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Im Zeichen -er Kitze Blitzschläge — Brände — Explosionen — Äitzschläge Forldauer der tropischen Witterung Dresden, 22. Juli. Mit den Glücklichen, die sich seht der Schulferien erfreuen lwnnen. meint es der Himmel gut. Schon in der ersten Ferien- woch« ivar das prächtigste „Ausflugsivetter", am vergangenen Sonntag aber erreichte der Sonnenschein an Ausdauer und Nachhaltigkeit einen Rekord. Schon am frühen Morgen ivaren cs 23 Grad, in den Miltagstunden aber wurden 3 7 Grad Celsius gemessen. Damit ist die höchste seit dem Jahre 1865 gemessene Temperatur erreicht. Und noch scheint kein Ende der Warmeivelle erreicht . . . Die längsten Gesichter müssen in diese» Tagen die Wetter- kundigen aller Grade machen. Nach der barbarisch;«» Külte im Februar hat es geheissen, wir würden einen „Kühlen, regneri schen" Sommer bekommen. Hot sich ivas mit der Kühle! Als aber gar der Siebenschläfer-Tag Wasserstürze ohne Ende gebracht hatte, meinten selbst die Vorsichtigsten, nun sei ein „nasser" Som mer gewih. Wie nah, das sieht man an der Elbe: Bald werden die Dampfer nicht mehr fahren können, so niedrig ist der Wasser stand! An der Elbe ivar am Sonntag übrigens halb Dresden zu finden. Schwimmer und Nichtschwimmer, denn säst bis zur Mitte des Flusses konnte man ungefährlich aufrecht stehen. Da sah man Gummitiere und Schwimmringe, Badeanzüge aller Note» fvoin Adamskostüm aufivürts). Am Strande aber entfaltete sich ein buntes, nicht immer anziehendes Treiben. Die Elbdampfer worden ausnahmslos überfüllt. Aber weit in die Gründe der Sächsischen Schweiz dürsten die meisten dieser Ausflügler nicht gekommen sein, denn der Sandsteinstaub ist bei dieser Hitze kein Vergnügen. Auch der Sand der Dresdner Heide nicht. — Um so voller war es an den Teichen der nächsten Umgebung! in Mock ritz, in Moritzburg. in Weixdorf und Klotzsche. In Klotzsche fuhr in den Mittagsstunden plötzlich ein Blitz in das fröhliche Ge wimmel. Aber das Gewitter, das um diese Stunde über dem Elbtal stand, brachte keine Erleichterung. Der Montag begann bei bedecktem Himmel wieder mit hohen Wärmegraden. Ein kurzer Regengüh, der kaum den Staub löschte, war rasch vorüber. Und nun strahlt wieder die Sonne. Wie lange noch? Die Wetterkundigen meinen: Minde stens eine Woche lang geht das noch so weiter. Aber die Wetter kundigen haben sich oft genug blamiert. Wir glauben ihnen nichts mehr. Aus England, ivo noch vor wenigen Tagen Wassers not und Hitze ivar, werden Gewitter und Regenfluten gemeldet. Vielleicht bekommen auch wir in Kürze etivas davon ab . . . Folgen -er Kitze Dresden, 22. Juli. Die starke Hitze der letzten Tage hat eine Reihe von Un glücksfüllen zur Folge gehabt. Am Sonntagmittag schlug wäh rend des kurzen Gewitters, das zu dieser Zeit zur Entladung kam, ein Blitz in den Wald des Friedrich-August- Bades bei Klotzsche ein. Drei Personen wurden durch Ausstrahlungen des Blitzes leicht verletzt. Der am Freitagmittag slromausivürtsfahrende Perso ne n d a m p f e r „Königstei n" st i e h bei der Station Boden- bach m i t e i n e in t a l w ü r t s fa h r e n d e » Frachtdainp - fer zusammen. Ter Frachtkahn fuhr direkt in den Rad kasten des Personendainpsers hinein, so das; dieser stark beschä digt wurde. Auch das Steuerruder erlitt durch Aufstohen an das Land leichtere Beschädigungen. Der Dampfer muhte bei der Bodenbacher Haltestelle liegen bleiben, die Fahrgäste und die Frachtgüter wurden mit dem nächsten stromaufwärts fahrenden Tnmpier weiterbefördert. Die .Havarie ist aus den niedrigen Was > erst« nd der Elbe zurückzuführen. Mehrere Hitzsch läge werden gemeldet. Am Sonntag- »achmittag erlitt auf dem Sportplatz an der Hebbelstraße in Dresden der Füger Karl