Volltext Seite (XML)
Frauenarbeit im Zentrum (kemniir, Ivicksu, blauen Oer Arbeitskonflikt in Chemnitz Chemnitz, 4 Dezember. Wie wir zu dem Arbeitskonflikt bei der Chemnitzer städtischen Straßenbahn erfahren, haben am Mittivochnachinitlag zwischen Vertretern der Stadtverwaltung und dem Gesamiverband der Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe Verhandlungen slatlgefunden. Es wurde grundsätzlich festgclegt, das; diejenigen Arbeitswilligen, denen seinerzeit von der Stra- tzenbahndirektion zwecks Verkürzung der Arbeitszeit gekündigt worden ist. weiterbeschästigt werden. Die Regelung der Arbeits zeit im Einvernehmen mit der Gewerkschaft soll unmittelbar be- vorstehen. Tie Straßenbahndirektion hat hierbei bekannt gegeben, das-, eine Wiedereinstcllung der am Streik mittelbar oder unmittelbar Beteiligten nicht in Frage komme. » Tie Slrafzenbahn konnte am Mittwoch ihren Betrieb in er weiterten! Umfange aufrcchlerhalten. Wie wir bereits meldeten, beteiligt sich nur ein verhältnismöszig kleiner Teil der Beleg schaft an dem Streik, doch ist es — vermutlich in der Hauptsache von Personen, die dem Streik völlig fernstehen — auch am Mitt woch zu Angriffen gegen Strafzcnbahnziige gekommen In etwa 10 Fällen wurden Straßenbahnwagen mit Steinen be w o r f e n , doch erlitten Fahrgäste und Schaffner nur gering fügige Verletzungen durch Glassplitter usiv. Verschiedentlich kam es trotz polizeiliche» Verbotes z > Ansammlungen und Umzugs- versnchcn, die jedoch von der P iize, stets bald wieder zerstreut wurden. Es erfolgten, wie schon an anderer Stelle gemeldet, zahlreiche Sistierungen. Von den im Laufe des Vormittags fest genommenen Personen hatte eine auch Sprengkapseln bei sich, hatte aber keine Gelegenheit, Unheil damit zu stiften. I Der Heimat- und Geschlchtsvereln Tckirgiswolde, Kirschau und Crostau hielt am Montag im Erbgericht zu Schirgisivalde nach längcrcr Pause wieder eine gutbesuchte Versammlung ab. Zwei Mitglieder, Frau Schulrat Steude und Herr Sondikus Tr Ibach, hat der Tod aus den Reihen des Vereins gerissen. — Als Redner des Abends sprach Herr Heinrich, Neusalza- Cnrembcrg, über „Wiprecht v. Chroitsch". Ter Vortragende, der seine Darlegungen über diesen zielstrebigen, tapferen Mann des zeitigen Mittelalters hauptsächlich auf die Pegauer Annalen von 1101 stützte, führte damit die Versammlung zurück in die Zeit von 1050—1121, deren Anschauungen, Sitten und Gebräuche für den heutigen modernen Menschen fast nicht mehr tastbar sind. Wiprecht v. Chroitsch (Groitzschs stammte aus der Gegend von Stade. Wegen seiner tatkräftigen Hilfe erhielt er von seinem Kaiser Heinrich I V. graste Besitzungen, darunter Groitzsch, Leisnig und die Markgrasschaft Budist'in. In kluger Weise be diente er sich bei der Kultivierung seines Reubesitzes vielfach dem Benediktiner-Mönche. Nach einer Bustsahrt nach Rom und dem Wallfahrtsort St. Jakob di Compostella in Spanien er baute er zur Erlanoung des eignen Seelenheils das Kloster St. Ialwa in Pegau. Vier Bischöfe und ein Abt besuchten ihn aus scstici» Kranken'ager. ein Zeichen seiner grasten Bedeutung für seine Zeit. — Herr P'orrer Mott und Herr Amtsgerichtsrat Tr. Poeschel reihten noch mehrfach Erläuterungen an. Herr Smoboda leate der Versammlung zwei Triginaldrucke de-' Obor- reithschen Karten der Lausitz vor, davon eine mit den Grenzen der Republik Schirgiswalde. Am 11. Januar 1001 hält der Verein im Erbaericht zu Kirschau seine Hauptversammlung gb, Z«. Aus der Arbeit des Geb'rgsvereins für die Sächsische Schweiz. Am Sonntag fand in Pirna die Herbstobgeordneten- versammlnng des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz statt. Ter Vorsitzende. Regierungsrat Pros. Tr. Lampe, Dresden, gedachte zunächst mit ehrenden Worten des Ehrenmitglieds und früheren Bo-gilzenden Pros. Meiche. der kürzlich sein 00. Le bensjahr vollenden konnte. — Ter Reinertrag aus den vom YNUKttz ^6?lM30lls?gex0k6Nl< chircb !