Volltext Seite (XML)
Beilage z« Rr. SS der „Dächflscheu Bolkszeituug" vom 2S. April LVVV. Die katholische Kirrde iu Rußland. Der Kaiser hat jetzt die Bestimmungen über die katho- lisch« Kirche, welche der Ministerrat erlassen hatte, geneh migt. Wie sckxm früher berichtet, sind sie viel liberaler als die bisher giltig gewesenen. Es bleibt aber nur ein Beden ken: Alles ist so ziemlich vom Wohlwollen des Ministers des Innern abhängig, der, wenn er gegen die katholische Kirche voreingenommen ist, viele Schikanen anwendcn kann. Nun ist Graf Witte ungleich duldsamer in religiöser Hinsicht ge sinnt, während Durnoivo noch immer am liebsten alles für die „Prawoslawni", die Orthodoxen, gestalten möchte. Graf Witte läßt ihn gewähren, weil er die Frage als nicht wich tig genug erachtet, um daraus eine Krise entstehen zu lassen. Der „Augsb. Postztg." ivird von ihrem Petersburger Korrespondenten ein anschauliches Bild über die Art und Weise geliefert, wie Durnowo die Toleranzgesetze bereits auszulegen beginnt. So begünstigt er, wie der Korrespon dent mitteilt, ganz offensichtlich das Treiben der Maria- witen in Polen, auch wenn es mit wüsten Ausschreitungen gepaart ist, weil es der katholischen Kirche Schaden bringen kann. Andererseits macht er wieder von den Bestimmungen des Toleranzerlasses Gebrauch, wenn er damit direkteir Nutzen für das Zarenreich stiften kann. Volksmissionen zur Bekämpfung des sozialrevolutionären Umsturzes tverden in jedem Umfange bewilligt. Andererseits wird jeder Eifer in dem Vollzug religiöser Pflichten von den Organen des Ministeriums als — Friedensstörung gedeutet. Volksmissi onen in Politisch ruhigen Gegenden werden nirgends gestat tet, weil sie im stände wären, der orthodoxen Kirche Abbruch zu tun. So ist zum Beispiel verboten worden, daß Mädchen, die zur ersten heiligen Kommunion gehen, weiß gekleidet zur Kirche kommen, weil dies eine — Demonstration sei, die den Frieden stört! Ebenso hat sich Durnowo bewogen ge funden, anzuordnen, daß auf katholischem Wegkreuzen nur Stellen aus der Heilgen Schrift verzeichnet stehen, weil an dere Inschriften das „Volk" erregen könnten. Die Klosterfrage ist durch die neuen Bestimmungen formell, nicht aber in der Praxis gelöst »vordem Die Klö ster sind längst geschlossen, die Insassen auf den Aussterbe etat durch das Verbot der Aufnahme junger Novizen gesetzt worden. In Notvemjasto befinden sich Kapuziner- und Disitandiner-, in Czenstochan Paulisten-, in Wilna Benedik tiner und in Grodno Bernardiner-Niederlassungen. Die mei sten haben nur einen Insassen. Im Jahre 1774 gab es in Littanen 72, in Polen 69 Klöster, die Zahl der Insassen eines solchen betrug nie mehr als 20, gewöhnlich nur 6 bis 10. Jetzt bedürfte die katholische Kirche in Rußland so dringend der Ordensleute, um Posten versehen zu lassen, die noch keinen ständigen Geistlichen haben. Es gibt Ka tholiken, die jährlich einmal einen ihrer Priester zu sehen bekommen. DaZ Bedürfnis nach Seelsorgern wird dazu immer größer. Im Gebiete der ehemaligen Diözese Chelm, die unter Alexander ll. geivaltsam mit militärischem Auf gebot und Sakrilcgien zur Orthodoxie „bekehrt" wurde, sind rund 50 Pfarreien neu erstanden —> Pfarreien ohne Pfar rer. Ordensgeistlichen aus dem Auslande werden nur unter vielen Beschränkungen in diesen der Orthodoxie wieder ver lorenen Gebieten zugelassen. Dagegen wird der Staatskirche die größte Äktionsfrei- heit gegeben werden. Die Bischöfe derselben beraten ja jetzt schon in Petersburg darüber, mit welchen Mitteln die ortho- doxe Mission unter den Katholiken betrieben werden solle, um sie wirkungsvoll zu gestalten. Hier wird nichts „Frie densstörendes" in der Propaganda gefunden, weil sie der Staatskirche von Nutzen ist. Die katholischen Abgeordneten in der Duma haben aber