend gut bekannt?" fragte er ihn. „Ja, du liaber Himmel!" rief der Alte eifrig, „i bin a halb's Jahr hundert Schäfer da umher — da ischt kei Haus, kei Bäum! und kei Scksträuchlc und au' nit leicht a Mensch, den i net kenn." „Was ist denn das für ein Kastell dort drüben auf der Höhe?" „Des ischt der Nömerturm vo' Großkeamlet — Kemnat tuat ma schreibe: 'ä ischt a kloins Dörflc." „Und dieser Gutsbesitz da vor uns — dieses Schloß?" „Des ischt Bickeried, Herr. Seit vier oder fünf Jahr wohnt a pensio nierter General drin, der Herr Baron von Seeberg, 's Hauswesen führt sei Tochter, a Witfrau niit zwei Kindcrle." Im Gesicht des Fremden zeigte sich eine lebhafte Bewegung. Er tvandte sich rasch zur Seite und ließ den Blick über das in nebeliger Ferne entsckstvin- dende Wertachtal schweifen. „Die zwei Kinderle kenn i guat," fuhr der Alte fort; „sie kommet alle Woche a Paarmol zu mir raus aufs Feld, sic hcnd^r ganz narrische Freud an meine Schäfte." „Sie sind wohl ein großer Kinderfrennd, lieber Mann?" fragte der an dere. Dabei öffnete er ein Etui und bot dem Alten ein paar Zigarren an, die dieser hocherfreut und dankend zu sich steckte. „Ja, sehen S, Herr — die Kinderle muß a jeder möge, 's Mädcle, Irma heisckst's, ischt 's reinschte Chrischtkindle mit seine Flachslocke und seine blaue Guckcrlc, und 's Gcorgle, so heißt 's Büablc, ischt so a aufg'wecktcr, netter Kerl und luaget so vernünftig in d' Welt nci' . . ., no, sie gcnd's nit g'schtohle: ihre Muatter isch au' a sakerisch sck>öne, a schtolze Frau! Ganz vürnehm. Ja. nit wahr — i halt Ihne auf mit mei'm G'sckstvätz? Nehmen S' niir's halt nit für unguat, Herr!" „Gewiß nicht, lieber Mann. Ich danke Ihnen für Ihre Mitteilungen," cntgegnete der Fremde, indem er dein Alten die Hand drückte. Tann schritt re rasch dem nahen Walde zu. Nach längerer Wanderung gelangte er an eine schmale, offene Stelle, die ihm das Schloß Bickcnricd von der Längsseite darbot. Den Hintergrund bildet die Kette der Allgäuer Alpen. Auf den beiden Seiten und im Rücken deckte ihn ein prächtiger, mit Buchen grün gemischter Tannenuxild. Am rech ten Waldessaum floß ein lcbliaftcs. klares Bächlein dahin, das bald unter hohem Grase, bald unter blühendem Jasmin oder dichtem Hollundcrgebüsch Derstcckcns spielte. Das nahcgelcgene Schloß, ein Gemisch von Renaissance und Barockstil, schien den Mann außerordentlich zu fesseln. Er ließ sich auf einem am Ufer des Bächleins stehenden Baumstumpf nieder und blickte lange und unver wandt auf das alte Gebäude mit seinem breiten Balkon und seinen Pittoresken Erkern und Türmchen. Dann holte er aus seiner Rocktasche eine kleine Leder- mappc hervor und begann zu zeichnen. Schon u«ar das Schloß in seinen De tails auf das Papier gebracht und der Hintergrund in zarten Linien ange- «Freigesprochen.* 7