<k'Ü0fl6lfÜk'80k'l16-66!l!!0tt6k'!6 8 00. 6S000 — 6er»sv1qewinn kl 00. 20 000.— Vvppetlos Häekstqevvlnn kl 00. 10N00.— klnrellvs-kköckskgewvln 8 00. 12 000.— 2 Hsvvtqewinne kl 00. 8 000.— 2 Prämien. SieluwK ändert bereits 13,/l^ De/emter. llmrellose ru t,— uncl llapvelmm ?u 2— sowie Oläcksbriele mit 5 und I» ver- sotneclvoen lr nrollosen ru 5.— oder ^ 10,— in rillen Oos- geschtillen oder direkt duicb ?3csi-iscsie Vobllrdirts - stotterten, Nresäen t. ZVaisenksusstreLe 28. Arbeilsmarkl und Neichspost Der Reichsfrnuenbeiiat der Deutschen Zentrumspartet hatte am 4. November eine Eingabe betr. die Nationali sierung und Technisierung bei der Neichspost an den Neichs- postminister eingereicht. Unter dem 13. November 1930 ersolgte die Antwort, aus der folgendes entnommen sei: „Das Tempo der Rationalisierung wird bei der Deutschen Reichspost wegen der schwierigen Lage des Arbeilsmarktes, so weit es sich mit dem Ziele wirtschaftlicher Vetriebssiihrung irgend vereinbaren lägt, künftig verlangsamt werden. Ferner habe ich für den gesamten Bereich meiner Verwaltung an geordnet, daß alle Maßnahme» unterbleiben, die geeignet wären, die Arbeitslojigkeit zu steigern; so wird z, B, die Zahl der für den Verkehr mit de» Postbenutzern festgesetzten T>enststunden nirgends verringert; beim Weihnächte- und Neujahrsverkehr werden Ueberstunden nicht nur beim Helfer-, sondern auch beim Bcamienpersonal möglichst vermieden werden, damit dadurch eine größere Zahl von Helsern im Dienste belassen werden kann. Zwischen den einzelnen Oberpostdircktionen und den einzelnen Städten sowie zwischen den verschiedenen Aemtern innerhalb der arößeren Städte ist ein weitaebender Ausgleich vorgeschrie- Vcrcin nnterhalienen Bootsfahrten ans der Oberen Schleuse soll ausschließlich zu Wohliätigkeitszwecken Verwendung finden, — Obeestaatsarchivar Tr, Brabant berichtete über die Abtei lung Gcichichie im Gebirgsvcrein, die sich in erfreulichem Auf stieg befinde, — Handelsschuloberlehrcr E m m e r i ch - Scbnitz mnchie aussührliche Mitteilungen über die im November in Teische» abgehalienc Zusammenkunft der sächsischen und .nord böhmischen Gcbirgsvereine, Gemeinsam mit der Bergwacht Sachsen und dem Verein für Radfahrwege soll im Januar 1931 eine Geldlotterie veranstaltet werden, deren Ertrag, soweit er dein Gelnrgsverein zuslieszt, siir gemeinnützige Zwecke ver wendet werden soll. Auch ein Weihnachtswunsch Noch knapp drei Wochen trennen uns vom heiligen Weih nachtsfest. Tausende und aber Tausende von Händen regen sich seit Wochen und Monaten für uns in Fabriken, Betrieben, Kontoren, Geschäftshäusern, um alle jene Waren scrtigznstellcn, die zur Verschönerung des Festes beitragen sollen, Weihnachten soll auch für sie ein Fest der Freude sein. Auch sie will das Fest innerlich erleben und einen tiefen Weihnachts- srieden in sich auinehmen. Wir alle, die wir Käufer sind, trogen dazu bei, das Wcilmochtssest der Verkäuferin zu gestalten, je nachdem wir zur Erleichterung oder Erschwerung des Vcr- känfcrinncnberufes vor Weihnachten beitragen. Die goldenen Regeln für den Weihnachtsvcrkauf lauten auch in diesem Jahre: 1. Rechtzeitiger Einkauf, nicht in den letzten Tagen vor dem Fest, nicht in den Abendstunden kurz vor Toresschluß, vor allen Dingen nicht an Sonntagen und nicht nach dem eigenen Arbcitsschluß am Hl, Abend. Der Füns-Uhr-Ladenschluß wird letzten Endes vom kaufenden Publikum bewilligt oder verweigert. 