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Sonnlag, den IS. Oktober 1930 VcrlagSorti Dresden Anzeigenpreise: Die lnespnltene pelilzclle 00 Familien« anzeige» u.Elcllengesuche 20 z. Die Pclitrellamczeile, 89 mm breit, l ^k. Für iin,eigen autzerhalb de« Verbreitungsgebiete- 40 Z. die pclilretlamezcite I .tiO^e. Brielgeb.Ol,^. Im Fall« höherer Gewalt erlischt ,ede Perpilichtung aus Lieserung samt« Ersüllung d. Anzeigen - Austrügen >u Leistung v. Schadenersatz, Geschästlichcr Dell: Fron, Buognrti, Dresden. Nummer 243 — 29. Jahrgang erscheint «mal wSchtl. mit tllustr. Gratisbeilagen.Heimat und Welt- und der Kinderbeilage .FrohmuI'Aowle de» Texwe,lagen .St. Beuna-Blatt'. .Unterhaltung und Wissen . .Die Welt der grau', .«erztlicher Ratgeber'. .DaS gute Buch . .Umrund, schau'. Monatlicher Bezugspreis 3 sk etnschl. Bestellgeld. Einzelnummer 10 Z. Sonnabend' u. Sonntagnummer Iso 4, Haupttchristleiter: Dr. <S. Deskzkk» Dresdew weschiiftSfteNe, Drnrku.Berlag, «ermanla. A^G. sür Berlag u»d Diu lerei. Filiale Dresden, Dresden.«. 1. Poliers,ratze 17. Fenirul2I0,2. PostscheStontoDresden ,703. Bantkonto Stadtbank Dresden Ri. «>7I» Für christliche Politik un- Kultur Redaktion der sächsischen Bolkszettnng Dresdsu-AItslalu I Polierstratzc 17. Fsrnrin ?07Il -,„d ?IV12. Wandlungen Der Abschluß der Aussprache Der Reichslag soN über die Mitzlrauensanlräge zur Tagesordnung übergehen Vor -er Derlagung Berlin. 18. Oktober. Die grofte politische Aussprache über das Regie- «tingsprograinm, die gestern mit den Reben der grotzen Frak tionen begonnen worden ist. wird heute zuEndegesührt werden. Der Aettestenrat des Reichstages hat heute früh be schlossen. die Abstimmungen über die Mihtrauensanträge noch in der heutigen Sitzung vornehmen zu lassen. Die Regierungsparteien werden einen Antrag einbringen, der sordert, das; das Haus über alle diese Anträge zur Tagesord nung übergeht. Es darf als sicher angenommen werden, das; dieser Antrag mit de,, Stimmen der Regierungsparteien und der Sozialdemokratie Annahme findet. Weiter wird in der heutigen Sitzung die dritte Lesung des Schuldentilgungsgesetzes vorgenommen. Es wird sehr interessant sein zu sehen, ob auch diese Vorlage die gleiche Mehrheit findet, die für die Ablehnung der Mitztrancnsantriige zur Verfügung stehen dürfte. — Schlietzlich sicht noch die dritte Lesung des Zusatzabkommens zum deutsch-finnischen Handelsvertrag auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung. Nach Erledigung dieser Abstimmung wird sich der Reichs tag zunächst vertagen, lieber die Länge der Pause, die daun eintreten soll, sind Beschlüsse noch nicht gcsatzt. Ma„ nimmt vorläufig an. das; das Haus A nsa » g Dezembcr wieder zu- samincntrctcn wird. Der Aclt e st curat Lies Reichstages beschäftigte sich ow Sonnabend früh weiter mit den Antiäge» ans Herab setzung der Tagesgeldcr sür die Abgeordneten. Es wurde beschlossen, die Diäten um 20 Prozent und die beson deren Entschädigungen sür Ansschnsmtznnge» um 5,0 Prozent zu kürzen. Dem Plenum soll jedoch oorgeschlagen werde», diese Regelung nur provijorisch zu Iressen. weil Ke! einer voll ständigen Neuregelung der Diäien auch eine Anpassung an die Minister- und Beamlclibesoldung vorz»nel>me» sei. Die provi sorische Regelung soll vom 1. Rovemder gellen. Mil der end gültigen Regelung soll sich der Aelleslenral in der nächsten Woche noch einmal beschäftigen. Der römische Dichter Pubtins Ovidius Noso hat einst in klangvollen Verseil die Verwandlungen besungen, die nach griechischer Sage in grauer Vorzeit an Menschen und Tieren geschehen sind. Wer einmal in einem Gym- nasiuni die Bänke der Tertia gedrückt hat, erinnert sich der schwungvollen Sprache dieser „Metamorphosen", ihres Reichtums an Mannigfaltigkeit und Eleganz des Ausdrucks. Diese Sprache des alten Ovid möchte man sich wünschen, nm in gebührender Weise die Wandlungen zu feiern, die sich nicht in grauer Vorzeit, sondern ganz in der Gegenwart im dents ch e n R e i ch stag abspie len, „Metamorphosen" modernster Art, aber nicht weni ger wunderbar als jene alte», deren bizarre Gegensätze . einst das Rom der Kaiserzeit angenehm unterhielten. Da ist Herr Hermann Müller, Vorsitzender