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Sächsische Volkszeitung : 31.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193010315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19301031
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19301031
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-31
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 31.10.1930
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irnadsn Ins k.sken rief, dl« fflelek7eltltt der ^usdlldunz des wsiblicken klöstei licken ^nstaitspersonals dienen soll. Kindsrsürtsn kiir taudstumms und x-slstsssckwacks Kleinkinder wurden eröffnst, okkentlieks Sprecktags ein- xfeiicktet, um so der /Vllgsmsinksit dienen 7U können. In den künkundsiskrik ckskrsn des Dssteksns der >Va^ner- sciisn IVakItatigksitsanstalten ist der 6runddssit7 an- frewacksen auf LOOO Tagxvenks, 1080 Tagwerke Ackerland, 610 Tagwerks IViessn, 010 Tagwerks ^Vaid, (Kin daysrl- sokss Tagwerk ist gleicl, 1'-^ prenlZiscksr Klorgsn.) Daü »ilcli- und Xuixvisil ebensowenig tekien wie eigens Krott- und Kiektr.ontralen, /.wei grolle und 7.woi kleine Hinkien tür ikre Oroüadnskmsr unentwegt tätig sind, doll landwirtsckaktlicks Detrievs die Orundlags kur dis Ver sorgung der visltansend älenscken bilden, drauekt nickt eigens kervnrgekoden ru werden. IVokI aker, doll Ordenskrausn dieses gewaltige Kädsrwerk in Lckwung kalten, dall sie als Ililtssckullek- rerinnen, ^rksitssckul- und 2sickonlskrerinnon, als Kin dergärtnerinnen, Kklegs- und Krankensckwestsrn, ^Virt- sckaktssckwsstsrn, Taudstiimmsn-Kskrerinnsn tätig sind, daü sie opksrkrsudig dis sckwsrs, undankbare Krriekungs- arboit am taubstummen und sckwacksinnigsn, am psy- ckopatkiscksn Kinds übernakmen, dall sie völlig sr- 7iekungs- und arbeitsunkäkigs, gsbrecklicke, taubstumme oder idiotiscks Kinder mit gleickbleibendor, kingsdender Kieke betreuen, als „Kleister" in den /Vrbeitswerkstätten mit wakrer Knrrslsgeduld dis „ardeitstäkigen" Zöglings in irgendeiner /Vrlieit — okt sind es nur llandreickungen — anlernen! In der Krriekung und pflege der Zöglings teilen sick dis Kran7iskansrinnon vom klutterkauss Dil- lingen, dis sckon vor Oründung der IVagnei'scksn Anstal ten sick mit taubstummen Kindern befallt batten und beute rund 180 Xiederlassungsn mit 1600 Sckwsstern 7äklsn, Seelsorger und /Vor7to Okerwaeken das seeliseke und Is!klie>>e IVokl der so grausam vom beben Vernack- lassu'u -> Sieden Kindergärten nekmsn sick der Kleinen an, a dem ITin7.jp der ^rksitsseliule aukgobaut sind die S> aUen für Tankstnmms und Sckwaeksinnige, dis natürlick van eigens daüu vorgekildeten I.skrkräkten ge leitet werden. In der Ilandarbeitssckuls entstsksn dis feinsten Stickereien und Häkelarbeiten, die kunstvollen Paramente der KVagnerseben Anstalten sind weit über Daysrn kkraus bekannt. Oie sckulentlassenen ^rksits- fäkigen werden in llnuswirtsckaft, in der Oärtnersi und den vielartigen ^nslaltswerkslätten, je naeb Koigung und Veranlagung bssekäktigt. l, K, IVagnsr und Domnikus pingsisen waren es, dis in 8üddeutsckland das grolle biebeswsrk -der Karitas sckulsn, dis den geistig und kvrperlick 6s- sckädigtsn eins Heimat gaben. Sie waren sick bewust, dall alle die /Vrmen für die IVelt verloren seien, dall aber ikre unsterblicks Seele für das übsrnatürlicbs beben 7U gewinnen