2, Bemühe dich, der Verkäuferin den Einkauf so leicht wie möglich zu oestalten, Aus diesem Grunde überlege genau was du kaufen willst, wie weit dein Geld reicht, und suche deine Ein käufe daraus einzustellen. Sei beim Kauf zielsicher. Unterdrücke jede Nervosität und denke daran, daß du die kleinen Unbilden, die mit dem Weihnachtseinkauf verknüpft sind, nur eine kurze Spanne Zeit ertragen mußt, während sie für die Verkäuferin Stunden, Tage und Wochen bedeuten, ohne Unterbrechung, ja ohne Sonn tagsruhe, Erleichtere in der Weihnachtszeit der Verkäuferin ihren schweren Beruf und bemühe dich, auch auf sie Weihnachts- stimmung und Festesfreude zu übertragen. Siehe in der Ver käuferin die Helferin des Christkindes, Sorgen wir alle dafür, daß uns nicht am Hl, Abend unter dem Lichterbaum die müden, abgespannten Züge der Verkäujerin, die uns in letzter Minute noch bedienen mußte, vor Augen stehen mit demBorwurf: „Auch du trägst Schuld an meinem freudlosen Weihnachten, das ich so gern wie du mit offener Seele und wachem Geist begehen würde." Katholischer Verband der weiblichen kauimännischen Angestellten und Beamtinnen Deutschlands, Berlin E2, Nrödei'itrnne 2 den. die an einem Amt entbehrlich find, andern Aemrern, wa Bedarf ist. zugefiihrt werden. Auch Uber das Unterrichts- und Dildungswese» und die Einrichtung von Ausbildungs- und Nachschulungslehrgängen sind eingehende Anordnungen erlassen worden; ich werde auf ihren weiteren Ausbau zur Linderung der Arbeitsnot bedacht sein. Wenn in vereinzelten Fällen trotz aller dieser Maßnahmen Entlassungen nicht vermieden werden können, so wird bei der Auswahl der zu entlassenden Kräfte im Benehmen mit den Betriebsvertretungen nach sozialen Gesichts punkten verfahren " „Dagegen ist eine noch weitere Herab setzung des Leistungsmaßes des Personals aus grundsätzlichen Erwägungen nicht möglich," „Das Leistungsmaß des weiblichen Personals insbesondere ist bereits herabgesetzt worden und be trägt bei der überwiegenden Mehrzahl der Kräfte nur 4614 bis 43 Stunden wöchentlich, wobei die Erfrischungspausen in die Arbeitszeit eingerechnet werden." Zur Entlastung des Arbeits- Marktes „durch Entlassung der verheirateten Beamtinnen unter Wiedergewährung von Abfindungssummen", „wäre eine gesetz liche Ermächtigung, wie sie im Art. ll der Personal-Abbau« Verordnung enthalten war, erforderlich," Ich darf mit der nochmaligen Versicherung schließen, daß die Deutsche Neichspost, soweit es irgend in ihren Kräften liegt, der Lage des Arbeits- Marktes Rechnung trägt und Entlassungen vermeidet." Obst- und Gemüseprelse. Der Rat zu Dresden schreibt uns: Wie wir hor>,n, not die Stadt Berlin gute Erfahrungen mit der täglichen Ermitte lung „angemessener" Kleinhandelspreise gemacht, die unter Mit wirkung der städtischen Markthallen Direktion eine besonders eingesetzte Kommission vornimmt. Diese legt dabei die Leitsätze für die Preisbildung van Gemüse und Obst zugrunde, die unter Führung der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen festgclegt worden sind. Die von der Kommission täglich ermittelien Preise werden ohne Säumnis in geeigneter Weise allgemein bekanntgegeben, auch durch den Rundfunk. Der Rat zu Dresden Ist bereits mit den Berliner Stellen in Verbin dung getreten, uni möglichst schnell eine ähnlicheRegelung auch für Dresden tn die Wege zu leiten, Ueber das Ergebnis seiner Bemühungen wird demnächst weiter berichtet werden, : Zum KraftdroschkensUhrerstreik. Das Presseamt des Polizeipräsidiums teilt mit, daß sich der wenn auch eingeschränkt« Verkehr auf den Droschkenstandplätzen gestern im großen und ganzen in geordneter Weise abgespielt hat. Soweit sich verein zelt, insbesondere auf dem Postplatz und Altmarkt, Unzuträg lichkeiten ergeben haben, hat die Polizei sofort Ordnung ge schafft, Dabei ist erneut die Beobachtung gemacht worden, daß besonders Neugierige der Polizei wieder ihre Arbeit er schweren: und es