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Sächsische Volkszeitung : 02.02.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190602024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19060202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19060202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-02
- Tag 1906-02-02
-
Monat
1906-02
-
Jahr
1906
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 02.02.1906
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führunaen des »Kg. Arhruv.Hevl gingen darauf hinaus, daß die Mehrheit entscheide» müsse auch in allen solchen religiösen Dingen. Es hat uns ganz fern gelegen, de» protestantischen Interessen zu nahe zu treten. (Sehr richtig!) Das erkläre ich in ganz feier licher «eise. Via» kann für die religiös« Freiheit eintreten au» religiösen Gründen oder weil man für die Religion nichts übrig hat! Aber alle Seiten verurteilen die rückständigen Bestimmungen einzelner Staaten, die hemmenden Bestimmungen find für die Katholiken sehr belästigend, wenn es sich um Mißftände handelt, muß man sie auch beseitigen. Wenn durch eine Resolution diese Mißstände beseitigt werden, ist es un» sehr lieb. I« rascher die konfessionellen Zwistigleiten au» dem öffentlichen Leben ver schwinden. desto besser für da» deutsche Volk. (Lebh. Beifall.) — Aba. Hoffmann (Soz) beantragt Verweisung an die Kommission. Redner beschwert sich über di« mangelnde Freiheit der Dissidenten, die oft durch Taufen der Kinder beeinträchtigt werde, da» sei siu pfarrherrliche» Buschkleppertum. Die Schule muß von der Kirche getrennt werden. Frankreich ist hier in der Welt vorangegangen! Befreiung des Staate« und der Schule von der Kirche ,st unsere Forderung, von der wir nicht ablassen. (Beifall links.) — Abg. Dr. Stöcker (Wirtsch. Berg): Es ist tief bedauerlich, daß im Reichstage eine solche Rede gehalten werden konnte (sehr richtig!) nicht nur vom religiösen Standpunkte au», sondern auch vom Standpunkt der Bildung auS. Nur jener kann so sprechen, der auf Beachtung keinen Anspruch erhebt. Dissidentenkinder sollen nicht in den Religionsunterricht gezwungen werden, wohl aber den Unterricht in der Religionsgeschichte erhalten. Es ist ein Zurückfallen in die Barbarei, wenn man die Person Christi au« der Schule ausschlösse. Der Darwinismus ist aufgepeben, nur wenige Autoritäten verteidigen diesen noch. Den Gesetzentwurf lehne ich ab. ich bin ein Anhänger der kirchlichen Freiheit unter Anerkennung der Staatshoheit. Wir wünschen von der Bevor mundung der staatlichen Behörde freizutcmmer. Das Zentrum selbst möge eine Resolution einbringen, damit die Mißstande be seitigt werden. Wir in der Wirtschaftlichen Vereinigung haben schon im Vorjahre eine entsprechende Resolution aufgelegt, crbrr nicht die erforderliche Zahl von Unterschriften gefunden; vielleicht eht eS jetzt besser. Kirchliche Toleranz darf nicht in voller Gleich- erechtigung bestehen; eS gibt gewisie Werte in anderen Kon fessionen. die man anerkennen soll. Prediger, die sich nicht auf den Boden des Bekenntnisse» stellen, sind Sprengstoffe für die Kirche und können nicht geduldet werden: man lasse doch solche Dinge auS dem Bereiche dieser Debatte. (Sehr richtig!) Die evangelische Kirche hat nie Ketzer verbrannt. Das Prinzip des Antrages ist gut. aber die Ausführung desselben wirk! verschieden. Das Zentrum möge in Bayern diese Ideen durchführen. — Abg. Fürst Radziwill (Pole«: Im Deutschen Reiche besteht eine wahre Parität noch nicht; diese aber ist notwendig und durch führbar. Wir