Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 20.07.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192907209
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19290720
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19290720
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-07
- Tag 1929-07-20
-
Monat
1929-07
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 20.07.1929
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sächsische Dolkszeilung ro. ^ul» l»r» !krankl Paris. 18. Juli. poincarö, der am nach dem ersteq Ichen einer ernst- , merNicher Bess«- Zimmer zu hüten, usammenarbeit i« ehungen mdon. 19. Juli, isung wissen, dir n, die diplomati« wieberaufzuneh« Hendersons :eter der Sowjet- für die Wieder menden Fragens ng der russisches nstig aufge-' iße, nicht bereitz l erörtern. Die ungen über dies^ Wege nach der n beiden Regie- So-wsetregierung Woä)e erwogen >ort der Sowjet, »getroffen. Zull nächster Wachs entscheiden, ov pruch eingelegt werden, ob der die Frage des die Frage dei Anspruch eint Fraktionen un^ n. Die Plenar( der Ausschllff« uß zu fassen. klberfeld . 17. Juli, zwischen Ver- «en-Fraktions- nd der Regie- gerineistcr Dr. rwaltung der Eleichberech- n (Elberfeld), stelle des bis« eirrasierr >on, 19. Juli, »lge nehmen die rn Umfang »ielc Dörfer an 9 Personen (?) »»»ngen immer che Einwohner ver vom preu« herausgekom- ngsstellen an- 890 erlassenen wie der De- "hobt, das, bis mngen ausge- ly Telegraph"> Edition unter ch Darjeeling, mgsarbeit der >en Gelehrten konzentrieren ls (etwa 8800 weck der El- et, war kürz- len zwei Stu» 1 worden, da ndrong. Bor der Medizi« mit tödlichen sechs Monate lterwart- n bis schwach ;. Dabei ver. lusgeschlossen. »»««er 1« Natürlich .Hie FM W j>e« »er TW" Diese Ueberschrift lesen wir in der sozialdemokratischen „Rheinischen Zeitung", Seren Herausgeber der sozialistische Reichslagsabgeordnete Wilhelm Sollmann ist. Der Sozialismus hat erkannt, dag er seine politischen, wirtschaftliä>en und kultu rellen Ziele nicht erreichen kann, wenn er nicht schon die Kin der für die sozialistische Idee gewinnt. Diesem Ziel, der Er fassung der Jüngsten für den Sozialismus, dient die Organi sation der „Kinderfreunde". — „In diesen Tagen treffen sich so berichtet stolz die „Rheinische Zeitung", 5000 sozialistische Kin der im Zeltlager von Namedy. Dort im Rheintal bei Ander nach errichten sie ein Zeltlager und rusen di« Kinderrepuülik aus. Ein Teil der roten Falken zog über Köln: „Rote Falken um den Kölner Dom". In hohen Tönen kündigt die „Rheinische Zeitung" an: „Die neue Welt marschiert. Zug der roten Falken durch das (ehemals) schivarze Köln. Die Zentrumspresse speit Gift und Galle." Das wird uns die „Rheinische Zeitung" und Herr Sollmann schon nicht verargen können, dag wir mit aller Deutlichkeit diese Beilegung der „Kindersreunde" beachten und ungeschminkt auf die Gefahr Hinweisen, die von unserer katholischen Weltanschau- uug ans in ihr liegt. Wir wollen in diesem Zusammenhang auf die ..Kinderfreunde" selbst und ihre sozialistischen Erziehungs grundsatze nicht eingehcn.. Uns interessiert hier vor allem der Führer der „Kinderfreunde" und seine Einstellung zum Christentum. Führer der Kinderfreunde ist der sozialistische Stadtschulrat Dr. Löwen st ein, Mitglied des Reichstages, der erste Vorsitzende des „Hauptvorstandes sozialdemokratischer Lehrer und Lehrerinnen Deutschlands". Im Reichstogshandbuch bekennt er von sich, dag er Dissident sei. Es ist kennzeich nend für den verfemten ober damit ebenso