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Doch kam es nochmal zu einem zweiten Kabinett Llrcscmann, das aber End« November wieder zurücklrctcn Mßte. In dem folgenden Kabinett Marx übernahm TI re sc mann das Portefeuille des Auswärtigen. Hier bat er, im wesentlichen in Uebcreinstimmung »nt Marx. eine Politik der Verstandiguiig mit den ehemaligen Feinden Deutschlands befolgt. In der inneren Politik hielt er an der Koalition mit dein Zentrum fest, auch als cs über der Frage der Beizielning der Deut'chnationalen zur Negierung, di« er an sieb wünfebte, im Oktober 1924 zur Rcichstagsauslöning kam. I» dem neuen Kabinett Lutker vom 15. Januar 1925 blieb er Außenminister. Im Februar 1925 leitete er mit o«m Vorschlag eines Sickierheitspottes an Frankreich di« Politik ein, die im Oktober 1925 zu d«r Konferenz von Locarno und am 1. Dezember-1925 zur Unterzeichnung des Sicherheitspaktcs und der mit ihm verbundenen Schicksverträge in London führte. Am 5. Dezember 1925 trat er mit dem gesamten Kabinett Luller zurück. Im zweiten Kabinett Luller vom 19. 1. 1926 übernahm er abermals das Auswärtige Ministerium, auch in beide» folgenden Kabinetten Mar; 1926/27 und in dem nach der Reichstogswahl 1928 gebildeten Kabinett Müller, Folgerichtig betrieb er inzwischen sein« Politik der Versöhnung, ins besondere mit Frankreich, di« am 8. 9. 1926 znm Eintritt Deutsch lands in den Völkerbund führte. Die folgende, vielerörterte Besprechung Stresemonns mit Brianb in Thoiry (17. 9, 1926) hatte keine greifl>aren Ergebnisse, Dagegen liaitc er die Genngtunng, das; ihm am 10. 12. 1926 zusammen mit Brianh und Ehamberlain der Friedens-Nobelpreis zuerkonni wurde. Anfang März 1927 führte er als erster Deutscher den Vorsitz einer Sitzung des Välkcrbunds- rates in Genf. 1928 konnte er als Beauftragter Deutschlands in Paris den Kcllogg-Pakt unterzeichnen. 1929 führte er die deutsche Delegation auf der Haager Konferenz. Slreseniann war seit 190.8 mit Keile Kleefeld verheiratet, einer Scheuester des fürstlich Hol)enloh«-Oehringenschen Kammerpräsiden ten Dr. Kurt v. Kleefeld. Sachsens Beileid Dresden, 3. Oktober. Die sächsische Staatsregierung hat der Reichs regierung ihre herzliche Anteilnahme zum Ausdruck ge bracht an dem schilleren Verlust, den sie durch das Ableben des Ncichsaußcnministcrs Dr. Slreseniann erlitten hat. Die Regie rung hat angeordnet, dost am heutigen Donnerstag und am Tage der Beisetzung des Reichsaußenministers sämtliche staat liche Gebäude Halbmast zu slaggen haben. Die Todesursache Berlin, 3. Oktober. lieber die Todesursache und den letzten Krankheilsverlauf Tr. Ctresemanns teilt Professor Hermann Zondek, der Arzt Dr. Ctresemanns, mit: Dr. Ctresemanns Nierenleiden hatte sich in der letzten Zeit erheblich gebessert, dagegen zeigte das Allgemeinbefin den schon seit längerem starke Ermüdungssymptome und der Blutdruck war in die Höhe gegangen. Professor Zondek führt diese Erscheinungen mit auf die aufreibende und aufregende Tätigkeit Dr. Ctresemanns zurück. Er hat den Austenminister immer wieder eindringlich zur Zurückhaltung gemahnt. So liest er ihn nur schilleren Herzens zur Haager Konferenz fahren und bat ihn noch gestern früh, doch unter allen Umständen im Bett zu bleiben. Diese Mahnung war, wie so häufig, vergeblich bei dem aufopfernden Pflichtbewusstsein und dem Temperament, mit dem Dr. Strcsemann sich seiner verantwortungsschweren Tätigkeit hingest'. Immerhin ging es dem Minister gestern abend verhältnismästig gut. Er sagte auch selbst, dast cr*sich ganz wohl fühle. Um 1^-11 Uhr nach der Fraktionssitzung der Deutschen Volkspartei, erlitt er dann aber den ersten Schlag- onfall, der zu einer tiefen Bewußtlosigkeit führte. Dieser An fall war so schwer, daß weitere Blutungen befürchtet werden mußten. Deshalb blieben die Professoren Geheimrat Kraus und Dr. Zondek die ganze Nacht am Krankenlager. Um 6.30 Uhr morgens trat mit einem neuen schweren Schlaganfall Atemlähmung ein, die den Tod zur Folge hatte. Nach der Ansicht Professor Zondeks mußte mit diesem schmerzlichen Ereignis bereits seit zwei Jahren gerechnet werden. Annahme der Resormvorlage Der Streit um die Arbeitslosenversicherung vorläufig beendet Slimmenlhallung -er Dolkspartei Berlin. 