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BeiLaye z« Rr. S5 der „Süedfistheri BolkSzelniug- do» 2V. April 1VV8. 6 ^Die Zentrumspartei als Reuten- qaetsche." Von deni Einfluß der Zentrumspartei hängt wesentlich der Fortschritt der gesetzlichen Sozialresorm ab. Dieser Einslutz ist aber rnn so großer, je mehr Mandate und Wählermassen die Partei stützen. Das wissen die einsichtigen Arbeiter und sind deshalb trotz aller sozialdemokratischen Verdächtigungen der soziapolitischen Gesinnung und Tätig keit des Zentrums in großer Zahl diesem treu geblieben. Das ärgert die Sozialdemokratie gewaltig und mit ver doppeltem Eifer führt sie deshalb ihren Verleumdungsfeld. zug gegen die Zentrumspartei. Bekundet irgendwo ein Mit- glied der großen Zentrumspartei einrnal eine von der Ge- samtpartci abweichende Meinung, flugs wird sie als Mei nung des gesamten Zentrums oder doch größten Teiles hin gestellt. So auch jetzt wieder ob der Aeußerung eines Zen trumsabgeordneten im preußischen Landtage für Be seitigung der kleinen Unfallrenten bis zu 20 Prozent. Diese soll wieder ein Beweis für „die Unzuverlässigkeit des Zen trums in ernsten Arbeiterfragen" sein. So behauptet eine sozialdemokratische Presse. Sie muß zwar zugeben, daß .Herr Abgeordneter Gicsberts einige Tage später in seiner sozialpolitischen Etatsrede, die er unter lebhafter Zu stimmung der gesamten Zentrumspartei im deutschen Reichs tage hielt, sich energisch gegen eine Klerschlechtcrung der Un- fallversicherung aussprach: Herr Giesberts soll dies aber „sehr verlegen" getan haben. Ebenso giebt sie zu, daß wiederum einige Tage später auch der Zentrumsabgcordnete Trimborn im preußischen Landtage sich gegen eine Be- l'eitigung der kleinen Renten ausgesprochen l>at. Herr Trim- born soll aber „keine geharnischten Worte gegen die Renten- guetscher" gesunden, sondern „eine richtige Fastnachtsrede, die nicht im Geringsten zu dem Ernste der Sache paßte", gehalten haben. Lassen wir den betreffenden Passus ans den Reden der beiden Abgeordneten folgen. Herr Gies - berts führte u. a. aus (Stenogr. Bericht der 39. Sitzun.; des Reichstages vom 9. Februar 1906): „Es ist dann mehrfach darauf hingewiesen worden, daß einer unserer Parteifreunde im Preußischen Landtag dc,> Aufhebung der Unfallrenten unter 20 Prozent befürwortet habe. Ich darf wohl fcstftellen, daß der betreffende Herr dem Neichstagszentrum nicht angehört, und daß dieses solche Bestrebungen nicht unterstützt. Ich selbst bedauere, daß Leute, die auf unserem politischen Boden stehen, zu diesen Anschauungen kommen. Aber aiuh das sei hier envähnt: der betreffende Herr hat ausdrücklich die Ausdehnung der Krankenversicherung auf ländliche Arbeiter und Dienstboten befürwortet. Ich meine, derartige Einzelfälle solle inan nicht für Misere Partei verallgemeinern. Wir würden ein. Revision der Unfallversicherung, die zur Verschlechterung der Verhältnisse führt, nicht dulden." — Das sollen nach der sozialdenrokratischen Presse „ver legene" Aeußerungen seinl Und Herr Trimborn sagte im preußischen Landtage «n, 16. Febrllar 1906 (Stenogr. Bericht, Sp. 1653): „Meine Herren! Die Frage der Beseitigung der klei nen Renten ist im Reichstag sehr eingehend erörtert worden, als wir das Gewerbeunfallversicherungsgesetz und nament lich auch, als wir das landwirtschaftliche Unfallverficherungs- gesetz reformiert haben: es sind einige Jahre her. Ick) selbst habe beiden Kommissionen angehört und bin in einer Kommission Berichterstatter gewesen: ich erinnere mich der Vorgänge noch genau. Da war erst Neigung, auf die Be seitigung der kleinen Renten cinzugehen. Als aber die Sache gründlich und eingehend erörtert wurde, da flaute die Neigung mehr ab, und, wenn ich mich reckst erinnere, haben sich die ursprünglichen Anreger und Antragsteller nachher gewissermaßen verkrochen, haben nachher mit der Sache nichts mehr zu tun haben wollen, und im Plenum l)at keine Partei, auch die konservativen Herren nickst, gewagt, mit der Idee nochmals