jetzt Gelegenheit, Beschwerden zu erheben, wenn Uebergriffe Vorkommen. Es sind zwei ka tholische Geistliche aus den Gouvernements Grodno und Witebsk, zwei Bauern und zwei Grundbesitzer katholischer Konfession gewählt worden. Es werden Wohl noch acht bis zehn katholische Deputierte aus Wilna und Kowno in der Duma sitzen. Die kleine Gruppe kann im Verein mit den toleranten Liberalen wohl manches Gute für die katholisck)e Kirche erzielen. Aus Stadt und Land. — * Man schreibt uns aus protestantischen Kreisen: „Die Behauptung gewisser Blätter, daß die endliche Verurteilung des Müitärpfarrels Bachstein wegen unflätiger Schmähung der katholischen Kirche in evangelischen Kreisen irgendwelche Erregung hervorgerusen habe, ist eine leere Erfindung der evangelischen Bündler. Daß der Fall diesen zur Lehre diene und auf sie er zieherisch wirke, hoffen wir! Denn an den oft ordinä-en Schmähungen der katholischen Lehre usrv. in den Bundes versammlungen nehmen nicht nur etwa anwesende Katho- liken, sondern euch solche Protcsranten Anstoß, die nicht zu den extremen Hetzern und evangelischen Fanatikern gehören. Hoffentlich wird der Ton in den Bündierver- sammlnngen ein anständigerer und gemäßigterer. Die Herren können sich ja an den so schön und ruhig ver laufenen Katholikentagen ein Muster nehmen!" . . . —* Dritte deutsche K u n st g c w e r b e a u s - st ellung Dresden 1906. Sehr interessant wird in der Ausstellung die Abteilung Schulen sein. Tenn sie soll zeigen, inwieweit auf deutschen Schulen die direkte Arbeit i»i Material betrieben wird, es kommen also nur ausge führte Gegenstände in Betracht. Interessant wird es sein, zu beobachten, wie verschiedene Kunstgewerbeschulen die Raumkunst Pflegen in durcl>gebildeten Ausstellungsräumen, wo die Architekturklassen die Raumlösung als solche bear beiten, während die Fachklassen der Dekorationsmaler, Bild- lmner, Glasmaler usw. die ihnen Anfallenden Aufgaben selbständig und sich sinngemäß unterordnend lösen mußten, wie es auch in der Praxis sein möchte. Während Preußen, Württemberg und Baden sich darauf beschränken, ihre spe ziell kunstgewerblichen Fachschulen vorzuführen, wird Sach sen zum ersten Male den lehrreichen Versuch machen, zu zei geil, wie der Matcrialunterricht bereits in den Zeichenunter richt der Volks- und Mittelschulen eindringt, wie er gleich zeitig in den Handfertigkeitskursen gepflegt wird, wie ihn die Handwerker- und Jnnungsschulen weiterspinnen bis zu den größeren Fach- und Kunstgewerbeschnlen. Da in die- fern Sinne bisher noch keine Schulausstellnng ins Werk ge setzt wurde, ist zu hoffen, daß sie den heutigen Widerstreit der Meinungen klären helfen wird, das heißt ob es besser ist für die Geschmacksbildung, „einen schematischen Lehr gang cinzuhalten" oder das individuelle Empfinden je nach Alter und Können verständig zu leiten. —* An der Königlichen T u r n l e h r e r b i l d u n g S - A nstalt zu Dresden beginnt am 11. Juni ein Kursus zur Ausbildung von Turnlehrern. Die Teilnehmer an diesem Kursus müssen mindestens den vollen Nachmittag jeden Wochentages zur Verfügung haben. Gesuche um Zulassung sind unter Beifügung 1. des Geburts- oder Taufscheines, 2. eines ärztlichen Gesnndleitszeilgiiisses, 0. eines amtlichen Zeugnisses über die sittliche Führung, 4. eines selbstgcfer- tigten Lebenslaufes, 5. der Zeugnisse über die genossene wissenschnstliche und turnerische Vorbildung bei dem Kultus ministerium bis zniii 21. Mai einznreichen. Diejenigen Aspiranten die auf keiner höhereil Lehranstalt ihre Vor bildung genossen, haben sich vor Zulassung znin Kursus einer Prüfung über ihre allgemeine Bildung zu unterziehen. Studierende der Pädagogik an der Universität Leipzig werden darauf aufmerksam gemacht, daß ihnen der Eintritt in den Kursus noch bis zum 20. August gestattet wird. ! Leipzig, 26. April. