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Sächsische Volkszeitung : 19.10.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193010199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19301019
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19301019
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-10
- Tag 1930-10-19
-
Monat
1930-10
-
Jahr
1930
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.10.1930
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Das SchuIdenMgungsgesetz Die erste wichlige Entscheidung, vor die -er Reichstag gestellt ist Berlin. 18. Oktober. An t>er gestrigen Sitzung des Reichstages wurde vor Beginn der großen politischen Aussprache der Gesetzent wurf über die Schuldentilgung beraten. Abg. Dr. Reubauer (Komm.) fragt die Regierung, warum sie noch keine wirksamen Maßnahmen gegen die Kapitalflucht ergriffen habe. Der Redner empfiehlt einen kommunistischen Antrag, der schwere Bestrafung der Kapitalverschieber verlangt. Die Nationalsozialisten, so fahrt Dr. Neubauer fort, haben einen ähnlichen Antrag eingebracht, aber sie sollten vorsichtig ihr theoretischer en Worten springt Abg. Feder (Nat.-Soz.) egt: „Das ist eine Unverschämtheit!" Die ubi nisten rufen: „Schlußl — Schluß!" auf rigen sei», denn kurz vor dem Hitler-Putsch hat Kronleuchter Jeder sein Kapital ins Ausland Bei diesen und ruft errec Nationalsozial Präsident Lübe kann nur mit Mühe Ruhe schaffen. Er macht die nationalsozialistischen Zryischcnrufer darauf aufmerk sam, daß er nur gegen unparlamcntarische Ausdrücke ein- schreiten könne nicht aber gegen Behauptungen, die nach der Meinung der Angegriffenen unwahr sind. Abg. Dr. Neitbaue« (Komm.) fährt fort: Die gleiche Be schuldigung sei schon im alten Reichstag gegen den Abg. Feder gerichtet worden, ohne daß er sie widerlegen konnte. Der natio nalsozialistische Führer Hitler habe den amerikanif und Börsenfürsten erklärt, daß eine national schen Bank« Wische Ne- lsozialistische Ausland peinlich senfürsten gierung alle Zahlungsverpflichtungen an das genau erfüllen werde. (Unruhe b. d. Nat.-Soz.) Die Kommu nisten verlangten dagegen die Einstellung der Tributleistungen und sie würden auch das vorliegende Gesetz ablehnen. Abg Feder (Nat.-Soz.) bezeichnet zunächst die von Dr. Neu bauer gegen ihn erhobene Beschuldigung der Kapitalverschiebung als eine Lüge. (Dr. Neubauer antwortet mit dem Zuruf: „Sie unverschämter Bursä>el" — Präsident Lobe ruft Feder und Neu bauer zur Ordnung.) Aba. Feder bekämpft dann den vorliegenden Gesetzentwurf. Aehnlich wie bei der ersten Kreuaer-Anleihe stehe auch hier sicherlich im Hintergründe der Ausländsanleihe die Ueberlassung eines deutschen Monopols an das Ausland. Vielleicht werde jetzt noch die Deutsche Neichvpost dem Ausland ausgeliesert. Die w'rfiiss» d»nMvn Nortcien müssen diese Vorlage ablelmen und mit der Vorlage muß auch die Negierung verschwinden, denn ihre Uhr ist abgelausen. (Lebh. Beifall b. o. Nat.