stimmen dem Gesetzentwürfe zu — Abgeordneter von Gerlach (Frs. Berg): Der Gesetzentwurf bedeutet einen kleinen Schritt zur Trennung von Staat und Kirche, und deshalb begrüße ich diesen. Die Lebenskraft der preußischen Landeskirche ist nicht sehr groß; da wird ein ganz einfaches Stllleben ge führt. Mir ist aus meiner Tätigkeit als Verwaltungsbeamter sehr gut bekannt, welche Schwierigkeiten der Staat macht, wenn Katholiken eine Kirche bauen wollen. (Hört!) So sagte mir ein solcher Beamter, er müsse verhindern, daß der Katholizismus sich zu sehr ausbreite. Eine Resolution bringt keinen Fortschritt und keine Abhilfe. Der Antrag führt in eine bessere Zukunft. — Abg. Osel (Zentr.): Der Tokeranzantrag liegt in der Kompetenz des Reiches. Alle Redner haben sich einer objektiven Sprache be fleißigt, nur einer 'nicht — Dr. Müller-Meiningen. (Sehr gut!) Selbst die Rede des Abg. Hoffmann steht aufeinemhöheren Niveau, als die des Abg. Dr. Müller. Die Sozialdemokratie übt unter sich gar keine Toleranz. DaS Erfurter Programm wird in Sachen der Religion gar nicht eingehalten. Was den Darwinismus betrifft, so sage ich: man soll sich nicht in die Familienverbältnisse einmischen. (Große Heiterkeit ) Wenn jemand als seinen Stamm vater einen Affen ansieht, gut. mag er dies tun, er mutz es ja besser wissen. (Heiterkeit) Und was das Verbrennen betrifft, so kann sich der Aba. Hoffmann jederzeit verbrennen lassen. (Hoffmann: Und Sie sich begraben.) Ja. wenn ich gestorben bin. (Heiterkeit.) Der Abg. Dr. Müller ist ein sehr leichtfertiger Mann. (Präsident Graf Balle st rem: Dieser Ausdruck ist nicht zulässig.) (Zwischenrufe: Osel-Esel.) Ja. ich schreibe meinen Namen mit O Aber es gibt Menschen, die Esel sind. (Große Heiterkeit.) Wenn Dr. Müller vor 8 Tagen uns gegenüber von Grunzen gesprochen hat, so ist er nicht auS der Nolle gefallen; er versteht sich auf die Schweinerei. (Große Heiterkeit.) Ich er innere nur an sein bekanntes Gedicht auf dem freisinnigen Partei tag. wo er einen preußischen Minister als den „Schweinezucht- Lehrer* besungen hat. (Heiterkeit.) Es ist mir Herzensbedürfnis, für den konfessionellen Frieden einzutrcten und alle Angriffe zu unterlassen. (Rufe links: Müller - Meiningen.) Ach was! Dr. Müller-Meiningen ist weder Protestant, noch Jud, noch Katholik. (Große Heiterkeit.) Auch auf protestan tischer Seite hat man Ketzer verbrannt. Die Rede des Abg. Müller muß ich lebhaft bedauern, weil wir uns als Christen zusammensinden sollen. (Beifall.) — Abg. Schräder (Freis. Berg ): Die Rede des Abg Osel ist auch nicht würdig des Niveaus in diesem hohen Hause. Die Trennung von Staat und Kirche liegt im Interesse der letzteren selbst. — Abg. Dr. Müller- Meiningen (Freis. Volksp.): Ich bin mit meinen Freunden voll kommen einig, aber ich habe nur meine innerste Ueberzeugung ausgesprochen. Man ist ja nicht auf Rosen gebettet, wenn man sich gegen die allein herrschende Partei wendet. Den Ausdruck »grunzen" nehme ich zurück, er ist nicht parlamentarisch. (Präsident Graf Balle st rem: Was parlamentarisch ist, entscheide ich; nehmen Sie den Ausdruck: unartikuliert Laute zurück. Heiterkeit.) Dann sage ich also: animalisch kannibalische Laute. (Heiterkeit.) Redner bringt wieder eine Anzahl von Briefen von Geistlichen vor. die ihre Pfarrk inder vor Mischehen warnen- Wir dürfen in Deutsch land den Klerikalis uns nicht befriedigen.