ergeht deshalb an das Publikum die dringend» Mahnung, sich von allen Ansammlungen fern zu halten, « : Fälsch« IVK-Dollarnoten. In verschiedenen Städten de» Ausk.ndes ist ein 87jähriger Betrüger, etwa 178 Zentimeter groß, bekleidet mit Lederjacke und weichem Hut, ausgetreten« Er hat bei Geschäftsleuten außer Kurs gesetzte 100-Dollarnote» in Zahlung gegeben. In feiner Begleitung befindet sich vev» mutlich seine 27 Jahre alte Ehefrau, Der Unbekannte sprich^ englisch und französisch. Sollte er hier auftreten, übergebe maq ihn der Polizei. : Versteigerung verfallener Pfänder. Das Leihamt de» Stadt Dresoen macht bekannt: Am 11. und 12. »nd vom 1L. bis mit 19. Dezember kommen von 19 Uhr an verfallene Pfän der zur Versteigerung, die vom 16. Februar bis 31. März 1930 verpfändet worden sind, und zwar am 11. und 12. Dezember Uhren. Schmucksachen, goldene und silberne Gegenstände, an den anderen Tagen Stoffe, Kleidungsstücke, Pelzsachcn, Schuhe, Betten. Wüsche usw. Die Pfänder liegen an den Versteigerung», tagen von 8 Uhr an im Versteigerungsraume Hauptstraße 3. 1. Eingang Nathausgähchen, zur Ansicht ans. töemeinöe- unck Verein5ve5«n 8 Dresden. P'fa r r k o n f e r e n z Dienstag, den 9, De zember, nachmittags 3 Uhr in Dresden-Cotta, Gottfried-Keiler- Straße 12/44, Dresden-Iohannstadt. Am Freitag, den 8. Dezember, abends 8 Uhr in der „Union". Huttenstraße 7, Sitzung der H« r z-I e s u - K o n f e r e n z des Vinzentiusvereins, Kurze Nachrichten Segen guter Worte in ganzes langes Jahr irrte Werner Baumann arbeits- los, brotlos durch die Straßen der Großstadt. Die ent setzliche Wirtschaftslage warf ihn mit vielen Tausend anderen erbarmungslos aus einem geordneten Leben. Alle Versuche um eine Stelle, um Gelegenheitsarbeit, um ein wenig Verdienst, scheiterten. Er hatte das Gefühl, als wenn man ihm zu Hause die Bissen im Munde zählte. Tagaus, tagein lief er wie gehetzt von einer Stelle zur anderen, ohne Aussicht auf Erfolg und ohne Aussicht einer auch nur geringen Verdicnstmöglichkeit. Werner Baumann war der Verzweiflung nahe. Groß und stark und gesund war er verurteilt, müßig zu sein und LH ein Faulenzer zu gelten. Ach wie gerne wollte er arbeiten, und wenn man ihm die schwerste ansgetragen hätte, nur Geld verdienen und der Mutter helfen, die cs so schwer hatte, alle durchzubringcn. Das Arbeit;amt hatte keine Stellen zu vergeben, und wenn einmal etwas gemeldet wurde, dann waren wieder hundert andere Pa, die für ihre Familie sorgen mußten und denen ans rein sozialen Gründen die Stelle überwiesen wurde. Wie lange sollte diese Arbeitslosigkeit noch dauern? Immer wieder stellte Werner Vaumann diese Frage sich selbst, und nie wird er Antwort, Eines Tages war er spurlos verschwunden. Nichts hatte er milgcnommen, als das, was er anhattc. Planlos und hungrig irrte er durch die Straßen, Wut und Haß in den Augen und voll Zorn gegen die. die geschäftig dahergingen und am Ende der Woche oder am Ende des Monats ihr gut verdientes Geld nach Hause brachten. In ihm gärte der Gedanke: nimm, was du kriegen kannst, ach, und dieser Gedanke nahm immer festere Form an. Er dachte an kein Gesetz, an keine Ordnung, auch an kein Gebot. Und das war vielleicht das Schlimmste. Denn ein klein wenig Eoktvertrauen hätte ihm gewiß helfen können, über die Schwere der Zeit hin- rveazukommen. . In den ersten Nächten schlief er auf den Bänken der Anlagen. Dann ging er in die Wartesäle der Bahnhöfe, aber immer in der Eier, irgendeinen Streich auszuführen. Tagsüber bettelte er an den Türen der Pfarrämter. Hier erhielt er kleinere Beträge oder Essen. Dann erbrach er an einem dämmerigen Abend in einer Kirche den Opserstock. Was er erbeutete, war wenig, aber mit der Tat wurde er auch gefaßt von einem älteren Herrn, der in einer