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Sächsische Volkszeitung : 06.08.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193008060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19300806
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19300806
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-08
- Tag 1930-08-06
-
Monat
1930-08
-
Jahr
1930
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 06.08.1930
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Bekleidungsgewerbe schon frühzeitig der Tarifgedanke bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern besondere Beachtung und Pflege fand. Heute sind die Lohn- und Arbeitsverhällnisse der Mitglieder fast vollständig tariflich geregelt. An den maßgeben- den Reichstarifen und den meisten Bezirkstarifen im Beklei dungsgewerbe ist der Verband als Kontrahent beteiligt. Getreu den Prinzipien der gesamten christlichen Bewegung hat der Verband in den 30 Jahren im Rahmen der Gesamt- bewcgung deren christliche und soziale Grundsähe unentwegt vertreten. Don diesen Grundsähen war seine ganze Arbeit, ins besondere auch die Schulung der Mitglieder getragen. Der Ver band christlicher Arbeitnehmer des Bekleidungsgewerbes ist in seiner Ganzheit, d. h. in seiner Leitung und in seiner Organi sation bestrebt, diese Grundsätze trotz allen Anfechtungen auch jetzt noch für die Zukunft zu erhalten. Als beachtlicher Faktor Innerhalb der deutschen Arbeiterschaft ist er die berufene Inter essenvertretung aller christlich gesinnten Arbeitnehmer im Be kleidungsgewerbe. In Dresden befindet sich die Geschäftsstelle Hauptstraße 38, 1. vrerelrn und Umgebung Weiler ernste Lage am Arbeitsmarkk Vom Arbeitsamt Dresden wird uns geschrieben: In der zweiten Hälfte des Monats Juli hat sich die Lage auf dem Arbeilsmarki im Bezirk des Arbeitsamtes Dresden weiterhin verschärft. Aus allen Kreisen der Industrie, des Groh- und Kleinhandels kommen ernste Klagen über nachlassende Be schäftigung und stark verminderten Auftragseingang. Ueberall war eine verschärfte Unsiclxerheit und Zurückhaltung festzu stellen, nicht zuletzt bedingt durch die unsichere politische Log«. Die Meldungen über größere Arbeiterentlassungen und Be triebsstillegungen steigen in beängstigendem Maße. Die Zahl der gemeldeten Arbeitsuchenden ist um 1664 auf 64 406 gestiegen. In allen Fachabteilungen stellen zahlreiche bestqualifi zierte Kräfte zur Verfügung. Besonders dringend werden daher alle Arbeitgeber gebeten, jede benötigte Arbeitskraft vom Arbeitsamt an zufordern. Ter Auftragseingang war in der Berichtszeit sehr gering. Es konnten nur 3169 Vermittlungen getätigt werden. Aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung und denen der Krisenfürsorge wurden insgesamt 44 703 Dollarbeitslose unterstützt. Die Zahl der unterstützten Kurzarbeiter betrug 3911. Bei Notstandsarbeiten waren 126 langfristig Arbeitsuchende be schäftigt. Insgesamt erfolgten in der Berichlszeit 8135 Neu meldungen, Ncuanträge auf Unterstützung wurden 9696 gestellt. Dresdner Demokraten für Staatspartei Die Dresdner Demokraten haben In einer sehr stark besuchten Versammlung fast einstimmig beschlossen, zur Deutschen Staatspartei über zu treten. Sie haben folgende Entschließung gegen 3 Stimmen angenommen: „Tie Mitgliederversammlung der Deutschen Demokratischen Partei in Dresden billigt die Gründung der Deutschen Staats partei und hofft, daß sie iiber alle Parteischranken und Partei- schabloncn hinweg eine starke Bewegung zur politischen Samm lung aller