— Abg. Hennig lkons): Meine politischen Freunde sind gegen den gesamten Toleranz antrag, nicht nur gegen den 1. Teil. Die kampfesfrohen Siim- mingen haben sth durch die Debatte vermehrt. Für eine Reso lution im Sinne der Beseitigung der Mißstände sind wir jederzeit zu haben. — Damit ist die I. Lesung geschlossen, das Schlußwort hat Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Wir find nickst für KommissionS- keralung. da sie nicht »ölig ist. Mit einer Resolution können wir u >S nicht begnügen, da sie nichts hilft. Der Gesetzentwurf ist unser einziges Mittel, um die Mißstärrde zu beseitigen, Ken Kampf gegen die Geister wollen wir nicht beseitigen. Der Staat muß dem J rdividuuin die religiöse Freiheit geben, aber auch den kirch lichen Anstallen. Wohin kommt man, wenn man hier Beichtstuhl» grschichten vocbringt? Der Geistliche kann sich nicht verteidigen. ES war ein Freisinniger, der heute arifforderte. daß der Staat in den Beichtstuhl eingreifen soll. (Hört!) Selbst im Kulturkampf ging man nicht weiter. Kein an ländiger Mensch in Deutschland wird diesen Standpunkt vertreten, (sehr gut!) Der katholische Gststlicbe wird der Führer des Volkes stets bleiben auch trotz solcher Emzelsälle. (Lebhafter Beifall im Zentrum) — Der An trag auf Komm ssioniberatnng wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Die 2. Lesung findet im Plenum statt — Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr. Etatsberatung. Schluß >/,7 Uhr. ^ Politische Rundschau. Dresden, den 1. Februar IVOS. — Der Kaiser hat zum Andenken de« verstorbenen Königs Christian, »seines sehr geliebten Freundes und Nachbars", wie eS im Armeebefehl heißt, anbefohlen, daß sämtliche Offiziere der Armee 6 Tage, die des thüringischen Nlanen-NegimentS Nr. 6, dessen Chef der Verstorbene war, drei Wochen lang Trailer anlegen. — Die Budgetkommission des Reichstages setzte heute die Beratung des Kamernnetats fort. Dr. Müller -Mei ningen (freis. Volksp.) stimmt dem Mißtrauen des Abge ordneten Erzbcrger gegen die Kolonialverwaltung zu. Der Autokratie der Kolonialbeamten müsse mit aller Kraft ent gegnet werden. Redner fordert eine Denkschrift über das Lieferungswesen für die Kolonien. Geheimrat Seitz der- teidigt die Hllttensteuer. Erzberger (Zentr.): Die Ge- sellschaft Südkamerun verbietet direkt die Handelsfreiheft', was tut die Verwaltung hiergegen? Die Selbstverwaltung ist erst möglich bei Selbsterhaltung der Kolonien. Die Er ziehung der Eingeborenen haben die Jesuiten in Mid- amerika, die Dominikaner auf den Philippinen in groß artiger Weise geleistet. Die Hllttensteuer halte er für ver- werflich. Dr. Südekum (Soz.): Die Hüttensteuer führt zu Aufständen: uns fehlt eine grundsätzliche Regelung der Rechte der Eingeborenen. Dr. Semmler (nat.-lib.) for dert Handelsfreiheit für ganz Kamerun. Es folgt die Be ratung einer Resolution Dr. Arendt, welche eine Unter- suchnng für die Vorbildung und die Pensionsansprüche der Kolonialbeamten wünscht. Dr. Semmler (nat.-lib.) be dauert hierbei den häufigen Wechsel der Kolonialbcamten. Die Ursache liege darin, daß die Beamten rasch weiter kom men wollten. Man müsse diese besser stellen, dann bleiben sie draußen. Eine Art „Tropenanwärtertum" sollte ge- schaffen werden. Dr. Paasche, Prinz von Arenberg und Freiherr von Nicht Hofen stimmen darin überein, daß sie eine Untersuchung der Frage wünschen, aber nicht für eine Gehaltserhöhung ohne weiteres seien. Eine Rcihr von Titeln wurde ohne Debatte angenommen. Die Resolu tion Erzberger über die Reform des Schutzgebietsge- sctzes wird angenommen, ebenso die Resolution Arendt. — Der Seniorenkonvent des Reichstages hat sich am Mittwoch mit der zweiten Lesung des Etats