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s.q N«mm»r I» Sächsische Dolkszeikunq 23 Januar >83« Polizeisragen im Landlag Unlerjuchungsausschuf; für die Karlmannsdorfer DorqänFe — Entlassung -er in den SittiiHkeilsskandat verwickelten Polizeioffiziere Dresden, 22. Januar. In der estrigen Sitzung des Landtages wurde der Ent wurf zur Aeuücruiig des Gesetzes über die Landesknlturrenien- danli augenomineii. Es folgte dann die gemeinsame Beratung der Anträge und Ansragen, die sich mit den kommunistischen Unruhen beschäftigten. Unter großer Unruhe des Hauses be gründete zunächst Abg. Fritsch« <Dn.) eine Anfrage über die Bildung einer „Sächsischen Arbeiterwehr" an Stelle des aufgelösten Rolsronlkämpsettiundes und über den zuneh menden kommuinsUschen Terror. Er richtet« an die Negierung die dringende Bitte, in der Niederschlagung des Terrors eine feste Hand zu haben und unerbittlich durch-,»greisen. — Hierzu gab Miliislerialdirektor Dr. Fritsche folgende Erklärung ab: Die tatsächlich festgestellten Vorgänge reichten nicht dazu aus, die Bildung einer „Sächsischen Arbeiterwehr" als Fortsetzung des Notsronlkämpserbundes anzusehen, da sowohl die Führer als der Mitgliederkreis andere seien. Z»m gesetzlichen Vor gehen liege kein Anlas; vor. Abg. Schessler (Komm.) begründete den kommunistiscl)en Antrag wegen des Juso in m e n st o tz e s z iv i scheu Pali, zei und A r b e i t c r s g o r t l e r n in Chemnitz, 17. Juli 1029, und i» Ha r t ma n n sd o r f. — Innenminister Dr. Richter nahm die Polizeiofsiziere und Mannschaften gegen die ihnen gegenüber vorgebrachten Vorwürfe in Schutz. Sie hätten alle unter schwierigsten Berhältnissen ihre Pflicht getan. Er bitte, den kommunistischen Antrag aus Entlassung und Bestrafung der schuldigen Polizeiofsiziere und Beamten anläßlich des blutigen Zusammenstoßes bei der Erwerbslosendemonstration in Hart- inaunsdors abzulehnen. Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Fritzsch sNatsoz.s betr. an gebliche Mißstände bei polizeilichen Absperrungen in Plauen i. B. antwortete ein Regiernngsvcrtreter, daß derartige Mißstände keinesfalls bestanden Hütten. Man werde veranlassen, daß in Zukunft in ähnlichen Fällen nicht mehr die Polizei von Zwickau, sondern die aus Plauen in Funktion trete. — Zu einer kommunistischen Anfrage wegen der Durch führung von Landtagsbcschlüsscn über die dienstIiche n V e r- hältnisse der P o l i ze i b e a m t e n hielt Abg. Sind«r. mann eine Rede, die großen Lärm auslöste. — Innenminister Dr. Richter führte dazu aus, daß die Regierung glaube, in ge wissen Punkten den Wünsckien der Polizeibeamten entgegenkom- «uen Zu sollen. Vor allem wolle man den Beamten als Ersatz für den zwölsstündigcn Nachtdienst einmal im Monat eine 60- stiindige Freizeit gewähren. Die Auslösung der politischen Polizei, die in der Anfrage auch gefordert werde, müsse er al>- lchnen. In der anschließenden Aussprache, die sich hauptsäch. lieh mit den Unruhen in Hartniannsdors beschäftigte, vertraten die Abg. Miiller-Mittweida sSoz.s, Dieckmann sT>. Bp.s, Renner sKomm.), Bretschneider sDein.) und Kunz sNatsoz.) den Stand punkt ihrer Fraktionen. — Nach einem Schlußwort des Abg. Mildenstreq (Komm.) kam es zur Slbstimmung. Ter kommu nistische Antrag wegen des Zusammenstoßes zwischen Polizei und Arbeitcrsportlern in Chemnitz beim Ausmarsch nach Nürn berg verfiel der Ablehnung. Die Gesuche des Rates und der Stadtverordneten zu Chemnitz zum gleichen Gegenstände wurden gemäß einem Anirag Dieckmann sD. Vp.s für erledigt erklärt. Der kommunistisck;« Antrag auf Entlassung und Be strafung der schuldigen Polizeiofsiziere