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Nummer 232 — 29. Jahrgang «scheint Vmal wSchU. mit Illustr. GraUSketliigen.Heimat und Welt' und der Kinderbeflage .Frohmut", sowie de» rextbeilagen ,St. Benno-BIall", .UntechaNnng und Wilsen". .Die Welt der Frau", ,«erz»i»er Ratgeber". ,DaS gute Buch" .Fitmrnud- schau". Monatlicher Bezugspreis S elnschl Bestellgeld. Einzelnummer 1» 4. Sonnabend- u. Sonnlagnummer SV Hauptlchrislleiter: Dr. G. LeSczpk, Dresden, Dienskag. den 7. Oktober I93Ü VrrlSgSorti DreSd«» Aazetgeupretse: Die Igelbaltene petiizeile SV ^.Familien« anzeigen u.Slellengesuche SV Z. Die petitrellamezeile. SS mm breit. 1 ^r. Für Anzeigen außerhalb de« Verbreitungsgebiete» «« 4. die petitrellamezeile I.SV Briesgeb.S«»^. Im Fall, höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowl» Erfüllung d. Anzeigen - Aultrügen u. Leistung v. Schadenersatz, Geschäftlicher Teilt Frau« Bungard, Dresden. tSrschitstSftrlle, Druck «.Bering, Germania. A^G. für Vertag und Druckerei. Filiale Dresden, DreS den.A. p Potierflratzel?. FernnitswlL Basisch,cklonto Dresden BanNonto Elndtbaut Dresden Ar. »>>Vts Für chrifNiche Politik und Kultur Redaktion der SSchstsche« BolkSzeitang DreSdon-AUsladt 1. P-Ii-rstratz- >7. Fernruf 2M>'> und 2I0I2. »ldei-gss »S« 3L TUanie-Kataflrophe der Lust Englands Luftschiff R 1V1 explodiert — Brennend abgeftiirz! — 58 Todesopfer Das gröhle Unglück feit Bestehen der Wettlust ahrt ««»G» / beste x- mit eii-A. fleflkli ikicn ,n. iidbi, Voll labe. eder- ,halt lzungrn itner- isabeth ,nke: kirch- lyabc» innien, ,l über ir den schichte Paris, 5. Oktober. Das englische Luftschiff R 101, das grötzte Luftschiff der Welt, das am Sonnabendabend zur Fahrt nach In dien aufgestiegen war, ist in der Nähe von Allonne bei Beauvais, etwa 15V Kilometer von Paris entfernt, am Sonntagmorgen gegen 2 Uhr verunglückt. Das Luftschiff, das infolge heftigen Sturmes nur in 1VV Meter Höhe flog, wurde von einer Vöe ersaht, zu Boden gedrückt und explodierte. Von 66 Personen, die sich an Bord des Luft- schifses befanden, kamen 56 in den Flammen um. Acht Personen der Besatzung wurden schwer verletzt in das nächste Krankenhaus eingeliefert. Nur zwei Mechaniker blieben wie durch ein Wunder unverletzt. Unter den Toten befinden sich der englische Luftfahrtminister Lord Thomson, der Leiter des englischen zivilen Flug wesens Sefton-Branker und die Kommandanten des Luftschiffes Scott und Irving. Von den Passa gieren wurde keiner gerettet. Wie die Katastrophe geschah. Das englische Luftschiff R 10t stieg am Sonnabend um 20 Uhr in Cardington mit 66 Personen an Bord zu der schon seit langer Zeit gepinnten Fahrt nach Indien auf. In folge des über ganz England und Nordfrankreich lagernde» Tiefs waren die Wetterverhältnisse, wenigstens für den Beginn der Fahrt, keineswegs besonders günstig. Aus diesem Grunde kam das Luftschiff auch verhältnismässig langsam vorwärts und erreichte erst Sonntag früh gegen 2 Uhr die Stadt Beau vais. die etwa 150 Kilometer nördlich von Paris liegt. Die Un gunst des Wetters zwang das Luftschiff, verhältnismäßig nied rig zu sliegen. Etwa 1,2 Kilometer südlich von Beauvais, bei der kleinen Ortschaft Allonne, wurde die R 101 von einer Vertikalböe plötzlich gegen den Erdboden ge- drückt. Die Folge war die Explosion der Vrennstofstanks, >> worauf das Luftschiff in Flammen aufging. -^Dcr ersten Explosion folgte dann kurz darauf eine zweite. In ^kurzer Zeit waren die ersten Einwohner von Allonne zur ^Stelle, die versuchten, zu retten, was noch zu retten war. E Die Unglücksstelle, die von einem kleinen Wäldchen aus I/.der einen Seite und einer Böschung auf der anderen Seite be- ? grenzt ist, bietet ein Bild grauenhafter Verwüstung. ' "/Das Gerippe des Riesenschiffes liegt mit dem Bug auf der