befaßt und hier bei auf Kontingentierung des Etats geeinigt: Reichstag, Reichskanzler, Reichskanzlei zwei Tage; Auswärtiges Amt. Schutzgebiete und Nachtragsetat drei Tage; Reichsamt des Innern sechs Tage; Neichsheer und Reichsmilitärgericht vier Tage; Marine mit Flottengesetz zwei Tage: Justizamt drei Tage, Schatzamt, Neichscisenbahnamt, Rechnungshof, Reichsschnld zwei Tage: Pensionsfonds, Jnvalidenfonds zwei Tage: Post und Neichsdrnckerei drei Tage: Reichs- eisenbahnamt ein Tag: Zölle und Verbrauchssteuern usw. drei Tage: .Hauptetat mit dem Etatsgesetz — mit Rücksicht auf die Ansätze der neuen Steuern — zwei Tage: die mit den: Etatsgesetz zusammenhängenden Gesetze: Servis, Woh- nnngsgeldzuschuß, Naturalleistungen, Entlastung des Jn- validensonds drei Tage; zusammen 86 Tage. Im vorigen Jahre, wo der Etat einfacher lag, wurden 87 Tage in zwei ter Lesung verhandelt. Vom 1. Februar bis 31. März liegen 61 Geschäftstage, minus acht Schwerinstage, also 43 Verhandlungstage, so daß es nicht unmöglich ist, bei den nicht zu knapp berechneten Kontingentierungstagen, die sich gegenseitig decken, den Etat rechtzeitig ohne die Steuerbar- lagen, deren Verhandlungsdauer zur Zeit nicht zu berechnen ist, fertig zu stellen. Die Reihenfolge des Etats ist noch nicht bestimmt. — Ucber die Diätcnfrage taucht alle Tage eine andere Meldung auf. Heute scheint so viel festzustehen. daß im Reichsanite des Innern ein Gesetzentwurf über die Ge- Währung von Anwesenheitsgeldern ausgearbeitet wird: die Grundrichtung desselben soll sein: 3000 Mark Panschal- gnantmn Pro Jahr mit Abzug von 30 Mark für jeden Sitzungstag, an welchem der betreffende Abgeordnete fehlt. Diese Arbeiten sollen in vierzehn Tagen beendet sein: dann geht die Vorlage an den Bundesrat, der sie wohl rasch er ledigen wird. Angesichts dieser Verhältnisse ist es be achtenswert, wie diese Frage in anderen Staaten geregelt ist. Die belgische Nepräsentcintenkamnier zahlt 200 Gul den (388 Mark) monatlich an jedes außerhalb des Parla mentssitzes wohnende Mitglied. Dänemark zahlt drei Reichstaler an jedes Mitglied des Reichstages und Reise- Unkosten. In Frankreich erhalten die Mitglieder des Senats und der Tepntiertenkammer 0000 Frank jährlich und freie Verpflegung im Parlament. In den Niederlanden ist für die Mitglieder der Zweiten Kammer der Generalstaaten neben den Reisekosten eine Jahressumme von 2000 Gulden (3380 Mark) festgesetzt. Norwegen hat drei Speziestaler täglich für den Aufenthalt des Abgeordneten im Storthing, Schiveden hat eine Jahressumme von 1200 Reichstalcrn für jedes Mitglied der Zweiten Kammer festgelegt. Die Mitglieder des Schweizer Nationalrates erhalten je 20 Frank täglich, die österreichischen Mitglieder des Abgeord netenhauses erhalten eine Pauschale von 2400 Gulden (4800 Frank) und 800 Gulden Ouartiergeld. Der Pauschalsatz für Senatoren, Repräsentanten und Delegierte zum Kon greß beträgt in Amerika 6000 Dollar für das Jahr, die neben den Reisekosten zu zahlen sind. Die deutschen Bun desstaaten haben allesamt Diäten, die höchsten niit 20 Mark hat das Reichsland. — Heber die Spaltung des Protestantismus führt der bekannte Hofprediger Stöcker sehr lebhafte Klage in seiner „Reformation": er meint hierbei unter anderem: „Wir Protestanten sind an Verschiedenheiten der Auffassung ge- wohnt, da uns die geistliche und geistige Freiheit in die Wiege gelegt ist. Aber jetzt handelt es sich um Anschauun- gen, die sich mit Schrift und Bekenntnis, auch wenn man diese in seinem Sinne auffaßt, nicht vereinigen lassen. Nicht