vorzutreten. Also, meine Herren, seien Sie dock) etwas vorsichtiger, sonst könnte es Ihnen passieren, daß Sie nachher den Rückzug antreten müßten, wenn wir einmal die Sache eingehend erörtern. Also zunächst eine Warnungs tafel: Vorsicht!" Sehen diese ernsten Ausführungen Trimborns als eine „Fastnachtsrcde" aus? Nun drehe man einmal den Spieß um! Ter soziademo- kratische Slbgeordnete Peus in Dessau hat sich bekanntlich für Besteuerung der Konsumvereine ausgesprochen, während die sozialdemokratische Partei gegen eine solche ist. Wollten wir unterschieben und verallgemeinern, wie es die sozial demokratische Presse vielfach gegenüber dem Zentrum tut, so würden wir sagen: Die sozialdemokratische Partei ist für die Besteuerung der Konsulnvereine und ihre Stellungnahme gegen Pens ist nichts als elende Heuchelei! Könnte und würde die Sozialdemokratie ehrlich einen solchen Vorwurf ruhig sich gefallen lassen? — Wo es sich aber um das Zen- trum lxindelt, ja Bauer, das ist ganz lnas anderes! Au- Stadt uud Land. —* Eine Mahnung an gedankenlose Ausflügler. Das Wegwerfen und Zertrümmern von Flaschen und dergleichen scheint nachgerade zu einem Sport der Sonntagsausflügler in der Umgebung der Großstadt werden zu wollen, wie man sich allerorten auf Wald und Wiesen, besonders in der Heide, überzeugen kann. Wieviel Unheil hierdurch angerichtet wird, davon haben die Be treffenden in ihrem Uebermut und Unverständnis kaum ein' Vorstellung. Im Verlaufe des Sommers ziehen sich viele arme nnbeschnhte Kinder schlvere Fußleiden durch die Glas splitter zu und fast ebenso häufig entstehen schwere Ver wundungen im Magen und Schlund der verschiedenen Haus tiere, abgesehen von vielen anderen Kalamitäten. Es sollten doch diejenigen, welche sich an der Natur erfreuen, so viel Rücksicht auf ihre Umgebung nehmen, daß derlei krasse Fäll.^ mögliclstt ausgeschlossen werden. ! Leipzig, 24. April. Dr. Paul Liman, der politische Redakteur der hiesigen „Neuesten Nachrichten", ist mit der Verurteilung des Redakteurs Kressin von der „Leipziger Volkszeitung" nicht zufrieden. Er zeigt heute in den „Neuesten Nachrichten" an, daß er den Redakteur Kressin abernrails, und dazu noch die Redakteure Mehring un"» Seeger wegen Beleidigung belangen werde. Die „Leipz. Dolksztg." teilt heute ihren Lesern mit, daß das Gericht nunmehr Gelegenheit haben werde, über die von Liman systeniatisch betriebene Verleumdung zu befinden. — In letzter Zeit sind hier viermal auf Damen, die Handtäschchen in der Hand trugen, nach Eintritt der Dunkelheit Raub anfälle ausgefllhrt worden. Wahrscheinlich kommt in allen vier Fällen dieselbe Person, ein junger unbekannter Mensch von 20 bis 22 Jahren, als Täter in Frage. Das Polizei amt setzt auf die Ermittelung des Täters eine Belohnung von 50 Mark ans. — 15 Studierenden unserer Universitär ist durch Exmatrikulation das akademische Bürgerrecht ent zogen worden, weil sie trotz Aufforderung ihre Legitimations karten nicht umgetauscht haben. — Nach dem Andrang zur Immatrikulation in den ersten Tagen ist auf einen starken Besuch unserer Universität auch während des Sonnner- semesters zu rechnen. Neichenbach i. V. An der verlängerten Waldftratze l rannte die auf freiem Felde stehende Krumbholzschc Scheune. Der Nachbarschaft gelang es, den Brand, dem vorsätzliche Brandstiftung zu Grunde lag, zu löschen. Das Feuer tvar an zwei Stellen im Innern der Scheune angelegt worden. Als Täter wurde noch in der Nacht der 38 Jahre alte Fabrikarbeiter Peukert, Schneidenbacher Straße 12 wohnl)aft, festgenommen. Peukert sckxnnt die Tat in einem Zustand plötzlich überkommener Geistesstörung ausgeführt zu haben. Er hat wie ein Wilder gelxmft und sich mit dem Beile Zugang zur Scheune verschifft, indem er die Tür zer- liackte. Er hat ferner noch zwei in der Nähe der Scheune flehende Straßenbäume, eine Eich- und eine Linde, mit dem Beile uingelxickt. Die Bäume und das Holz hat er in den Hof seiner Wohnung geschleppt, auch eine Menge Gerät schaften aus der Scheune