3. Oktober. (Drahtbericht.) Der Reichstag hat in seiner 2. Sitzung heute das Arbeits losenversicherungs-Gesetz in der Schlustabstimmung mit 238 gegen 155 Stimmen des 4ü Stimmenthaltungen angenommen. * Die Annahme der Arbeitslosenversicherung in der heu tigen Nachmittagösitzung des Reichstages war seit gestern ge sichert. Die Deutsche Bolkspartei hat in ihrer gestri gen Fraktionssitzung, in der bekanntlich Dr. Stresemann stine letzt« Rede gehalten hat, beschlossen, Stimmenthaltung zu üben. Neber den Verlauf der Sitzung, die für vertraulich erklärt worden ist, wird strengstes Stillschweigen bewahrt. Es hat den Anschein, als sei es in der Sitzung zu lebhaften Mel» nungsoerschiedenheiten gekommen. — Der Fraktions sitzung der Deutschen Volkspartei war gestern ein Besuch Dr. Ctresemanns bei Reichskanzler Müller vorangegongen. Der Reichskanzler Halle dabei die Folgen einer Ablehnung der Reform mi! aller Deutlichkeit dargelegt. Unmittelbar nach Annahme des Gesetzes dürfte sich der Reichstag vertagen und erst im November wieder zu- sammeiUreten. Um die Ehescheidung Berlin, 2. Oktober. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Rechts ausschusses stand der Gesetzentwurf zur Aenderung der Vorschriften über die Ehescheidung -in Verbindung mit Anträ gen von Demokraten, Sozialdemokraten und Kommunisten über den gleichen Gegenstand. Auch die Deutschnationalen fordern in Anträgen die Aenderung mehrerer Paragraphen des Bürger lichen Gesetzbuches, vor allem die Bestimmungen über die Nich tigkeit und Anfechtung der Ehe, die Ehescheidung, die elterliche Gewalt und die rechtliche Stellung der Kinder aus nichtigen Ehen. Zur Geschäftsordnung verwies Abg. Dr. Bell (Zentrum) aus die im Gang befindlichen schwierigen Fraktionsberatungen zu der für Morgen bevorstehenden Entscheidung über die Re form der Arbeitslosenversicherung und beantragte Vertagung des Rcchtsausschusses, zumal diese Beratungen doch mehrere Wochen unterbrochen werden müßten. Die Sozialdemokratie, die Deutschnationalen, die Kommu nisten und Demokraten widersprachen der Vertagung. Abg. Dr. Bockius (Zentrum) erklärte demgegenüber, die Frage der Ehescheidungsreform sei noch so wenig geklärt, daß man endlich einmal zur Arbeit in einer Reihe von Sitzungen Zusammenkommen muffe, nachdem man noch in den Fraktionen Gelegenheit erhalten habe, die vorliegenden Anträge zu prüfen. Abg. Bockius bestand auf der Gewährung einer Möglichkeit, die vorliegenden Anträge in der Fraktion zu erörtern und erklärte, ec würde nicht mehr mitmachen, wenn dieser Wunsch abgelehnt werde. , Abg. Dr. Kahl (Deutsche Dolkspartei) verwahrte sich gegen die letztere Bemerkung, in der er eine Drohung erblicken muffe. Seit süns Jahren schwebe die Frage der Ehcscheidungs- reform. Er verlange eine klare Antwort, ob man wünsche, diese Frage van der Tagesordnung überhaupt verschwinden zu lassen, oder ob man ehrlich an dieser Reform Mitarbeiten wolle, auch wenn man sie nicht liebe. - Abg. Ehlermann (Demokrat) bemerkte, diese Erklärung des Zentrums sei nicht die erste ihrer Art. Er sehe hier eine Ver schleppungstaktik, mindestens aber einen Exzeß des Strsbens nach Gründlichkeit. Abg. Dr. Bell (Zentrum) verwahrte sich gegen die Unter stellungen. die seiner Partei gemacht würden. Man habe ja selbst vom Justizministerium die vorherige Erledigung des so genannten Standeshcrren-Eesetzes gefordert. Die Zentrums fraktion lasse sich nur von sachlichen Gründen bestimmen. Der vom Zentrum gestellte Vertagungsantraa m»rde lm weiteren Verlauf der Geschästsordnungsdebatt« auch vom Abg. Dr. Pfleger (Bayerische Volkspartei) unterstützt. Reichsjustizminister von Eusrard erklärte, für ihn liege kein Anlaß vor, in die Geschäftsordnung des Ausschusses ein zugreifen. Schließlich wurde der Zentrumsantrag, die Beratungen der Ehescheidungsreform