und Beamten anläßlich des blutigen Zusammenstoßes in Hartmannsdorf wurde ebenfalls abgelchnt. Dagegen fand d«r sozialdemokratische Antrag aus Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für di« bedauerlichen Vorgänge Annahme. Abg. Liebmann sSoz.s begründete sodann einen Antrag seiner Partei, die Regierung zu ersuchen, sämtliche in den Sitt- lichkeitsskandal bei der Dresdner Polizei verwickelten Offi ziere, gegen die schwer belastendes Material bereits zutage ge fördert worden sei, sofort aus dein Staatsdienst zu entlassen. Zum gleichen Gegenstand sprach Abg. Siegel sKomin.s. Justiz- minister Dr. Mansfeld gab hierzu eine Regierungserklärung ab, in der er es u. a. heiß, daß sich das Justizministerium zur Zeit außerstand« sehe, vor der Oeffentlichkeit nähere Angaben über die Äcrfehlnngen des früheren Polizeioberleutnants Krempe, gegen den iiei der Staalsannuiltschafl Dresden ein Strafverfah. ren schwebt, zu machen. Soweit das Ermittlungsverfahren andere Polizeiofsiziere betroffen habe, lmbc sich der Verdacht einer Verführung van Mädchen durch diese nicht bestätigt. Wegen Beleidigung der Mädchen konnte gegen diese Ossiziere nicht vor gegangen werden, da die zur Strafverfolgung erforderlichen Strafanträge von den gesetzlichen Vertretern der Mädchen zu- rückgenommen worden seien. Dasür, daß diese Zurücknahme rechtsunwirksam sei, liege nicht der mindeste Anhalt vor. Darüber, ob gegen eine» der Offiziere aus einem anderen straf rechtlichen Gesichtspunkte vorzugehen sei, schwebten noch Er wägungen, über die das Justizministerium nach Lage der Um stände zur Zeit in der Oeffentlichkeit keine Auskunft erteilen könne. Das Justizministerium l>abe es sich angelegen sein lassen, auch seinerseits darauf hinzumirkcn, daß der Sachver halt nach allen Richtungen zur Erörterung gelange und dos Strafversahren mit dem erforderlichen Nachdruck betrieben iverde. Z^im gleichen Gegenstand gab ein Vertreter des Innen« Ministeriums eine Erklärung ab, nach der anßcr dem Strafverfahren gegen die beschuldigten Polizeioffiziere das Dienststrastiersahren eingeleitet und inzwisck)en abgeschlossen worden ist. Bei Krempe und Schlechte habe es zur fristlosen Entlassung geführt. während bei drei anderen nur ein Verweis als angemessen erschien. Daß die Leiterin der Dresdner Frauen polizei über die Vorgänge nicht völlig ohne Kenntnis gewesen sei, und trotzdem keine Strasanzeige erstattet habe, habe sich nach dem Ergebnis der angestellten Untersuchung an sich be stätigt. Die Beamtin sei ihr gemachten Andeutungen nicht nach- gcgangcn, weil sie angenommen habe, daß die.Angelegenheit bei der Kriminalpolizei bereits anhängig sei. Die Slaats- onwalischas! habe cs daher abgclehnt, gegen sie nach tz 346 Sl.-G.-Ä. einzuschreite». In der Aussprache erklärten die Abg. Dieckmann sD. Vp.s und Sicgert <Dn.s die Angelegenheit als erledigt. Die Abg. Nenner sKomm.s und Büchel sSoz.s wandten sich gegen die Regierungserklärung. Die A b st i m m u n g ergab eine Zu fallsmehrheit der Linken, da viele Abgeordnete nicht im Saale waren. Der Antrag aus Entlassung der fraglichen Polizeiossi- z.ere wuroe angenommen. Damit war die Tagesordnung er ledig;. — Nächste Sitzung Donnerstag, den 23. Januar, nach mittags 1 Uhr. Wer war für die Wohlfahrtspflege zufländig? Dresden, 22 Januar. Den Mitglieder» des Untersuchungsausschusses über die Verhältnisse in der Wohlfahrtspflege ist nunmehr von der Regierung das Material über die Erörterungen zngelei- tet worden. Es handelt sich um Vernehmungen des RegierungsraleL Tr. Böhme und des Ministerialrats Tr. Maier. Aus den Mittei lungen von ReglernngSrat