-Soz.) Abg. Dr. Ouaatz (Dnat.) stimmt dem Vorredner in der Ver- unc.mng der Vorlage zu. Der Finanzminister hat von deut- ÜNI nirbt uns Geld bekommen, das er gebrauchte, das ch ein Sturmsignal erster Ordnung. Die deutschen Banken waren »>azu nicht in der Lage. (Zwischenruf des Ministers Dietrich.) Es wäre sehr gut. wenn der Minister nachher einmal deutlich sagen würde, wer denn eigentlich die Gläubiger Deutschlands sind. (Minister Dietrich: Das wird gestehen!) Die Negierung kann doch selbst nicht glauben daß durch die vorliegende Anleihe die Finanzen in Ordnung gebracht werden. Es geht eben nickst, den deutschen Lebensstandard ausreckstzuerhalten und gleichzeitig ans den Mitteln des verarmten deutschen Volkes den riesigsten Militarismus zu finanzieren, den die Welt je gesehen hat, den französische«. Rclchsfinanzminister Dietrich, der von )«ir Nationalsozialisten mit lauten Zurufen emzstangcn wird, weist zunächst die Angriffe der Vorredner zurück und gibt dann eine zahlenmäßige Aufstellung der schwebenden deutschen Schuld Diese Sckstild betrage 1.2t!! Milliarden. Die große Be lastung durch die gesteigerte Arbeitslosigkeit habe eine Vermin derung dieser Schulden verhindert. Mit den für die Arbeitslosenunterstützung vorgesehenen Mit teln komme man nicht aus. Es seien '< 6 l> Millionen mehr erforderlich. Di« finanzielle Lage werde unter diesen Umständen am 1. -1. )!>.'!> die gleick>e sein wie am 1. 4. 1M>. Mit der in dem vorliegenden (siesctz enthaltenen Anleihe werde es gelingen, den Etatzu balanzieren und die schwebende Schuld abzud « cken. Van den Nationalsozialisten werden diese Ausführungen des Ministers fortwährend durch laute Zurufe unterbrochen. Präsident Lobe ersucht wiederholt um Ruhe. Der Mi nister müsse die Möglichkeit baden, auf die Fragen zu antworten, dt« von den Zwtschen- rusern an ihn gerichtet worden seien. R«ick>sfinanzminister Dietrich erklärt« dann mit erhobener Stimm« bei den Verhandlungen über die Ausländsanleihe habe er mit keinem Wort die Verpfändung irgend eines deutschen Monopols zu gesagt oder ver sprochen, daß Deutschland aus «in« Anwen dung der ihm günstigen Bestimmungen des Poungvertrages verzichten w« r de. — Auf wieder- holt« Zurufe des Abg. Feder (Nat.-Soz.) ruft Minister Dietrich erregt: Ich muß verlangen, daß Sie mir glau ben, ich bin doch kein Lügner! Diejenigen, di« zwölf Jahre mit mir in diesem Hause sitzen, würden mir nie so etwas zutrauen. (Lebbaster Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Ouartz: „Sprechen Sie sür ihr Ressort oder für die ganze Reichs regierung?") Solang« ich in der Reichsrcgierung sitze, kann ich für sic reden, und solang« werde ich auch nicht zulassen, daß ein anderes Regierungsmitglied so etwas verspricht. (Beifall.) Einige Nationalsozialisten machen dein Minister fortwährend so laute Zurufe, daß die letzten Sätze seiner Red« trotz seines lauten Organs kaum ver standen werden können. Am Schluß der Ministerrede klatsck>en di« Abgeordneten der Mitte Beifall. Präsident Lobe erklärt, nur der Umstand, daß ihm die neuen Abgeordneten noch nicht sämtlich bekannt sind, Hab« ihn verhin dert, gegen diejenigen, di« durch dauernden Lärm die Redner Uberschreien, die gcschüstsordnungsmäßigen Mittel anzuwenden. Er behalte lick aber, vor, nach der Feststellung der Namen di« Ausweisung der Ruhestörer nachträglich schriftlich zu versllgeM (Lebhafter Beifall in der Mitte.) Abg. Keil (Soz.) führt aus, di« Deutschnationalen sollten sich nicht als Pharisäer ausspielcn, denn di« Rechtsparteien Hütten einen großen Teil der Schuld an der Finanznot des Reiches. Di« Sozialdemokratisch« Fraktion wolle mit allen Kräften daran arbeiten, daß di« Reichssinanzcn in Ordnung gebracht werden. Das lieg« gerade im Interesse der deutschen Arbeitersck>aft. Der Redner verliest dann das Protokoll der Vernehmung eines Münck-ener Polizeibeamtcn, der ausgesagt hat, der Abg. Feder habe im November t!