sei. Diese blsberneugung gab iknen die Kraft, alle widrigen Degloitumständs, alle Kot 7U überwinden, alle Sorgen getrost auf sick 711 nekmen, und selbst bei barten I'eklsclilägen, dis sie okt genug erlitten, nickt 7U verzweifeln, „Vas wäre die Veit, obns den Heroismus priesterlicksr Klonscben! Deren grelles Herr! dis kalte Veit immer und immer wieder entzündet!' sagt Dr. Larl Lonnensckein einmal. ^V a g wäre die Veit abne dis nievsrsis - gen de biebeskrakt unserer Ordens- seb Western, die an den armseligen, okt mit kurckt- daren Körperlieben beiden bebakteten, kaum nock klensck 7.» nennenden Vesen Klutterstells verti'eten! Kiemals init- tsn 1, K, Vagner und Dominikus Ilingvissn iirr biekeswerk vollenden können, Kälten sie nickt Opkerseelsn gefunden, die bereit waren, um Ootteslokn sick der /Vllerürmsten 7U erbarmen, 11'er einmal einen Klick tun konnte in eine .An stalt kür Lckwacksinnige. Kpileptiscks, taubstumme, (dis womöglick nock geistig gesckädigt sind), kür Ksyckopatken, sckwaeksinnige Krüppel oder DIinds, der vermag in etwa den Heroismus der klenscben 7.u erfassen, die sin ganzes, langes beben freudig und gern diesen „bsbensunwerten" opfern, I, K. Vagner fand kür seine Anstalten dis Pr a n 7 i s k a n s r i n n e n aus dem klulterliauss Dillin- gon, Dominikus Ilingsissn gründete für seine Helferinnen die 8t. ckosskskongrsgation in Drs- berg, dis ebenso wie dis Dillinger pranxiskanerinnen dis Anstalten und landwirtsckaftlicken Ilslrieke der Drsksrgsr Anstalten durck ikre nmsicktigs und tatkräftige Arbeit erkalten und weiterkübren. ln allen kätkolisoksn An stalten der ^bnormenkürsorgs, das wird okt genug bei >oi2e!?Zn,tts'i§iä!! Mslio sfr. ^nIiäurei'nL Doslcbtlgungen und Tagungen von dsbördlicber Seite be tont, ksrrsckt sin kortsebrittlicker, nioilerner Oelst, der groÖ/.ügig und weitblickend erkennt, daü dis Krriskung und Lstreuung der ln ikrsm Lkarakterbild so vsrsckiedsn gear teten, vielmskr entarteten und desbald jede p.rniekungsar- bsil so erscliwerenden Abnormen eins ga»7 dssonilers sein mull, Klan ist in neuerer 2eit da/u übergsgangsn, den /Vnstaltsn kür Abnorme eine ökkentlicks Krr.iskungs- bsratung an/.uglledern, w!o bei den Vagnerscken /Vn- stalten, und wie bei der grölllen und modernsten .knstalt für sckwaeksinnige und ps^elmpalliiscke Kinder des Itksinlands, (lern p r a u 7 - 8 a I o s - ll a u s in Kssen, das eine eigens baritassckule 7ur Ausbildung und Veiterbil- dung von pklegskräktsn kür Abnorme unlerkält. „blikil dulcius est amore, nikil kortius, nikil altius. niliil plenius nec nielius in coelo et in terra, qula amor ex Deo, uatus est nee potest nisi in Deo guiescers," Igna klaria lünemann. Mss ist 6ie brau? Oeiieimnisvoll, ein kistsei, Dem 8egen vie 6er 8ün6e nsk vervan6t; Oes IVisnnes Königin — unä ciocli ilirn snvektk-aut. Versetzt er ikr 6en 8ckutr:, so sinkt er selbst im Wert; ^erbrickt er ikre Krön' — 2erbrickt er siok 6cimit vnä seines Volkes Krskt. knna tklt-c» des klancbs KItorn erklären dis unbedingte Kinkaltung von Kulis und Stille im Säuglingsaller kür nickt wicktig. Ks keillt meistens, dall der Säugling von Oeräuscken und bärm nickt vsrsckont bleiben dürfe, dall es besser sei, wenn er sick krükestens an den bärm der Veit gewükne. Das ist unricktig. Der Säugling gswöknt sick nänilick gar nickt an den bärm, sondern er sckläkt dadurck weni ger und 7eigt bald auk der gan7S» binie Xeicken der Dn- ruke. Von einsin Säugling dürfen wir nickt in demselben klalle Anpassung verlangen, ^is von gröbere» Kindern. Dis ^»passungsfäkigkeit des Säuglings entwickelt sick eist allmäklicli, Sckritt für Scliritt und stufenweise. Starke sinnlicke Itei/ungen müssen iln>i ferngenallen weialsn. 