der Kräfte auslösen wird, die unter Verwerfung des verantwortungslosen Radikalismus und der Ablehnung aller Klassen- und Intcressenpolitik bereit sind, dem Volks- und Staatsgedankcn wieder zum Siege über den Parteigedanken zu verhelfen und aus dem Boden der deutschen Republik durch entschlossene Tat dem deutschen Volk zu neuem Aufstieg zu verhelfen." Es wurde ein Aktionsausschuß eingesetzt, in den Demokraten und Volksnationale Mitglieder entsenden werden und der die Wahlen vorbereiten soll. Beschlüsse über organisa torische Veränderungen sollen erst nach der Wahl gefaßt werden. Kanvelskammer gegen „Skeuerfpionage" Die sächsischen Handelskammern haben sich damit befaßt, daß das Reichsfinanzministerium zur Hebung der Steuermoral angeblich auf das Material nicht verzichten könne, das aus An zeigen privater Personen über Zuwiderhandlungen gegen die Steuerabgabengesetze herrühre. Hierzu erklärten die sächsischen Industrie- und Handelskammern, daß sie die Steuerspionage, die zur Hebung der gesunkenen Steuermoral durchgeführt wer den soll, selbst für unmoralisch und daher für überaus gefähr lich halten. Zudem haben sie darauf hingewiesen, daß die Fi- nanzvermaltung in dem gut eingearbeiteten Buch- und Vetriebs- prüfungswesen bereits ein hinreichendes Mittel besitze, um auf den Svümam-dienst verzichten zu können. Fördert den Milchverbrauch! Während der Dauer der Internationalen Hygiene-Ausstel lung in Dresden führt der Sächsische Landesmilchausschuß mit Unterstützung des Reichsmilchausschusses einen neuartigen Pro pagandafeldzug in verschiedenen Orten Sachsens durch. Weithin sichtbare M i l ch w e r b e s ch i r m e, die auf rot blauem Untergrund Milchbecher und Milchflaschen sowie die Be schriftung in Weiß „Milch macht kräftig", „Milch erhält gesund", „Milch für Jung und Alt", „Frisch durch Frischmilch" und „Trinkt Milch" tragen, wurden zu propagandistischen Zwecken auf verkehrsreichen Straßen und Plätzen, in Badeanstalten, in Luft- und Sonnenbädern, bei Kinder- und Sportfesten aufge stellt. Sie wurden ferner unentgeltlich verliehen an Molkereien, Milchhändler, Trinkhallenbesitzer, Zeitungshändler, Blumenver käufer, Ausflugsorte usw. Diese Schirme haben sich als eigen artiges, wirkungsvolles Werbemittel sehr bewährt. An 30 Landungsbrücken der Sächsisch-Böhmischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft innerhalb Sachsens wurde das be kannte Sportplakat „Milch gibt Kraft" in Emailleblech ange bracht. Diese Blechplakate erhielten ferner viele Molkereien und Milchhändler zur Anbringung an ihre Milchwagen. — Wasserbälle in rot-blauen Farben mit Werbe-Inschriftcn wurden verschiedenen Badeanstalten sowie Luft- und Sonnen bädern unentgeltlich überwiesen. — Bemalte und be schriftete Wasserbojen, in ähnlicher Weise wie die Milchschirme ausgearbeitet, wurden im Moritzburger Teich gelände — auf dem Dippelsdorfer Teich und dem oberen Wald teich — ausgclegt. Diese verankerten Wasserbojen drehen sich langsam um die eigene Achse und zeigen Bilder wie Beschrif tung von allen Seiten. Eine weitere Wasserboje wird auf der Talsperre Malter bei Dippoldiswalde ausgelegt werden. — Das Jugend Herbergsschiff des Gaues Sachsen vom Reichs verband für Deutsche Jugendherbergen hat ein großes Propa gandasegel mit entsprechender Werbeschrift sowie Milchwerbe- schirme erhalten. Demnächst werden ferner in Dresden am Altmarkt drei Tagesleuchtschilder angebracht. Diese lassen das be kannte 3-Vccher-Plakat durch transparente Farben und Spiegel reflexe bei Tage weithin leuchten