Bö- '---schling, während das Heck nach in die Luft ragt. Hier und da sieht man einige Fetzen der Hülle, sanft nichts als verbogene Aluminiumträger, Drahtverspannungen, zersplitterte Fenster scheiben und eingedrückte Motorgondcln. Die Passagier gondel liegt völlig eingedrückt unter den Trümmern. Nur Glassplitter und Meßapparate, die rings herum liegen, deuten darauf hin, daß hier einst das Herz des Schiffes gewesen ist. — Am Abhang der Böschung wurden die Leichen ausgebahrt. Die Identifizierung ist nur an Hand der bei ihnen gefundene» Oiegenstände möglich. Um sich ein Bild von dein schrecklichen Anblick der Leichen zu machen, sei erwähnt, daß die sterblichen Ueberreste einer großen Anzahl von Verunglückten in Kin dersärge gelegt werden konnte. Die große Zahl der Tote» erklärt sich vor allem daraus, daß sowohl die Passagiere wie auch ein Teil der Mannschaft während des Unglücks schliefen. Im Innern der Führergondel wurde die verkohlte Leiche eines Mechanikers gefunden, der noch einen Schraubenschlüssel in der Hand hielt. Die acht geretteten Passagiere befanden sich in der mittleren Kabine, während die übrigen in den Seiten kabinen untergebracht waren. Zwei der Geretteten erklärten, daß sich während des Absturzes ein über ihnen befindlicher Wasserbehälter öffnete, und daß sie dadurch vor dem Flammen tode bewahrt wurden. Der Vorderteil des Luftschiffes ist völlig eingedrückt, während der Hintere Teil noch teil weise erhalten ist. Bewohner aus der Umgegend berichten, daß sie ln einem Umkreis von mehr als zwei Kilometern Aluminiumtrümmer gesunden hätten. Aus den Trümmern des Hinteren Teils des Luftschiffs weht noch der Union Jack. Der britische Militärattache in Paris ist an der Unglücks- stelle eingdtroffen und läßt im Einvernehmen mit den franzö sischen Behörden die Identifizierung der Leichen vornehmen. Bisher konnten nur 15 identifiziert werden. Auch der englische Botschafter Lord Tyrell wird an Ort und Stelle erwartet. Die letzte Nachricht des R 161 von 1.50 Uhr, die im Hinblick auf das bald daraus erfolgte Unglück von erschütternder Tragik ist. lautet: „Zur Zeit befin den sich die Passagiere nach einem ausgezeichneten Mahl, und nachdem sie ihre Zigarre geraucht haben, im Begriffe, schlafen zu gehen." Die Passagierliste. Die vollständige Liste der Passagiere des verunglückten M 101 weist folgende Namen auf: Lord T h a m s o n, britischer Minister für Flugwesen: Sir Seston B r a » cker, Direktor der Zivillustfahrt. Geschwaderchef Palstra von der australischen Militäraviatik: Geschwaderführer O'Neill. Vertreter des Staatssekretärs für Indien: Kommandant Colmore, Direk tor des Luflfahrtdienstes: Oberstleutnant Ri chm and, und Major Scott. Dircklionsadjatant des gleichen Dienstes: Ge- schwadersührer Lovc: Ingenieur Lcach: Inspektor Bushsield: Major Bichop, Lhefinspekior der englischen Aviatik: Buck, Attach,' des Luftfahrlministeriums. Trauer in England Der König der Thronfolger und der Ministerpräsident sind im Laufe des Sanntagvarmittags von der Katastrophe des R 101 in Kenntnis gesetzt worden. Es wurden alle erforder lichen Maßnahmen getroffen. In London sind bereits zahlreiche Beileidstelegramme eingetroffcn. Die Katastrophe des R 101 und der tragische Tod der Mehrzahl der Besatzung und der Fluggäste des Luftschiffes haben in allen Teilen des englischen Volkes tiefe Trauer hervorgerusen. Die kleine Stadt Bredsard. aus der die meisten Mitglieder der Lustschifsbesatzung stammen, ist ein Ort der Trauer uud des Schmerzes. Etwa vierzig Familien haben Angehörige unter den Opfern zu beklagen. Mocdonald hat eine Erklärung veröffentlichen lassen, in der er seinen tiefste» Schmerz über das enlsetzüche Unglück und den tragischen Tod so vieler verdienter und tapferer Män ner ansspricht, deren Name» neben denen zahlreicher