scharfen Kampf der sozialistischen „Rheinischen Zeitung" gegen das Clzristentum, wenn diese Zeitung Dr. Löwenstein in der rheinischen Kinder- rspublik mit folgenden Worten begrüßt: „Der Reichstagsabge ordnete ohne jede feierliche Würde im Kittel der Roten Falken. Der Erzieher ohne Autorität, der diese Iugeick nicht mit dem Prügel leitet, sondern in der Tat durch Freundschaft. Der Mann, den der Hag unserer Gegner verfolgt als ein Ehrengeleit seines menschlichen Wirkens. Der Genosse, den insbesondere die Ver logenheit sogen. Frommen umheult, cchne dag sie wagten, auch nur einen seiner pädagogischen Gedanken unverzerrt vor ihre Anhänger zu bringen. Der Mensch, dem sie sein Judentum Vor halten. diese Wortchristen, von denen nur allzu selten einer durch die Tat nachzuweisen sich bemüht, dag er ein Recht hat, sich einen Christen zu nennen." Uns geht es nicht um die Person Löwen st eins, uns geht es um seine weltanschauliche Einstellung. Dr. Löwenstein, der Dissident, hat im letzten Reichstag den Kampf gegen den vorgelegten Schulgesetzentwurf geführt: er ivar in diesem Kampfe der führende Kopf der sozialdemokratisches Neichsiagsfraklion. Sein Ziel ist die vollkommene Verivel« llchung der Schule. Noch neuerdings Hot er das aus der Reich»! tagung der freien Schulgemei»säiasten in Braunschrveig heran« gestellt. Die bereits bestehenden weltlichen Schulen seien detz Ausgangspunkt des Kampfes um die sozialistische Schule, weicht das letzte Ziel der Sozialdemokraten sei. In der katholische«! Kirche erblickt Löivenstein mit Recht den mächtigsten Gegner sei ner Ziele. Der „Katholischen Aktion" setzt er die „Sozialistisch« Aktion" gegenüber. Auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft sozialdcmokratisäzer Lehrer und Elternbeiräte in Dresden stellt« Löivenstein es als Pflicht eines jeden klassenbewufztcn Sozial demokraten hin, seine Kinder vom Religionsunterricht dt« Schule abzumclden und aus der Kirche auszutreten. Noch einige Beispiele, die uns di« kulturpolitische Emstek-! lung Dr. Löwensteins zeigen Im Iuliheft des „Klassenkampses* schreibt er zum preußischen Konkordat. Das, er es verwirft uniß ablehnt, ist selbstverständlich. Nur einige kennzeichnende Sütz« aus dem Aufsatz: „Schon die Verfassung gibt den anerkannte«! Neligionsgesellsäiaften eine Reihe von Rechten, die mit unsere« (d. h. sozialistischen. D. Red.) grundsätzlichen Auffassung ooM Freiheit und Toleranz nichts zu tun haben. Unser Bestrebe» mühte dahin gehen, diese Bestimmungen allmählich aus der De« fassung zu entfernen, und selbst wenn wir augenblicklich kein«! Aussicht wegen der politischen Machiverhültnisse haben, diese» Ziel zu erreichen, so mühten wir doch versucixen. es ideologisch! für eine spätere Zukunft aufrecht zu erhalten . . ." Bei de«! Verhandlungen über das Reichsschulgesetz haben wir seibstver« stündlich immer den grössten Wert darauf gelegt, auch den kath« lisch«,, konfessionellen Lehrer gegen Willkürakte seiner Kirchtz zu schützen." Diese Sorge Dr. Löwensteins um unsere Lehre« braucht er sich wirklich nicht zu machen. Löivenstein wendet sich! ferner gegen jene Artikel des preutzischen Konkordats, „die de«! Bischöfen das Recht geben, bei der Austeilung von Professoren! der theologischen Fakultät ihr Beto einzulegen": er bedauertes, datz der preuhische Staat der katholischen Religion gesetzlickze« Schutz gewährt: er findet diese Bestimmung über die Reichs verfassung hinausgehend. Er stellt fest, datz die Sozialdemokra ten ein Interesse daran hätte», „datz in das