>23 von seinem Bank haus «in beträchtliches Aktienpaket abheben wollen mit der Be gründung. er brauche «s als Pfand sür di« Ausnahme einer größeren Geldsumme. Wenig« Tage später sei der Hitlerputsch ansgebrochen, und Feder habe «ine Verfügung erlaßen, in dev all« Vankabhebungen und Verschiebungen mit Strafe belegt werden. Von den Sozialdemokraten werden dt« Ausführungen Keils mit lauten Hört!-Hört!-Rufen, von den Nationalsozialisten mit großem Lärm ausgenommen. Präsident Löbe rust mehrere Nationalsozialisten zur Ordnung. Diese Geschichte des Bankdepots des Nationalsozialisten Dr. Feder beschäftigt das Haus eine gut« halbe Stunde. Feder antwortet Keil. Keil wiederholt sein« Darstellung, und zum SMuß sieht man auch Feder wieder ans der Tribüne. Vrüü>ni Lode mutz fortgesetzt eingreisen und kann nur mit Mühe dt« Ordnung ini Haufe aufrecht erhalten. Besonders laut und stür misch geht es zu, als Abg. Keil zum zweiten Male am Redner« pult steht. Die Nationalsozialisten veranstalten einen Höllen lärm, um ihn am Reden zu verhindern. Die Ruhe wurde erst wiederhergeslellt, als diese Auseinandersetzung beendet und da« Schuldentilaunasaeieü dem Ausschuß überwiesen war. ü Danach wurde in die Aussprache über das Re, gierungsprogramm eingetreten. Als erster Reime» nahm der sozialdemokratische Abgeordnete Müller-Franken, de» früher« Reichskanzler, das Wort, lieber den weiteren Verlauf der Reichstagssitzung berichten wir an anderer Stelle. 40 Jahre Volksverein Don Generaldireklor van -er Velden» München-Gladbach Der deutsche Katholizismus hat nie seinen Bolksverein so nötig gehabt als in der Gegen wart. Wo unsere heiligsten Güter so non allen Seilen gefähr det sind, wo anlichristiichs Massensronten sich zusammenGrllen, bedarf es unserer geschlossenen Einheit. Nur durch ihre Einheit wurden die deutschen Katholiken in llbjährigem Ringen und Sck>afsen frei und ihr Einsluß im Volksganzen achtunggebie tend. Wir können in einer Zeit, wo alles bricht, nicht das katholische Volk i» eine Leere fallen lassen. Wenn auch außer halb des Kircheiiraumcs unsere Einheit als Bekenntnis und als Lebenswille sich offenbart, werden wir uns im Volksganzcn durchsetzen. Wir haben als Katholiken die Verantwortung, die Ord nungszelle im Chaos zu sein. Hier liegt eine Aufgabe, die der Politiker, die Partei allein nicht erfüllen kann. Denn die Poli tik des Tages ist eine Kunst des Möglichen. Sie vermag nur soviel, als sie Stärke und Zahl hat. Die Aufrüttelung der Gewissen, die weltanschauliche Vertiefung, die Schulung der Massen, die Siegfrieds st el- lnng für d i c pa r t e i p o I i t i s che » Kämpfe, die Seelsorge sür die Politik, das ist und bleibt notwendige Aufgabe des Volksvercins. Sie wird »in so besser gelöst, je machtvoller und umfassender sie dargestell! und eingefaßt wird. Wo einmal praklisch zugesaßt wird, wo die Bollisnereins- hesle in jedes Haus kommen, wo die Pfarrer. Berein-Neiier. Gr»vl>enfiihrer. Geschäilsführer. wo