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Onter^altun^ und V^/i88en ssr.?46 — 23. Oktober 1030 ^üclisiActie Volksreium^ 4000 Kilometer Amerika Im /^uto nsck Florida — Die Uniform 6er Villen — Karten und Kei8ekükrer iiberkIÜ88i8 — Mrbel8turm und Kinanrorkan Anfang August hatte die schreckliche Hitzewelle meine Urlaubssehnsucht ins Maßlose gesteigert. Aus dienstlichen Lrunden glaubt« jedoch mein Chef, derselben nicht Rechnung ,mgen zu müssen, und empfahl mir dringendst, den September «ls den besten Monat für eine „vacatio»'. Es war wohl gar ccicht »ach meinem Geschmack, meinen Urlaub so lange zu ver hieben, ich hätte mich aber wahrscheinlich ins Unvermeidliche gesagt, wenn nicht die allzu verlockende Einladung eines mit «ns befreundeten Ehepaares mir den Mut gegeben Hütte, meinem Chef ein Ultimatum für den 15. August zu stellen. Ich ntlärte ihm, daß ich jetzt eine nie wiederkehrend« Gelegen heit, hätte, eine Autotour von Ncuyork bis an die Südspitze der Halbinsel Florida zu unternehmen, und meine Begeisterung für das wunderbare Amerika bei einer solchen Reise nur noch weitere Nahrung bekommen könne. Es könne doch unmöglich seine Absicht sein, das zu verhüten. Dieser Appell an die etwas chauvinistische Gesinnung meines Vorgesetzten blieb nicht erfolg los, und unsere Unterredung fand mit einem zustimmendcn „tt. li." ihren Abschluß. (Der Amerikaner hat sich vom eng lischen „all rixlit" emanzipiert und hierfür „olcezc" ersunden, ein Ausdruck, dessen Ursprung auf einen historischen Vorgang in der amerikanischen Geschichte zurückzusühren ist.) Mir hatten noch einige Tage Zeit, einige Vorbereitungen siir die auf viertausend Kilometer berechnete Aulorcise zu treffen. Vor allem mußte meine Frau sich in den Ncuyorker Lbarcnhäuserng rllndlich darüber informieren, was man Heuer in den Tropen trägt, und hatte danach ihre Garderobe zu er gänzen. Mir selbst lag die Anschaffung von guten Lustpolstern am Herzen, die uns die bevorstehende vierzchntägige „Dauer sitzung" etwas erleichtern sollten. Ueberfliissigerweise hatte ich das Kartenmaterial für die in Aussicht genommene Strecke k-'uslich erworben. Damals war ich noch Nicht darüber unter richtet, daß an allen Venzinstationen der bedeutenderen Oel- lonzerne (Shell, Standard Oil, Vacuum Oil usw.) ausgezeich- E Karten gratis abgegeben werden. Auch mit einem „^idccker" kann sich der amerikanische Automobilist gratis ver sorgen. Dessen Stelle vertreten die von einem Pncumatik- miiernehmen, der Mohawi Tire Company, herausgegcbcncn ü-roschüren, die aus das genaueste über die Wcgverhältnisse, llnterkunstsinöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten aus den ein zelnen Hauptstrecken Auskunft geben. Umfangreichere Vor bereitungen hatte der Besitzer des Wagens zu tressen, der diesen durch Zerlegung des gesamten Antriebsmechanismus aus „Herz imd Nieren" prüfte. Oer ?unnel 6er 50000 An einem recht schwülen Sonntagsmorgen starteten wir im Tladtzentrum Renyorks. Durch den H o l l a n d t u n n c l, dem längsten Unterwassertunnel der Welt, der unter dem Hudson- sluß die beiden Staaten Ncuyork und Ncujersey verbindet, verließen wie die Manhattaninsel. Wir mußten tatsächlich aus- cumen, als wir nach dem Passieren dieses drei Meilen langen Cunnels (5,6 Kilometer) wieder ans Tageslicht kamen. Denn das überaus schwierige Vcntilationsproblem für diesen Tunnel «fl wohl ausreichend, kelneswegs aber vollkommen gelöst, und ist in diesem an starken Verkehrszentren (Durchschnittsverkehr über 56 660 Automobile täglich) eine ziemlich atembeklemmende Atmosphäre zu verzeichnen. Noch eine Stunde lang zieht sich der Weg durch das Häusermeer der Neujcrsey-Fabrikstädte. Dann endlich erreichen wir die ossene Landstraße mit der Markierung Nr. 1. Diese Markierung führt Uber eine Strecke von 2666 Kilo meter