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p'' Auslösungs-Wünsche Rattenalsezialisten wünsch«« Neuwahl de» Dresdner Stadt- veroroneten-Kollegiums. Dresden. 19. September. Wie wir vo« gut unterrichteter Seite hören, beabsichtigen die Nationalsozialisten, im Dresdner Stadtver. ordnetenbolleglum einen Antrag aus Auslösung de» Kollegiums und Neuwahl einzubringen, weil di« jetzige Zu sammensetzung des Kollegiums nach dem Ergebnis der Reichs lagswahl nicht mehr dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entspreche. Für den Fall, bah der Antrag abgelehnt wird was zu erwarten ist — würden di« Nationalsozialisten eine Gemeindebürgerentscheidung über diese Fragen in di« Wege leiten. » Offenbar ist bei den Nationalsozialisten von oben her die Parole ausgegeben worden, auf Grund der Reichstagswahl vom 14. September die Auflösung der jetzigen parlamentarischen Aörperscliaften zu verlangen. Bei der Mehrheit des Dresdner Stadtverordneten-Kollegiums dürften sie mit einem solchen An. trage keine Gegenliebe finden. Aber auch nicht bei der Mehr heit der Bürgerschaft, die genau weiß, daß sowieso in Zwei Jahren Stadtverordnetenwahlen sind, deren Ter min sich auch nicht verschieben würde, wenn inzwischen zum Pläsier der Nationalsozialisten das Dresdner Kollegium aufge- löst und neugewählt würde. Drei Gemeindewahlen im Laufe von 3 Jahren — für «inen solchen Unfug würden sich die Dresd ner Steuerzahler, die diese Repetier-Wohlen zu bezahlen hätten, bedanken. rrnvenz Vieser Zuschrift nicht unbeachtlich. In einem Ar tikel der „Berliner Börsen-Zeitung" (Nr. 432) dagegen «vir- von einer verdienten Niederlage des Bür gertums gesprochen, und di« Abkehr vom Jdeenmähigen, Weltanschaulichen als die Ursache des Verfalls bezeichnet. »Das Bürgertum in allen seinen Schichten," heißt es dort, ,,sst dem Materialismus verfallen: jener geist» und ideenlosen Oede, die zu bekämpfen es vorgibt, aber mit einer größeren Begeisterung und einem wilderen Fanatismus hegt >nd liebt als jene Parteien, die den krassesten Materialismus offiziell auf »hre Fahne geschrieben haben. Das deutsche Bürgertum ist in der Tat in Interessenten Haufen I«r fallen, die lüh wild bekämpfen und längst das eine Not wendige vergessen haben, daß materielle Interessen trennen und kur Ideen verbinden können. Der Zerfall in viel Interessenten- gruppen ist dafür ein Beweis, der nicht zu widerlegen ist. Während der Materialismus konsequent ist und alle Berufs- gruppen nach rein materiellen Blickpunkten in der richtigen Er- Knntnis zu sammeln vermag, daß es allen Gruppen gut gehen Düsse, wenn es der Gesamtheit des ^genannten vierten Standes gut gehe, ist es im bürgerlichen Lager genau umgekehrt. Hier kaufen sich die Jnteressentenhausen wie hüngershagere Wölfe um einen Knochen. Und herben schon geschaffen und schaffen noch knmer die Grundlagen dafür, daß, rein materiell gesehen, der dritte Stand schon längst in den vierten Stand abgerutscht ist. wäbrend der vierte Stand mit seinen prominenten und weniger prominenten Vertretern tn breitester Fron in den dritten Stand aufgerückt ist. Nicht ein gefüllter Kartofselkcller ein Hausbesitz, ein Besitz alter Werte, Beamtenstelluna oder freier Beruf sind das charakteristische, das unterscheidende Merkmal des dritten und vierten Standes, sondern die Idee, und wenn man will, die Weltanschauung." Dies« FeWellwng wird gerade bei ims l-m Ze n tr u m, dem man die Politik aus der Weltanschauung heraus so oft -um Vorwurf machen zu sollen glaubte, mit besonderem Interesse ausgenommen werden. Nicht als ob wir von dieser Seite eine Bestätigung für unsere traditionelle poli- Asche Haltung nötig hätten, aber doch mit der Genugtuung, daß sick di« richtigen politischen Lruudjätz« doch bewähren «nd mit