nur die Wahrheit leidet, sondern auch die Wahrhaftigkeit, und nicht nur die Kirche der Reformation ist in Gefahr, son- dern eine unzählige Schar von Persönlichkeiten . . . Was soll geschehen? Und wie wird das enden, wenn cs nicht anders wird? Tie Provinzialsynoden der alten preußischen Provinzen haben zu dieser Frage ihre klare Stellung ge nommen. Sie alle erklären mehr oder weniger scharf, daß die grnndstürzendc Theologie mit der Kirche der Reforma tion unvereinbar ist. Seitdem ist ja nun endlich ein Libe raler im Westen wegen unbiblischer Anschauungen bei der Pfarrwahl vom Konsistorium nicht bestätigt: es ist auch keine Aussicht, daß der Oberkirchenrat das Urteil aufhebe. Aber hier hatte cs die Behörde leicht; der Prediger hatte diesen Ausgang der Sache durch seine Behauptungen ge radezu herausgefordert. Andere Fälle, die beinahe ebenso schwer liegen, jedenfalls ebenso viel Beunruhigung Hervor rufen, bleiben unerledigt. Und der schlimme Gedanke setzt sich fest, daß die Krisis eine schleichende und die Krankheit unheilbar ist. Bleibt diese Lage der Dinge, so wird sich allmählich ein tatsächlicher Zustand einbürgern, der die bei- 1 den Richtungen, abgesehen von einzelnen seltenen Diszi- plinarfällen, nebeneinander duldet. Je länger aber dir Tatsache besteht, desto schwieriger wird eine Aenderung und eine Heilung um so weniger möglich." Jedenfalls verdienen solche Ausführungen alle Beachtung; sie dürften auch zeigen, wie bitter es die Katholiken aufnehmen müssen, wenn man ihnen nun aus solchen Reihen das Evangelium bringen will. Und welche dankenswerte Aufgabe hätte erst der Evangelische Bund, wenn er hier einsetzen wollte. Aber er hat gerade vielfach diese Verwirrung hervorgerufen, indem er über liberale Pastoren schützend den Arm hält. — Da» preußische Abgesrduereuhau» hat am Mittwoch de» Stat des LandwtrtschaftSministertum» zu Ende beraten; fast nur liberale Wünsche find hierbei geäußert worden. Die ZentrumS-Abgeordneten Dr. Becker und Graf Strachwitz traten hierbei sehr entschieden für Wünsche ihrer Kreise ein. — Die Hambarger Bürgerschaft nahm am Mittwoch nach fünfstündiger Debatte in zweiter Lesung den Antrag de» Senat» auf Abänderung der Verfassung an. wonach die Verhältniswahl eingeführr und den B.amten da» aktive Wahlrecht verliehen wird, mit 120 gegen 35 Stimmen. Von 160 Mitgliedern der Bürgersckaft waren 156 anwesend. — Dem Reichstag ging vom Gouverneur Graf Götzen eine am 25. Dezember aus Dar es Salaam abgesandte Denkschrift über die Ursache des Aufstandes in Ostafrika zu. Nach der Denkschrift ist es einmal zweifellos, daß die An regung und Schürung des Aufstandes nicht von außerhalb in das Schutzgebiet hineingetragen worden ist; zweitens hat der Aufstand sicherlich mit der äthiopischen Bewegung nichts gemein; drittens muß dem Aufstand der Charakter einer religiösen Bewegung abgesprochen werden. Zur richtigen Beurteilung der Verhältnisse muß ferner die Tatsache be rücksichtigt werden, daß es sich um eine rein heidnische Be- wegung handelt. Die vom Gouverneur eingesetzte Unter suchungskommission hält die Machtmittel des Gouverneurs für unzureichend. Der Gouverneur bemerkt dazu, die Ver stärkung der Machtmittel auf eine weiße und 15 farbige Kompagnien, eine Maschinengcwehrabteilung und rund 1700 farbige Polizeisoldaten werde heute als Mindeststärke angesehen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ein un mittelbarer Zwang zur Teilnahme am Aufstand ist in fast allen Ortschaften durch bewaffnete Banden ansgellbt worden. — Die Brausteuer nach den Kommissionsbeschlüffen. Der Antrag Speck zur Brausteuer mit einer Staffelung von 4 bis 8 Mark, die in der Kommission mit erheblicher Mehrheit angenommen worden ist, belastet die einzelnen Brauereien in folgender Weise: 4408 Brauereien mit 4,00 bisher 4 699 . 