Tr. Böhme über die Nacvvrüsung der Kreditwürdigkeit der Kreditnehmer aus der Wohlfahrtspflege ist zu entnehme», daß weder Sahuugsvorschriftett. »och Tienstaumeisuiigeu darüber bestanden habe», »ach welche» Genchtsvunkten Sicberumien für gegebene .Kredite ans der Wohlfahrtshili« verlangt werden wü te». Die Kredite au die Seidcmanu-Uuternehmungen seien aber keineswegs sorglos ohne Unterlagen oder nur aus Grund unzu länglicher Unterlagen aetvähr; worden. Grundbuchauszüge, Erkun digungen auf de,» Amtsgericht. Brandkassenschein« und andere Mit tel seien zur Beurteilung herangezogen worden. — Längere Aus führungen des RegierungSraiZ Dr. Böhme beziehen sich auf die Zeichnung „Ministerium des Innern. Wohlfahrisbilse". Hier wird aiiseinaiidergeseht, wie es auch später noch z» dieser Zeichnung hat kommen können, obwohl die Wohlfährtshilfe dem Arbeit?- uns Wobl- sahrtsministerium unterstellt war. In einer weiteren Erörterung verweist Dr. Böhme darauf, daß Ministerialdirektor Dr. Fntzithe, nachdem dieser di« Rest« der 4. Abteilung im Ministerium des Innern übernommen l>a!te. mehrmals nachdrücklich erklärt lwbe, daß er die Verantwortung für di« Geschäfte der .Kredlllnlse als Zinn Arbeits- und Wohlfahrtswinifterium gehörig ablebnc. Tiefen Stand punkt habe Dr. Böhme auch stets Ministerialrat Dr, Maier als Vor sitzenden der Sächsischen Krcdiihilfe mitgeteilt. In zahlreichen Erörterungen lml Ministerialrat Dr. Maier seinen Standpunkt zu der Frage, ob die Kredithilfe Zum Jnnen- oder Arbeitsn.inistcrium gehört, darqelegl. Im allgemeinen gipfeln SPD. Ostsachsen für Auslrikl aus der Reichsregierung Dresden. 22, Januar Ter erweiterte Bezirksvorstand der SPD, Ostsachseus nahm in Anwesenheit der ostsächsischen Reichs- tagsabgeordnelen Stellung zu den politischen Ereignissen im Reick)«. Es wurde e i n st i in m i g eine Entschließung angenom men, i» der es n. a. heißt: „Das in der Erklärung der Regie rung vom 12. Dezember t020 milgeleilte Programm zur Sanie rung der Reichssinanzen ist in fast allen Einzelheiten zugeschnit. ten auf die Wahrung und Förderung kapitalistischer Interessen. Bon der Sozialdemokratie muß es mit schariem Protest znrück- geioiesen werden . . . Die Reichsiagsjraktion hat aus der Re gierung a u s z u s ch e i d e » , wenn die bürgerliche» Parteien ans der Durchführung des Stenersenknngsprogramms, insbe« sondere ans eine Herabsetzung der Besitzsteuern, beharren oder der Sozialdemokratie untragbare Znmntungen stellen, die den Grundsätzen der Partei enlgegenstehen. Angesichts der gegen, märtigen Luge ivar es ei» ernstes Warnungssignal für die (6e- samlpartei. daß 28 Mitglieder der sozialdemokratischen Reichs tagsfraktion dem molinierten Bcrtrauensvotum sür die Regie rung nicht zustimmten. Diese Haltung wird ausdrücklich gebilligt." die Angaben Dr. Maiers darin, daß die Wolüsaintshilss dem Mini sterium des Innern unterstellt gewesen iei. Eine gleichzeitige Aussprache mit Ministerialrat Dr. Maier und Regieriiiigsrat Dr. Böhme füvrlc zu keiner weile» ren Aniiäbcrung der beiderseitigen Bekundungen und zu keiner wei teren Erklärung der Frage, von ivauu an und in welchem Umsaug« Ministerialrat Tr. Maier von de» >iredeten und Bürg,!allen im Falle Seideman» Kenntnis ertwUen bat. und wie cs sich mit der Mitteilung a» Dr. Maier, daß die iür Regierunge-rat Dr Vöinne zuständigen Abteilungsleiter im Ministerium des Inner» die Ver antwortung sür die Sächsische Wohlsabrtsinlse abgeiehnt hätte», verhält. * Der Fraktionsvorsttzende der nationalsozialistischen Landtagssraklion. Abg. v Killinger, hat a„ den Mmisteipinüdeiilen Dr. Billiger ein Schreiben folgenden Inhalt? gelichtet: .Scvr ge ehrter Herr Ministeivräsidenl! Im Aufträge der Nationalsozialisti schen Laudtagsslaklioi, erlaube ick mir Junen »unuleiie». dast wir ei»« A u s l ö j » ii g oder Austeilung de? A rbeils - und W ohl» sa !