der Zeit durchsetzen. s. Auswertung der Lebensversicherungen der Versicherungs anstalt der Sächsischen Sparkassen. Der Treuhänder der Oesfent» liehen Versicherungsanstalt der Eäck-sisä-en Sparkassen in Dres den veröffentlicht den Tcilungsplan über die Auswertung der Versicherungen der öffentlichen Versicherungsanstalt der Säch sischen Sparkassen in Dresden. Danach betrafen: Der Auf wertungsstock einschließlich eines Zuschusses von 65 341 RM., den die Oeffentliche Versicherungsanstalt der Sächsischen Spar kassen aus ihrem freien Vermögen gewährt 143 563 NM., die aufgewcrteten Versicherungsansprüche 574 250 RM., die Auf wertung 25 Prozent. Unter Zurechnung von 4)4 Prozent Zin sen auf die Zeit vom 14. Februar 1924 bis mit 13. Februar 1930 erreicht der Aufwcrlungsslock 32,55 Prozent der Versicherungs- ansprüche noch dem Stande am 14. Februar 1924. Die Reichspvsl im Jahre 1929 Günstiger Geschäftsbericht Me aus dem soeben veröffentlichten Geschäftsbericht der Neichspost hervorgeht. stand auch das Rechnungsjahr 1923 (1. April 1929 bis 31. März 1930) im Zeichen des Ausbaues und der Vertiefung der in Organisation, Verwaltung und Be trieb in den letzten Jahren getroffenen Reformmaßncrhmen. Vor allem die Mechanisierung, Normung und Typung wurden tn diesem Rechnungsjahr besonders gefördert. Soweit es die Betriebsbedllrfnisse irgend zulicßen, ist die Neichspost bemüht gewesen, durch planmäßige Ve.rteilung der Aufträge in enger Zusammenarbeit mit den Laickesarbeitsämtern die Konjunktur» ausschläge zu mildern. Zur Minderung der Arbeitslosigkeit im letzten Winter wurden über das durch den Haushaltsvoranschlag festgclegte Ar. beits- und Beschaffungsprogramm hinaus umfangreiche Auf träge dadurch zugesührt, daß Vorgriffe auf die Mittel des Rech nungsjahres 1930 erfolgten. Die Bestrebungen der Reichsregie, rung auf besondere Berücksichtigung der Wirtschaft in den deut schen Grenzgebieten wurden durch entsprechende Austragsver» gebung unterstützt. Im allgemeinen ist das Jahr 1929 durch einen fortschreitenden Rückgang der Wirtschastskonjunktur ge» kennzeichnet. Wenn der Eesamtverkehr der Reichspost hiervon auch nicht unberührt blieb, so hat er sich im ganzen doch nicht ungünstig entwickelt. Paket, und Telegrammvrrkehr haben ihr» schon in den Vorjahren beobachtete Abschwächung fortgesetzt. Im gewöhnlichen Briefverkehr ist ebenfalls eine geringe, konjunkturbedingte Abschwächung (—1,4 v. HZ eingetreten. In allen übrigen Dienstzweigen lagen die Iahresverkchrszahlen höher als im Vorjahre. Der K r a f t p o st v e r k eh r hat sich im Laufe des Jahres kräftig gesteigert. Der Kraftfahrzeugpark umfaßte Ende des Berichtsjahres 10 920 Kraftfahrzeuge, die den Güter- und Personenverkehr auf 2266 Linien mit einer Strecken länge von 43 815 Kilometern durchführten. Der Postscheck» verkehr erreichte bei rund 975000 Postscheckkonten Ende De zember 1929 die Jahrrshöhe von 736,8 Millionen Buck/ungen über zusammen 150,7 Milliarden RM. Die Zahl der Rund» sunkteilnehmer hatte Ende des Berichtsjahres die dritte Million überschritten. Im Rechnungsjahr 1929 sind an Be triebseinnahmen 2281.9 Millionen aufgekommen. Die Mehr« einnahme beträgt 222,7 Millionen RM., wovon 151,5 Millio nen RM. an das Reich abgesührt und 71,3 Millionen RM. als Zuweisung zum Vermögen verrechnet worden find. vrrr«ien unff Umgebung Aufhebung -es stü-lischen Dran-verficherungsamkes Dresden, 19. September. Zur Vereinfachung der Verwaltung hat seiner zeit der Rat bei der Brandversicherungskammer beantragt, die Geschäfte des städtischen Brandversicherungsamtes aus das staatliche Brandverficherungsamt zu übernehmen, da sich das städtische Amt nach den staatlichen Vorschriften unnötig zwischen die Beteiligten und dos staatliche Brandverficherungsamt