ein lebendiger Mensch schalst, da wächst'» im Polksverein unter den Händen. Statt zu kritisieren und zu problematisieren, fallen wir aktiv mit a p o st o l i s ch e m Eifer zufassen. Der Gegner könnte »ns lehren! Die Stunde fordert mit gebieterischem Ernst, jetzt nicht Geschichtskritik des Notksvcreins z» schreiben, sondern anzufassen. Wo ein Wille, ist ein Weg! Weg zur Einheit und Kraft! Der Polksverein soll dabei nicht Verein neben Vereinen sein. Er soll der Pfarrverein und darüber hinaus der groß Volks bund der deutschen Katholiken sein-! Rationalisierung der ideellen und wirtschaftlichen Seile des^ Orgainsalioiisledens tut gewiß not. Sie ist zu schaffen an> dem Boden des Volksvereins in Verbindung mit den übrigen lebeiis« wichtigen katholischen Organisationen. Organisationsinüde. >at^ organisationsfeindlich sind viele geworden. Zwar tut Umbil-ii düng und Neuordnung nor. Aber jede Idee muß Fleisch werden»! muß sich darstellen in einer Form, drängt zum Zusammenschluß/ Erst recht im gesellschaftlichen Leben soll man die Bedeutung dev in der Organisation geformten, dargestellten Idee nicht unter schätzen. Das Inskituionelle hat seinen Wert im Leben. Auchs die Kirche ist Organisation. Auch der Orden hat seine Rcgek und Organisation. Auch die Bewegung formt sich zum Bund» In schwerer Zeit, wo Kultur, Wirtschaft und Staat di« machtvolle, zie!sick>ere Einheit unchristlicher, nenheidnischrc Kräfte fühlen, bedarf es der organisierten Einheit unseres Lebenswillens im Volksganzen Datz die Organisation nicht totes Gerippe, sondern lebendiger Orga nismus sei. ist die Kunst und Verantwortung der Führer. Schwere Bürde habe ich mit meinen wacheren MNarbei« lern ans die Schultern genommen. Aber die Lube zu uusermt Gott und zum GGaniwo Ke drang! uns. Ter V.u.i.-o >. n will die Ei»heilsorg«liis<i:-on des gesamten deutschen Iiatuo. cheit Volkes werden. Nicht will er die Katho! neu a'ownoc.n und aktreiineii von der ganzen Volksgemeinschaft. Nicht null ec Heerlager gegeneinander stellen und den Riß, der cknck den Volkskörper gehl, nur verschlimmern. Zu ihrem Eigen.eben will der Volksverein die Katholiken sammeln und formen, Zn machtvollem Bekenntnis mitl er sie stärken und einen. Ihrem Lekensmillen will er znm Durchbruch helfen. Aber dienen.' will er dieses Leben seinem Volke schenke», das nur ans Ekristit Lebenskraft auferstehen kann. Darum wollen wir den Volks« Marfa Drama von Otto Erler. (Staatliches Schauspielhaus zu Dresden.) Im Mittelpunkt der Handlung des neuen Dramas des Dresdner Dichters Otto Erler steht die Historie um den falschen Demetrius, denselben, den Schillers Fragment und Hebbels Drama behandeln. Die Geschichte kennt noch mehrere, immer polnische Abenteurer, die sich als Sohn Iwans des Schrecklichen au gaben. Das tiefste Dunkel umgibt jedoch den ersten Dem««' i: ns 'Man vermutet, daß er ein entlaufener Mönch namens G. chka Otrepjew war und daß eine außerordentlich große Ä hnlichkeit mit dem von Boris Godunow im Kindesaltcr er mordeten echten Demetrius die Täuschung ermöglichte. Man glaubt aber z. T. in Rußland heute noch, daß dieser erste „falsche" Demetrius wirklich der echte Zarewitsch gewesen sei. Dieser ist in Krakau heimlich zur katholischen Kirche übergetre