dogmatische Ge bäude der katholischen Kirche ein frischer liberaler Luftzug hineinkomme". Diese Zusammenstellung mag genügen, um das weltanschau liche Bild Dr. Löwensteins zu zeichnen. Der Sozialismus kan« es uns wirklich nicht verargen, wenn wir in Dr. Löivenstein mit dem besten Willen einen Iugendführer nicht erblicke« können. — Noch eine Frage. Wie stellt sich das „Rote Blatt de« katholischen Sozialisten", das Löivenstein in dem erwähnte« Aufsatz mit einer Handbcwegung svöttclnd abtut, zu den Kinder- sreunden des Herrn Dr. Löwenstein? Der Sächsische Lehrerverein hat zu den, Laudtags- heschlusse, nach dem in den ersten beiden Schuljahren künftig kein Unterricht in Religion oder Lebenskuud« stattfinde,« soll, ein« Ent schließung gefaßt, deren wesentliche Stellen lauten: „Der Sächsisch« Lehrerverein begrüßt den Beschluß des Landtages vom 10. Juli 1929, nach den, in den ersten beiden Schul jahren weder Religionsunterricht noch Unterricht in Leben stunde in besonderen Stunde» erteilt werden soll. Der Sächsische Lehrerver ein begrüßt diesen Beschluß schon um der Kinder willen. Für di« wenigen biblischen Geschichten und für di« sittlichen Belehrungen aus dem Gebiete der Lebenskunde, die für seehs- und siebenjährige Kin der möglich sind, bedarf «s nicht eines besonderen Unterrichtes in wöchentlich zn>ei Stunden, bedarf es nicht des Aufwandes von 160 Wochenstunden in zwei Schuljahren. Auch Geistlich«, di« diesen Unterricht jetzt hier und da in der Schule erteilen, empfinden di« mit der jetzt eingeführten Regelung verbundenen Schwierigkeiten. (!) Der Beschluß des Landtages versucht, dem Alter der Kruder in den ersten beide» Schuljahren Rechnung zu trag«»: er stellt eine rein päda gogische Maßnahme dar und sollt« — um der Kinder willen — nicht schulpolitisch gesehen werden. Mit dem Landtagsbeschluß ist auch dem Artikel 149 der R e ich s v e rfa s s u n g entsprochen, nach dem der Religionsunter richt ordentliches Lehrfach der Schulen ist. Daß der Religionsunter richt in allen Klassen, vom 1. Schuljahr ab, erteilt werden müsse, wird von der Reichsversässuug nicht gefordert. I» de» Schulen Hamburgs beginnt heute noch wie vor Jahren der Religionsunter richt mit dem vierten Schuljahr. Und bei der Regelung, di« der Religionsunterricht in den ersten beide» Schuljahren bereits vor der Schulgesetzgelniiig auf Grund der Bestimmungen des Landcslehr- plaucs aus dem Jahre 1876 erfahren konnte und in vielen sächsischen Schulen auch erfahren hat. kommt auch Artikel 174 der Neichsverfos- sung nicht in Frage." «- Natürlich muß der Sächsische Lehrerverein einen solchen Be schluß begrüßen! Er knnn seiner ganzen Bergaiigeichcit nach gor nicht anders. Merdings hätte cs nicht so vieler Worte bedurft. Der Lehrerverein hält« kürzer schreiben können: „Der Sächsische Lehrer verein begrüßt den Land tag Sbeschluß als eine Maßnahme zur Be seitigung des Religionsunterrichtes." Die Rechtsouffassung, die der Lehrerverein vorträgl, wird, wie <n>8 der Erklärung des Ministerpräsidenten tm Landtage hervorgeht, von der Regier,mg nicht geteilt. Die Negierung Billiger wird die sem Landtagsbeschluß also keinen Vollzug geben. Und es wird sich auch in diesem Landtage ketne Mehrheit finden, di« eine Regie rung aus solchem Anlaß zu stürze» ivagt. Die Krisis -es Bil-urrgsrvesens Dieses aktuelle Thema behandelte am Donnerstag Mini sterialdirektor Dr. Mcnke-Gliickert, der bekannte Be- arbeiter der Reformdenkschrift des sächsischen Volksbildungs- Ministeriums. vor der Studentenschaft der Technischen