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Sächsische Volkszeitung : 14.09.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192909140
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19290914
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19290914
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-09
- Tag 1929-09-14
-
Monat
1929-09
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.09.1929
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Prieslernol in Frankreich 1V V0V französische Pfarreien verwaist — Der holländische Klerus um Kilfe angerufen Obschon Frankreich 41000 Priester zählt, gibt es doch zur Zeit rund 10 000 Pfarreien, welche keinen eigenen Pfarrer und Seelsorger besitzen. In den meisten Bistümern hat jeder Priester in den Städten etwa 6000 Seelen zu betreuen, auf dem Lande durchweg vier bis fünf Pfarreien. Obwohl letztere in folge der sehr dünnen Besiedlung Frankreichs noch keine 300 Seelen zählen, und obwohl viele Geistlichen über einen Kraft wagen verfügen, vermögen sie bei der grasten Sprenglage der ihrer Obhut anvcrtrauten Landgemeinden doch kaum den drin gendsten Verpflichtungen ihres Hirtenamtes nachzukommen. In den meisten Dorfgemeinden haben die Gläubigen nur alle zwei bis drei Wochen Gelegenheit, Sonntags einem heiligen Mest- opser beizuwohnen. Die Ursache des empfindlichen Priestermangels ist auster tm Weltkriege, in oen die französischen Geistlichen und Seminaristen mitzogen und einen hohen Blutzoll in Gefallenen Und Schwerkriegsbeschädigten opfern mutzten, besonders in den verhängnisvollen Auswirkungen der „neutralen" laizistischen Schule und im Neomalthusianis mus, im Zwcikindersystem der französischen Familien zu suchen. Die „neutrale" laizistische Schule ,st die einzige öffentliche Schule, welche Zuschüsse des Staates erhält und deren Besuch für die Bevölkerung völlig kostenfrei ist. Die katholischen (Ordens-) Schulen sind bisher noch recht schwach besucht weil sie restlos von den Katholiken aus Stiftungen und Sammlungen aufrecht erhalten werden müssen, und die Katholiken, die durch ihre Steuerzahlungen auch die religionsfeindlichen, keinerlei Priesterberuse auskommen lassenden Staatsschulcn unterstützen müssen, unter der doppelten Schulgeldlast sehr seufzen. Der Neomalthusianismus ist in Frankreich stark verbreitet. Infolge des Zweikindersystems pflegen die Eltern, die unter den zwei Kindern nur einen Sohn haben, diesem aus Familien- Traditions-Eründen ihr Einverständnis zur Ergreifung des Priesterberufs nicht zu erteilen bzw. zu verweigern. Es kommt noch der bedauerliche Umstand hinzu, dast noch nicht mal die Hälfte der Bevölkerung des dem Namen nach katholischen Landes am religiösen Leben praktischen Anteil nimmt und dieser Teil der Bevölkerung daher als Quelle von Priesterberusrn Io gut wie ausscheidet. Ein anderer Teil der französischen Ka tholiken läßt seine Kinder wohl taufen und an der Feier der Erstkommunion teilnehmen, dann aber stirbt unter dem feh lenden guten Beispiel der Eltern das religiöse Leben vielfach «anz ab, so dast auch aus diesen Kreisen der katholischen Kirche keinerlei Nachwuchs für das Priestertum winkt. Was die Lage des Katholizismus und das kirchliche Leben km allgemeinen anlangt, so darf man in Frankreich erfreulicher weise eine Besserung leststellen. Große Teile der Bevölke rung sind zwar noch indifferent, aber wenige stehen der katho lischen Kirche ausgesprochen feindlich