ten, hat sich 1605 in Moskau krönen lassen und war ein außer gewöhnlich begabter und feingebildeter Mensch, der den Russen in jeder Hinsicht überlegen war. Sie haßten ihn wegen seiner Toleranz den Fremden gegenüber und wegen seiner Begünsti gung der Palen. Wenige Tage nach seiner Hochzeit mit der Tochter des polnischen Palatins von Sandomir, Mniszech, wurde er mit vielen Polen von de» Russen erschlagen. Die Grundzüge der Handlung sind in letzter Zeit bekannter geworden durch die Oper „Boris Godunow" von Mussorgskij, die überall in Deutsch land einen großen Erfolg hatte. Der Held Demetrius steht bei Erler etwas zurück. Der Titel deutet schon an. welche Konflikte das Drama veranlaßt haben. Marsa ist die Mutter des ermordeten Demetrius. Sie lebt verbannt als Nonne in einem Kloster. Unweit toben Kämpfe des Zaren gegen den Prätendenten. Die Welt, der sie entfliehe» wollte (sie wurde am freiwilligen Tod gehindert), be ginnt wieder Reiz für sie zu werden und erst recht dann, als Boris Godunow selbst im Kloster erscheint, ein gebrochener Mann im Bußergewand, der ein letztes Opfer von Marfa fordert. Sie soll angesichts des Volks beschwören, datz der Prätendent nicht ihr Sohn, nicht Demetrius ist. Sie sieht den Weg offen und wird von einem Iurodiwij, einem Kettenbützer, der mystischen Gestalt dieses Dramas, in ihrem Vorhaben bestärkt. Soweit der «rfte Akt. der eigentlich mehr als Vorspiel gewertet werden muß. Im zweiten Akt setzt die Handlung, die Tragödie Marfa- Deinetrius erst ein. Das „Vorspiel" ist viel zu lang und er müdet in seinem Bestreben, eine klassische Exposition zu geben. Wirksamer wird nun schon im zweiten Akt das Erscheinen der Zarin im Zelte des Demetrius vorbereitet. Und die erste große Szene mit diesem müßte eigentlich viel klarer die Gefühle auf zeigen, von denen Marfa getrieben wird. Man müßte deutlich wissen, daß es die „Liebe auf den ersten Blick" ist, eine von Mütterlichkeit weit entfernte Liebe. Dazu bedurfte es durchaus keines — in diesem Falle natürlich unmöglichen — Ausbruches, aber Erler ist hier undurchsichtig geblieben zum Schaden der psychologischen Vertiefung einer so modernen Betrachtung. Im Folgenden wird die Haltung Marfas gegenüber den Anordnun gen es nun zum Zaren gekrönten Demetrius aus der Hand lung heraus nicht ganz verständlich, es bedarf dazu vielmehr erst des wirklichen Ausbruchs der Eifersucht, als Marfa die Liebe des jungen Menschen zur Tochter des Boris Godunow erfährt. Und der Schluß, die grelle Malerei des Rot in Rot. die Deme trius für eine, im Drama vielleicht die wichtigste. Szene zum Haupthclden macht, bringt die ganz augenscheinlich ^wollte Lösung, die Erhebung Marfas zur Mater dolorosa, durchaus nicht. Die Abwandlung des dramatischen Begriffs von Schuld und Sühne mißlang, weil Erter den Stoff zu lyrisch anpackt und zu sehr zwischen Klassik und Moderne die Bütte zu halten sich bemüht, weil er nach klassizistischem Muster zu große» Wert auf die Wiedergabe der Historie legt und für den Leidensweg nur ein paar Szenen übrig hat, die beinahe als Einstreuungen wirken. Schuiskij tritt zu sehr in den Vordergrund, die Be ziehungen des Demetrius zu L'enia sind zu breit gesponnen. Trotz allem bleibt natürlich der Versuch, den dem Deut schen nicht allzu