tvährend des Brandes sich ange eignet und in seinem Hofe aufgestapelt. Er hat zu seiner Arbeit nicht weniger als vier Beile gebraucht und davon drei zerbrochen. Der Mensch wurde seiner Gemeingefähr lichkeit wegen in Haft genommen. Reichcnbach. Wegen Verkauf von unsittlichen Bildern, sogenannte Ziehkarten in mehreren hiesigen Gastwirtschaften wurde der Handlungsgehilfe Gustav Wenzlaff vom Land gericht Plauen zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Schönheide, 23. April. Der Besitzer der Restauration „Zum grünen Tal", Herr Kätscher, wurde auf dem Rück wege von Schöneck. wo er vergeblich eine Kuh zu kaufen gesucht hatte, von 3 Unbekannten angefallen und mit dem Revolver bedroht. Als sich Herr Kätscher verteidigen wollte, erhielt er einen heftigen Schlag auf den Hinlerkopf, worauf die Räuber ihm seine Barschaft von 320 Mk. ab- nahmen und im Walke verschwanden. Reichenberg, 21. April. Der Hauptausschuß des deut schen Gebirgsvereins für das Jeschken- und Jsergebirge hat beschlossen, den Bau des Jeschkenhauses sofort zu beginnen. Schon in den nächsten Tagen wird mit den Steinarbeiten auf der Koppe begonnen werden . Die Sammlungen haben bis jetzt dm ansehnlichen Betrag von 52 000 Kronen er geben: die Bausumme beträgt 120 000 Kronen. Die Voll endung des Baues ist mit Schluß der Bausaison zu ge wärtigen. Warnsdorf. Der Wiederaufbau der Spitzberg- Restauration, die vor einiger Zeit abbrannte, geht seiner — 68 — schüft führte eine alte, schmutzige Magd, und seitdem hatte fein Vater jeden sittlichen Halt verlorm. In gleicher Weise, wie sein Reichtum anwuchs, schwanden bei ihm Sinn für Recht und Pflicht, und die niedersten Triebe des Hasses, des Betruges, der Roheit und die Laster des Geizes rmd des Trunkes gewannen immer größere Macht über ihn. Niels, der das warme Herz feiner Mrrtter und deren Sinn für Recht un- Ordnungsliebe geerbt hatte, sah mit tiefster Betrübnis, wie sein Vater von Stufe zu Stufe sank und wie sein weites Gewissen schon so viel Unrecht verschuldet hatte. Das Wort des Pfarrers: begangenes Unrecht wieder gut zu machen, brannte ihm wie Feuer in der Seele und'er war fest entschlossen, keinen Heller des ungerecht Erworbenen anzunehnren, weil er überzeugt tvar. daß darauf kein Segen ruhe, vor allem aber, weil er an den armen Fischern gut machen wollte, was sein Vater an ihnen gesündigt hatte. Und dann dachte er an Karin, die ihm so teuer war. Eine heiße Sehn sucht nach ihr erfaßte ihn und zugleich eine bange Sorge um ihr Wohl. Wenn dem Dorfe Unheil drohte, dann tvar auch sie in Gefahr: die Angst um sie trieb ihm das Blut zum Herzen. Aber fiir den Augenblick standen die Naturmäckste seiner Sehnsucht nach der Heimat und dem teuren Mädchen im Wege und er mußte seine Wünsche beztvingen. Und da er mit seinen Schiffen nicht ins Meer gehen konnte, so fcljweisten seine Gedanken nach der Hcinint, Tag und Nacht wunderten sie über das tveite Meer. Er trärrmte von einem schönen, friedlichen und glücklichen Leben auf der stillen Insel, die er trotz ihrer Armut und ihrer Weltabgcschiedenheit über alles liebte — denn sie war ihm die Heinrat! Er sah Karin an seiner Seite, lächelnd un- heiter, in Schönheit und Jugend strahlend, er wollte sie durch seine zärtliche Liebe und Sorge eni- ichädigen für all das Bittere und Harte, das sie in ihrer Jugend im Hause seines Vaters erlitten hatte, er »vollte das Unrecht sühnen, das an ihr durch eine lange Reihe von Jahren begangen worden war. Wo sie einst erniedrigt mrd verachtet worden war, da sollte sie geehrt und erhoben werden und dt- erste sein in dem kleinen Reiche seiner Heimat, feine Sonne, seine Königin! Wo Haß und finstere Rache gebrütet hatten, wo Bosheit, Unrecht und Laster wucherten, da sollten Liebe und Güte neue Welten schaffen, neue Menschen bilden, da sollten Glück und Frieden blühen! Ein kleines Paradies wollt'' er hervorzaubern, arbeiten und sich freuen. Da sollten glückliche, stark: Menschen aufsprosfen, die sich vor den Stürmen des Lebens und