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. «r. 38. Freitag» de« LS. Februar IVOS. 6. Jahrgang. «»rddtt-igrr cageblatt I. Asdrde«. strebt u.Vreldeii. J»s»rat« »erden dt« Saespalt. PetttjeU» oder deren Raum mit 1L Pf. berechnet, bet «tederhoimig bedeutender Rabatt. v,chdr««k»r»t, Redaktt»» »»d GeschSftSftel«« Lrr»de». vtllntbee Vteaf»« 4R — k»r,>wreiLer Pr. Die Beratung der neuen Stenern. Die Sleuerkommission hat anfangs tüchtig gestrichen unL abgelehnt: jetzt bemüht sie sich, die Lücken auszufüllen. Ein Steucrbedürfnis von 200 Millionen Mark hat sie näm lich anerkannt und ist deshalb verpflichtet, auch für diese Summe aufzukommen. Die Sozialdemokraten und Frei sinnigen machen es sich sehr bequem; sie lehnen nur ab, haben aber bis jetzt keinen Vorschlag gemacht, woher sie die neuen Steuern holen wollen. Wer in Opposition steht, hat es ja immer leicht, weil ein Nein sehr schnell gesagt ist und sich auch leicht begründen läßt. Wer Steuern ablehnt, hat in den breiten Massen immer einen besseren Boden, als der, der solche annimmt. Jede neue Steuer ist unangenehm, bald für mehr, bald für weniger Leute. Beklagte sich doch schon dieser Tage ein bekannter Berliner Finanzmann, daß er nach Annahme des Antrages Nacken über die Besteue rung der Tantiemen nicht weniger als 106 000 Mk. Steuer bezahlen müsse, das heißt der Mann bezieht jährlich 1060 000 Mark Einkommen an Tantiemen allein! Und doch will er hiervon dem Reiche nichts geben. Es ist in allen Kreisen des deutschen Volkes eine seither unerhörte Unlust gegen neue Steuern vorhanden; alles aber ruft nach Auf besserung der Gehälter und Pensionen, so daß es für die Abgeordneten keine Kleinigkeit ist, sich hier zurechtzufinden. So weit die Stcuervorlagen jetzt durchberaten sind, läßt sich folgendes feststellen: Die Regierungsvorlage sah vor: 1) Drausteuererhöhung 67 Millionen Mark, 2) Tabaksteuer- crhöhung 41 Millionen Mark. 3) Frachtbriefstempel 40 Mil lionen Mark, 4) Fahrkartenstempel 16 Millionen Mark, zu sammen 164 Millionen Mark. Die Kommission hat nun genehmigt: 1) Mehreinnahme infolge Staffelung der Steuer durch stärkere Heranziehung der Großbrauereien 22 Millionen Mark, 2) Zigarettensteuer 14 Millionen Mark, 3) Frachtbriesstempcl für ganze Waggonladungen 10 Millionen Mark, 4) Fahrkartensteuer 50 Millionen Mark, zusammen 96 Millionen Mark. Rechnet man die Erträgnisse der Automobilsteuer noch hinzu, so werdeu es rund 100 Millionen Mark Steuern sein; es fehlt also noch dieselbe Summe. Aber schon ist die erste Hälfte beieinander und das ermuntert und gibt Aussicht, daß auch die zweite Hälfte aufgebracht wird. Den Hauptteil der neuen Steuern bringt die Fahrkarten st euer auf; während die Regierung nur 12 Millionen Mark herausrechnete, will die Kommission 40 Millionen Mark aus dieser Quelle fließen lassen. Die Regierungsvorlage schlägt bekanntlich die Einführung eines Aixstempels vor von 40 Pf. für Fahrkarten der ersten Wagenklasse, 20 Pf. für die zweite, 10 Pf. für die dritte und 5 Pf. für die vierte Wagenklasse. Fahrkarten unter 2 Mark sollen der Besteuerung nicht unterliegen. Der Er- trag dieses Firstempels wird auf rund 12 Millionen Mark berechnet. Diese Fahrkartensteuer aber genügt der Mehr heit der Kommission nicht. Die Mehrheit der Konnnission hat sich zusammengesetzt und einen Antrag eingebracht, der statt des Firstempels tilometrische Zuschläge einführt und zwar derart, daß erhoben werden sollen in der ersten Klasse 1 Pf. von jedem Kilometer der Strecke, auf welche die Fahr karte lautet, in der zweiten Klasse 1/2 Pf., in der dritten Klasse i/i Pf. Fahrkarten von Straßen- und