Beiier vom Neichsivehrregiment 10 einen tödlichen Hitzschlag. — Fn Ehr ist grün <Bogtland> fiel eine 63 Jahre alte Eutsbesitzerswitwe namens Norlbeck einem Hitzschlag zum Opfer. — 'Fn den Leipziger Eisenbahn betriebs Werkstätten wurde ein Arbeiter vom Hitzschlag getrof fen. — Fm Flussbad Altchemnitz erlitt der Schmied Ewald Friedrich beim Sprung vom Dreimeterbrett einen Herzschlag. — Fn der Nähe der Postaer Fähre bei Pirna ertrank am Sonn abend ein Schulknabe aus Mockethal beim Baden in der Elbe. Infolge Selbstentzündung brach Sonntag nacht in Treuen i. B. ein Scl;adenfeuer aus. — Auf dem Dresdner Schlacht!,ose löste sich der Feuermelder unter der Einwirkung der Hitze selbsttätig aus, was das Ausrücken eines groheren Lösch zuges zur Folge hatte. Grotzfeuer durch Exploiion Coswig, 22. Juli. Sonnabend früh entstand auf bisher un- crmittelte Weis« im Destillierraume der Clreinischen Fabriken für Asphalt- und Teerprodukt« von A. Pree eine Explosion, wobei der Destillateur Müller aus Weinböhla den Tod fand. Es brach eiin Brand aus, der an den dort lagernven Oelfässern und Teerproduk ten reiche Nahrung fand und aus das anstoheitd« Schuppeugebüud« und Eisenbahntankwageu Übergriff. Den vereinten Bemühuugen der benachbarten freiwilligen Feuerwehren und der Dres d n e r Feuer wehr, die inst Großbrandzng und Pioniertriagen ausgerückt war, ge lang es mit Hilfe des Schaumlöschgerätes, daFeuer eiuzudämuien und die benachbarten Gebäude zu schützen. Der Scl-aden läßt sich noch nicht übersehen. Die Ursache- Es gilt als sicher, das; das Unglück durch Selbstentzün dung von B e n z o t g e in i sch entstanden ist. Die große Hitze hat dies begünstigt. Der tödlich verunglückte Destillateur Müller wurde durch die Wucht der Explosion einia zehn Meter hoch gegen das Dach geschleudert. Er kam dann unter die nachstürzend« bren nende Decke zu liegen. Eine Fahrlässigkeit oder betriebstechnische Fehler kommen als Ursache des Brxindunglücks nicht in Betracht. 40 Grad Celsius in Berlin Berlin, 22. Juli. Berlin hatte gestern den heißesten Tag d«S Jahres. Trotz eines kurzen Gewitterregens in den frühen Morgen stunden brütet« den ganzen Tag über eine schier unerträgliche Hiß«, über der Stadt. Um die Mittagsstunde wurden im Zentrum de«, Stadt 35 Grad Eelsins im Schalten und fast 40 Grad EelsinS in der Sonne gemessen. Die Berliner Bevölkerung suchte in gro ßen Schaden Erholung an den zahlreichen Seen in der Umgebung. Die großen Freibäder in Wannsee, Grünem nsw. hatten einen Re kordbesuch ansznweisen. Nach den bis abends 8 Uhr vorliegenden Berichten der Polizei ertranken beim Sstiden in der Umgebung Ber lins sieben Personen. Anwetter in Englan- London, 22. Juli. Otzrnz England und namentlich die Küstengebiete wurden am Sonnabend von schiueren Gewit tern heimgesucht, denen zumeist wolkenbrnchartigc Regensülle folg- Endgesechl -er Berlei-iger Berlin, 20. Juli. I. „So schließe ich also zum zweiten Male die Beweisaufnahme in allseitigem Einverständnis/' sagte der Vorsitzende am Schlüsse der gestrigen Nachmittags-Sitzung, „am Montag werden dann die Plaidoycrs wiederholt werden." Die Befürchtung, daß tat sächlich sämtliche Plaidoycrs noch, einmal wiederholt werden, braucht man deshalb nicht zu hegen. Diese Ankündigung war aus strafprozessualen Gründen erforderlich, weil nach dem er neuten Eintritt in die Beweisaufnahme formell Anklagevertre- tung und Verteidigung noch einmal das Wort zum Plaidoyer erhalten müssen. Ehe das — gerade am Schlüsse eines Prozesses von dem Ausmaße eines Stinnesprozesses — sehr temperament volle Endgefecht der Replik und Duplik beginnt. Ursache des erneuten Eintritts in die Beweisaufnahme war eine Bemerkung des Verteidigers v. Llxildow. in seinem Plai doyer gewesen. Des