durch neun Staaten der Union bis an die Slldspihe von Florida. Am zweiten Tage unserer Fahrt verließen wir jedoch diese Markierung, da wie in den KUstenweg Nr. 13 einbogen, der uns als abwechslungsreicher empfohlen wurde und über die Halbinsel des Staates Maryland durch die Chcsapeake-Bai nach Norfolk führt. Bei einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von 76 Kilometer pro Stunde erreichten wir noch am frühen Vor mittag Philadelphia. Zur Bequemlichkeit reisender Touristen sind in den meisten größeren Städten Amerikas Gllrtelwcge (City Belt Ways) ausg»baut, die längs der Peri pherie der Stadt geführt sind und ein viel schnelleres Vor- wärtskommcn als auf einer Fahrt durch das verkehrsreiche Stadtzentrum ermöglichen. In Philadelphia führte »ns diese Eürtelstraße an einer Massenproduktion amerikanischer Villen vorbei. Es ist hier keine Seltenheit, lange Häuserzeilen gleich artig gebauter Einfamilienhäuser anzutrcffen, die sich durch nichts anderes als durch die Hausnummer unterscheiden. Wenn man auch beim Anblick derartiger Straßen unwillkürlich an Barackenlager erinnert wird, so leuchten die wirtschaftlichen Beweggründe einer Massenproduktion billiger Familienhäuser dock obne weiteres ein. Wenn man aber lurnrinlc Villen in haargenau gcem-rr Auvsuhruag mu oen gleichen Vorgarten uno den gleichen Vlumenbeeten zu Dutzenden nebencinandergestellt sieht, muß man unwillkürlich an dem Ideenreichtum amerika nischer Architekten zu zweifeln beginnen und kann keine Ent schuldigung für eine derartige Unterdrückung des persönlichen Geschmacks finden. „Tourist Home»" Programmgemäß hatten wir für eine Tagesleistung zirka 466 Kilometer veranschlagt, und beendigen unser erstes Pensum in der Nähe der Südspitze der Maryland-Halbinsel. Wir be schlossen, in einem kleinen Städtchen mit dem indianischen Pocomoke zu nächtigen. Ich konnte mich bereits bei diesem ersten Nachtquartier davon überzeugen, daß der amerikanische Tourist alles andere als ein Ausbeutungsobjekt ist. Tourist im amerikanischen Sinne ist derjenige, der zu seinem Vergnügen im Automobil reist und nicht über unbeschränkte Geldmittel ver fügt. Auch ihm gereicht der demokratische Zug Amerikas, der es mit sich bringt, daß der Minderbemittelte nur wenig von dem zu entbehren braucht, was der Reiche sich leisten kann, zum Vorteil. Während der reiche Amerikaner seine Vergnügungs reisen meist in einem schweren Luxuswagen unternimmt und in den Stadthotels (Zimmerpreise von 16 Dollar aufwärts) über nachtet, kommt der Tourist dank der fabelhasten Autostraßen in seinem leichten Wagen mit kaum dem halben Benzinverbrauch ebenso leicht, rasch, sicher und bequem vorwärts, und ist in den NerbstAekükI Dns sind die Tage, dir. du lange lcrnnst und die dir dennoch neu lind, nie begännen sie, fremder Meltcn Ding« zu benennen mit Mnrnerr, die dn selber niemnl» nennst. Der Dlätter frchles Gelb — luue ist es denn fnr eine Anrbe: lcnnnst dn sie bergleichen mit andern Anrben? Dnd das Drnnn der Eichen, üiill es als Drnnn noch gelten! Oder loenn du die Allee hinnbgehst, tue Dlntnnrr, zu beiden Seiten stehn, dem Mrg bermäblt, und siehst: di- Minden liegen nbgcschült, luie fortgeüiorfen überfällt, rin Ahnen bon einem Mrrndel, der dich nicht mehr fände» dein Merz, sklnd heimlich zittern deine Aände. V/llkelrr l-uetjen« T o » r i 8 t - II c> in 8 s fast ebenso komfortabel untcrgebracht als in den unverhältnismäßig teueren Hotels. An der Peri pherie jeder amerikanischen Stadt finden wir längs der Haupt verkehrsstraßen vor Familienhäusern Tafeln mit der Auf schrift „l'oui'ist rvoieomo" angebracht. Man kann damit rechne», hier ausgezeichnete Gelegenheit zur Ucbernachtung, ge räumige. reine Zimmer mit Badebenutzung vorzusinden. Der Preis übersteigt selten 1 Dollar pro Person. Vielfach werden auch Mahlzeiten verabreicht, die in der Regel überaus reichlich und preiswert sind. Für ein amerikanisches Frühstück mit vier Gängen werden gewöhnlich 35 Cent, für ein Souper 50 Cent (rund 2 Mark) berechnet. In den meisten 'k'oui i.