gegenüber. In der letzten Zeit meint man eine umfassend«, langsam fortschreitende Wandlung in der Eeisteshaltung der Bevölkerung zugunsten des Katholizismus und der Kirche wahrnehmen zu rönnen, und dies besonders in den Kreisen der intellektuellen Schichten. Gerade wegen dieser Geisteswandlung ist es doppelt beklagenswert, dast es an der erforderlichen Zahl von Schnit tern, von Arbeitern im Weinberge des Herrn fehlt, welche die reifende Ernte zu bergen vermag. Die Zahl der Priesterberuse ist zwar von Jahr zu Jahr in hoffnungsvollem Wachstum be griffen, aber der Zugang reicht bei weitem nicht aus. die grasten Lücken, die durch Sterdefälle usw. entstehen, auszusüllen. In folgedessen sieht sich der französische Episkopat, wenn auch be greiflicherweise schweren Herzens, bewogen, vorläufig zu frem dem Klerus seine Zuflucht zu nehmen. In der Tat wächst die Zahl der in der Seelsorge tätigen ausländischen Priester, insbesondere aus Holland. So find z. B. auf Berufung des Bischofs von Soissons in Nordfrankreich, Msgr. Mennechet, bereits eine Anzahl holländischer Priester und Seminaristen in dieser Diözese tätig. Der genannte Bischof lässt in einer Ver öffentlichung durch einen seiner Freunde in holländischen katholischen Blättern Mitteilen, dast er auch weiterhin gern bereit ist, holländische Priester und Seminaristen in der Seel- lorge seines Bistums zu verwenden. Da der Bischof von Soissons, Laon und St. Quentin für sein Priesterseminar einen holländischen Professoren gewonnen hat, können dort auch Priester »n» Priesteramtskandidaten, welch« der französischen Sprache noch nicht mächtig sind, unter günstigen Bedingungen Ausnahme finden. Es ist gewih ein trauriges Zeichen, dast Frankreich, eia ehemals blühendes katholisches Land, das der Kirche viele her vorragende Heilige geschenkt hat, heute unter dem Drucke grasten Vriestermangels sich gezwungen sieht, fremde Hilfe im vor legenden Fall« holländische Unterstützung, in Anspruch zu nehmen. Das sind in erster Linie die verhängnisvollen kulturellen und nationalpolitischen Auswirkungen der vor fast drei Jahrzehnten erfolgten Trennung von Kirche und Staat, der Vertreibung der Ordensleute und der allem Recht hohnsprechen den Enteignung des Besitzes der Kongregationen und besonders auch der Einführung der gottlosen laizistischen öffentlichen Schulen, alles Mastnahmen, die nicht in letzter Linie durch die unselige Parteipolitische Zersplitterung der französischen Katho liken begünstigt worden sind. Innen- und auhenpolitisch haben die Rufer im Kampfe gegen die katholisch« Kirche, die Loubet» Eombes, Viviani, der triumphierend in der Kammer von dem Auslöschen der Sterne des Firmaments reden zu können glaubte und alle ihre Nachfolger bis auf den kirchenseindlichen Sozialistenführer Herriot unserer Tag« durch ihre Politik der Verblendung Frankreich unermestlichen morali schen und materiellen Schaden zugefügt. In austenpolitischer Hinsicht ist diese Erkenntnis bekanntlich schon! so weit fortgeschritten, dast im Interesse der französischen Kul turpropaganda im Auslande die Regierung Poincares unter nachdrücklichster Förderung seines Außenministers und jetzigen Ministerpräsidenten Briand die berühmt gewordenen Artikel 70 und 71 in der französischen Kammer zur Annahme brachte, welche in direktem Gegensatz zu den kirchenfeindlichen Tren nungsgesehen des Jahres 1000 französischen Ordenskongregatio nen die Niederlassung im Lande