Hochschule Dresden. Sachsen hatte 1834 bei 1600 000 Einwohnern 18 höhere Schulen mit 2130 Schülern sl auf 749 Einwohner), 1925 bei 5 Millionen Einwohnern 118 höhere Schulen mit 52 000 Schü lern sl aus 96 Einwohner). Diesen Massenandrang zu den höheren Schulen stellt der Redner nicht zuletzt als die Ur sache der Krise im deutschen Bildungswesen hin. In grohen Zügen skizzierte er die Geschichte des deutschen Bildungsivesens, das von derIndividualbilüung zu einer Kollektiv- bildung iibergegangen sei. Der Ausbau der einheit lichen Volksschule, des Berufsschulwesens und der Müdchenschulbildung, die Schaffung einer deutschen höheren Einheitsschule und die Errichtung .zahlreicher Internate seien die Wege, der Krisis zu begegnen. — Zur Reform des Hochschulwesens forderte Dr. Menke- Glückert den Abbau der großen Universitäten und die Schaf- fung kleinerer Hochschulen, eine stärkere Berücksichtigung der späteren Berufstätigkeit Studierender, sowie die Uebertragung des Internatsgedankens auf die Hochschulen. Im übrigen müsse der Studierende mehr als bisher zu Volksbildungsarbeiten her- ongezogen werden. — Dem Bortrag folgte eine anregende Aus sprache. Generalversammlung -es AD. Freiburg in Baden, die Stadt des diesjährigen Katholiken tages, wird wenige Wochen vorher die 66. Generalversammlung des Verbandes der tvissenschaftlichen katholischen Sstldentenvereine Uni- tas (UV ) in seinen Mauern aufnehmen. Für den 31. Juli bis 5. Anglist ladet der derzeitige Vorort: Unitas-Lichtenstein, Freibnrg, alle Unitarier zur diesjährigen Generalversammlung ein, ans der weniger Fragen des „Draußen" als vielmehr des „Drinnen" zur Beratung stehen. „Unitas einst und jetzt" lautet das Thema, das in verschiedenen Vorträgen Rechenschaft oblegen soll von dem Cieist und Wirken der unitariscben Vereine in Vergangenheit und Gegemvart. Auf dem öfsentlichcn wissenschastlichen Abend am 1- August wird A. H. Professor Me herbe er über „Christus im öffentliche« Leben" sprechen, auf der Morgensitzuug am 2. August A. H. Pro fessor v. Tunk über „Christus tu der Unitas". Prälat Dr. Schä fer (Ehrenmitglied des UV.), der bekannte Politiker und Katho« likcnsührer Badens, spricht über „Akademiker im öffentlichen Leben", In weiteren Referaten werden von den A. H. A. H. Studienrat Oh lendorf »nd Studienvat Dr. De er mann gleiche Fragen st« die untlarisch« Arbeit aiisgeivieseii Der hochwürcügste Herr Erzbischof von Freibnrg Dr. Fritz tvird das feierliche Pontifikalamt am Sonntag, den 4. August t» St. Martin halten, die Festpredigt hält A. H. Dr, Rüde lFreiburg).- Mit dem Festzug«, der Gefallenenehrung und der Huldigung vor dem Erzbischos nnrd die Tagung ihr Ende finden. — Am 2. August ist der Trauergottesdienst mit Predigt von Stadtpiarrer Dr. Bickel mrd gemeinsamer heilige Kouimuuiou der Unitarier, anschließend im Katholischen Veremshause die traditionelle Morgeiifitzunq. Dt« Abende werden, soweit nicht Kommissionen sie benötige», mit Kom mers und Gesellschaffsabend auch die Festesfreude zu Worte komme« lassen. Eine Rundfahrt durch den Schwarzn-ald wird de» Auswär tigen Badens Schönheiten iveisen, so daß der VorortSeiuladung, nach Freiburg zu kommen und dort auch di« Ferien zu verleben, sicher viele Folge leisten werden. »Pa. In den Kochvogesen Man muß im Elsaß die schönen, alten Städte im Kranz ihrer blühenden weißen und sonndurchlenchteten Rebberge weit hinter sich lassen und in das Herz des südlichen Wasgaus eindringen, nm sich einmal ganz von dem Alpdruck der Politik zu befreien und ohne störende