ein schiebe und durch die Uebernahme die Verwaltung wesentlich einfacher würde. Die Brandversicherungskammer hat das aber leider mit der Begründung obgelehnt, daß die Auswirkungen für das ganze Land nicht abzufehen seien. Um die Geschäfte in anderer Weise zu vereinfachen und um dadurch Personal zu sparen, hat der Rot beschlossen, vom 1. Oktober 1930 ob das städtische Brandversicherungsamt als besondere städtische Geschäftsstelle aufzuheben und seine Aufgaben dem Stoötsteuer» amt (Grundsteuerabteilung), Serrestraße 4/6, 3., zu übertragen. Europabnn- -er Dentisten Der Europabund der Dentisten hält gegenwärtig in Dres den seinen sechsten internationalen Kongreß ab, an dem 16 Ver treter aus zehn Staaten teilnehmen. Die Verhandlungen werden vom Präsidenten Hauptschristleiter Bach-München geleitet. Den Tätigkeitsbericht erstattete der Bundessekretär Hayek-Brünn. Die Beratungen erstrecke» sich hauptsächlich auf Slandesfragen. Daneben werden fachwisscnschaftliche Vorträge gehalten. Im Anschluß an die internationale Tagung wird am Sonnabend und Sonntag der zweite deutsche Dentisten- tag im Künstlerhaus abgehalten. Mit ihm verbunden ist eine Ausstellung von Apparaten und Instrumenten, die am Donnerstag durch den Vorsitzenden des Großbezirks Sachsen, Dentisten Lahrins-Leipzig, mit einer Ansprache erösfnet wurde. Die Ausstellung ist in den Nebenräumen des KUnstlerhauses im Erdgeschoß und 1. Obergeschoß untergebracht. Dresden. In der Reihe der religiösen Vorträge durch Düs seldorfer Iesuitenpatres, die monatlich einmal in der Iose- phienstiftskirche, Große Plaucnsche Straße 16, stattfin den, wird Freitag, den 26. September, 20 Uhr das Thema „A u f der Suche nach einem neuen Gott" behandelt. Der hochwürdige Redner wird darlegen, daß nur Heimkehr zum christlichen Gottesglauben das unruhige Suchen nach einer be friedigenden Beantwortung der großen Lebensfrage — das Merkmal der heutigen Zeit — beenden wird. Auf den Besuch des Vortrages wird nachdrücklich hingewiesen. : In Goppeln sind bei der Neichstagsivahl am 14. Sep- tember 46 (nicht, wie zuerst gemeldet: 40) Stimmen gegenüber 34 bei der Neichstagswahl 1928 abgegeben worden. : Ortsausschuß Dresden der Deutschen Iugendverbänd^ Am Mittwoch, 24. September, findet im Opernhaus die Volloor- stellung — Tiefland — statt. Karten zu dieser Vorstellung sind in der Geschäftsstelle, Schützenplatz 14, 1., Zimmer 8, ab Donnerstag, den 18. September, in der Zeit von 4 bis 6 Uhr täglich zu entnehmen. — Für den Monat Oktober finden im Schauspielhaus folgende Vorstellungen statt: Donnerstag, 2. 10. (8) Niobe: Sonntag. 5. 10. (nachm. 2.30) Meine Schwester und ich: Sonntag, 12. 10. (nachm. 2.30) Tempo 100. Die Vorstellungen für das Opernhaus werden noch später bekanntgegeben. : Verkauf -es Uebigauer Schlosses. Das Schloß in Uebigau, das unter August dem Starken vom Grasen Flemming er baut worden ist und zuletzt Eigentum der Schiffswerft und Ma schinenfabrik Uebigau war, wird zum Verkauf ausgeboten. : Im Dienste der Tuberkulosebekämpfung. Professor Dr. Raikichi Arima, Direktor des Arima-Instituts für experimentelle Medizin in Osaka (Japan), hat sich bereit erklärt, seinen Vor trag über AO, ein spezifisches Tuberkulosemittel, den er auf der Naturforschertagung in Königsberg im September dieses Jahres gehalten hat, am Sonnabend, den 20. September, nachmittags 5.15 Uhr im Deutschen Hygienemuseum zu wieder holen. Der Vortrag wird in deutscher Sprache gehalten und ist unentgeltlich. Einlaß durch den Wirtschaftseingang des Deutschen Hygiene-Museums, Iohann-Georgen-Allee, gegenüber der Zir kusstraße. : Die täglichen Unfälle. Als am Donnerstag auf der Vlascwitzcr Straße eine 61 Jahre alte Frau von einem halten- den Straßenbahnwagen absteigen wollte, fuhr der