Volltext Seite (XML)
öeetlioven, <jer IVIeister ^Veer Ir noeli eenmsl I^inrl . . . r Dntnommen dem'neuen Werk „Devtlmvens Itleisterjakre" von Domain Dalland, das dom- näekst im Insel-Verlag ersciieint. In jedem eckten Künstler gibt es ein "Draumlebsn, das auk dem unterirdiscksn Strom in dunklen Lpiegel- Iläcken dakingleitet, immer wieder akreisssnd und zer- klieüend. Lei Deetkoven aber steigert es sied zu un- vergleicklicksr Wuckt. Ilncl das längst, eks die Pforten lies Oekörs sick scklieüen und er von der übrigen XVelt vkgeseimitten ist. Ick erinnere nur an das pracktvolls Kargo e mesto in D-moil auk der Sonate op. 10, kr. 3, wo der sinnende Oeist die grenzenlose kksns des Dekens mit iliren Wolkensckatten tiek unter sicil liegen siekt. Das Kat ein junger LIensck von seeksumlzvvanzig lakren gesckrieken <1796)! Und dock entkült es sckon den ganzen Deetkoven. Line erstaunlieke Heike der Seele! Wokl war er nickt wie ülorart von vornksrein in allen Künsten des Woklklangs üleistvr; aber dakür war er es in der inneren Welt, ein krükreiker Kenner und Dekerrscker seiner selbst und all seiner Olut und seiner krümme. Die Karts kind- keit, dis bitteren krkakrungen seiner ersten lakre kaben ikn zeitig nack dieser Dicktung entwickelt. Ick seks Deetkoven als kleinen langen vor mir, wie ikn der kaek- dar Däcksrmsistsr in Dann beobacktet Kat, am Dodsn- kenster, das auk den Dkein kinausgelit, den kopk auk beiden Händen, ganz. versunken in „sckünen tieken Oedanken". Wer woiss, ob an solcken lagen nickt die melodiseks kraurigkeit der Adagios aus der ersten klaviersonate in 1km gesummt Kat. Sckon als er Kind war, durckzogen ikn dis Wolken. kr erzäklt davon in dem ergreiksnden lilüek an den I!at von Sckaden vom' 15. September 1787, dem ersten, der uns erkalten ist: „. . . dazu kommt nock ölelanckolis, welcivs kür mick ein käst ebenso grosses Kobel als mein» krankkeit selbst ist . .." Dock er Kat sckon krük- zeilig die krakt geliabt, <lvn trüben Oeist von sick zu weisen un,I in löne zu bannen. Ob er nun der Sckwermut naelvliängt oder seine Stimmungen besiegt, immer ist er allein. Von kindkeit an treibt ikn ein wuuderlicker kigensinn. sick akzu- sondsrn, aut der Strasse, im Salon, wo er gerade ist. Wenn krau von Dreuning ikn so weltvergessen in un bekannten Kernen weilen siekt, sagt sie wokl, er kabs „wieder seinen Daptus". Später ist es okt, als versänke auk Stunden, ja auk ganze Inge sein Oeist in einen Ab grund, wvkin ikm msnscklicko Micks nickt kolgen können. Dass niemand sick unterstelle, ikn dann anzuruken! Ks könnte ikm seklimm bekommen. Dem, der ikn weckt, ver reibt der Scklakwandelnde nickt leickt. vis >lusik bildet in ikren Drwältllon die Krakt aus, ikr ganzes Wesen auk einen Oedanken zu rickten, eine .Vrt Voga, aber völlig europäisck, das als untrüglickes Kenn- zeiciien abendläiuliscken Oeistes Lüge von krakt un,l Ilerr- sckakt trägt. ledes lUusikstück ist so. wie es an uns vorüberkliellt, ein Dauvverk, unii will in allen seinen keilen rugleick geplant sein. Oie klusik fordert von ilirem Scköpker sckwindelixle Devvegung in der Ilulm, an gespannten Willen und einen sonnenkellen Mick: so kickwebt der Oeist regungslos ausgebreitet über alle kraumnivderungen bin. ^Xber keiner der grossen Kleister kält wokl den musikaliscken Oedankvn nlit so üliermenseli- Iicl>er Helligkeit und Ausdauer gepackt wie Deetkoven. Hat er ikn einnial erlasst, so lässt er ikn nickt wieder'los, dis er ikn überwältigt Kat, und nickts bringt ikn von der Verfolgung ab. kickt umsonst ist das itlerkmal seines Klavierspiels das „Digato"; dadurck untersckeidst es sick ,von dem „keinen, aber zerkackten Spiel" klorarts und von der ganzen pianistiscken