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag verstarb hier im 64. Lebensjahre der Mii- inhaber der Firma I. I. Weber l„Leipz. Illustrierte Ztg."> Johann Jakob Weber an den Folgen ei ne4 Unfalles. Der Verstorbene war in Fachkreisen eine sehr geschätzte Persön lichkeit und auch als Mensch sehr geachtet. — Tie Nieste, welche heute begann, ivar recht gut besucht, da das Wetter einigermaßen anhielt. Nach 9 Uhr abends setzte aber der obligate Meßregcn ein, der das Geschäft ein wenig verdarb, ftil nächsten Jahre wird die Messe bereits auf dem neuen Platz am Frankfurter Tor obgehalten werden. — Bei der Enthüllung des König-Albert-Denkmals in Dresden ivar die Studeiiteniclnft der Universität Leipzig durch eine aus vier Herren bestehende Abordnung des Stndentenanssckmsies vertreten. — Der Kölner Männergesangverein, der oin Freitag hier konzertierte und großen Erfolg errang, be sichtigte noch das neue Rathaus, das Städtisch' Museum, das Geirxriidlians und hörte sich die Motette in der Tboinas. kirch an. Ein Conderzug führte dann die Kölner Gäste nach der Wartburg. Wöhren. Am 1. Mai d. I. wird die vollspnrige Haupt bahn Mahren — Schönefeld mit Abzweigstrecke Thekla Heitcrblick dem öffentlichen Verkehr übergeben. An der neuen Bahnlinie liegen die Bahnhöfe Wiederitzsch und Thekla und der Vorbahnhof Mockau. Die Bahnl)vfe Wiederitzsch und Tbekla sind für die Abfertürnng von Fracht- stückgiit, Wagenladungen, Leichn und Fahrzeugen einge richtet. Abfertigung von Eilgut, lebenden Tieren, Spreng stoffen und Privaitelegrammen ist ausgeschlossen. Mit dem gleichm Zeitpunkt wird der an der Strecke Btt er seid - Leipzig gelegene Bahnhof Gebl)ardt für den öf senil ich u Verkehr geschlossen. Frohburg, 26. April. Tie neuerbaute Eisenbahnlinie von Frobbnrg nach Kohren wird am 1. Mai dem Betrieb.' übergeben werden. Tie nach jeder Richtung verkehrenden sechs Züge, die sämtlich nur die 3. Wagenklasse führen, ver- nriiteln im allgemeinen günstige Anschlüsse von und nach Leipzig und Chemnitz. Gei,er, 26. April. Am 1. Mai wird die Bahnlinie I 'I 'FI I — 60 — »« sein Reichtum, den er mit gierigen Armen umklammert hielt, vermochte ihm nicht einmal ein Stück Brot zu verschaffen. Die Not stieg mit jeder Stunde, der Hunger wühlte immer grimmiger in den Eingeweiden der Frauen und Kinder, die meisten Kinder waren, er krankt, drei davon bereits gestorben. lftrd mit heimlichem Grauen nmßten die Unglücklichen sehen, wie nicht allein das Gespenst des Hungers sie angrinste, sondern wie der unerbittliche Sensenmann, der Tod, mit Stundenglas' und Hippe, den Hügel emporstieg, die kalte Hand ausftreckte und die blanke Sense hob, die furchtbare, um eins um das andere niederzumähen, eins um das andere . . . erst die .Kinder, dann die Greise und zuleßt, ganz zuletzt . . . die starken, jungen, lebensfrohen Frauen . . . Und da klang eines Morgens die Glocke vom kleinen Turme, schaurig tönte der Klang, als ob das Erz zersprungen wäre, als ob sie Blut im Munde hätte . . . Und der Alte, der noch so viel Heidentum in seiner Brust mit sich herum- trug, der hing am Glockenstvange. Als die Leiste zusamurenliefen und ihn fragten, ivas das zu bedeuten habe, sagte er geheimnisvoll: „Einen Traum Hab ich gehabt, heute in der Nacht. Eine schöne, zornige Meeresfrau stand neben mir und sagte: ehe ihr uns nicht euer Gold opfert, eher geben wir nicht Ruhe und ihr müßt alle sterben." Die Frauen standen starr. „Wir haben aber kein Gold." Nur eine sagte laut, daß es der Alte hören konnte: „Wir haben Gold die Menge. Ich weiß es gewiß und will es nicht mehr verschtvcigen, daß wir nicht sterben müssen. Lars Märten hat einen Sack voll Gold. Ich habe sein leises Klirren gehört, als wir ihn aus dem Boote hoben und