ähnlichen Bah nen, welche getrennte Wagcnklasscn nicht führen, sollen wie Fahrkarten dritter Klasse behandelt werden. Im Tampf- schiffsverkchr auf inländischen Wasserstraßen soll nach dein Anträge der Steuersatz ^ Pf- pro Kilometer betragen. Wenn das Dampfschiff verschiedene Fahrklassen führt, soll der Satz von i/» Pf. für die niedrigste Fahrklasse gelten. Für die höheren Fahrklassen soll in diesem Falle die Stcm- pelabgabe gleichmäßig i/. Pf. pro Kilometer betragen. Nach dem Anträge soll maßgebend sein die der Berechnung des Fahrpreises zu gründe gelegte Kilometcrzahl. Diese Fahr- kartensteuer würde, wie schätzungsweise berechnet ist, 40 Mil- lionen Mark der Reichskasse einbringen. Wenn man ein- mal an die Besteuerung der Fahrkarte geht, so ist es weit besser und gerechter, diese nach kilometrischen Zuschlägen zu ^ bemessen als nach einem Einheitssatz. Nach der Regierungs- , Vorlage zahlt ein Weltbummler von Königsberg bis Basel ! ebenso 20 Pf. wie ein Geschäftsreisender von Berlin nach Hamburg! Freilich hat dieser Kommissionsbeschluß zunächst einen heftigen Widerspruch seitens der Verbündeten Regie rungen erfahren. Sowohl der Staatssekretär wie der Ver treter der preußischen Eisenbahnverwaltung, wie auch die Vertreter von Bayern, Sachsen, Württemberg und Mecklen burg, haben in der Kommission nachdrücklich Einspruch gegen den Antrag erhoben. Sie haben dargclcgt, daß die Ein führung derartig hoher kilometrischer Zuschläge eine schwere Belastung des Gesamtverkehrs bedeute, zumal wenn berück sichtigt wird — was besonders der Vertreter der preußischen ! Eisenbahnverwaltung betonte, — daß die Tarifreform in Aussicht steht und in Zukunft statt einer Rückfahrkarte zwei ! einfache Karten zu lösen sind, die Stempelsätze also doppelt > zu entrichten sein würden. Die Regierungsvertrcter haben > weiter darauf hingewiesen, daß die Spannung in den Prei- I sen der verschiedenen Wagcnklassen so erheblich sein würde, daß eine Verschiebung in der Benutzung der einzelnen Klas- sen und damit eine erhebliche Verminderung der Einnahmen zu erwarten stehe, sie haben schließlich betont, daß bei Ein führung kilometrischer Zuschläge statt der dringend notwen- digen Vereinfachung des Tariswesens weitere Komplika tionen und Schwierigkeiten für die Verwaltung geschaffen würden, daß ein außerordentlich komplizierter Venvaltungs- apparat und eine Vermehrung der Beamten erforderlich werden würde. Wir halten alle diese Bedenken für nicht begründet, das Beispiel in Frankreich zeigt es sehr deutlich, dort besteht schon längst der kilometrische Fahrkartenstempel und lat zu keinerlei Schlvierigkeitcn geführt. Die .Hauptsache an dem Koinmissionsbeschluß ist, daß die unterste Masse ganz steuerfrei bleibt, das heißt die große Masse kann ebenso billig reisen wie seither. Wer aber in höherer Klasse fährt, muß eben die Kosten tragen. Sie sind übrigens gar nicht so hoch. Eine Reise von Berlin nach Stuttgart kostet heute in zweiter Klasse 46 Mark, die Ent fernung ist zirka 700 .Kilometer; da für jeden Kilometer Pf. Zuschlag gefordert wird, beträgt die Summe 3,50 Mark, also eine Verteuerung, die bei solchen großen Reisen kaum ins Gewicht fällt. Wer solche Reisen in zweiter Klasse macht, kann diese Summe auch tragen, jedenfalls trifft sie nicht den unbemittelten Mann. Freilich wird die Opposition auch schon hiergegen laut, aber das darf nicht überraschen. Auch erscheint es uns höchst fraglich, ob hier durch eine Verschiebung in den einzelnen Klassen eintritt. Wer zweite und erste Klasse zu reisen gewohnt ist, kümmert sich um die Mehrbelastung nicht; sie läuft eben in den seit- herigen Reiseausgaben mit. Auch läßt sich gar leicht eiu System erfinden, das die Bestempelung höchst einfach gestal tet, so daß nicht mehr Personal hierdurch erforderlich ist. Gerade mit dem Wegfall der Rückfahrkarten wird diest- Sache einfacher, wenn es nur noch einfache Fahrkarten gibt, auf welche der Stempelbetrag schon aufgedruckt werden kann, fällt jede Berechnung weg und die Stempelung geht rasch vor sich. An eine Sanierung der Neichsfinanzcn ist ohne diese Steuer nicht zu denken. Deutscher Reichstag. k. Berlin. 