planier seiner Leit. In seinem lvenken ist alles miteinander verbunden, obwokl dis Os- i'danken okt wie Lturzkäcks kervorzudrecken sckeinen. kr meistert sie, wie er sick selber meistert. Klan sollte den ken, bei seiner leidsnsckaktlicken katur müsse sein Inneres vor aller Welt blossliegen. In Wirklickkeit aber dringt kein -luge tiek genug, um zu lesen, was ikm durck den 8inn riebt. Dem Kapellmeister 8e>krisd, der zeitweilig mit ikm rusammsnwoknte, und ikn zu Hause und im 8alon aus näckster käks beobacktet Kat, fällt in den lakren um 1806 viel mekr sein äusserer Oleickmut auk als etwaige 8puren der krregung in seinen Lügen: „Ilekerkaupt war es sckwer, ja rein unmöglick, aus seinen klienen Leicken des Dsikalls oder des Xliüdekagsns zu entziffern (wenn er Klusik kürte); er blieb sick immer gleick, sckeinbar kalt, und ebenso verscklossen in seinen Urteilen über kunst- genosssn; nur der Oeist arbeitete rastlos im Innern; dis animaliscke Hülle glick einem seelenlosen kkarmor." Das wird manckem unerwartet kommen, der sick unter Deet- koven eine /Vrt König Dear im 8turm vorstellt. Wer kennt ikn denn wirklick? Wir kennen ja immer nur kloinentdilder. ltlit dreissig lakren kreut sick der Wann des atem- raukenden Oleickgewickts, in dem der Oeist dis einander widerstreitenden klemente kält. Im Deden lässt er wokl keiner Wildkoit freien Dauk; in der Kunst aber zügelt er dis unbändigen Oewalten mit eiserner kaust. Daker auckk Dsetkovens kkeuds am Extemporieren. Da üksrkommt ikn der Oenius, wo er es nickt vermutet, und er muss ikm standkaltvn. Dis Ilntsrirdiscken sind los: sie zu zäkmen, ist beglückende pkllckt. Viels unserer grossen Weister waren geniale Improvisatoren, besonders Im !8. lakrkundort, da dis kunstkormen nock gelenkiger ks gibt viele Wenseken, die mit dem Degrikk Kind eins kVrt Oötrendienst treiben, und dis Wurzeln dieser über- sckwenglicksn Vsrekrung sind unsckwer 2U erkennen und ru verstellen. Der rur Vernunft erwackte Wensek siekt be wundernd in dem Kind dis kolds Verkörperung der Un vernunft. Der von Kultur und Livilisation verdorbene, von religiösen und politisckon Kämpfen rerrissens kuro- päsr seknt sick in Stunden der Desinnung nack dem Or- rustand rurück. ks ist kein Lukall, dass die Dickter im Lusammenkang mit dem Kind immer wieder das Wort Paradies aussprscksn. Kinderland bedeutet Oarten Oottes. kranr Orillparrer nennt das Kind „eine DIume an 8ckönkeit, und an Dewussllosigkeit, dass sie sckün". Oustav kalke empfindet jeden bekutsamen ^teinrug seines scklaken- den Kindes als einen sckweilenden Ilinimelsklug. Diekard Dekmel redet seinen strampelnden und brüllenden lungen mit „mein süsses kngelsküllen" an. Dickard von Lckaukal sagt rusammenkassend: „Und das kiebsts sind mir die Kinder; ikr Wunder aber ist dies: unter uns irdisck ?u leben, mitten im Paradies." lind der niederdeutseke Dickter Klaus Orotk bekennt resigniert: „kuri treckt de .^ksndluck aswert keld so glind! wenn mi nu wat wünscken muck, weer 'k nock eenmal Kind." Dis 8eknsucl>t nack den goldenen lagen der un- sckuldigen Kindlleit steckt den erwacksenen ^tenscken, so- kern sie 7um kaclidenken und /.um 'träumen geneigt sind, tiek im DIute, und wir wollen sie deskalb nickt kür senti mentale karren kalten. Ick finde allerdings, dass das Kind sick mekr durck kaster, die es aus Unkenntnis meidet, als durck lugenden, die es wissentlick ausübt, von den Orossen untersckvidet, und ick bin der Woinnng, dass das cigontlick ein reckt be- sckeidenes Verdienst ist. lrol/.dem liebe ick dis mit wundervoller kinkalt auk der Ltrassa sieb tummelnden Kin der, und lasse mick ganz von iknen gefangen nvkmen, wenn sie an warmen Lommerabenden mit ikren brennen den Papierlaternen einen italienisck anmutenden Ltimmungs/.auber improvisieren. Die trüben Kolosse der klietkäuser sacken in der Dämmerung zusammen, eine weicke Dnnkelkeit umfängt mit mütterlicksu krmen dis gvmarlerls Llrassensckluckt, und zwiscken den grünen Daumen bUI/.en inagiselis I.iek- ter auk. Das iilärclmn misckt sicli in die öde Wirklickkeit. kinderstimmon ruken den Himmel an: „8onne, >lond und 8terne!" lind auk einmal taucken sie. auk, die kleinen I.aternen- kinder, zu zweit oder in Dudeln, im Oünsemarsck oder in Oruppenkolonns. 