Engländer eingetragen seien, die als Pioniere und Forscher in unbekann ten Meeren und unerforschten Ländern den Tod gefunden hätten. (Weitere Nachrichten siehe S 2.) Flugzeugabsturz über Dresden Acht Todesopfer Dresden, 6. Oktober. Das Flugzeug D 1930, das sich aus der Fahr» Berlin — Wien befand und in Dresden landen sollte, ist heute vormittag über einem Reichswehrschießstand in Dresden-Neustadt abge stürzt. Es war mit einem Pilote», einem Monteur und sechs Passagieren besetzt. Bisher wurde» acht Tote und ein Schwer verletzter geborgen. Das Flugzeug, das um 9.15 Uhr fahrplanmäßig in Dres den landen sollte, war aus unbekannten Gründen zum Nicüer- gehen gezwungen, kam aber zum Sturz und wurde völlig zer stört. Die zerstörte Maschine liegt am Kannenhenkelweg in der Dresdner Heide. Ueber das Flugzeugunglück bei Dresden erfahren wir van der Direktion der Lusthansa, daß nunmehr die Zahl von acht Toten feststeht. An Bord der Maschine befanden sich der Pilot, der Bördmonteur und 6 Passagiere. 7 Personen waren sofort tot, die achte ist auf dem Transport ins Kranken haus ihren Verletzungen erlegen. Es handelt sich bei der Ma schine um eine Messerschmidt M. 20. die für 15 Personen zugclassen ist. Dieser Typ ist bei der Deutschen Lufthansa seit langem im Dienst. Die Maschine ist erst vor einigen Tagen übernommen worden Es handelt sich also um ein s a st fabrikneues Flugzeug. Ueber die Ursache läßt sich im Augenblick noch nichts sagen. Eine Untersuchnngskommission ist bereits im Flugzeug unterwegs nach der Unglücksstelle. Die Maschine ist von dem Aufprall vollkommen zerstört. Sie ist jedoch nicht verbrannt. Das Flugzeug war im Begriff, die übliche Schleife vor der Lan dung zu ziehen, um de» Windverhältnissen entsprechend von Ost-SUdost sich dein Boden zu nähern. Augenzeugen haben nur gesehen, daß sie in der Schleife hinter den Bäumen eines Hügels verschwand. Im Wet ter kann die Ursache nicht zu suchen sein, da die Sicht 10 Kilo meter und die Wolkenhöhe 600 Nieter betrug. Die Liste der Toten: Pilot P u st, Flugzcugmaschi- nistensunker Lange, die männlichen Passagiere Blackwell (auf der Reise nach Prag), Focldes (Reiseziel Wien), Dr. KUhirelt (Reiseziel Wien), Kn ittel (Angestellter der Luft hansa), ferner Frau Graefe (die Gattin des Flugleiters der Lufthansa in Sofia) und Fräulein Blümel (Reiseziel Dresden). — Besonders tragisch ist der Tod des Passagiers Dr. Kühnel. Er war Vorsitzender des Österreichischen Schriftsteller verbandes. Sein Flugschein mar ursprünglich für Dienstag ausgefertigt, wurde aber dann auf seinen Wunsch für den Mon tagflug umgeschrieben, bei dem er nun verunglückt ist. Reichswehr und Slaal Ein Nachwort zum Leipziger Kochverralsprozeh (Von unserer Berliner Sch riftleitung.) m. v. Der vierte Strafsenat des Reichs^ gerichts hat xsftc.n das Urteil gegen die drei der Vor bereitung des Hochverrates angcklagten Ulmer Reichswehr«! offiziere gefällt. Die Angeklagten wurden des gemein schaftlich begangenen Verbrechens der Vorbereitung zum Hochverrat für schuldig erklärt. Es wurde auf eine eineinhalbjährige Festungshaft und für dis beiden bisher noch aktiven Offiziere Ludin und Schcringer auf Ausschluß aus dem Reichsheere er/ kannt. Dieses Urteil muß als gerecht bezeichnet werden/. Nicht etwa allein aus st a a t s p o l i t i s ch e n Gründen/ sondern auch aus militärischen Gründen, und voE- Standpnnkt der grundsätzlichen Gerechtigkeit. Der ProzeMs/ hat die breiteste Oeffentlichkeit in den letzten beiden WocheiE auf das Intensivste beschäftigt. Er greift tief in das staaH-' liche politische Leben unseres Volkes überhaupt ein. For mell standen drei Ulmer Offiziere unter Anklage. Faktisch' aber saß der oberste Gerichtshof über die grundsätzliche, umfassende Frage des gesunden Verhältnisses