11'ie «lie stärkeren Itei/.ungen, so sind aucli Spivl/euge und das Spielen mit den» Säugling mir scbädliek kör diesen. Da es viele ^lütter gibt, die die Ilickligkeit dieses Orund- s,at7.es 7Ugeben, lsdock kür die sogenannte „Ii.vgieniseks Klapper" gern eins Vusnakme sebakfen, so soll kier test- gestellt werden, daü für den Säugling auck die kvgieni- scken Klappern nur sckädlieke bärni- und lteD.guellvn darstellsn. Solcks Klappern werden oft in Karmen eiv.sugt, dis eins ^okniickksit Kaken mit Speisen. Obst nsw,, dis dem Säugling bekannt, gewoknt und lieb sind, wie 7, U. Orange, Danans usw, Ks ist ein sckwerer Irrtum, solcks Spiel7euge dem Kinds in die Hand 7U gsken. Der Säug ling ist nämiick iii der Periode des Kriecksns ein i>sre!ks viel 7U genauer und fleilliger Deoliackter, um niekt 7U wissen, dall sine wakrkaftigv Orange nielit so Kart, so kalt ist, nickt so sclimeckt und rleckt und nickt solcks Oeräuscks gikt, wie das Spiel7eug. Vir müssen also den Säugling in seiner Krwerkung von Kenntnissen 7.umindest soweit uiitsrstüt/eii, dall wir ilnn das System seiner Kenntnisse nielit stören und aukwüklen. Die Kleins Seels Kat erst soeiisn erlernt, dall die Orange ein Oegenstand ist, den 7U betasten und riecken angenslun ist, dessen Karbe ebenfalls angenelim ist, da7u bestimmt, um auk- gescbnitten und gegessen 7» werden, Durck die orangen förmige Klapper wird dem Kinds piöO.iick dis irrtümlieks .Vnnakme aufgedrängt, als ok die Orange geiegsntlick dock kirit, unangsnekmen Oerucks, unell>>ar und eins Ooräusckpuelle sei. Die Kcststeiiung, dall dadurck dis Orientierung des Kinde» in der OmweIt grüudlick ersckültert wird, ist sickeriick nickt üksr- triekeii. 2um allgemeinen Vokiksfiniien des Säuglings genügt es nielit, dis iinangenekmen bmpsil>d»ugeii aus/.usekal- ten. Da/.u gekört auck die völlige Dewegungskreikeit des Säuglings, d. i, clis »öglickkeit, dall er seine Anstrengun gen 7.ur Vorbereitung kür das bel>eii oi>»e Kinsckränkung auskükren kann, Kin Säugling, dessen Dswsguinrslreikeit durck unvernünftige und ungesunde Packung und Klei dung nielit eingesckränkt und unterbunden ist, befreun det sick mit den K.rsckeinungen der bmwelt viel rascksr und gründlicksr, als einer, dessen Dewsgungsfrsiksit über flüssig eingesckränkt ist und dessen Kräfte im Kampfs 7ur beberwindung der Vidsrständs der bmweit immer und immer wieder auk Hindernisse stollen. Der Säugling, der das Symbol der Hilflosigkeit und des Vngewiesenssins und der Sckwäeks auk Krdsn darstellt, ist in Ke7ug auk dis bätigksit 7ur Vorbereitung kür das beben ein wakrer Heros. Väkrend des Vackseins arlieiist der Säugling ununterkrocksn, unter Anspannung aller Kräkts, er trai niert auf Orsiken. Oeken, Handfertigkeit, Kraft, Dingen und Kliigkeit. auk sämllicks körperlickeii und seelis,l>en Kernigkeiten eines vollwertigen Vlenseken, uiid so kaut er selbst seine eigsne persöniickkeit, und Zukunft aut. Ks gekört 7ur Ausübung der .zweiten