-a Ilomos fan- den wir auch sofort geselligen Anschluß, und viele gemütliche Abende, die wir im Kreise gastfreundlicher amerikanischer Fa milien fanden, sind uns zur bleibenden Erinnerung geworden. Noch biliger kann der amerikanische Tourist reisen, wenn er von den sogenannten Auto-Camps Gebrauch macht. Diese sind meist in der Nähe größerer Venzinstationen anzutreffen und bestehen aus einer Anzahl kleiner Vrcttcrhäuschcn mit ein oder zwei möblierten Zimmern in der Große von Kabinen. Ein verlängertes Scitcndach dient als Ncgenschutz für den Wagen. Die Einrichtung der Zimmer besteht aus Tisch, Bett. Waschtisch und einem Benzinherd zum Sclbstkochen von Mahlzeiten. tlitre und klantaASn Am nächsten Morgen ging es weiter längs der sich immer mehr verengenden Marylandhalbinsel. Um 8 Uhr vormittags hatten wir die Südspitze und damit das reizende Villenstädtchen Cape Charles erreicht, von wo uns der Dampfer in vier stündiger Uebersahrt samt unser»« Automobil nach Ports mouth im Staate Virginia brachte. Ein würfelförmiger Koloß, der aus einer Insel der Bucht gelegen ist und in der Entfernung den Eindruck eines gewaltigen Festungswerkes machte, entpuppte sich als ein Wolkcnkratzerholel. Dem Ver nehmen nach ist dieses eines der exklusivsten und teuersten in Amerika und dient insbesondere den Pittsburgcr Stahl magnaten als Erholungsort. Im Staate Virninia batten mir Der!n6!8eke Holdst Jahrtausende lang strömten durch die engen Vergpässe der Himalayas über Afghanistan und aus Zcntralosien Fluten neuer Menschenrassen: die Arier. Scythcn, Kaukasier, Mazedo nier, die Tartaren unter den fürchterlichen Timur und Llicnghizkhan, die Vandalen und Hunnen, Araber, Mongolen >md Perser, die Hofländer, Franzosen und Portugiesen. Diese luiqcheuren Wellen fremder Rassen verschwanden in einem Suescn-Schmclzkcssel: Indien. Es ist als ob Indien alle ver schlungen hätte, ein tolles Wirrwarr, ein biblisches Babel. Es gibt weder Arier, Mongolen, Scythen, Mazedonier noch Araber mehr, sondern diese ungeheure brodelnde, siedende Masse, ge mischte Buntheit, die auf Hürlimann und andere ängstliche Europäer beängstigend wirkte. Indien ist kein« Einheit, son dern ein« Einheit in der Verschiedenheit. Vom Norden bis zur südlichen Spitze dieses Kontinents, über die gewaltige Aus dehnung läuft jedoch durch und durch eine unterirdische Einheit, nämlich die Tradition Indiens. — Hürlimann ist davor ge flüchtet, weil die aufwühlende Unruhe dieses hundert Sprachen sprechenden Volkes ihn beunruhigt hat. Schließlich fand er Nuhe in der Eintönigkeit Ehinas. Die große Mutter Indien hatte niemals Ruhe gehabt, ihr fruchtbarer und schöner Leib war die Sehnsucht aller Völker. Cie brachen ein durch die Schranken, sie zu berauben, blieben ober und wurden ihre Söhne. Unter den Söhnen gab es ewig Kampf; die neuen Eindringlinge verdrängten die schon An- igen. Es kamen di« Arabers und die persischen Moghulen mit ihrer besseren zentralistischen Kriegstechnik. Zum ersten Diale im 16. Jahrhundert führten die Moghulen die Feld» Artillerie gegen di« Elefanten der Hindu und richteten unter diesen solche verhee«nde Unordnung an, daß die Hindu-Solda ten tn großer Bestürzung, durch die eigenen Elefanten ausein- wder getrieben M«r>d«u. Mit d«n Moghulen kamen allerlei Abenteurer nach Indien, verwegene Putschisten. Militür-Vrava- dors, geniale Artilleristen. Ein berühmter abessinischer Artil lerist, ausgebildct in französischer Artillerie-Techpik, trat im 17. Jahrhundert in den Dienst eines Hindu-Königs ein. Er be diente seine Geschütze eigenhändig und hielt die englischen Geg ner