der S a» zialdemo k rati s ch e n P artei, dcr alle die Wahl- ausrnfe dieser Partei mit unterzeichnet hat. in benen gegen die Notverordnung der Regierung Brüning Sturm gelaufen wurde. Run tritt er als Redner im Reiclstag auf. Selbstverständlich, so denkt der nnvoreingei om- mene Miltelenropäer, wird er nun Opposition gegen die Notverordnung unkundigen. Weit gefehlt! So wie »ach Ooids Bericht die von Apoll verfolgte Nymphe Taphne sich in einen Lorbeerbnsch verwandeüe, so wuchs ans der Not der Verlegenheit der Sozialdemokratie Lorbeer sür die Negierung Brüning in der Rede Hermann Müllers« der nun aus einmal diese Verordnungen als eine Grund lage erklärte, aus der man diskutieren könne. Hat je mals eine Partei ihre eigene Agitation schöner a!s aufrichtig gebrandmarkt? Tie Rede Hermann Müllers« war eine glänzende Rechtfertigung sür die Politik, die das Kabinett Brüning in den letzten Monaten geführt hat. Zentrum un- Regierrm Die Rede des Abgeordneten Ivos im Reichstag Derlrauen un- Milarbeil Im Rahmen der grossen politischen Aussprache über die Negierungscrklärung machte im Namen der Zcntrumsfraklion der Abgeordnete Iooö am Freitag im Reichstag folgende Aus führungen: „Die Zentrumssraktion billigt di« Regierungserklä rung in ihre» Zielen und in de,, zu diesen Zielen gewiesenen Wegen. Die Zeilen sind so ernst, das; eine Aufhebung der Not verordnung nicht zu verantworten wäre. Gewisse Ersahrunge» in de» letzten Monaten legen es uns nahe, die soziale Aus wirkung gewisser Bestimmungen der Notverordnung zu ülier- priisen und an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Die Regierung hat eine grosse Arbeit zu bewältigen gehabt, und diese Arbeit ist durch die Agitation gewiss nicht erleichtert, worden. Unter der gegenwärtige» Krise leiden alle Länder der W»lt, auch das reiche Amerika. Daraus ergibt sich schon, wie lächerlich es ist, die deutsche Krise auf Fehler der Regierung oder auf die Re;m- rationslasl zurüchzuführen. Die Weltkrise kan» nur durch ein Zusammenwirken der verschiedenen Länder behoben werden. Das Gerede von agrarischer Habsucht ist lächerlich ange sichts der Tatsache, das; bei Kartoffeln dcr Erzeugerpreis sür den Zentner nur 60 Pf., dcr Kleiiweichausspreis aber 2,50 bis 3 NM. betrügt. — Wir begrützcn es, das; die Regierung irwiter beabsichtigt, datz sie gerade in der Wirtschaft energisch «ms die Senkung der Preise hinarbeiten will. Dabei darf auch nicht zuriickgcschreclit werde» vor Zwangsmassnahmen, wenn sie notwendig werden sollten. Es mutz gelingen, die Höhe des Reallohnes zu erhalten, wen» Negierung und Parlament mit diesem Ziele Zusammenarbeiten. Das Volk wird eine solche Zusammenarbeit hoher cinschützen als Agita-ttonsaiiträgc. die nicht ernst gemeint sind. — Der Metallarbeiterkampf ist ein Unglück und wir alle wünschen, datz «r so schnell wie möglich beendet werden Kann.--S>ie Reschrregierung hat schon allein da durch. dass sie km Amte blieb, das Vertrauen des Auslandes zu Deutschland gestärkt. Leim Gehaltabbau der Beamten sollte eine Staf felung augeweudet werden, die Len Fa »> i Ite n st a n ü be rücksichtigt. In diesem Haus« sitzen 225 absolute Neinsager, die auch zum idealsten Programm nein sagen würden. Sie wollen Iiämpfen gegen den Marxismus und leisten doch Vorschub dem extremsten Marxismus. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte.> Der deulsehnationale Abgeordnete Dr. Quaatz Hot heute Aus führungen gemacht, die nur geeignet sind, das Vertraue» des Auslandes zu Deutschland zu zerstören. Mit dem blossen Schreien gegen de,, Versailler Vertrag ist nichts getan. Es kommt darauf an, ihn zu verändern. Die Politik beginnt da, wo Herr Stratzer aushört. >Veiiall in de, Mitte, Lärm bei den Natsoz.s Wen» vor zmölf Jahre» nicht auch Marxisten in den Graben gesprungen wäre», dann ivürdei Sic (zu den Nalsoz.) heute solche Rede» nicht führen können. Es ist natürlich leichter, heute von Opfern zu reden, als sie zwölf Jahre hindurch zum Wohle des Volkes zu bringen. Das deutsche Zenlrum wird alles ln», „m die Bestrebungen zur Re vision des Vertrages zu fordern. Ter jetzige Reichskanzler hat zweifellos einen neuen Ton in die Autzcnpolitik gebracht. Mit