Kunktion de? Butter" im ersten beksnsjakrs des Kindes, daü sie diesenj groben, impulsiven Dvwegungsdrang, diese tisderkatts, imponisreiidv 'pätigksit des Kindes unbedingt aekte, va darin in jeder Ilinsickt untsrstüt7S un<i keineswegs kin, dere. So sind Steckkissen vom ersten Augenblick aa aus7U8ckaItsn, damit das Kind frei strampeln kann. Das Kind ist tüglick öfters aut den IZauck 7U legen. Voll der vierten Vocke angekangsn soll es — bei entsprecken, der Värins — auck nackt liegen dürfen, da es seine De, wegungen naekt viel Isicktsr voli7ielien kann. Vom sis-> Kenten Klonat an soll das Kind mögliekst viel aük deiq Knükoden kriecksn. Das Kriselien stellt unter den kreisll Dewsgungsmögliclikeiten des Säuglings jene dar, durck weicke dis Kntwicklung eiiies seiliständigsn, svlkstver- irauendsn, optimisiisclien Okaraktsrs im gröüten Klaüs gefördert wird. Deiin Kriselisn entsckeidet der Säugling frei und selbständig über die Iliekinng, in der er sick ks- wegen soll, vorsckafft sick Orientierung, ergreift aus eigener Krakt von de» versckisdensten Oegonständen De- sit7 und sammelt Krtakrungsii, durck weicke sein bn- sicksrlioitsgekükl Scliritt kür Sckritt gsmildeid wird. Kin wickliges Oekiet kür die er/iekeriscko Deiätigung der lUutter kilrlst im Säuglingsaller das Moment des Kin- sekiakvns des Kindes, eins Klage, bei der eine vollständig« bösung bereits lin Säuglingsaller möglick ist. Die >Iuti6i> Kat es vom Säugling 7.u verlangen und so eim'.ui'ieklen, daü dieser vollständig selbständig einseklake. Das keiüt, dis ^liitter Kat die /Vukgahe, den Säugling in dessen naturgegebener Käkigkeit, sick selbst ein7.uscbiäfern, unter keinen Omstäiidsn 7,11 8k>>i eii. Der Scbiak des Säug lings, als eins seiner wicbtigston be!>ensku»ktic»isii, stellt kein bloües iVusrubsii dar, wie bei den Ki'wacbsenen, son dern darin bestekt ein bedeutsamer 1'eil des beliens und der K.ntwieklung des Säuglings, Der Säugling bat den Selilak gern und verfügt über dis vor/üglieks Käliigkeit, obns fremde Hilfe, rein von sick selbst einscklafsn 7.U köniien, Destsken keim binscklaken «lennock gewiss« Sckwierigksitsn, so sind diese teils auf kestimmle Om- stände des modernen bekens (bei cien Oioüstadtkindsrii), kauptsäeklick aber auf sine unrielitige br-üskuiig rui ück- 7»fü>iren, Die Xlntter darf den Säugling nie darin »nter- stülüsn, <IaÜ dieser 7,iiNi binseklaksn eine fremde Hilf« sucks. In der Spracks der täglielisii Praxis bedeutet das soviel: wenn nötig, soll sie den Säugling sekreien lassen, sie soll die Kingeieken des Kindes nielit aus dem Xlund entkernen und sie soll ikm unter keinen Omständvn einen butseksr geben, (Vom Sekaukoln und Ilseumtragen spriekt man keuie ükerkaupt nielit mekr.) Das Kind ist an l iebe ladcker als der Krwacksens, Das Oemeinscliaftsgeftdil ist jedem Säugling angeboren. Dm vom Säugling geliebt 7U werden, genügt es, >Iuttvr 7U sein: der Säugling'Iiekt in seinem Dekerkluü an bieks und Veidiundenkeit sogar die kartkeringen Kitern, dis es nielit verdienen, Don Veg 7,i>r ülitmenscklickkeit frei- 7umaeksii, kius7.iidauen, das ist dis groüe ^iikgake der >lntter. Sonst aber krauekt der Säugling 7,ur Ki'wsokung des Oemeinscliaktsgekübis keine „Dnterkaltung", man nmü, Inan,daid ikn nickt uuterkalten, niciit 7.u»i backen bringen, niekt ki>7eln, init ikm nickt „spielen", sick