mit ihrer besseren Feldausrüstnng in Schach. Das allmäch tige Moghul-Heer, das das ganze Indien erobert und unzählige Feldzüge durchgcmacht hatte, musste Ersatz finden. Denn die ersten Truppen sielen auf den verschiedenen Schlachtfeldern. So traten alle möglichen Völker in das Heer des Moghuls ein. Es gab Türken, Mongolen. Tartaren. Rasputen. die Dravidcn aus Süd-Indien. Durch den Anprall dieser unzähligen Sprachen wurde eine einheitliche Sprache geboren, eine Art Esperanto, Urdu. d. h. Feldlager-Sprache genannt. Heute wird diese Urdusprache von 230 Millionen Menschen ge sprochen. Zu jener Zeit war im Krieg immer noch der Mensch der Hauptfaktor; mit seiner Tapferkeit. Mut und Brachialgewalt gewann er die Schlacht. Jetzt noch, im Zeitalter der Maschinen gewehre und großen Geschütze gab cs bis zum Jahre 1612 In China eine fast unglaublich klingende Ritterlichkeit, die niemals in Europa möglich gewesen wäre. — Von zwei sich bekämpfen den Parteien bemerkte die eine, daß die andere mit dem Feuer plötzlich aufgehört hatte. Darauf schickte sie einen Kommissar hinüber, um der Ursache nachzuforschen und um anzubicten, daß. falls sie keine Munition mehr hätten, sie bereit seien, einen Teil ihrer eigenen abzugeben; denn es sei ungerecht und unrit terlich gegen einen benachteiligten und geschwächteren Gegner zu kämpfen. Ein zweites Mal erklärte ein siegreicher chinesischer General seinen eigenen Sieg für ungültig, weil sein Gegner an einem regenreichen Tage durch Sumpfgelände vorwärts mar schieren und dadurch ins Hintertreffen geraten mußt«. Er bot ihm einen neuen Kampf an. Die alten Kriegsmethoden hatten also doch etwas Mensch liches an fick, trotz der Unmenschlichkeit des Metzelns. Es gab keine Nachtangriffe, keine Ueberraschnngsüberfällc. Die Könige gingen voran und führten ihre Truppen selbst. Es bildete sich ein Geschlecht von Kämpfern, die ihre Aufgabe der Verteidigung ernst nahmen und sich streng an den Koder der Berühmt ist der verzweifelte Kampf der Nafpuls. eine- en Volks, das «vic die Spartaner nur eins kannten. Lieg oder Tod. Sie wußten, daß sie gegen die Uebermacht des Moghul- heeres keine Aussicht auf Sieg hatten. Nachdem sie die letzten Vorbereitungen getroffen hatten, alle Männer zum Kampf aus gerüstet waren, ösfncten sich die Festungstore. Die Männer spornten ihre Pferde an den Feind, Lein sicheren Tod entgegen. Nicht einer kam zurück. Inzwischen baute man im Hofe der Paläste turmhohe Scheiterhaufen und alles weibliclie. die Kin der und die Greise sprangen in das Feuer hinein um sich der Entehrung der Gefangenschaft zu entziehen. Gegen die Uebermacht der Moghuls war nichts zu machen. Machttrunken, fingen sic an zu degenerieren. Die strenge Zucht und Selbstbeherrschung der Pionierzeit, die anfangs mit ge wissen Idealen beseelt waren, waren verschwunden — die Zer setzung begann. — Zu dieser Zeit entstand in dem Gebirge der Westküste mit einem Schlage eine Macht, die nur mit Napole ons meteorhastcm glorreichen Ausstieg zu vergleichen ist. Unter Führung eines Bergmannes, namens Siraji, d. h. kleine Bcrg- ratte, entstand ein zuerst kleiner Kampfbund, der sich durch eine besondere Taktik: plötzliche Ueberfälle und Angriffe auszeich-, nete. Wir nennen das heute „Guerillakrieg". Wunderbar organisiert, jeder ein vollkommener Reiter, flink, zähe und mit der Berggegend vertraut, fielen sie über Nachzügler des mächti gen Moghulheeres her und schnitten alle strategischen Wege ab. Sie quälten und neckten den Koloß, wie Stechfliegen ein Pferd. Sie verschwanden, wie sie kamen. Jene Zeit war eine der Opfer und Entbehrungen. Jeder Kämpfer war auf sich angewiesen, auf selbständiges Denken und Handeln. Aber di« Zusammen arbeit war so genau und exakt wie heute bei einer erstklassigen Hockeymannschast. Jahrtausende lang bluteten Indiens Sübwe