43. Sitzung am 11. Februar 1906. Auf der Tagesordnung siebt die Beratung des sozialdemo kratischen Antrages über die Eirfübrung des allgemeine,,, direkten und geheimen WahlrrchtSstsür alle Personen m t über 26 Jahren. Abg. Bebel (Sozd): Alle Jnitativanträge haken agitato rische Bedeutung. Unser Antrag liegt innerhalb der Kompetenz des Reiches. Die Etnzellandtage haben wiederholt versucht, aus die Reichsgesetzgebung einzuwirken. (Ruse: Aber durch die Regie rung I) Gewiß aber die Einzellandtage suchen auf die Neichsges etz- gebung einzuwirken. Die Eeklärung des Zentrums ist nur eine platonische Liebeserklärung: warum ergreift eS nicht selbst die Initiative? Dem Zentrum ist es nicht ernst mit der Einführung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts in den Einzel staaten. namentlich in Preußen, will eS daS Zentrum nicht. In erster Linie ist eS unseren Demonstrationen zu verdanken, daß die Frage in Fluß steht. Der Hamburger Wahlrechtsraub durch die Pfeffersäcke ist wohl die Gegenleistung für die Dienste der Arbeiter bei der Bekämpfung der Cholera! Der Toleranzantrag greift mindestens ebenso stark in die Gesetzgebung der Einzelstaatcn ein wie unser Antrag. In Sachsen haben die Nalionalliberolen das Wahlrecht verschlechtert; in Baden und Bayern hoben sich dieselben gleichfalls am längsten gegen die Verbesserung des Wahlrechts ge sperrt. Das Bürgertum geht überhaupt immer mehr zurück: es geht in den Sumpf. (Sehr richtig! links.) Die Nationalliberalen haben freilich einmal gedroht, aus Vernunstmonarchisten ideale Republikaner zu w erden, d. h. ihre „monarchische Gesinnung zu revidieren". Wo hat denn Preußen seither moralische Erobe rungen gemacht? Am 21. Januar ? Da habe der ganze preußische Staat gezittert. (Heiterkeit.) Da hat sich der pilußisck>e Staat blamiert! (Präsident Gras Stolberg ruft den Redner zur Ordnung!) Die einzige Behörde, die vernünftig war, war die Polizei. (Heiterkeit.) Mein Gerechtigkeitsgefühl zwingt mich, der Polizei meine allerhöchste Anerkennung auSzusprccheu. (Rufe: Allerhöchste? Große Heiterkeit.) Die Disziplin war eine muster hafte und freiwillige! Wir treiben unsere Leute nicht vor die Bajonette. Die Lehrer in den Schulen haben die Kinder ge- ängstigt, sie waren so borniert wie wenige Leute. (Heiterkeit!) Ang sichts all dieser Angst und Furcht sage ich nur: r-anota sim- plioitrrs! (Heiterkeit) Wie den Krieg, so verurteilen wir auch die Revolution aus frivolen Gründen. In dem christlichen Prediger Stöcker schlägt der Fanatiker den Christen tot! Ter Geist Stöckers ist der Geist der Regierung und der schlimmste aller ist der Reichs kanzler, der Reaktionärste aller Reaktionäre! Der bayerisch Thron folger hat sich zu Gunsten de» allgemeinen Wahlrechts aus gesprochen. Wenn sich ein preußischer Prinz so aussprechcn würde, würde ec für verrückt erklärt werden. Wenn der deutsche Kaiser aus den Fürstenhäusern vom Volke gewählt werden könnte, Kälte Prinz Ludwig von Bayern die meiste Aussicht. (Heiterkeit.) Aber der Reichskanzler hört nichts, er hat eine Nhinozeroshaut und Freiherr von Hcyl