mit ikm ükerklüssigerweiss mekr kesckäfügen, als es die ver nünftige pflege erfordert, /.» welckem Xwscke «las Kind dis viele bieks verwenden wird, ok es sie ksikekält und ein guter >Iensck, ein yiitwensck wird, das bängt ent- sckieden von der Kr/ielinng, und 7.war in sekr grobem ^laüs von der Kiv.iekung im Säugiingsalter ab. /^gnes /ilakl. tiakenstsät ^i883bon Von L, KI, ppilleksmps, Oonk, Wie Rom, ist Lissabon auf sieben Hügeln erbaut, aber es gibt kaum einen Menschen, selbst keinen Lissabons, der die Namen dieser sieben Hügel nennen könnte, ohne lange Nach denken und sogar in irgendeinem Buch nnchschen zu müssen. Auf einem dieser Hügel liegt ein altes Kastell, das früher, als diese Defestigungsart noch Sinn hatte, die Stadt beherrschte, und seht das verschwiegene Dasein einer Ruine führt. Von der Höhe des Kastells herab überblickt man die aufwärts und abwärts gewinkelten Stragcn Lissabons, von hier aus öffnet sich die weite Bucht, die sich bei der Mündung des Tejo-Flusses in die Atlantik wie selbstverständlich erweitert und kurz vor dem Eintritt des Flusses ins Meer wieder verengt, dem Auge, und Hafen uirö Hügelstadt überschaut man sozusagen mit einem Blick, Dag dieses Lissabon, Portugals Haupistadt, zugleich an einem Hafen und auf sieben Hügeln liegt, macht seine Reize, aber auch ihre Grenzen aus. Es ist eine hügelige Hafenstadt. Der Landesfrcmde, der durch diese lärmenden und nicht immer sauberen Strassen geht, wo Taxis in wildem Tempo an ihm vorbeifahren, als seien sie allein auf der Welt, und wo ihm altmodische Straßenbahnen mit rührend komischen Fanggabeln für die Unglücklichen, die vielleicht in gefährliche Nähe der Wagen geraten, begegnen — er wird vergeblich auf einen Augenblick warten, da er gebannt stehen bleiben muß; er horcht auf die unterirdische Sprache dieser Stadt, aber er findet keinen Urlaut, der ihn das Große, das Uekorwältigende spüren ließe. Es ist kein ursprünglicher Ton im Gelärm dieser Stadt, das eben nur Taxigehnpe und Siraßeubahnklingeln ist und nichts weiter. Die Straßen sind so wie in hundert anderen Städten auch, die Blühe sind wie zufällig hingeseßt, und in ihrer Mitte steht meistens irgenvein gleichgültiges Denkmal eines gleich gültige» H''rrn in Uniform, vielleicht zu Pferd Das ist io, bis man an den Hasen kommt, jenen Hasen, in vem die Uebersecdampser, die »ach Südamerika fahren, gleichsam von Europa Abschied nehmen. Und hier erkennst du plötzlich, daß dieses Lissabon eigentlich nur des Häsens wegen da ist. Wenn dich der Straßenlärm und die ziellos laufenden Men schen, die Rufe der unvermeidlichen Lottericverkäufer, der Zeitungsjungen und der Blumenfrauen wenig angingen, so wirst du doch in das Leben dieses Hafens ganz wie von selbst hineingezogcn. Wie kommt cs, daß du dieser Fischhändlerin, die barfuß über das schmutzige Pflaster geht und aus ihrem Kopf den großen Korb mit Fischen trägt, nachschauen mußt, ja, daß du ihr einfach folgst und unterwegs vielen dieser Frauen, die ihre Last wie ein verschwiegenes Leid und dennoch mit aufrechtem Stolz und großer lleberlegenheit tragen, begegnest — bis du zu jenem Fischmnrkt kommst, wo sich jeden Morgen ein großer Teil des inneren Handels dieser Stadt abspieit?! In langen Reihen stehen hier die Fischcrfraucn und bieten den Ertrag, den sie vor ein paar Minute» frisch