4.60 . 4 . 669 » 5,00 » 4 . 2?6 » 6,50 » 4 . 1»0 . S.00 . 4 . 74 » 6,60 » 4 . 166 . 7.00 . 4 . 317 . 7.60 » 4 . 186 . 8.00 . 4 » Danach bleiben zwei Drittel aller Brauereien mit 2500 Hektoliter Bierproduktion in der seitherigen Steuer und nur die großen werden mehr herangezogen. Der Antrag Speck aber ist ferner entnommen dem Vorschlag der mitt leren und kleinen Brauereien selbst, die gerade diese Span nung wünschten. Die Gesamtbelastung des Malzes resp. Bieres stellt sich hiernach folgendermaßen: D.-Ztr. Nalz tri Bier RegierungSvnrlage 10.80 ^ 2.16 Antrag der Konservativen . . . V.60 » 1,62 » Antrag Speck s 6.40 » 1.28 » Wer mit dem Anträge Speck unzufrieden ist, sind nur die Großbrauereien; diese wünschten eine weit höhere Staf felung. Die Großbrauer waren ganz damit einverstanden, die hohe Regierungsvorlage anzunehmcn, weil sie dann die Steuer leicht abwälzen konnten; dagegen wehrten sie sich sehr gegen die jetzige Steuer, weil sie, wie sie selbst sagten, diese Steuer nicht abschieben können. Gerade dieser Ge sichtspunkt hat aber das Zentrum veranlaßt, diesen An trag cinzubringen. Der Artikel 6 des Flottengesetzes wird hierdurch nicht verletzt und die leistungsfähigen Schultern werden getroffen. Diese Steuerpolitik ist eine sozial ge rechte und vernünftige. Oefterreich-Ungarn. — Die ungarische Krise. Gegenüber dem Gerüchte, daß die gefaßten Beschlüsse der ungarischen Koalition die Ver leugnung der nationalen Rechte und der bisher eingenonr- menen Haltung der Koalition enthalten, erklärt der leitende Ausschuß, daß diese Nachricht vollkommen aus der Lust ge griffene Umvahrheiten sind. Also die Koalition hat ihre bisherigen Forderungen nicht verleugnet und doch: überall Friedensgeläutcl Könnte es deutlicher betont werden, daß die Koalition wichtige Zugeständnisse von der Krone er- halten hat? Die Antwort der Koalition umfaßt ein ganzes Programm und beantwortet die Botschaft Punkt für Punkt. Die Abweichungen vom Standpunkt der Krone sollen nur geriugfügigc sein, aber angeblich enthält die Antwort kein Wort darüber, ob die Koalition geneigt sei, die Negierung zu übernehmen. — Das österreichische Abgeordnetenhaus beendigte die erste Lesung der Rekrutenvorlage und verwies dieselbe an die Wchrkommission. Dänemark. — Der König befahl, daß anläßlich seiner Thron besteigung ihm Vorschläge betreffend die Begnadigung sol cher Sträflinge, die nickst als gefährliche Verbrecher be zeichnet werden, gemacht werden. — Am Mittwoch trafen in Kopenhagen Herzogin Thyra von Cumberland mit Prinzessin Olga und das Groß- herzogspaar von Mecklenburg - Schwerin ein. Auf dem Bahnhofe hatten sich der König und sämtliche Mitglieder des Königshauses eingefunden. Der Herzog und Prinz Ernst August von Cumberland werden Donnerstag ein- treffen. Die Leiche des Königs ruht noch im blumenge- schmücktcn Bette im Schlafzimmer, soll aber heute in einen zu verlötenden Zinksarg gelegt werden. Frankreich. — Die Inventaraufnahme des französischen Kirchen- Vermögens in verschiedenen Städten des Landes wird fort- gesetzt. In Maulins kam es zwischen dem Inspektor, der die Eintragung vornahm, und einer der anwesenden Per sönlichkeiten zu LätliOeiten. In Remiremont und Alenxon
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