auf mehrere Wochen zu vertagen, ab gelehnt. Mit Rücksicht auf die schwebenden Fraktionssitzun- gen der Deutschnationalen und Deutschen Dolkspartei werden hieraus die Beratungen abgebrochen. Der Regierungswechsel in Ägypten der ägyptischen Innen- und Außenpolitik grundlegend« Aenderungen bevorstehen. Es läge im ägyptischen Inter, esse, wenn das neue Regime der Labour gegenüber di, Dankbarkeit und politische Zurückhaltung zeigen würde, welche dem klugen und großherzigen Akt derselben gebührt, London» 2. Oktober. Das ägyptisch« Kabinett ist zuriickgetreten. Ministerpräsh dent Mohammed Mahmud Pascha hatte vor der lieber, reichung des Rücktrittgesuches bei König Fnad eine erneut, Aussprache mit dem englischen Oberkommissar und wurde in, Anschluß daran von König Fnad empfangen, der vorher auch Nahas Pascha, den Führer der Opposition empsangcq hatte. In politischen Kreisen Alexandriens rechnet man damit, dass sofort ein Bcamtcnkabinctt gebildet wird. Es ist aber uuga, wiß, ob Mohammed Mahmud Pascha die Ministerprästvcntschgst übernimmt. Das neue Kdviuttt wird wahrscheinlich nur vor übergehend im Amt bleiben und in erster Linie die Aufgabe haben, die Wahlen im Zusammenhang mit der Ratifizierung de» englisch-ägyptischen Vertrages durchzufiihren. Der Rücktritt Mohammed Mahmud Paschas im gegenwärtigen Augenblick wird in politischen Kreisen allgemein als eine Rückkehr zun, Parlamentarismus ansgrlegt, was als eine Verstärkung de» Einflusses der Wafb-Partei anzusehen ist, die parlamentarisch noch immer «ine anßrrordentlich starke Stellung hat. Der Kabinettswechsel in Aegypten ist eine notwendig Folge der Neuordnung des englisch-ägyptischen Verhält nisses. Der Verrat mit der Labour-Regierung bedeutet die tatsächliche Wiederherstellung der ägyptischen Souveränität und das Aufhören des englischen Patronates. Mahmud Pascha, welcher mit englischer Unterstützung seinen Staatsstreich ausgesührt und das Parlament aufgelöst hatte, wird einer Uebergangsregierung Platz mache, müssen, welche die Wiederkehr geordneter parlamentari scher Verhältnisse einzuleiten hat. Daß bei den kommenden Wahlen die Partei des verstorbenen Ministerpräsidenten Zag hl ul Pascha, der Wasd, mit einem erdrückenden Erfolge aufwarten wird, ist nicht zu bezweifeln, so daß ins „Do X" plan! Amerika - Flua Friedrichshofen, 2. Oktober. Wie verlautet, beabsichtigt das Flugzeug „Do. X" nach Ein bau der neuen Kühlvorrichtungen zunächst eine Anzahl von Welthöchstleistüngen aufzustellen. Anschließend sollen Flüge von längerer Dauer zunächst auf dem Bodensee stattfinden. Hieraus soll das Flugschisf größere Reisen in den europäischen Gewässern aussühren. Nach glücklicher Erledigung dieser Flüge soll ein« ReisenachSüd-undNordamerika ausgesührt werden. Mit den Vorbereitungen hierzu wird in nächster Zeit begonnen werden. Der Amerika-Flug wird aber nicht vor Mitte Januar Kattsinden. Angriffe auf Maedonaid Die konservative Presse bekämpft die englisch - russische Vereinbarung London, 2. Oktober. Die gestern erzielte Vereinbarung zwischen Henderson und Dowgalewski wird in der Presse viel beachtet. Während das Arbeiterblatt „Daily Herald" von einem neue» Erfolge Hendersons nach seinen Erfolgen im Haag und in Genf spricht und nicht daran zweifelt, daß die Zustimmung des Parlaments erlangt werden wird, da die meisten Liberalen Henderson unter stützen würden, nennt „Daily. Telegraph" das Ueberein- kommen eine Kapitulation vor der bowjetregie- r u n g. Das Blatt wirft dem Staatssekretär des Aeußern vor, daß er im Gegensatz zu früher jetzt die Regelung der ausstehen den Fragen auf die Wiederaufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen einschließlich des Austausches von Botschaftern folgen lassen will und bemerkt, der Welt wird das angenehme Schauspiel geboten, daß die Corvjetregierung ihre eigenen un veränderten Bedingungen der Regierung Großbritanniens aus erlegt, nachdem diese Regierung sie als unannehmbar ver worfen hatte. Moskau hat einen großen diplo matischen Triumph erzielt