aus den Fischer- kähncn im Hafen geholt haben, für billiges Geld feil, und dieses Geschrei stößt dich seltsamerweise nicht ab, es erfreut dich, es erscheint dir als etwas Selbstverständliches und Notwendiges, und du sühlst den doppelten Existenzkampf, der dahinter steht — den Kampf mit dem feindlichen Element des Wassers und mit dem Wettbewerb der Nachbarn . /. Wie mag cs kommen, daß dieser Geruch von Tang, Fischen, Holz »nd Eisen — den» auch das Eisen riecht in der warmen Luft ans eine seltsame Weise — dir nicht widerwärtig, sondern wie vertraut ist, und daß du den Hebelränen, die 1500 und 2500 Kilogramm schwere Stücke ans den Bäml'cn der Schisse an Land bolen können, solange und interessiert znschanst, daß du die braunhüntigen und dunkelhaarigen kleinen portugiesischen Ar- bencr aufmerksam betrachtest, wie sie die von Bord gehobenen Stücke in die lgngen Lagerhallen fahren, und daß du dem klingelnden Gehämmer, das mit eincmmai aus einer kleinen Schmiedcwerkstatt tönt (der Schmied hat sogar Blumentöpfe vli seinem Fensl^, mitten im Haseugcwimmci). zuhörst, als ständest du irgendwo auf dem Land neben einer Dorsichmiede! Ach, das alles läßt sich wähl nicht so ohne weiteres erklären, aber es kommt gewiß daher, daß man hier, im Lissaboner Hafen, wahrhaftes Leben, Berührung mit der großen Welt ringsum, verspürt, daß hier deutlich wird, wie sehr die Stadt und das ganze Land hinter ihr vom Meer, von seinen Gütern und vom Handel mit ihnen lebt . . . während das, was sich dahinten, einige hundert Meter weiter, Großstadt nennt, nichts ist. als eine gleichgültige Angelegenheit, die inan bei uns, fälschlicherweise, „Provinz" zu nennen pflegt. Immer stärker wird dieser Eindruck für den, der tiefer in die Stadt und ihr Leben dringt. Es ist alles da, was es in anderen Städten auch gibt, aber alles hat hier nur mittel mäßiges Format; Das Gomäldemuseum. das nicht viel mehr als eine große Privatsammlung ist — die Theater, die gleichgültige Stücke in einer Form, die nicht über das Alltägliche hinaus geht, spielen, die Kinos, die Konzerte, die Geschäftshäuser, in denen viel billiger Kram liegt, während die sehr vereinzelten schönen und guten Dinge, seien es nun Anzüge, Schuhe, Hüte oder Pelze, viel zu teuer sind, da sie aus dem Ausland kommen »nd gegenwärtig ungeheuren Zöllen unterliegen. Nicht einmal die große Vergnüge,iheil Portugals hat dieser Hauptstadt ein Gesicht und eine Architektur gegeben, wie man ihr in Spanien sozusagen aus Schritt und Tritt begegnet — und was wahrhaft schön ist. wie die Klosterkirche Soo Ieronimo, eine ruhig aus gewogene, großartige Kirche aus dem sechzehnten Jahrhundert, in einer Mischung von steiler Gotik und nusgleichender Re naissance gebaut, oder die Baptistakapelle in der Iesuitenkirche, ist nicht von portugiesischen Künstlern geschossen, ist sogar, wie die kleine Kapelle dieser Iesuitenlirche, fertig ans Italien importiert . . , Nein, die Portugiesen waren kein künstlerisch empfindendes Nolk — sie waren Seefahrer und Händler, und ihre Freundschaft mit England, die seit Jahrhunderten datiert, hat wobt auch diese seelischen Ursprünge gleicher Haltung znm Leben Und darum ist der Hasen, der d«s wirkliche Leben Lissabons umspannt und erschöpft, das Herz x»d der Puls dieser Stadt.
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