8ie sin<l ganz bei der 8acke, und sikgen mit unsrsckütterlicker Ausdauer jenen lext. den wir alle kennen, der kockdeutsck beginnt und unvermittelt in, plattdsutscks überspringt: „De Oklsek mit de I.ückt, de de I.üd dsilrückt, de de kier kolt un se nick bstoklt ..." Diese gekeimnisvolle „Oklsck" ist siclverliclt dis Inkarnation aller bösen lriebkräkts. Ick sel»e sie kurm- lick, wie sie mit sckielenden tilgen durck dis Kinsternis tappt, und wie sie mit sämtlieken Organen wittert, wo etwa eine saftige Deute zu kolen ist . . . linermüdlick marsckieren dis kleinen kicktbringer, kalb kacktvväckter, kalb promolkeus, uiul ein einziges Dand der llarmonis sckeint alle diese Kinder zu um- scklingen, die sick in den Dienst der katsrnenpoionaiss gestellt kaben. 8is sind bei aller linvernunkl docli ve,>n>nk!ig-r als wir. Denn wir erwacksenen I.euto Kälten diesen I.alernen- zatiber längst organisiert und sportmassig ausgekaut. Wir würden Daternen 8>iiingkoni^urrenziU> und I.aieiaien- 8takkettenläuke init lntaiisatoi' ins l.e!>en rulen und diss- kezügliclte I!<-kor>Ie auksieü, n. lind w ir waii'den aut den unkindlicken Kinkail konniicu. ilulad» dis versckiedensn karlxm il>>r pa>>ieiia»er>>- n — kie Weik! >iie Oiidcdiiue! — > unsere poliiisclie l'el>erzeugt>ug zum .Vusdruck zu Iuana> u. Ilekiige 8lrasse»kämpis win^icn xicli euts>>iutie:>. Wii' wur den uns dis I.atcrneu gegcnseilig »in die K>>,de s, i,lagen, bis wir oknmäcklig zti>aiu,uenbräcl>en. Oiliize >.>adticiis würden in klatnmeu aukgcdicn . . . Wir krwacksenen sind ja viel kindiscker als dis Kinder. Hans Harbeck. waren als keuts und dis Kiugebung des itugenblicks in Kolisin winselten stand. Dock c.>wokl >lozart sein Publikum an allsrkücksts I.eistungen gevvölmt Katts, erklären all diess musikaliscken peinsckmecksr einstimmig, Dest- koven kabs im freien pkantasieren jeden andern über- trokken, und auclr in seiner eigenen Kunst reicks nicllts an dis unerkürts Oewalt seiner Improvisationen keran. Wir können uns sckwer einen Degrikk davon macken, obwokl so vorzüglicke Klavierspieler wis Dies und Lzcrnv uns dis unerscköiiklicks püllv der Ideen, die ltlannigkaltig- keit der Dekandlung, die kalsbreckeriscken Scliwivrig- keiten, dis der Kleister sick setzt und dis er löst, dis Daunen, von denen er sick treiben lässt, den ganzen Wirbel- sturm seiner Krakt eindringlick sckildern. ^uek diese Deuts vom kack, dis ikm sckark auk die pinger seken, unterliegen seiner ^VHmackt. Wo sr auck spiele, keiner könns ikm widersteksn, erzäklt Lzernx. Dis Lukörer seien ausser Dand und Dand. „keben der 8ckönkvit und Ori ginalität der Ideen Katts sein 8piel etwas Wunderbares im Ausdruck." -VIo> s 8cklosser sprickt von „selbständiger, aus dein Innersten kervorströmender Degelsterung". Deetkoven 'ist prospero, er besckwört dis Osistsr „in (len köcksten Höben und tisksten 'Dieken". Die Hörer sckluckzen laut, so bericktet Ozsrn^, und Doickardt vergiellt keisss "Dränen, blickt ein iVuge bleibt trocken. lind wenn er geendet Kat, und dis "Dränen kluten siekt, zuckt er die /Vckseln und lackt dem gsrükrten Publikum sckallend ins Oesickt: „Dis blarren! Das sind