Nische seine abendliche Andacht gehalten hatte. Er fragte nicht lange, warum er diesen Diebstahl beging, sondern nahm ihn mit auf die Straße und bat ihn, ihm einen Augenblick zuzuhören. Sie setzten sich in den Warteraum einer Straßenbahnhaltestelle. Der alte Herr erzählte dann kurz und rührend von einem, der mit einem ayntta-en Diebstahl sein ganzes Leben v.rpfuslbt hätte und für den er zu beten immer verpflichtet sei. Er jähe im Diebstahl die ganze Haltlosigkeit aber auch die Mitleid hei schende Gefangenschaft der Seele. Er wol'e ihm nicht durch eine Anzeige sein Leben vernichten, an seiner Angst sähe er, daß cs vielleicht die Erstüngstat sei, aber er wolle ihm Helsen, wenn er einer Hilfe zugänglich sei. Werner Baumnnn wurde in sich immer kleiner bei den gütigen Worten des alten Herrn. Tränen traten ihm in die Augen, er schämte sich, sein unsauberes Taschentuch zum Trocknen der Tränen hervorznnebmen. In Hilflosig keit wischte er mit seinem Nockärmel über die Angcn. Dann versuchte der alte Herr Näheres über ihn zu erfahren. Slocicnd zuerst, dann immer hastiger, immer weher kamen die Worte von Baumanns Lippen, wie er nun schon so lange arbeitslos sei und wie er es zu Hause nicht mehr ausgehalten hätte, auch sagte er, er hätte das alles selbst in sich hochgezüchtet, sein Gewissen hätte er mit Gewalt totgeschwiegen, aber der Haß gegen alle anderen, die es um soviel besser hätten als er,' hätte alles Gute in ihm zer schlagen. Er fühlte die Not. die seine Mutter um ihn litt und wie in grenzenlosem stummer sie ihn suche, aber er wage nicht als überflüssiger Esser zu Hause zu sitzen, denn sie hätten selber kaum aenua. um durchzukommen. ..Und dann, was liegt daran, ich have meine Füße wundgelaufen,- um Arbeit zu bekommen, alles ist danebengegangen, wa» soll ich denn noch unter Ehrlichen, die meine ehrliche Arbeit nicht haben wollen. Und Gott? Warum hilft er mir nicht? Sicht so die Liebe aus und die Barmherzigkeit? Ich will doch arbeiten und nützlich sein," schrie er, „warum nimmt man mich denn nicht?" „Lieber Freund, Sie verstehen wirklich nicht, was Sie sagen. Warum Gott Ihnen nicht Hilst? Warum verzagen Sie? Wissen Sie nichts von Prüfungen, die ein jeder ein mal durchkosten muß, der eine so. der andere so? Sie haben noch ein Elternhaus und zur Not zu essen. Nun bitte ich Sie, denken Sie einmal an alle die andern, die das nicht haben. Wo sollten wir hin. wenn nun alle das täten, was Sie im Begriff waren zu tun? Denken Sie an das Heer der Verbrecher, die wir hätten. Und glauben Sie, durch diese Geschichten würde es anders? Was haben Sie davon, wenn Sie zeitlebens hinter Eefängnismauern sitzen und von einem Verbrechen in das andere fallen? Wie dis Liebe aussieht und die Barmherzigkeit? Ich bin dreiund sechzig Jahre alt. In meiner Jugend war ich nicht auf Rosen gebettet, wahrlich nicht, aber an der Liebe und Barmherzigkeit habe ich nie gezweiselt. Wir kommen alls einmal in ein Meer von Trübsal, und nur ein starker, wirk lich wertvoller Charakter sindet ans den Wassern der Un vernunft hemmungslos hinaus. Beten Sie, wenn der Ge danke kommt, etwas Unrechtes zu tun, oder etwas, was mit den Gesetzen der Moral und Sitte nicht im Einklang steht, beten Sie ein ganz kleines Gebet zum Schutzengel, glauben Sie, es wird Helsen, versprechen Sie es mir." Gütig hatte er gesprochen, und in das Herz des jungen Menschen kam ein Hoffnungsschimmer, ja, er sah auf ein mal. daß er wirklich auf dem Wege war, ein schlechter Mensch zu werden und den ehrlichen Namen seines Vaters, der schon so lange seine Augen geschlossen hatte, zu bestecken. Er versprach, die Worte nicht zu vergessen und heute noch zu seiner Mutter zu gehen. Sein Herz war erweckt, di» Frucht des guten Wortes hatte sich in ihn versenkt.