Dissonanz die vielstimmige Symphonie des Sommertags zu genießen. Aus den verwitterten Toren und winkligen, giebelüberragten Gassen von Thann, Eebweiler, Türkheim fliehen die Täler,' be gleiten die geschwätzigen Wellen der Fecht und Lauch, erweitern sich zu freundlichen Wiesengründen mit wohlig sich hinstreckenden Ortschaften, um sich dann plötzlich kulissenartig zu verengern und zwischen jäh aufragendcn Bergwänden z» verschwinden Schroff und steil steigen aus dem weichen Vließ der Matten die wildromantischen, sagenumwobenen SUdvogesen auf Der Hohneck, der Kahle Wasen, der Lauchenkopf recken die schweren Häupter über die ihnen vorgelagerten, im unendlichen Rhyth mus auf- und abschwingenden Kuppen. Unabsehbar weit dehnt sich der Tannenwald aus. Uralte, zottelbärtige Fichten mit mächtigen Stämmen und schlanken Wipfeln, die das blaue Bal dachin des Iulihimmels tragen. Hier in der großen Einsamkeit und Abgeschiedenheit der Wälder leben die Schlitter, jene eigenartigen, herbverschlosse- nen Bergsöhne, die mit de» Melkern aus dem Münstertal einen Volksschlag für sich im Elsaß bilden. Sie haben sich tm Gegensatz zu den Städtern und Bauern i» ihrer vollen Ursprünglichkeit erhalten und sind vom Wechsel der Geschichte, von der Gunst und Ungunst der Zeiten unberührt geblieben. Die Politik, die land auf und landab die Gemüter erhitzt, Familien nuscinauderreißt und in den purpurnen Kelch der Freude den bitteren Tropfen der Unzufriedenheit mischt, hat in ihrem Leben keinen Raum. Auch nicht die Zeitung, die dem Elsässer etwas Unantastbares ist, der darauf schwört, etwa wie auf seinen Arzt und seinen Pastetenlieferanten, und deren Lektüre gleichsam eine sakrale Handlung bedeutet. In den Tiefen des Wasgaus braucht keine Meinung künstlich gehämmert, keine Politik gemacht zu werden. Im harten Kampf mit den Elementen erstarb die Furcht vor den Menschen. Der Rücken blieb gerade, und nur das Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit mit den gleich gearteten Stammes- aenolien wucks lick aus. Die Scklitter find nickt Deutlcke und nicht Franzosen. Elsässer wollen sie sein. Oder besser noch Münstertäler, Sondernacher, Lautenbacher und wie die Nester im Tal, in denen Frau und Kinder leben, alle heißen. Als ich auf einer Wanderung im Lauchenkopfgebiet einen alten, von Wind und Sonne gebräunten Holzhacker fragte, wie es ihm bei dem neuen „Regime" behage, sah er mich aus seinem von un zähligen Runzeln durchfurchten -Gesicht fast mitleidig an, wies auf die turmhohe Ladung, die er zu Tal fahren mußte und meinte: „Taut Is rests oincl ckumml plant". Sonst mag es dem Fremden, der das romanische Patois oder die alemannische Mundart nicht beherrscht, schwer fallen, mit diesen wortkargen, verschlossenen Männern ins Gespräch zu kommen und ihnen mehr als ein „Unnjour" zu entlocken. Auch würde der Uneingeweihte schwerlich begreifen, daß eine „Ckölok- leapps" eine Schiafmütze, ein „vscllawa" (ckoval) ein Pferd und „ekelte" schelten bedeutet. Zäh halten die Schütter am Althergebrachten fest und lehnen jede Neuerung ab. Die Zeit hat diese rauhen Naturen in nichts abgeschliffcn, und nickt einmal die Postkartcnindustrie hat einen romantischen Glorienschein um ihre vierkantige Stirn gewoben. Sie sind abergläubisch wie die Melker. Auch sie ziehen über ihre Betten einen Wirrwarr von kreuz »nd a»cr laufenden Fäden, um dem nächtlichen Eindringen des gefürchteten „Schratz- männles" zu wehren. Das Handwerk dieser Männer hat sich von den Vätern auf die Söhne »ererbt. Ihre Welt ist der