Sinnes, daß der Untersuchungsrichter Dr. Brühl (ebenso wie er nach des Verteidigers Behauptung versucht haben soll, einen Rechtsanwalt B. aus Altona zu beeinflussen), versucht haben könnte, auch Frau Grosch, die Vertraute v. Wal- dows. hinsichtlich ihrer Ausiaae ,u beeinflussen. Denn der Reckt«, ton. Teil« Ser Ost- und Südküsi« wurden von Sturzwellen über schwemmt. In Folkcston« ist hierbei ein Mann ertrunken, zwei Kin- der und zwei Frauen wurde» verletzt. In verschiedenen Fällen ge lang es aus dem Wasser befindliche Gruppen im letzten Augenblick vor dem Ertrinken zu rette». Di« Slnrzwetten erreichten ein« Höhe bis zu zehn Metern. — Durch Blitzschlag wurden in verschie denen Landesteilon niebrere Personen getötet und eine größere An zahl verletzt. Ein Teil des Eisenbahnnetzes der Südbahn in o«r Nähe von London wurde »»benutzbar. da die Sehienenanlage,, 9g Zentimeter unter Wafer standen. Ratschläge sür heitze Tage Richtige Kleidung! Die Kleidung an beißen Tagoitz soll leicht, porös und nicht enganliegend sein. Straff angezogen« Sportgürtel und übnlieltzns sind Unfug. Di« Kleidung mns; aber auch ausreichend sein, das heißt Schutz gegen den Staub und di« Sonnenstrahlen geirnrhren. „Hutlos« Mode" nno allzuweit ausge schnittene Kleiber sind gerade bei großer Hitze von, Uebel. Vorsicht b e i in Trinken! Heiße Oletränke, die eine«» Ausgleich der Temperaturen bringe», geben an warmen Tagen die Dauer eine viel naehilial tigere Erfrischung als kalte. Wer um de« augenblicklichen Erfrischung willen Eis und eisgekühlte Getränke zctl sich nehmen will, soll nur schluckweise und langsam trinken; Magen« und Dalrmstaunngen sind sonst die unausbleibliche Folge. Alkoho lisch« Getränke meide inan nach Möglichkeit. Wasser, das nicht mi< Sicherheit einwandfrei ist, koch« man vor dem Genuß ab. Die best« Erfrischung für den Augenblick bietet ein Tropfen reine» Zitronen« sastcs, den man ans der Zug« zergehen läßt. Im Essen soll inan an heißen Tagen mäßig sein. Di« Suppe kann man ob»« großen Schaben sortfallc» lassen. Wenig Fleisch, Milch- und Mehlspeisen sind in dieser Jahreszeit besonder angenehm. Viel Obst und Salat «sien; Obst muß vor dem Genuß aber unter allen Umständen gründlich gewaschen werden. Maßhalten beim Sport ist von großer Wichtigkeit. Der Organismus ist bei hoher Temperatur sowieso in strlcrem Maße be ansprucht als sonst. Di« meisten Hitzschläg« der letzten Tag« sin- auf Sportplätzen und «Schwimmbahnen erfolgt. Richtige Lüftung der Wohnung macht das Leben ange nehmer. Während des Tages müssen die Fenster geschlossen bleibet», wo Sonne anliegt, sind Jalousien und Vorhänge zu schließen. In den Ahendkühl« (gegenwärtig also zwischen 8 und 0 Uhr abends) sin- die Fenster wieder zu öffnen, sie sollen nach Möglichkeit die ganz« Nacht über offen bleiben. Heiße Tage sind schwer zu erlmgen. Mit «in bißchen Ver nunft aber kann man sich pieles erleichtern! anwalf V. aus- Altona xotlke '?>»»> vcrundeii können, Daß »»r Untersuchungsrichter Dr. Brühl vor der affiiiellen Vernehmung der Frau Grosch mit dieser eine Privatuntcrhaltunq gehabt und ihr sogar Zigaretten angeboten hätte. Diese. Behauptung mar der Anlaß, daß die Anklagevertretnng nach Abschluß des letzten Verteidiger - Plaidoycrs den Antrag gestellt hatte, erneut in die Veweisaufnahm« einzutreten und den Rechtsanwalt B. sowohl als den Untersuchungsrichter Dr. Brühl zu dieser Angelegenheit zu hören. Der Rechtsanwalt sowohl wie auch der Untersuchungs richter kamen zu Wort. Man stritt um Worte und man sprach von Eindrücken. Wenn zwei Personen nach Jahren über ein zwischen ihnen allein geführtes Gespräch Be kundungen machen müsse», werden diese Bekundungen meisten» voneinander abweichen. II. Als letzter Stinncs-Vertcidiger