ermöglicht, um Nachwuchs für den Missionsklerus heranzubildcn, der in den französischen Kolonien und Mandatsländern namentlicb des Orients Ver- «SendMg finden soll. Bet dem wenn aücP vorerst langsam sicy vollziehenden Wandel in der Geisteshaltung der intellektuellen Schichten möchte man gerne hoffen, dast der allsten- auch bald die innenpolitische Einkehr folge. In diesem Zusammenhang ist es keineswegs überflüssig, zu betonen, dast wir in Deutschland nicht irgendwelchen Anlast haben, etwa überheblich auf die personellen Schwierigkeiten der französischen Seelsorge herabzublicken. Auch bei uns macht sich, wie die gelegentlichen Verlautbarungen des hochwürdigsten Episkopats deutlich beweisen, ein immer empfindlicher sich auswirkender Mangel an W e l t p r i e st e r n für die Aus gaben der Seelsorge geltend. Auch h>er sind die Ursachen in den hohen Eesallenenzahlen des Weltkrieges zu suchen, welche gerade die mit gröberer Kinderzahl gesegneten katholischen Fa milien unvergleichlich schwer getroffen haben, weiter auch in der drückenden wirtschaftlichen Not, welche die furchtbaren Re parationslasten zur Folge haben. Man darf auch nicht ver hehlen, dast der alte christliche Familiengeist mit seiner selbst losen, opferfreudigen Hingabe durch die zersetzenden Wirkungen des rein materiell gerichteten Zeitgeistes ernstlich bedroht wird. Die Katholiken haben darum allen Anlast, recht wachsam zu lein und der Entdeckung und Förderung von Priesterberufen in der eigenen Familie und im weiteren Bekanntenkreis« ein« kluge opferbereite Unterstützung zu schenken. Die traurigen Er fahrungen, welch« die französischen Katholiken in den zurück liegenden drei Jahrzehnten der kirchenfeindlichen Trennungs gesetze auf kirchlich-religiösem Gebiete gemacht haben, müssen für die deutschen Katholiken ein ernstes Menetekel sein, ein« eindringlich« Warnung vor dem verhängnisvollen Fehler par teipolitischer Zersplitterung, ein lauter Mahnruf zu einmütig stem und geschlossenstem Zusammen stehen in der politischen Partei Windthor st's, welche — wie di« unduldsame Haltung der Deutschnationalen und der Deutschem Volkspartei und die von rein egoistisch-taktischen Erwägunge» geleitete Sozialdemokratie beim Konkordat wiederum bewiese^ haben — aus Grundsatz und innerster Ueberzeugung die Rechts und Freiheiten der Kirche wie in den 70er Jahren so auch heute bei der veränderten Taktik der Gegner indem nicht minder hes« tigen Eeistesringen allein zuvrrläsjig wahrt. 4. 8^ Schweizer Arbettsprogramm Die katholischen Berufsorganisationen . Luzern, 11. September. Den Volkstag umrahmten die Arbeitssitzungen des Volksvereins und der ihm angeschlossenen Organi sationen, die über geleistete Arbeit Bericht erstatteten und für die Zukunft Richtung wiesen. Es sei hier versucht, einen knappen Ueberblick zu geben. Die Delegierteilversammlung des Volks vereins hatte sich mit dem alten Problem zu befassen, die wirk same Finanzierung mit dem wachsenden Aufgabenkreis in Ein klang zu bringen: es bedeutet eine schwere Aufgabe, gewisse Teile des Volksvereins zu tatkräftiger Inangriffnahme der Zukunftsarbeiten zu bringen. Eine erste Rolle ist dabei der katholischen Schweizcrpresse zugedacht, deren Rück grat. der schweizerische katholische Prestoerein, in seiner Sitzung zu neuen Opfern und zu vermehrtem Ausbau der katho lischen Presse aufrief, wobei die vor einigen Jahren viel diskutierte Frage: Führendes katholisches. Organ oder