herauftrugen zu des Pfarrers.Haus." Da fuhr der Alte wild empor: „Seht ihr. mein Traum. Nur das Gold kann uns retten." Und init starker Stimme schrie er: Und die Meerbraut fesseln Wir mit lanterm Golde." „Wir wollen nicht sterben," riefen die Frauen, die in ihrem Hunger, in ihrer Sorge und Verzweiflung ganz unter dem Banne des heimtückischen Alten standen, die in ihrer Angst nicht bedachten, wie unsinnig der Rat des vor Hunger halb wahnsinnigen Alten war, und denen jedes Mittel, sich zu er- halten, ivillkommen war. „Wir nehmen ihm das Gold und opfern es den zor- nigen Wasserfrauen . . „So komnst," rief der Alte, „folget nur. Wir wollen uns Las Gold holen und unser Leben damit erkaufen." Mit ausgestrecktcn Händen, hocherhobenen Hauptes schritt er den Frauen vorjui, die ihm finster und drohend zum Hause des Pfarrers folgten. Aif -er Schwelle der Tür trat ihnen Pfarrer Holge entgegen: er war sehr bleich, aber gefaßt und ruhig. Ihm dauerten die armen Menschen, und es zerriß ihm das Herz, weil er ihnen nicht helfen konnte. „Was wollt ihr?" fragte er die Ankommenden. „Das Gold LarS MärtenS," sagte der Alte. „Ader mein Gott, wozu? Es gibt nichts zu kaufen auf unserer armen Insel, und auch in der Not muß man das Gebot Gottes achten: Du sollst nicht stehen! Las Gold nützt euch nichts." .„Gut ist's Gold zu hoben, Geht man auf die Freite, Naht mit leeren Händen Nickst der blauen Ran, *) Kalt ist sie zu küssen. Flüchtig zu umarmen. Doch die Meerbraut fesseln Wir mit lauterm GoldI" Der Alten rauhe Stimme tönte schauerlich in das Unwetter hinein und die Frauen lauschten mit angstvollen Gesichtern der alten Mär. „Halb begraben batte schon die Welle das Schiff," fuhr der Alte fort „da sprach Frithjof zu seinen Mannen: „Solch ein wildes Wetter sendet Wal hall nicht! Böser Zauber ist im Spiele und Helges Haß beschwor es, mir zu leide. Aber ich will sehen, wie ich mich wehre!" — „Und wie ein Marder flog er nun zur Mastcshöhe und schaute hinab in die wilde Sec. Und schaut — da gleitet vor dem Schiff her ein Wal, riesig groß wie ein urngekipptes großes Segelboot, und ans seinem Rücken reitet wild ein zornig Trollenpaar *") durch das schaumbedeckte Meer: Hejd, an Sie statt wie ein weißer Eisbär, und Ham, die Zwillingsriesenschwester, mit ivei- ten Schwingen, ivie ein Stnrnmar anzuschaun. Die hatte der finstere Helge aus der Tiefe heranfbeschworen, daß sie „Ellide" mit Mann und Maus ver schlängen. „Doch Held Frithjof zaget nimmer. Und er küßt „Ellide", sein treues Schiff und ruft: „Nun, „Ellide", gilt es, rasch zu zeigen, daß dir wohnet Mut in hoher, fester Eichenbrust. Bist du gotteutsprungen: spieße mit dem Kupferkiel den Zauberwal . . ." „Und „Ellide" lauschte des Gebieters Stimme, und sie springt und rauscht auf den Wal voll Grimm: Sich, ein Blntstrahl steigt und rauchet auS der Wunde hoch empor und das Untier tauchet in den Mceresabgrund. Und zwei Lanzen fliegen aus Jung-Frithjoss Hand, bohren sich in Hejd und .HainS weiße Brust, daß sie jäh versinken . . . „Sturm und Wogen schweigen, glatt und ruhig liegt die See und die holde Sone tritt nun goldig wie eine Königin auS dem Nebelmcer und ferne winkt den müden Kämpfern der grüne Strand mit Felsenhöhe und WaldeS- grund . . . „Seht nun: wenn wir Goldes genug hätten, es den wilden Meerfraneu zu opfern, da müßten Sturm und Wellen schweigen . . ." Eine der bleichen Frauen flüsterte: „Ich weiß, iver den goldenen Schatz im Arme hat, der uns retten könnte: aber der ihn besitzt gibt ihn nicht gut willig frei . . Doch der Alte hörte die Worte nicht, sondern sagte: „Und das ist die Mär von Jung-Frithjof und wie er daS wilde M»er bezwang und bösen Zauber brach." Und inin Hub er wieder mit seiner rauhen Stimme an zu singen: aber diesmal klang die Weise hoch und laut: > > I - 1 i