> rl ? miili st e r i n in ? nicht >v ü nicke n. Wir würde» e» begrüßen, wenn diese? Ministerium genau wie da? Innen- und Justizministerium von einem alten «riabrenen Beamten »vernom men würde, der uns die Gewähr bietet, daß von ilmi in diesem Ministerium reine Bahn geschähe» wird." Der Andrang zu den höheren Schulen Dresden, 22. Januar. Der im Iabre 1030 zu erwartend« starke Andrang zu de» höhere» Schulen zwing! die Städte Zu ver schiedene» Maßnahme», düüeii Andrang abzuiaiiden. Zwischen dei» siiiauzicüen Zwang zur Sparsam'«:; und der Notweudi.ileil. den TtuSieu.zugaug eiuzudämmcu aus der eine» Seile »nd dem Auipruch des Elieruvauies aui Ausbildung der Jugend »ach ihrer Kren! auf der anderen Seile. gil> es dabei den rechien Ausgleich zu wehe» Stadtschulrat Tr. H a r t na cke - Dresden iwt die'en Frageukom« pler eingehend untersucht, er erhebt die Fragen, ob und wie weit, dies«;» stärkeren Andrang durch Schaffung von Paralleillasseu Rech nung zu Iragen ist und ob »ud wie weil das durch bestimmte Maß nahme» ganz zu umgeben oder einzuicknänten ist- Dr Harlnacke betont, daß mau nicht ebne weiteres die Zahl der Serien im Verhältnis der veränderten zahlenmäßigen Stärk: der beiden in Frage kommenden Volk?lch>ilver,ileich?ighrgä„gc vor nehmen könne, man mäste priiien. ob die? immer zn>eckmäßiei unk» gcgebeneniaüs veraniwortbar oder gar nötig ist. Da? Vodürsnis wäre dann in starkem Maße zu bciaben, wein; die F;age nach der O.ualiiät der beide» Jahrgänge ebne weiteres in; Sinne ihrer völlige» Gleichwertigkeit oder bester ihres völlig gleichen Geholte- an besonders Bcgab'en entschieden wäre. Hier iverde c? zunächst aus eine Um frage bei den Schulen ankvmmen. um zu wis sen, wie groß der Prozentsatz der Kinder ist. die vvrousiicktuch obne Zeitverlust mit ausgeiprockeu gutem Eriolg durch die overe Schule geben Dr. Hartnacke glauvk aber, mit allem Nachdruck daraus Hinweisen zu müssen daß es eni dringendes Gebot iei. zu spare» und daß man deshalb. bevor man an eine wesentliche Ver mehrung der Serien herangehe, zunächst einmal — in diesen außer ordentliche,, Jahren — üver die ministeriellen Voriebriften hinan? stärker zu fülle» habe, als normalerweise angängig. s- Hann- Vien — Berlin Ein Wiener kauft a Kravattel. Ei« kleiner, netter Laden in Wien. Beinahe am Ererben. Beinahe elegant. Ein Wiener tritt ein. „O pardon." grüßt er, „küßdlehand. Enäsrau! Alsdann, Eie haben da ein Kravattel in der Auslagen — na, so etwas Fesches, so etwas Feeesches. Macht es Ihnen nicht zuviel Um stände, mir die Kravatte hereinzugeben? Sonst komm« ich gerne in ein paar Tagen wieder." „Die grüne?" „Kühdiehand, Enäsrau, auch die grüne. Es bleibt sich ja ganz gleich. Eigentlich dachte ich gelbe, aber da Sie halt die grüne schon einmal Heraußen haben, nehme ich halt die grüne. Vielen Dank. Kostet? Bitte sehr. Also küßdlehand, Enäsrau, habe die Ehre, kühdiehand." Und schon ist er wieder aus dem Geschäft. Mit der grünen Kravatte in der Tasche. Für fünfzehn Schilling. Obgleich er die gelbe Krawatte wünschte, die er sowohl brauchte, als sie auch bedeutend billiger war. Dagegen kaust sich ein Berliner einen Schlips. Ein netter, kleiner Laden in Wien. Ein Berliner tritt ein. Stumm, wie ein Stockfisch. Nicht Meff sagt er. „Kühdiehand," sagt der Verkäufer. „Tach," antwortet der Berliner. Der Verkäufer wartet auf die Wünsche. Der Berliner wartet, daß