starke Mittelpresse wiederum berührt wurde. Zukünstsverheistend war die Versammlung des katholischen Iugendverbandes. dem heute 50 000 katholische Jünglinge angeschlagen sind: wenn das Aktionsprogramm der katholischen I u n g m a nn s cha s t: Kampf für den christlichen Werktag, Feierabend und Sonntag einmal die 100 000 Jünglinge angeschlossen sind: wenn das dann werden sich die Erfolge noch vertiefen, die die katholische Schweiz wesentlich der machtvoll ausstrebenden Jugendbewegung zu verdanken hat. Die Versammlung des Hochschulvereins Freiburg zeugte von dem Verständnis der Schweizerkatholiken für ihre katholische Hochschule; es bleibt zu hoffen, dast sich diese Dankesschuld in einer vermehrten tätigen Unter stützung der einzigen im deutschen Sprachgebiet bestehenden katholischen Hochschule, an der eine namhafte Zahl deutscher Gelehrter wirkt, auswirken wird. Die soziale Aktion der Schweizer Katholiken fand in mehreren Sonderversammlungcn besondere Behandlung: Die Versammlung der katholischen Arbeitervereine befasste sich mit dem Sinn und Wert der katholischen Aktion; die Vereinigung katholischer Beruss- beratungsstellen hörte ein Referat über psychotcchnische Eignungsprüfung und Berussauslesc an. Am 10. September traten di« verschiedenen Sektionen des Volksvereins zu ihren Sonderveranstaltungen zu sammen, deren Vorträge und Diskussionen mehrfach programm- aebend für die kommenden Jahre sein wertnn. Di« belletri strische Sektion, in der Dr. Eberle über das barocke Eeisteserbe der Schweiz sprach, befastte sich ausführlich mit der brennenden Frage der Literaturkritik und Vuchberatung und nahm ein stimmig die Resolution des luzernischen Kantonsbibiliothekars Bättig an, in der festgestellt wird, dast eine einheitliche kri tische Führung auf dem Gebiete des volkstümlichen Schrift tums heute noch vollständig fehlt, und in der die Organi sation einer Arbeitsgemeinschaft für die volkstümliche Buchkritik und Beratung be schlossen wird. In der historischen Sektion sprachen Univ.-Pros. Mgr. Dr. Styger über die ältesten Katakomben Roms und Univ.-Prof. Dr. Schnürer über den alten und neuen Kir chenstaat. Der Schweizer katholische Lehrerverein, der die stark beachtete „Schweizer-Schule" herausgibt, und leider das ein zige konfessionelle Lehrerseminar in Zug ernstlich bedroht steht, tagte gemeinsam mit der Sektion für Er ziehung und Unterricht, in der Seminardirektor Rogaer über die Lehrer in der katholischen Aktion und Univ.-Prof. Aeby über den Familien- und Kindcsschutz im schweizerischen Zivil- recht sprachen. Im schweizerischen Laritasverband stellte Na tionalrat von Matt die Thesen für die katholische Familien fürsorge auf im Sinne eines weitgehenden Ansbaus des pro phylaktischen und unterstützenden Wirkens zugunsten der be drohten Familie. Eine wichtige Roll: ist in dieser Beziehung den katholischen Müttervereinen zugedacht, für die di« Präsides- konsercnz eine vierfache Forderung ausgestellt: in jeder Pfarrei einen Mütterverein, Erziehunassonntage, Abonnierung der Fachzeitschriften, Anschlutz der Müttervereine an den Katho lischen Frauenbund. Die inländische Mission befastte sich mit dem immer brennenderen Problem der Dtafpora le el sorge. In der sozialen Sektion bildeten das neue Wirt- fchafts- und Sozialprogramm und die Frage der Berussorga« nifatioi; Geüenfkmd eiNLkhender Erörterung 2. Gedächtnisfeier kür Kugo von Kosmannsthal (Dresdner Schauspielhaus.) Hugo von