und hat nichts dagegen zugestanden. Auch „Morning Post" verkündet in Fettdruck „Ueber- gabe an Moskau". Der diplomatische Korrespondent des Blattes schreibt, Punkt 3 der Erklärung Hendersons scheine stillschweigend die Gegenforderungen Cowjetrußlands infolge der Intervention während der Revolution anzuerkennen. Die Zusammenkunft zwischen Henderson und Dowgalewski, auf der, wie bereits gemeldet, eine Vereinbarung über das Ver fahren erzielt wurde, „das bei der Wiederaufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen einschließlich des Austausches von Botschaftern zur Regelung der zwischen beiden Regierungen schwebenden Fragen befolgt werden soll", sowie eine Verein barung über die Frage der Propaganda, fand bei Lewes, sieben Meilen von Brighton, dem Tagungsort der diesjährigen Kon ferenz der Arbeiterpartei, statt. Bei der Zusammenkunft waren nur der Leiter der Nord-Abteilung des Foreign Office, Seymour, ferner Mr. Cave vom Foreign Office, und Hendersons Privat- sepretär Selby zugegen. Die erörterten Fragen betrafen, wie Henderson mitteilte, 1. die Feststellung der Haltung beider Regierungen gegen über den Verträgen vom Jahre 1924; 2. den Handelsvertrag und die damit zusammenhängenden Fragen; S. Regierungsforderungen und private Forderungen und Kegensorderungrn, sowie Finanzsragen, die mit diesen Forderun gen und Eegensorderungen verknüpft sind; 4. Fischerei, und 5. die Anwendung früherer Verträge und Konventionen. Das Schriftstück, das den beiden Regierungen unterbreitete werden soll und jetzt vorbereitet wird, wird von Henderson jur^-, die britische Regierung und von Dowgalewski für die Sowjet-^ regierung unterzeichnet werden. Das Schriftstück, das die Mischen Henderson und Dow- galewski erzielte Einigung fixiert, wird zur Zeit aufgesetzt, und man hofft, daß es unterzeichnet werden kann, bevor Dowgalewski am kommenden Freitag von London abreist. Es heißt hier, daß das Parlament die englisch-russischen Vereinbarungen guthcißeit must, che sie in Kraft treten können. * Es war zu erwarten, daß die konservative Partei presse die erste Gelegenheit benutzen würde, um gegen die britische Außenpolitik Sturm zu laufen. Da weder Snow- dens Haager Taktik, noch MacDonalds Amerikareise einen günstigen Angriffspunkt bildeten, so benutzt sie als will- ömmenen innerpolitischen Agitationsstoff die englisch-rus. ischen Vorvereinbarungen, welche gestern zwischen Hender, on und Dowgaleski zustandegekommen sind. Zweifellos teilt die Uebereinkunft ein Verlassen des grund- ätzlichen englischen Standpunktes dar, daß vor der Wiederanknüpfung der beiderseitigen Bezie hungen mehrere Vorfragen geklärt werden müßten, und zwar vor allem die Frage der kommunistischen Propaganda und die grundsätzliche Anerkennung der russischen Schul den. Aber die Verhandlungen mußten bei einem eng lischen Verharren auf diesem Standpunkt auf den toten Punkt kommen, und auf dem Parteitag der Labour waren offenbar starke Kräfte tätig, welche der Regierung ein taktisches Nachgeben nahelegten. Henderson hat die Vorsicht gebraucht, die Gültigkeit der Vorabmachungen von der Genehmigung durch das Parlament abhängig zu machen, unk ohne Zweifel wer den die Liberalen mit ihrem Führer Lloyd George an der Spitze grundsätzlich zustimmen, da auch ihnen zunächst ein mal an einer Normalisierung der Beziehungen liegt, die eine Brücke zu weiteren Verhandlungen bilden können. Konservative Widerstände würden also unter diesen Um ständen der Labour sicherlich kein ähnliches Schicksal be reiten wie 1924, wo das Kabinett MacDonald bekanntlich an der Rußlandfrage gescheitert ist. Die Labour zeigt auch hier, daß sie neue Wege zu gehen bereit ist, und vor Ver antwortung und großen Entschlüßen nicht zurückscheut. Wetterbericht der Dresdner Wetterwarte Witterungsaussichten. Noch wechselhafte Witterung, zeit weiliges Ausklaren wechselnd mit vereinzelten Negensiilien. Temz^raturen schivankend, siidwestlick-e bis nordwestlich Winde, im Flachland« vorwiegend mäßig, im Gebirge Irisch bi» Karl«.