naheliegenden Stoff in modernem Sinne zu meistern, beachtlich, wenn auch die Ausführung nicht vollauf ge lang. Man kann» nicht sagen, daß irgendwo die letzte Feile fehlte. Die äußere Form hat Guß und zwingt in ihrer sprach lichen Schönheit. Die Jamben Triers sind ei» Genuß. Man kann ihnen streckenweise mit Begeisterung zuhören und man kann deshalb das Buch mit wirklichem Genuß lesen. (Erschienen ist es soeben bei H. Haessel in Leipzig.) Man wird auch von dem idealen Bestreben des Dichters, der hohen Wertung und zarten Verehrung der Frau als Gattin und Mutier in allgültiger Form Nachdruck zu verleihen, erfreut sein dürfen. Gerade hier hat er wundervoll zu gestalten gewußt. So stellen sich zwei Gesichtspunkte dar, von denen aus der Dichter den S nf betrachtet hat: Einmal wollte er durchaus ein historisches Traum geben. Er hat dabei mit treffender Sicherheit erkannt, daß dec Held des Stoffes nicht, wie bei Schiller und Hebbel, Demetrius, sondern Marfa als die Mutter des Toten bzw Totgeglaubten sein müsse, weil sie in jedem Falle die Trägerin der Tragödie ist. Zum anderen sollte aber die Tragödie dieser Frau ganz modern gesehen sein, sogar das pathologische Moment sollie nicht fehlen. Hier entstand eine Kluft, die zu Überdrücken dem Dichter Erler nicht gegeben war, weil er seinen klassizistischen Ehrgeiz nicht überwinden konnte. Und sa wird es wohl mit dem großen Erfolg des neuen Stückes seine Schwierigkeiten haben. Schade. ... Blutwärme ist aber nicht zu ersetzen! Eine wohlgerundcte Aufführung unter Direktor Kiesau war mit großer Liebe bemüht, dem Dichter gerecht zu werden. Seine Rollen sind nickr immer dankbar und auch gar nicht leicht zu spielen. Einer so großen Künstlerin wie Antonia Dietrich verdankt Erler den Dresdner Erfolg. Auch sie konnte der Marsa Blutwärme nur stellenweise einhauchcn, dann aber mit wunder vollster Leidenschaftlichkeit, die auch im höchsten Affekt noch echt bleibr. St ein buck hielt sich an den Träumer Demetrius. Und das war gut sa, wenn er auch nicht vom Dichter gewollt ist. Alan vermochte ihm wenigstens mönchische Innerlichkeit zu glauben. Besonders eindrucksvoll gab DecarIi den General Basnia- now als eine glänzende Charaklerstuöie der russischen Seele. Lindners Godunow war mehr in technischer Hinsicki zu loben. Die Unklarheit der Absichten dieses Zaren deckte er in seiner (einzigen) Szene nicht auf. Auch Rainer als Kc eir» büßer konnte nur russischer Typ bleiben und sein eigenartiger letzter Auftritt schuf keine Entwirrung. K l e i n o s ch e g g g:rd den intriganten Schuiskij sehr eindrucksvoll, ebetilo Kotten- Kamp den Schatzbewahrer. Mit Glück stellte Lotte Meoec die rührende Gestalt der heimatlosen F'enia (sie spricht stark iüc die Oualiläten des Autors!) auf die Szene. Alle übrigen Tar steller haben nur Episoden zu geben. Unter ihnen sielen Schrö der als Igumen des Klosters und Lotte Grüner angenehm auf. Das Publikum ging anfänglich nicht recht mit. kam auch merklich schwer über die Langen hinweg, erwärmte sich aber gegen das Ende hin und bereitete dem Dichter schließlich eine» großen Achtungserfolg, an dem dieser auch die Darsteller unS die schon gestern benannten übrigen Matadoren tetlnehnien lieh. Franz Zickler
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