H o f ma n n s t ha l. der letzte Romantiker — oder, wenn man will, der bedeutendste Neu-Romantiker — ist vor wenigen Wochen gestöcken. Sein Tod war von wahrhaft tragischen Erscheinungen begleitet. Menschliches Gezzenwarts- geschick, das er selbst als Dichter nie gestaltet hat, griff in sein Leben ein und erreichte es, dast man sich in den Nekrologen und im Gespräch viel mehr mit der Person und dem Einzelschicksal als mit der gewaltigen dichterischen Erscheinung beschäftigt hat. Dos nachzuholen mußte also Hauptzweck der Gedächtnis feier sein. Hosmonnsthal war keine Kämpfernatur. Bon Sturm und Drang ist auch in seinen Iugenddichtungen kaum etwas zu verspüren. Stefan George, der hauchzarte Lyriker, der als erster nach der verebbenden Epoche des Naturalismus eine neue Romantik zu kultivieren begann, nmr nicht ohne Einfluß aus das Werk Hosmannstl>als. Er begann Init Dra men, die den Neunzehnjährige» sofort aus den goldenen Schild hoben. Der Dichter verriet eine cmßergswöhnl-iche Frühreife. Er brauchte nicht die schweren Kämpfe nach Anerkennung durch zumachen, die manchen Vielverheistenden vor dem Ziel erlahmen ließen. Sie stoß nicht reichlich, seine Muse, aber die verhältnis mäßig wenigcn Sachen, die er verösfentlichle, waren Pretiosen, halten feinsten Schliff und Hochkullur. Und darin zeichnete fich der Dichter vor allen anderen seines Kreises ans: Er ist nie ironisch, er sieht die Dinge ernster. Selbst di« Schilderung von Laster und Sünde wird von hoher Kultur diktiert und vermeidet jene Häßlichkeit und Gemeinheit, wie sie der Natura lismus mit so großer Vorliebe hervorzukehren pflegte. Großen Genuß gewähren darum auch die gesammelten Prosaschriften Hofmannsthals, in denen er gewissermaßen die Quintessenz feiner poetischen Sendung darlegt und zu den ästhetischen und historischen Problemen der Kunst in einer geradezu überwäl tigenden Form und wundervollen Sprache Stellung nimmt. Und Form und Sprache sind es auch, di« di« oft von einen, gang winzigen Vorwurf lebende Lyrik des Dichter, zu einem fo hohen Genuss« machen. Deshalb hätte man sich m, E. bei einer Gedächtnisfeier für Hosmannsthal nicht auf dramatische Werke beschränke» sollen, sondern einen leicht zu erfassenden Ausschnitt aus dem Gesamtwirken gelben sollen, in dem be sonders die Proiäschrislep nicht fehlen durften. Denn ivenn inons genau nimmt, ist Hosmonnsthal alles wehr als ein Dramatiker in der tiefsten Bedeutung des Wor tes gewesen. Gewiß haben seine Texte zu Strauszsclzen Opern Bewunderung erregt, aber hier kommt die außerordentlich initige und glückliche Verbindung der Wesensarten beider Künst ler als der Faktor höchster Vollendung in Betracht, Die Dichtung allein würde zur Bühnenwirkung nicht ansreichen. Sie ist an die Musik gebunden wie der Dichter selbst an den ihm eng befreundeten Musiker. Bei den tranmhaft-well-- fremden Dramen verhält es sich indessen anders. Renastsance- stosfe liebte Hofsmannslhal am meisten. Sie boten ihm ja auch die beste Gelegenheit für seine Flucht aus dem Naturalis mus. Die Handlungen, die durchweg nicht nach den Regeln — ch meine natürlich den ungeschriebenen -— ausgebant und dnrcligcführl wecken, enthalten reckt oft Unklarheiten, ja sogar Unsicherheiten nud Mangel an Gedankentiefe. Aber die edle Sprache. dieses Gewinde aus Blumen- und Fackenfreude, trägt die Handlung in »»irdische Bezirke hinüber und man vergißt dabei den „Dramatiker". Plan spielte gestern .zwei