findet, daß ihm diese sehr Wohl ansteht. (Heiterkeit.) Wir erobern uns das Wahlrecht; wenn Sie es uns nrcht geben, nehmen wir es uns. wie einst in der 4. Augustnacht 1839. Unser die Welt! Trotz alledem! (Beifall links.) — Han seatischer Gesandter Tr. Klügmann: DaS Bürgertum in Ham burg hat bei der Cholera nicht versagt; es tat alles in musterhafter Weise. — Abg. B ü s i n g (natl.): Der Reichstag ist Wohl berechtigt zur Schaffung eines solchen Gesetzes, aber cs ist nicht richtig, daß der Reichstag derart in die Selbständigkeit der Einzelstaatcn ein greift. Die Einzelstaaten sind selbständige Gebilde. Die Sozial demokratie will gar nickt bessern, sic will nur verhetzen. Die Pariser Kommune ist das Ideal des Abg. Bebel. Unser Ideal ist unser geeinigtes Deutsches Reich mit dem Kaiser an der Spitze, bei der Sozialdemokratie ist es der nebelhafte Zukunftsstaat. Die Jubelkunde vom wiedere'standcnen Deutschen Reich ging 1871 durch das Reich und der Glockent n des geeinigten Reiches zittert in allen Herzen immer noch. Versuchen Sie eS mit ihrer Revolution, alles wird zerschellen an dem Ideal unseres geeinigten Reiches. (Lebhafter Beifall.) An diesem Ideal des Bürgertums zerschellt jede Revolution. (Beifall.) — Abg. Tr. Pachnicke (Frcis Berg.) fordert in erster Linie für Mecklenburg eine Verfassung mit ge- wählten Volksvertretung. — Abg. Frhr. v. Maltzan (kons.): Mecklenburg hat ollen Anforderungen des Reiches entsprechen und zwar in mustergültiger Weise, ober einen weiteren Ausbau der mecklenburgischen Verfassung holte ich für geboten. — Abg. Blum ent hol (Volksp.) polemisiert gegen die Rede des Abg. Delsor vor acht Tagen. Mit der Sozialdemokratie haben schon alle Parteien paktiert. Die Bloc-Politik hat sich in Elsaß-Lothringen gut bewährt und die Badenser haben bereits etwas gelernt. — Geh. Rat Halley: Aus der Führung der schwarzen Listen er wächst niemand eine Last, da sie nur für den Kriegsfall in Kraft treten, da wir aber den Frieden noch lange behalten wollen, werden sie nickt praktisch. Die schwarzen Listen sollen nur dazu dienen, uns mitzutcilen, wer im Falle eines Krieges dem Feinde Dienste leisten kann oder nicht. Die schwarzen Listen sind nur eine Krieg-'Vorbereitung. — Abg. Bruhn (Antis.) hält den Antrag für undurchführbar und ist gegen dos Frcucnwohlrccht. — Nach kurzen Ausführungen der Abgg. Scmmler, Liebermann v. Sonnenberg und Dr. Müller-Sagan wird die 1. Lesung beendigt, die 2. Lesung findet im Plenum statt. Zigarre und Zigarette. Eine nikotingiftige Betrachrung von Emil Spötter. »Nachdruck verboten.) Zigarre und Zigarette sind Kinder einer modernen Zeit. Die Zigarre kann man als Maskulinum, die Zigarette als Femininum bezeichnen. Großvater schmauchte noch sein Pfeifchen. Und Großmutter? Könnt ihr euch eine Groß mutter aus der guten alten Zeit mit einer dampfenden Tabakrolle im Munde denken? Da sind die Enkeltöchter anders. Das alte Wort hat eben recht behalten: andere Zeilen, andere Sitten. Und nun plant man gar ein geschickt durchdachtes Steucrattentat I Was hat dem hochwohllöblichen FiskuS nur der im tabakbraunen Bratenrock sich hüllende Zigarren- Herr und die in weißer Papierseide raschelnde Zigaretten- damc getan? Befinden und befanden sich beide nicht immer in bester Gesellschaft? Band er sich nicht sogar eine bunte Leibbinde um den braunen Bauch? Weihte er nicht den ersten Abschnitt seines Lebens wohltätigen Zwecken? Ließ sie sich nicht Stempel und Firma geduldig auf die schlanke Taille drucken? Preßte s ie sich nicht willig jedem und jeder an die Lippen und hauchte in langen, feurigen Zügen ihre aromatische Seele auS? Nein