einer Stratzerrede kann man mehr Porzellan zerschlage», als 100 hinge Politiker wieder gut machen können. Zu verwerfe» ist jene Primitivität, die tatsächlich Verwil derung ist. Wenn auch die parlamentarische Lage schlver ist, so mutz doch «ine parlamentarische Lösung versucht werden. Eine solche Lösung ist möglich. Wir werden die Regierung unterstützen bei der Arbeit, Deulschlaud ans chaotischen Zustän den wieder zur Ordnung zu führe». (Lebhajler Beifall in der Mitte.) Der Umfang der KapUalflu Hk Berlin, 18. Oktober. Zu den Angabe» über den Umsang der deutschen Kapitalflucht in die Schweiz während der letzten Wochen, der von schweizerischer Seite auf drei Milliarde» Schweizer Franken beziffert wird, berichtet der Börsen Courier, das; nach Schätzungen matzgeblicher deutscher Kreise nur etwa der zehnte Teil dieser Ziffer zutreffend sein dürfte, da die Reichsbnnlr in den letzten vier Wvchen rund eine Milliarde Vc> luten eingebützt hat und hiervon nur ein Teil aus die Kapital flucht, ein anderer auf Gcldküudigungen des Auslandes und auf Umwandlung ausländischer Reichsmarkguthaben in Devi sen zurückzusühren sei. In dem Neuyorker Stadtteil Newark w . vcn der Polizei eine Gchcimbrauerei entdeckt, in der motze V.ervmräte im Werte von vier Millionen Mark beschlagnahmt wurden. Dabei stieg man auf eine unterirdische Schlauchleitung, die durch die . städtischen Alnrnsseruuqskanäle zu einer anderen Brauerei in der Ortschaft Ponkers führte, wo sich eine gross angelegte Verteilungsstelle befand. Der durch seine» Flug um die Welt bekanntgewardme australische Flieger Kingssord Smith, der sich zur Zeit auf einem Flug nach Australien befindet, ist an, achten Tage nach seinem Ausstieg in England in Singapur eingetrossen und hat damit den bisherigen Rekord sür die Strecke England —Singapur um siins Tage unterboten Aber die Sozialdemokratie mar nickt die einzige, die in dieser Tebatte Verwandlungskünsle zeigte. Selbst die ineislertzgsle Spruche eines Ovid würde versagen ange- sichts der Wandlungsfähigkeit, die die Denis ch e Valkspartei wieder einmal an den Tag gelegt hat. Noch gm Mittwoch hat diese Partei versucht, Arm in Arm mit den Nationalsozialisten Herrn Scholz znm Reichstagspräsidenten zu machen und damit die Umlül- dnng des Kabinetts Brüning zn einer Rechlsregiernng zu erzwingen. Aber nachdem dieser Versuch gescheitert war. wurde Herr Scholz am Donnerstag krank und am Freitag erklärte Herr Dingeldey fröklich für seine Frak tion, sie habe selbstverständlich Vertrauen zu der Regie rung Brüning und erwarte, daß sie „unbeirrt durch Frak tionseinflüsse den Weg ruhiger Resormarheit gehen werde". Hat vielleicht der.Antrag der Nationalsaziaiislen, die grvszen Vermögen zn beschlagnahmen und die Grasz- hanken zn sozialisieren, so ernüchternd ons die Volkspor-' tei gewirkt? Oder liegt es überhaupt iin Charakter die ser Partei, datz sie jeden Tag ein anderes Gesicht zeigt? Alan denke nur daran, das; die Polkspartei Herrn Dr. Cnrtins als Antzenminister stellt, dessen allzu anschmieg same Art der Perhandlnng mit auswärtigen Mächten auch in der Zentrnmspresse oft genug lütter beklagt wor ben ist. Gegen Dr. Cnrtins richten sich mich mehrere der iin Neichstog eingebrachten Mitzlronensontröge. Die gleiche Deutsche Volkspartci aber bringt es fertig, im Sächsischen Landtag einen Antrag ans Revision des Ponngplans einzubringen! — Wir wissen nicht, ob der alte Ovid ein politisches Bild gefunden hätte, dos diese erstaunliche Wnndlnngssähigkeit gebührend verdeutlicht. Höchstens das Bild des Proteus, der je nach seiner Um gebung eine andere Gestalt annehmen konnte ... Aber selbst so ein sturmerprobter Kämpe wie der Nationalsozialist Stähr erliegt im Reichstag dem Ge setz der Verwandlung. Einst stand er trotzig ans der Red nertribüne und steckte einen Ordnnngsrnf des Präsiden ten nach dem andern ein. Heule sitzt er selbst ans dem Stuhl des Präsidenten und »ins; seine eigenen Partei freunde zur Ordnung rufen. — Und was soll man zu Hugeuberg sagen, der im Wahlkamps in Tugenden von Reden für die „grotze Rechte" gesprochen hat, und Keule: Heimat und Welt (III Wocheubeiloge) Unterhaltung und Wislen Turnen, Sport und Spiet