Wald, der vom Schlag der Axt, vom Singen der Säge, vom Aechzen der abführenden Schlitten widerhallt. Im dichtesten Forst stehen die Gezeich neten. Das Kreuz, die Ziffer ans der braunen Rinde bedeuten den Tod der herrlichen Bäume. Noch tragen sie stolz die Krone, die Blitz und Stürmen getrotzt hat, noch wohnen in ihren Wip feln die Vögel, und unter ihren Zweigen rasten die Beeren sammlerinnen, die Reisig suchenden Mütterchen, vielleicht auch ein Wandrer oder ein junges, liebendes Paar. Eines Morgens aber kommen die Holzfäller. Vis zur Spitze werden die Zweige abgehauen. Nackt, ins Mark erschauernd steht der stolze Baum. Von zwei Seiten schlagen die Männer in den Stamm, treiben die Keile in die immer größer werdende Wunde, aus der in schweren, goldnen Tropfen das Herzblut der Tanne sickert. Die Säge wird angesetzt, taktmäßig von zwei Männern hin- und her- gezogen, bis sich die kleinen, spitzen Raubtierzähne durch de« Riesenleib durchgefressen haben. Die Tanne schwankt, ächzt und linkt iäb. in ibrem Kall, alles Eeltriivo. alle Kweiae der nm. stehenden Bäume mit sich fortreißenv. Donnernd hallt durch die Stille der Schrei des stürzenden Recken. So ereilt das Schicksal einen Gezeichneten nach dem andern. Die Stämme werden ans dem Holzplatz geschält, gesägt, behauen, um als Bau-, Scheit- und Reisholz zu dienen. Jetzt beginnt die Arbeit der Schütter oder Schlittenrs, wie man sie im Elsaß nennt, di« diese gewaltigen Holzmassen von den abgelegenen, ungangbaren Höhen nach den in der Näh« von Flüssen und Chausseen gelegenen Stapelplätzen und Säge- Mühlen befördern. Das Zutalschaffen geschieht auf den von den Schlittern selb? angelegten Schüttwegen. Schwere Stämme, in denen in regel mäßigen Zwischenräumen Querhölzer eingerammt sind, werden mit Pflöcken in den Boden verankert. Die Bahn Hot das Aus sehen einer sorgsam znsammengefügtcn, meilenweit sich hin ziehenden Leiter. Sie paßt sich eng an die Bodcnbeschrsfen» heit an, umklammert in endlosen Schlingen und Windungen di« schlossen Berghänge, klettert über Felsen und wildes Geröll, schießt in schwindelnde Tiefen hinab, schwingt sich, von stützen den Stämmen getragen, über tosende Büche, taucht in Waldes dunkel unter, um schließlich auf einem offenen Platz unter friedlich blühenden Wiesen auszulausen. Auch das Fahrzeug, das in seiner Bauart dem Rodel schlitten gleicht, wird von den Waldarbeitern selbst verfertigt. Durchschnittlich lädt der Schütter sechs Ster Holz — also den Winterbrand für eine ganze Familie — auf sein Gefährt. Nur, wenn es sich um den Abtransport von Bauholz handelt, bei dem Stämme von zehn und zwüls Metern in Betracht kommen, werden zwei, je von einem Lenker bediente Schlitten ge nommen. Vorn zwischen den hörnerartig ansteigenden Kufen sitzt der Fahrer. Lange, eh die Jugend sich in allen Ländern am Sport entflammte, wurden hier in den Tiefen des Waldes unbe kannte und gefährliche Rekorde geschlagen. In dem erbitten«» Kampf, der sich zwischen der in rasender Geschwindigkeit nach abwärts strebenden Riesenladung und dem steuernden Schütter entspinnt, mutz letzterer Sieger bleiben. Alle Muskeln sind angespannt, fest stemmen sich die Füße gegen die Querhölzer der Bahn, und gewaltsam preßt sich das Rückgrat gegen die erdrückenden Holzmassen. Ein Fehltritt, das Ausrutschen des Fußes auf einer verregneten Leiste, eine zu knapp genommene Kurve können dem Fahrer das Leben kosten. Im Bruchteil einer Sekunde rutlckt er unter den Schlitten oder wird aeaen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)