wirklich: Des Fiskus' Steuer- Wege sind oft wunderbar! Das ehrsame Pfeifentabaksblatt nennt Zigarre und Zigarette Parvenüs. Das ist Neid, nikotinbrauner Tabaks- neid. Das ist eine Verleumdung, wie sie nur eine so nahe Verwandte, wie daS Tabaksblatt, in Umlauf bringen kann. Man höre nur einiges auS der Familiengeschichte der Zi- garre und der Zigarette, und bilde sich daraus selbst ein Urteil! Schon die Entdecker Amerikas fanden bei den In dianern die Sitte vor, den in zilindrischen Röllchen zu- sammcngedrehten Tabak zu rauchen. Spanische Seeleute machten diesen Brauch bald zu dem ihren und führten ihn auch in Europa ein. Man vervollkommnete die Röllchen mehr und mehr zur Form der heutigen Zigarre. In Deutsch land fand die Zigarre erst im 18. Jahrhundert ihren Ein gang; ihren ersten fabrikmäßigen Herstellnngsbetrieb rühmt sich Hamburg (1788) gehabt zu haben. Viele Freunde er- lvarb sich das braune Glimmkraut jedoch nicht. Erst ganz allmählich kam es in Aufnahme. Tie Mitte des 19. Jahr hunderts machte die Zigarre salonfähig. Man begann, die Pfeife in die Ecke zu stellen und an der Zigarre Gefallen zu finden, deren Eigenschaften nun ungeheuer rusch Liebhaber fanden, so daß sich eine reiche Industrie, die sich mit ihrer Herstellung (namentlich .Hamburg, Bremen. Elsaß) be schäftigte, entwickeln konnte. Das Kind einer viel jüngeren Zeit ist die Zigarette. Sic ist — im wesentlichen — eine Orientalin. Der festige- schnittene, aromatische Tabak des europäischen Ostens und -es afrikanischen Nordens drängte gewissermaßen von selbst auf die Erfindung der Zigarette hin. Freilich war in der ersten Zeit, als die Papierfabrikation noch nicht zu der Höhe gediehen war, auf der sie sich heute befindet, die Umhüllung der Zigarette ebenso ein Tabaksblatt, wie bei der Zigarre (eine Sitte, die man heute noch in der Türkei, in Aegypten und in Algier findet). Die erste Blütezeit der Zigarette fällt in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ihre gefällige Form, ihr Tust, die Kürze der Zeit, während welcher mun sie unfrauchen konnte, verschafften ihr rasch zahlreiche Freunde und Freundinnen. Ihr ivar cs Vorbe halten gewesen, die Damenwelt für den Genuß des Rauchens zu erobern, lind mit welcher vollendeten Sieghaftigkcit sie dies getan, dus beweisen zur Genüge die zahlreichen Zigarettenfabriken, deren Fabrikate sich in kaum einem Vierteljahrhundert W"ltruf zu verschaffen vermochten. Ist die Zigarette in: allgemeinen — was die Form an- betrifft -- der Mode unterworfen, so hat die Zigarre ihre besonderen Merkmale und Kennzeichen. Ter passionierte Ranck>er weiß ganz genau, Uns er will, wenn er Imperiales. Regalia, Trabueos, Panutelas, Conchas, Comunes, Lvn- dres, Entre aetos, Virginia nsw. answählt. Er weiß auch. Inas die Farbebezcichnungcn amavillo, cokorado, cluro, ma- duro, oScuro nsw. zu besagen haben, die ans den Kistcheu prangen. Oft sind cs gewöhnlich die einzigen Worte, die er von der spanischen Sprach versteht, aber über diese und ihre Bedeutung vermag ihn niemand zu täuschen. Da ist er Kenner, da ist er Sprachgenie, dem es an keiner Vokabel mangelt. So könnte man von Zigarre und Zigarette einen ganzen Roman erzählen, in dessen Kapiteln es nicht an spannenden Momenten fehlen sollte, denn so manchem aus diesem Ge- schlechte ist die Luft ausgegangen, oder er ist bei lebendigem Leibe verbrannt, so daß nichts als ein Häuflein Asche von ihm übrig blieb. Doch derartige Tragik macht traurig. Und alle Traurigkeit soll heute ausgeschlossen sein! Im bedächtigen Männerkreis, beim Abschluß weit- tragender Geschäfte hat die Zigarre das Wort. Die Ziga-