Wagen plötzlich an und die Frau kam so unglücklich zu Fall, daß sie ein Dein brach. Sie muhte ins Iohannstädter Krankenhaus gebracht werden. — Tags zuvor siel auf der Rcichsstraße ein 53 Jahre alter Bierbrauer in einer Kurve von der Plattsorm des Anhängers eines Straßenbahnzugcs. Der Mann mußte mit einer Gehirnersütternng ins Friedrichsstädter Krankenhaus übergeführl werden. — In der Nacht zum Freitag geriet auf der durch Regen schlüpfrig gewordenen Wettincrstraße ein Kraftwagen ins Schleudern und sauste in ein Schaufenster, das zertrümmert wurde. Dabei wurde ein Fußgänger zu Boden gerissen und so schwer verletzt, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. .krkMÜan,Kristall /Mann rtk. änliäusek, kcl<o der rechten Hand zur Bekräftigung gehoben. Das ist mehr als nur eine Höflichkeitsphrase. Gewiß, der Ausländer ist allgemein nicht beliebt, der Europäer schon gar nicht. Wie jung ist die Kultur der Europäer, und auf wieviel Jahrtausende eigener Kultur kann der Chinese zurückblicken! Daß da gerade der ein fache Chinese, der simple Kuli, der nicht lesen und schreiben kann, der aber die jahrtausendealte Geschichte seines Volkes kennt, mitleidig auf den in der Kultur noch nicht ganz nach gekommenen Europäer herabblickt, ist schon verständlich. Diese ' allgemeinen Gefühle gelten durch eine Sympathie, die für andere Nationen nicht so vorhanden ist. Die Absprechung der Exterri torialität durch das Versailler Diktat spielt bei den einfachen Leuten keine Nolle, wenn sie auch die Behörden zu einem Ent gegenkommen veranlassen mag, das dem Beweis der Ueber- flüssigkeit der Vorrechte der anderen Europäer dienen soll. Aber der einfache Mann weiß davon nichts, kennt auch die näheren Umstände des Weltkrieges nicht und ahnt nicht, daß China am Krieg beteiligt war. „Deutsche sind beinahe dasselbe wie Chinesen!" Jeden falls muß uns schon daran liegen, auch als Deutsche angesehen zu werden und uns nicht mit dem auf die Russen gemünzten Spotlwort „Lao maudse" belegen zu lassen. Organist Paul Walde. Mitglied des Vorstands der Orts gruppe Dresden des Reichsoerbands Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer, feiert am 1. Oktober sein ZOjähriges Jubiläum als katholischer Kirchenmusiker, da er 1900 nach Absol vierung des Dresdner Konservatoriums mit dem Orgelpreis seine erste Anstellung als Organist und Chorleiter der neuerbau ten Garnisonkirche fand. Später wurden ihm die Pfarrgottes- dienste in der Hofkirche übertragen neben der Leitung des Cä- cilienchors der Hofkirche. Oesters veranstaltet er auch größere kirchenmusikalischc Feiern. Außerdem ist er als Direktor der 1913 von ihm begründeten Dresdner Lehranstalt für Musik tätig. Volvo LiUmo: vdloroäoat Cäsar und Cleopatra Shaw-Premiere im Staatlichen Schauspielhaus. Genau 8 Jahre sind es her, daß die Erstaufführung dieser geiswollen historischen Komödie in Dresden vor sich ging. Tie meisten Theaterfreunde werden sich ihrer vielleicht nur dunkel erinnern, denn es handelte sich damals um ein Gastspiel des Leipziger städtisäien Schauspiels unter Kronacher, das nicht die gebührende Beachtung sand. Die Leipziger standen damals aus besonderer Höhe und stellten bedeutende Kräste, wie die jugend liche Marianne Knpser, Tilly Hesse. Zeisc-Gölt u. a. m. ins Tressen. Die Aufführung war recht gut bis auf einen Um stand, der mir noch in Erinnerung geblieben ist. Bei aller Regie-Kultur hatte man sich nicht davon srcimachcn können, den Humor anf allzubreite Basis zu stellen. Man halte ein Restchcn Parodie stehen gelassen. Und die verträgt gerade „Cäsar und Cleopatra" durchaus nicht. Nicht Gelächter, darf die Wirkung dieses Stückes bezeichnen. Man muß lächeln, dars schon seltener einmal lachen. In dieser Beziehung Hai die erste heimische Aus