kleinere Dramen. Beide sind schon in Dresden gegeben worden. Das eine, „Der Tor und Tod", wird gern als der „Faust" Hofmonnslhals bezeichnet. Der faustische Mensch, wie wir ihn heute verstehen wollen, ist aber nur angedeutet. Das Ganze ist höchstens eine Oiesexion über den so oft wiederkehrenden Gedanken des versäumten Lebens. Der Held ist ein Aesthet, der in der Fülle seiner Betrachtungen des wirklichen Lebens vergaß und dem nun in seiner Steckestunde visionär das Ver säumte sich offenbart. Diese Visionen der Mutter, des Mäd chens und des Freundes sind der knnslerifcl>e Höhepunkt des Stückes. Insbesondere gehören die beiden Frauengestalten zn den ergreifendsten Schöpfungen des nun vollendeten Dich ters. Der Held Claudio, ein Produkt der verfeinerten Uebcr- kultur, ergibt sich widerstandslos seinem dunklen Schicksal, eine Schwäche, die Hosmannsthal von dem Mystiker Marter- linck leider übernommen Hot. Vorher gab man „Die Frau im Fenster", «ine grausig« Bagatelle, deren winziger In halt eigentlich dem Wesen des Dichters fremd zu sein scheint. Messer Braccio überrascht seine Gattin Dianora, wie sie dem Geliebten die Strickleiter herabläßt, .zwingt sie zum Gestand» nis und erwürgt sie bann mit derselben Stickleiter. Dieser im frühen Scizafsen Hofnionnskhals vereinzelt dastehende Zgg zum Lä>aurigen, kehrt in späteren Operndichtungen wieder. Eingeleitet wurde der Abend durch di« „Maureriscize Trauermusik" von Mpzart, die die Staats-Kapelle unter Fritz Busch weihevoll interpretierte. Dann erhielt Antonia Dietrich gewissermaßen das Wort. Sie ist von den Dresd ner Bühnenkünstlerinnen wähl di« einzige, die den Zauber Hof-mannsthakscher Sprach zu entfesseln versteht. Ihre Dianora in der „Frau im Fenster" blieb denn auch das Erlebnis des Abends. Was di« einsame Frau in dieser Abendstunde bewegt, wurde durch die -Künstlerin -zum Trau mieten eriveckt und fesselte die Hörer gewaltig. Alle Achtung vor der Körner, aber das -hat sie nicht hcranszuholen vermocht! Kleinoschegg gab den grausamen Gatten und Lotte Eruf ins die Amme. De» Claudio des zweiten Stücks, den ästhetische» Hcliden, der m. E. Felix Steinböck aus den Leib zzeschrieben sein könnte, spielte Adolf Wohlbrnck. Es braucht nicht beiont zu werden, daß Wohlbrück sich ehrenvoll damit absand, dennoch blieb es eine Fehlbesetzung. Dieser Claudio interessierte nicht, er war im Anfang sogar langweilig und ließ die Tragik des verfehlten Lebens kaum ahnen. Der Darsteller gehört zn jenen Liebhaber», die dem „Bonvivant" nahe sind und die mit Natur. Notwendigkeit versagen, wenn edles Pathos vorgeschriebe» ist. Im modernen Drania stellt er ganz anders seinen Mann. Den Tod gab Ponto mit Majestät ohne die leiseste Andeutung des Grauens. Er traf das mit Meisterschaft. Die drei Visionen — Stella David, Deli Maria Teichen und Paul Hofs- mann — blieben in dieser Ausführung der stärkste Eindruck und wurden zum eigentlichen Sieg des Dichters, dessen Ge- dächlnis man feierte. Immerhin war trotz der Bemühungen des Spielleiters, Direktor Kiesau, zweierlei sestzustellen: -daß nämlich Hofsmannsthal dem Theater sehr bald verlorenes Land sein wird, weis er als Dramatiker ohne allererste Sclwu- spieler nicht lebensfähig ist und z-iveitens, daß der gebildete Zuschauer, der Hofmannsthat nicht kennt, durchaus keine Bor stellung von diesem Dichter erhalten hak. Und das war sehr schade Franz Zickler.
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