hatte der Rechtsanwalt Dr. Hock-Hamburg, Zoll für Zoll ein Hanseate, gesprochen. Er hatte nach den umfassenden Ausführungen des Hauptverteidigers Dr. Alsberg sozusagen nur das Bedürfnis empsünden und die Pflicht übernommen, als Berater und als väterlicher Freund des Stint nes junior ein paar Worte über dessen Persönlichkeit zu sagen. (Anm.: Immerhin ging mit dem Zivilanrvalt von anerkanntem Ruf doch einmal kein Sveiialistentum durch, als er nämlich Plaidoycrs im Slirmes-Prozetz Dalmatinische Reise ll. T o r z u l a. Corzula: hier wird das Ohr nicht sonderlich durch den rauheren Klang erschreckt: die Umkehrung hat sich sehr sanft vollzogen. Ein kleiner Frontwechsel der Vokale hat genügt. Das Lurzola der Italiener ist vom Kroaten nur in Corzula gewandelt. In der Tat wurde die Insel, deren Geschichte sich wie in einem Brennpunkt im Bild ihrer Hauptstadt — an der Südostspitze — sammeln läßt, vom Ball der Geschichte immer nur in die nächste Hand gespielt, es behielt das Eigengewicht eines ganz persönlichen Schicksals. Am längsten beherrschten für die Venetianer, eine Zeitlang wechselten kroatische Fürsten, unter ihnen Bohumil von Zahlumien — welcher Name für phantasiereicho Theaterdichter! — mit den Staathaltern der Dogen und säst ein Jahrhundert regierten die Fürsten Marsili, als souveräne Monarchen die Insel. Sic stellen sich noch heute durch eine prächtige fürstliche Kanzlei, die jetzt als Gemeinde haus dient, den Enkeln als große Bauherren vor. Es muß recht erfreulich und romantisch gewesen sein, als Fürst Marsili über Curzola zu herrschen. Alte Rcigenspiele der Städte Blato und Velalnka erinnern daran, wie spielerisch und freundlich man selbst nach den fürstlichen oder venetianisthen Staathaltcr bei seinem Amtsantritt zu empfangen wußte. Auch noch aus den heutigen Bootswerften und Handelshäusern, den Oliven gärten, Holzhandlunge» und Geschäften der Stadt kann man sich die Rechnung inachen, wie Schisfahrt, Fischerei, Fnichkbar- keit des Bodens und freundlichen Fleiß genug Wohlstand er gaben, das; der Principe Marsili bei seinen Untertanen bei nahe jenes berühmte „Huhn im Topf" wie der gute franzö sische Heinrich, zumindest aber einen fetten Hammelbraten finde» konnte. Vor vierhundert Jahren gewisser als 1924; heute sind die Schatten aus jenem fernen Licht im Vorder grund Schatten von Ruinen im buchstäulichen Sinne. In der Stadt Corzula stehen seit hundert Jahren bei Dutzenden Häusern nur di« Grundmauern ohne Dach. Man hat sich als die Pest einbrach, nicht anders, als durch Abbrcnnen und A»s- räuckern der Häuser t»u Kelten aewudt. Zu mebr aelanate di« immer rascher an Bevölkerung 'abnehmende Städt'nicht mehr. Der Stein des Südens ist ko gut, daß man Verödung und Ab bruch nur ganz in der Nähe merkt, von ferne hat das Stadt bild in nichts gelitten. Der Fremde meint, daß das gespen stische Gestern der leeren Häuser dem Heutigen jede Freude an der Gegenwart erwürgen müsse, aber gleichmütig und schwatz- haaft gehen die Curzolanerinnen auch an den Ruinen vorbei. Wenn am Pfingstmontag uralte Reliquien im Zug getragen werden und nach großen Traditionen ein Pomp entfaltet wird, der für eine fünfmal größere und reichere Stadt vor 400 Jahren gerade recht war, indes er heute fremd und uner klärlich wirkt, so lassen sich die Lurzolaner keineswegs durch solchen Vergleich in ihrer frommen Freude beirren; Weihrauch dampst feierlich zum Himmel, der Propst der Domkirche erteilt wie einst der Bischof unter der Mitra den Segen und selbst in der heutigen Formel der kirchlichen Behörde von Corzula liegt etwas von der Art ausgedrückt, mit der die Insel mit ihrer Vergangenheit fertig wird: sie trägt eben auch mit schwächeren Schultern von heute das geistige Gewand ihrer