des Meeres nicht zu fürchten brauchten, weil ihr Leben auf Glaube unb Treue, auf Gott vertrauen und ehrliche Arbeit gegründet war. Ms Niels am dritten Tage wieder rastlos über den Hafendamm lief, fiel ihm ein Herr auf, der gleich ihm stundenlang aufs Meer hinausblickte und mit Ungeduld auf einen Umschlag des Wetters zu warten schien. Es war ein Mann zu Anfang der fünfziger Jahre, hoch gewachsen, aber mit gebeugtem Rücken und sehr bleichem Gesicht. Die Stirne war von einer schwarzseidenen Binde umschlungen, die von einem tief herabgezogenen Hute teilweise verdeckt wurde. Die rechte Hand hielt einen kräftigen Stock mit silberner Krücke, der von Zeit zu 'Zeit ungeduldig auf den Boden gestoßen wurde, die linke Hand und der Arm waren durch einen wetten Mantel ver hüllt: aber cllS einmal der Wind den Mantcklflügel lüpfte, gewahrte NielS. daß Arm und Hand fehlten und ein leerer Aermel von der linken Schulter herunter baumelte. — 65 — Da klang ein Schrei von den Lippen der Frauen, hell wie ein Hoffnungs- ruf. „Bei diesem Wellengang?" sagte eine. Aber Karin ließ sich nickst entmutigen. „Noch in dieser Stunde gehe ich auf die See. Habt Mut — Gott ist mit mir!" Festen Schrittes ging sie znm Pfarrhause; nach wenigen Minuten kam sie aus ihrer Kammer herab, stark und still, ein freudiges Leuchten in den dunklen Augen. Sie trug die Kleidung, die sie als die verachtete Gänsemagd der Insel getragen hatte: den kurzen Friesrock, die schweren Schuhe, ein Weißes Tuch um den Kopf und einen kurzen, dicken, geflickten Wettermantel um die Schultern. Aber trotz dieser ärmlichen Kleidung sah sie aus wie eine Heldin. So trat sie vor Len Pfarrer, der sie verwundert anblickte. „Was willst du, Karin?" fragte er beklommen. Da kniete sie vor ihm nieder und blickte flehend zu ihm empor. Er war seltsam still geworden, der Pfarrer, in den letzten Lagen, un- so bleich, so bleich . . . „Ich will aufs Meer hinaus und Hilfe holen," sagte Karin fest. „Aber Kind," sprach der Pfarrer. Das ist ja der sichere Tod." „Ich will das Unheil sühnen das ich früher angerichtet habe, sonst kann ich nicht mehr ruhig loben." „Aber d u hast es ja schon gesühnt," sprach Pfarrer Holge, „mehr als gesühnt." Sie schüttelte Las Haupt. „Die Schuld ist in meiner Seele geblieben," sagte sie, „ich fühle es und und ich will endlich Ruhe lMbeir, Ruhe . . . Herr Pfarrer, geben Sie nnr den Segen zu der Fahrt ..." Ihre Stimme zitterte mm doch, als sie in sein bleiches Gesicht sah. Und dieser wußte nun, daß ihr Entschluß unerschütterlich war. Da legte er seine bleichen, zitternden Hände auf ihr Haupt und sagte, während ihm die Tränen aus den Augen und über die hageren Wangen liefen: „Gott segne und schütze dich, du tapferes, grrtes Mädchen . . ." Dann war es aber mit seiner Fassung zu Ende: der starke Mann brach zusammen und schluchzte wie ein Kind. Karin erfaßte seine Hände, drückte ihre heißen Lippen darauf und sagte - ..Nicht tveinen, Herr Pfarrer — es muß sein! Ich tue es ja mit Freuden. Und dann ... ich danke Ihnen für alle Liebe und Güte! Ta alle nrich haßten und mit Füßen traten, da waren Sie allein gut Mt nrir, haben mich beschützt und mich aufgerichtetI . . . Sie haben mir die Hand gereicht und mir den Weg zum Leben gezeigt! . . . und daß meine Seele nicht verschmachtete, daß sie sich ans Elend und Qualen emporrang zum Licht, das war Ihr Werk! Sie haben mich das wahre Christentum gelehrt und die wahre Liebe, die im Glauben und im Himmel wurzelt! . . . Sie haben einen Menschen aus mir gemacht, einen vertrauensvollen, gläubigen, gattesfrohen Menschen, und dafür danke ich Ihnen aus tiefster Seele . . ." „Mein Kind, mein armes Mädchen," stammcklte der Pfarrer, und die Frauen ringsum fingen an zu weinen bei dieser erschütternden Szene. „Betet für mich, indes ich auf dem Meere bin," bat sie. „weinen nützt nichts!" Dann vergrub sie ihr Gesicht in des Pfarrers Hände und durch ihren Leib ging ein Zittern und Schluchzen. „Leben Sie wohl!" sagte fie und riß .Die Meere»br«rt." "