keine Künstlernaturen. Künstler sind keurig, sis weinen nickt." wenn Lucli nocli... korallen gülden ln dein Strancd, Dnd aus den Geldern steigt der Raned Wie eine blaue padno aut. Die Lckwalden sitzen dledt rudaut vnd dabvo viel sied ru orzädlen, Ob sie rum Reiseziel sied wädlso Den Vanges oder gar den bkll .. . Ds webt sodon buntes LILttsrsglvD lind wenn auok noeb die Dütt« dosen, Ls düibon sckon die Rerdstrvitlosva . . . Ls wird, o ISenscb, vir wenig troininon, Wenn vir die bitt ren ikränsn doininen, voek wird es ding und weise sein, Wenn vu nocb einmal Dick am Rain Im kräsorwogon Dieb verstrickst Und trob ln letzte Lilllo blickst, Vas I.oucbtsn in vir birgst, das belle, Wie eine owigjungo yuellv, ^us der Lrquickung strömt, und Lreud' itucd ln der trüben, grauen Leit. Lei reckt bvdacdtsam, still und weise, vi« Lvdwaldvn rüsten sick zur Reise. Und wenn auvb nock die Lükto kosen, L» blüboa sckon di« Lerdstzottlosen . . . Sans viiigea. /Vuek von dicscr Leite ist Delülioven wokl vielen un bekannt. Dun traut man nickt zu, dass er Ocfnbls- äusscrungeu verackte. Dis Dicke ist im iUundc der Deuts zur 1'rauervveble geworden. Weinen aber tut nur, wer ibm zukört. Dr vveiss die innere Devveguug zu dänuuen: „keine Dülu'ung mekr! i'est un«! >nutig soll der »ensck in allen Dingen sein", sagt er einem Dreumls keim .1b- sckied. Dr I>at sogar eimual Oaelks erinaimt. sick zu- sammenzunekmen. 11'enn er von dem inneren Lturm etwas ilt seine Ilusik kinükerkrausen lässt, so gesckiekt es init .Ibsickt: ller Künstler bleibt Herr »nd li^sst sick niemals korlreissen. Ist sonst er der Lpielkall der durikeln Hackte gewesen, jetzt sind sie dran. Dr kält sie umklammert, er siekt iknen ins /luge und lackt. * Dilles Kisker Oesagte seluldert den Deetkoven der lakre um 1806. das Oenie im .Ilter von dreissig laliren. Oe- wallige, zuweilen gewaltsame Lüge verraten ein D'eker- mass an krakt — aber eben krakt, ein unaksekkares inneres bkesr, dessen Orenzen sr niclit kennt. Dennock ist die Oo- kakr gross in Drkolg und Vermessenkeit zu versanden. Haust Oott in ikm oder Duziker? „Oott" stekt kier nickt als poetisckes Oleicknis. Wo von Deetkoven die Dede ist, muss von Oott die Deds sein. Oott ist ikm die allererste, dis allerwirklicksts Wirk- liekkeit. Das kekrt in seinen Osdankengängen immer wie der, mag er mit ikm umgeben wie mit seinesgleicken oder sick vor ikm beugen, kr ksrrsckt ikn an als den Os- käkrten seines Alltags, er Duckt ikm als seinem "Dvrannen, er spürt ikn als ein 8tück Lelkst und als einen ranken preund, als den Vater mit der Lucktrute, gui l»eno castigat — lokann van Dsetkovens 8okn Katts in seiner lugend genugsam erkakren, was das keiüt. Dock einerlei, ln welcker Oestalt, der Widerpart lässt von ikm al>, "Dag und Nackt: er ist sein Hausgenosse, er woknt mit ibm in einer 8tuds, er kolgt ikm auk Lekritt und Dritt. Dis andern preunde kommen und geben, er ist immer da. Dakür wird ikm auck Kart zugssetzt mit Klagen, Vorwürksn und prägen. Dsetkovens Lelkstgespräck ist immer Lvvis- gespräck. Dieberall, sckon in den prükwerken, linden sick solcks Dialogs des gespaltenen Ick, der Leelvnzvvillinge, die zueinander gekören und sick dock ewig bekriegen, kadernd, recktend, eins dem andern verbunden in Dass und Diebe. Wir küren dside, aber die eins Ltimmv ist dis Ltimwe des Herrn. Daran ist wickt zu deuteln. Die Werks um dis lakrkundertwends sind die Kampf ansage an ikn, der sick nickt ablougnen lassen will. Immer von neuem beginnt das Dingen, immer von neuem wird der Leels das plammonsiegel eingepresst. Wann scklägt dis Doke gen Himmel? Dis Leit vergebt. Dock plamme und Lckeitvrkauken sind bereit und karren des Lturmes. Dlnd er kommt.