Vergangen heit. Sie ist kein Bischofssitzmehr, aber der Verweser der Stadtpfarrci hat doch die Insula des Episkopus. Auf der Insel teilen sich ein Dutzend Rechtsanwälte und Aerzte in das Wenige, das bei Leben und Sterben der kleinen Stadt für Juristerei und Medizin abjällt, soviel Intelligenz will Raum und Erfolg, Daher gibt es manche im Lande, die Corzula stärker dem breiten Fremdenverkehr erschließen wollen und dazu alles herbeiwünschen, was sie anderswo in der großen Welt beobachtet haben, den berühmten „Komfort der Neuzeit". Fließendes Wasser in jeden, Zimmer, Dampfer- und Motor- verbindnng, geschickte Saisonvereinbarungen, die de» Strgm der Fremden unweigerlich hereinziehen müßten. Indes dürften auch die heftigsten Verwandlungen dieser seltsamen Insel zur Moderne nicht allzu viel Hoffnung haben. Die „Insignien" des Gestern, die sie zu tragen hat, sind zu schwer, um ihr wirk lich ganz die eigene Freiheit zu lassen. Immer wieder schreibt ihr die Vergangenheit Takt und Haftung des Lebens vor. Jeder Schritt, allzu rasch in eine andere Zukunft getan, hieße ein Stück der Vergangenheit preisgeben. Wo aber nähme dann der Verkehrsverein von Corzula eine „Attraktion" von gleichem Reiz wie seine Historie her? Welcher Badestrand, welche Hotelhalle könnte sich je mit dem Schatz messen, der, in Stein und Bild aekanaen. im Kreis von kaum tausend Meter als Spiegel der Geschichte so verschwenderisch gehäuft ist, bast anderswo ein ganzes Land seine Erinnerungen davon bestrei ten könnte? «r R a g u s a. Erzählt Corzula dalmatinische Geschichte bisweilen wie eine Idylle, so läßt sie Ragusn als tragisch umbraustes Heldenlied hören. Wenn die Umrisse des Hafens von Gravosa und darüber die gewaltigen Festungsmnuern der alten Stadt sich am Himmel zeigen, ahnt man schon, daß diese Silhouette oft vor dem Hinter, grund europäischer Politik sichtbar war. Gab es nicht noch im 18. Jahrhundert an manchen Höfen Gesandte von N a g u s a? In der Tat hat sich bis 'Napoleon in Ragusa eine oligar,hische Stadtrepublik erbaltcn, die durch Iabrhunderte eins gewaltige Wirtschaftsmacht, bisweilen auch in Gefolgschaft oder in leidenschaftlichem Widerstand gegen Venedig auch eine politisch entscheidende Figur iin Schachspiel der großen Mächte war. In, Aus und Ab des Ragusaner Schicksals zeigt sich das historische Gesetz der Adria als ein Paradigma der politischen Physik überhaupt. Wie Rom und dann später Venedig dem Osten der Adria gegenüberstanden, zeigt das Wesen des geschicht lichen Raumes. Seine Größe ist zunächst gleichgültig, er muß nur geschichtliche Kontraste möglich machen. Ein Volk, das politisch denkt und darum kriegerisch ist. ein Volk, das reich von der Natur beschenkt, die überschüssige Kraft in Bewegung und Energie nmsetzen muß, bekämpft und überwältigt ein anderes, das zunächst im Kampf mit dieser Natur bis zur Erschöpfung beschäftigt ist und erst dann wieder zum Zug kommt, wenn seine genügsame Härte sich nicht mehr allein gegen die Uebermacht, sondern auch schon gegen die Uebersättignng der Eroberer -,nr Wehr setzen kann. Ob nun das Adriatische Meer die Arena dieses Schauspiels ist oder das Mittelmeer, oder der Ozean, wie ähn lich sind die Gesetze der Entscheidung! Man kann an der 'Adria musterhaft Weltgeschichte studieren, auch wer heutige Wirtschaft--- kurven begreifen und das Aufblühen neuer, das Abwelken alter Wirtschaftsmittelpnnktc ans den tiefer liegenden Veränderungen im machtpolitischcn Raum verstehen will, findet sich vom Hin- nnd Widerfluten der Macht in der Adria schöpferisch belehrt. Denn die beispielhafte politische Bedeutung der Adria hat über alle scheinbaren Verwandlungen der Jahrhunderte triumphiert, bock über Raauia liebtma» beut« noch das -Fort Fmverial". l«