zwischenStaatund Reichswehr zu Gericht. Gegen die drei Angcklagten ist eine klare Entscheidung gefällt worden. Die umfangreiche Verhandlung hat den objektiven Tatbestand des versuchten Hochverrates ein wandfrei erwiesen. Wie stellt sich dieser Tatbestand dar? Die jungen Offiziere, die ihre eigenen Auffassungen von Sinn und Geist, Zweck und Ausgabe der Reichswehr hatten, standen zu den höheren Besehlsstellen des Reichsheeres in einem betonten Affront. Der Geist im Reichswehr ministerium und die Einstellung im höheren Offizierskorps entsprach nicht der ihrigen. Er war in ihren Augen nicht „national" genug. Dieser Zwiespalt genügte ihnen, sich außerhalb des Neichsheeres nach Bundesgenossen umzu sehen. Beweise dafür, daß die ideenmäßige Initiative, dis in den Angeklagten wirksam geworden ist, von einer außenstehenden Stelle systematisch in die Reichswehr hincingetragen worden ist, hat der Prozeßvcrlauf nicht erbracht: Diese Frage ist auch nicht die entscheidende. Es genügt die Feststellung, daß die Angcklagten selbst Anschluß an die Konjunkturbewegung des Nationalsozialismus ge sucht und gefunden haben. Die drei haben dabei mit der Hitler-Bewegung keineswegs nur geliebäugelt, sie sind weiter gegangen. Sie haben systematisch Maßnahmen in die Wege geleitet, um den politisch-radikalen Geist des Nationalsozialismus unter dem Offizierskorps des Reichs heeres weiter zu verbreiten. Sie haben sich diese Arbeit sogar etwas kosten lassen. Die Fahrten nach verschiedenen Stadien des Reiches bezeugen das. In Eisenach, Berlin, Hannover und Münster haben „Besprechungen" mit Offi zieren anderer Rcichswehrformativnen stattgefunden. An das nationalsozialistische Hauptquartier in München sind Meldungen und Namen von für die politische Nadikali- Frage nach der Illegalität oder Legalität der Hitlerschcn geleitet worden. Dieser Tatbestand ist ausreichend. Man kann die Frage nach der Illegalität oder Legalität der Hitler'schcn Revolulionisicrungsideen, die im Prozeßverlauf eine große Nolle spielte, völlig dahingestellt sein lasseiz. Daß die Hitler-Bewegung eine „vollständige Umwälzung" will, hat Hitler selbst erklärt. Folglich mußte auch die Ideologie und die Handlungsweise der verurteilten Reichs- wehrofsiziere in dieser Richtung gehen. Sie war gegen diesen Staat und seine Verfassung gerichtet, der die Offiziere den Diensteid geleistet hatten. Die Verurteilten waren auf dem geraden Wege zur Auflehnung gegen die höheren Befehlsstellen der Reichswehr und die hinter ihr stehende Reichsregierung. Die Grundlage jedes Heeres und die Grundlage des Soldatenbernfes sind Disziplin und Ge horsam. ^>hne sie ist keine schlagfertige Truppe denkbar, weder im Obrigkeitsstaat noch in der Demokratie. Dieser Disziplin und diesem unbedingten Gehorsam haben die Verurteilten entgegengearbcitet. Am deutlichsten trat das in Erscheinung, als vom Vorsitzenden des Gerichts der Ernstfall eines Einsatzes der Reichswehr zur Erbaltnng der staatlichen Ordnung erörtert wurde. Einer der Zeugen, der Reichswehrleutnant Fuerscn, gab dabei der Mei nung Ausdruck, wenn der Soldat auf irgend jemanden schieße, müsse er wissen, wer es sei. Das könne er aber nur wissen, wenn er wisse, von wem der Besehl kommt. Der Soldat müsse im Herzen wissen, ob die Befehlenden Leute seien, die genau so dächten, wie er! er müsse ein Herz haben und nicht nur Befchlsmaschinc sein. Daß mit dieser Theorie die Auslösung jeder militärischen Disziplin propagiert wird, ist den Zeugen und denen, die seiner Meinung sind, offenbar nicht zum Bewußtsein gekommen. Gerade wer die Tradition des alten Heeres auch im neuen Staate zu wahren vorgibt, muß diese Aeußerung als inneren Wider spruch empfinden. Selbst jedes Militärgericht, nach dem in dielen Tagen die nationalsozialistische Press« gerufen hat.