man ihn fragt, warum er wartet. Der Verkäufer wartet, worauf der Berliner wartet. Der Berliner wartet, woraus der Verkäufer wartet, daß er »artet. Aber endlich wird ihm da» Warten zu dumm und er schnarrt: „Wird man bald bedient in dem Laden?" „Bitte sehr. Natürlich. Was wünschen der Herr?" Der Berliner setzt den Hut ab, hängt den Stock über einige Hemden, wirst seine Handschuh« aus den Tisch, läßt sich einen Stuhl bringen, setzt sich und sagt: „Sie haben da einen Schlips im Fenster. Rechts vorn. Nicht ganz vorn, aber auch nicht hinten. So fast vorn. Nicht ganz rechts, aber auch nicht links. So fast rechts. Rot. Mit Tupfen. Zeigen Sie." Der Verkäufer bringt den gewünschten Schlips aus dem Lager. „Das ist doch nicht der aus dem Fenster," wehrt der Ber liner ab. „Bitte, es ist derselbe." „Machen Sie mich doch nicht dumm. Es ist nicht derselbe. Ich will den Schlips aus dem Fenster." Der Verkäufer steigt in das Fenster, wirft einige Hemden um, zerdrückt drei Pyjamas, zertrümmert «'neu Spiegel und angelt den gewünschten Schlips heraus. Es ist derselbe. „Das ist er," greift der Berliner hinein, „kostet?" „Fünf Schilling." „Stimmt. So stand es im Fenster. Nein« Seide?" „Garantiert reine Seide." „Für sünf Schilling?" „Ein Neklamepreis." „Aha! Lockmittel, Lockmittel, kenn« das. Darf ich knittern?" „Wie meinen?" „Ob Ich knittern darf! Muß dach missen, ob er knittert. Ein Schlips, der knittert, ist kein Schlips. Ei» Schlips darf nicht knittern. Ein Schlips darf meinetwegen susseln, fransen, färben, verschießen und auch reihen, aber knittern darf er nicht. Ich habe von meinem Großvater einen Schlips geerbt, der knittert heute noch nicht. Also darf ich?" »Bitte." antwortet aeduldta der Verkäufer. Der Berliner knittert. i Er dreht den Schlips nach rechts. Er dreht den Schlips nach links. Zehnmal herum. Wie einen Strick. Macht einen festen Knoten. Dann noch einen. Zerrt nach rechts, zerrt nach links. Wuchtet ihn über das Knie. Würgt ihn über den Arm. Schlägt ihn aus den Tisch. Setzt sich darauf. Hüpft zweimal nieder. Endlich fitzt er ihn auseinander. Und schaut. Der Verkäufer lckaut auch. Seine Augen quellen hervor. Schon zehn Jahre verkauft er Schlipse, aber da» hat er denn doch noch nicht gesehen. Angst, schweiß perlt ihm von der Stirn. „Da gucken Sie mal her," hält jetzt der Berliner den Schlips hoch, der natürlich durch das Verfahren einige kleine Brüche aufweist, „der knittert doch! So was kann man doch nicht tragen. So was jibt es bei uns in Berlin jarnicht. Echt öster reichische Ware. Kunststück, daß das Land nicht hochkommt." „Erlauben Sie bitte," nimmt der Verkäufer ängstlick den Schlips und glättet ihn vorsichtig, „so mutz doch ein Schlips knittern. Uebrigens ist er Importware und aus Berlin be zogen." „So, so Sie beziehen aus Berlin. Schau an. Ein kleiner fortschrittlicher Macher. Das muß unterstützt werden. Haben Sie was Anderes?" Der Verkäufer zeigt bereitwilligst seinen ganzen Laden. Der Berliner greift und knittert, wo er immer kann. End lich hat er einen Schlips gefunden. Der weder knittert, noch bricht. Der weder fusselt, noch franst. Selbst, als ihn der Ber liner unter Wasser windet, behält er Farbe und Form. „Sehen Sie," anerkennt er „ganz nett, was?" „O ja." Dem Berliner kommen Bedenken. Er hält den Schlips zum Teint, zur Frisur, ans Lichi, zum Hemd, zu de» Augen und zu den Strümpfen. „Sachen Sie mal, wirkt er nicht doch ein bißchen pupig?" Der Wiener weiß zwar nicht, was pupig ist, aber er sagt: „Eanz im Gegenteil." „Schön. Ich verlass« mich Immer auf da« Fachurteil. Macht «r mich auch nicht »u blaß? Oder zu alt und zu jugentz.