führung gestern abend Vollendetes geleistet. Gielen hat es glänzend verstanden, den ganzen Abend hindurch dieses Lächeln zu bestimmen, und wenn man doch einmal ins Lachen kam. dann ivar cs der Geist Shaws allein, der cs erzwang, nicht aber der mimische Ehrgeiz. Doch davon später. . . „Cäsar und Cleopatra" ist das zweite Werk jenes berühm ten Komödienbandes, den Shaw mit dem Grsamttitel „Plays sor Puritons" überschrieben hat. Die Heidenabschlachtung, die beinahe alle seine historischen Komödien zum Gegenstand hoben, gilt hier weniger dem Halbgott Cäsar als vielmehr der von ihm geliebten Cleopatra. Cäsar wird als ein wahrliofter Kultur mensch, ein milder, allgeklärter Charakter geschildert, der in jeder Situation Majestät fühlen läßt, den eine erhebende Sphäre menschlickier Größe umgibt. Cleopatra ist in der Geschichte die sinnlick>e Frau, voll orientalischer Grausamkeit, halb Kind noch, als Cäsar sie kannte, unvernünftig und nur dem Instinkt lebend. Wenn Shaw bei ihrer Charakterschilderung davon ausgeht, daß sie. aus einer Ehe zwischen Blutsmrwandten ent stammend. das Zeichen der Degeneration ans der Stirn tragen muß. so tut er da^gcwiß nicht, um zu einer modern-psycholo gischen Studie zu kommen, sondern lediglich, um ein künstleri sches Fundament für den spültffci)en Aufbau dieser ganzen Hand lung — dofcrn man bei diesem losen Szenengcsüge überhaupt vo» einer Haudlung reden kann — zu finden. Das kleine, furchtsame Königskind, das. unbeleckt von Kultur, vom großen Cäsar in der Wüste gesunden wird und zunächst einer sich son nende,, Ringelnatter ähnelt, wird unter seiner Hand allmählich zur gefährlich giftigen Cleopatraschlange. So will cs der Dich ter. Und diese Wirkung besorgt er mit jenem feinen, über legenen Humor, der allein einen ästhetischen Genuß bedeutet und den Shaw niemand nachznmaclzen imstande ist. Man dars in dessen keinen Augenblick übersehen, daß diese Szenen durchaus ernst gemeint sind, sa da sie sehr wohl in der Absicht geschrie. den sein könnten, eine Art lustiger Prologus zu Shakespeares „Antonius und Cleormtra" zu werden Die Gestalten der Komödie sind alle mit einem Stich ins Groteske gezeichnet, nur die Römer und insbesondere Cäsar nicht. Do ist Britonnus. der Sekretär, durch den Shaw das heutige England sachlich reden läßt, da ist Ftatotecta, die „Rcichs- amme". Apollodor, der Dandy und eine ganze Anzahl grotesker Chargen. Sie alle dürfen, wie schon oben ausgesührt, die Gren zen nicht überschreiten, wenir Cäsar der Kulturmensch bleiben soll, sic sind aber in ihrer grotesken Wirkung wichtig, um die lleberlegen'heit Cäsars zu verdeutlichen. Hier hat die Regie sein abgedämpft, ohne der Heiterkeit irgendwie Abbruch zu tun. Mahnkes Bühnenbilder und Fan tos Kostüme vertieften den Sinn des heiteren Spiels. Für Lotte Grüner gab cs einen großen Tag. Ihre Cleopatra ivar eine richtig« Talentprobe. Sie bestand in Ehren und interessierte bis zuletzt. Rainer vertauschte den seriösen mit dem heiteren Cäsar, den er sicl)er ebenso gut traf. Ein dringlich seine Hnmanitätsmahnung am Schluß des 4. Akts, ivundcrvoll seine geistige Uederlegenhcit. Kottenkamp gab den gelreuen Rusio mit behaglichem Humor. Stella David führte die an sich undankbare und sehr schwierige Rolle der Amme zum Erfolg. Steinböck war ein aibiter elegantiarum als Agollodor, Hosfmann der denkbar drolligste Vertreter OldEnglands und Lotte Meyer ein gor trotzig Königlein. Schröder. Posse, Licdtke. Wocster. Nuser, Lewinsky teilten sich in die Chargen. In zwei Episoden seien noch als besonder» cl)araltteristffch Hellberg und Winterhcld genannt. Das Publi kum ging von der ersten Szene an mit und hatte immer wieder Gelegenheit, „verständnisinnig" zu lächeln. Woraus es in der Hauptsache ankam. Franz Zickler.