und werden sicher die Blicke des Publikums auf diesem belebten Platze auf sich ziehen. — Schwimmende Milchlampions wurden auf dem Zwingerteich in Dresden verwendet. Diese Lampions haben die Gestalt von 1 Meter hohen Milchbechern, tragen die Werbe-In- schrift „Milch gibt Kraft" und werden durch Sturmlampen be leuchtet. Der Sächsische Landesmilchausschuß bezweckt mit diesen neuartigen Werbemitteln, immer weitere Kreise der sächsischen Bevölkerung zu erfassen und sie tagtäglich immer wieder an die Notwendigkeit stärkeren Verbrauches von Milch und Milch erzeugnissen zu erinnern. Es sollen gleichzeitig bereits be stehende Milchausschankstellen durch diese Werbemittel reklame technisch gestützt und Anregungen zur Schaffung neuer Milch ausschankstellen gegeben werden. : Professor Dr. Heiduschka von der Technischen Hochschule Dresden kvr'cht am Donnerstag, den 7. August, abends 6 Uhr im aro'.en Saale des Hygiene-Museums über das Thema „Bier und Volkswirtschaft". Bei der Bedeutung, die das Bier als Steuerobjekt der Regierung wie der Gemeinden hat, dürfte auch diesem Vortrag reges Interesse entgcgen- gebracht werden. : Erholungsbedürftige Kinder. 26 erholungsbedürftige Kin der aus Dresden fanden von Mitte Juli bis Mitte August prächtigen Ferienaufenthalt im Kloster Marienthal bei Zittau i. Sa. Das Kloster ist entgegenkommenderweise be reit, von Mitte August bis Mitte September eine zweite Kolonie von 20 Mädchen im schulpflichtigen Alter aufzunehmen zu gleichfalls sehr ermäßigtem Pflegesatz. Alles Nähere ist zu er fahren durch das Caritas-Sekretariat, Dresden-N., Albertplatz 2, Eingang Rabenhorststraße. (Sprechstunden wochentags 9—12 Uhr, Fernruf 54327.) Etwaige Anmeldungen haben umgehend daselbst zu erfolgen. : Mlltterschulkursus der Hygiene-Akademie. Der Beginn des nächsten öffentlichen Lehrganges über Säuglingspflege, der wieder mit praktischen Hebungen ausgestattet sein wird, ist auf Montag, den 1. September, nachmittag )t-5 Uhr festgesetzt. Der Kursus läuft 4 Wochen und wird im Säuglingszimmcr des Deutschen Hygiene-Museums abgehalten. Unterrichtszeiten: Montags und Donnerstags jeder Woche von Ki5—167 Uhr nach mittags. Vortragende: Prof. Dr. Bahrdt, Frau Funke Peißker, Prof. Dr Weisbach. — Anmeldungen an das Sekretariat der Hygiene-Akademie. Dresden-A., Lingnerplatz (Ruf 25201). : Die Wigard- und Diesterwegstraße zwischen Weberplatz und Teplitzer Straße werden eingezogen und daher ab 6. Au gust 1930 für den Verkehr gesperrt. : Das Bier auf der Straße. Montag nachmittag fuhr auf der Vautzener Straße ein Bierwagen in schnellem Tempo an einer Kurve gegen einen Baum und stürzte um, wobei die Bier flaschen zerschellten und das Bier sich auf die Straße ergoß. Dis Fahrer wurden durch Schnittwunden leicht verletzt. : Das neu bearbeitete Straßenverzeichnis von Dresden ist erschienen und bei den Postanstalten sowie durch die Zusteller zu einem ermäßigten Preise von 10 Rpf. zu haben. Der Lohnkampf in der Möbelindustrie Dresden, 5. August. Wie berichtet, sind die Lohnverhand lungen in der deutschen Holzindustrie vor kurzem gescheitert, so daß seit dem 1. August ein tarifloser Zustand besteht, auch in der sächsischen Holz- und Möbelindustrie. Wie wir erfahren, haben die Arbeitgeber der Möbel- und Stuhlindustrie von Rabenau, Neuhausen und Geringswalde ihren Arbeitern mitgeteilt, daß sie jetzt zu neuen Löhnen Weiterarbeiten könnten, die z. B. für die Stuhlindustrie in Rabenau etwa 8 Prozent unter den bisherigen Löhnen liegen. Die Arbeiter haben aber abgelehnt, zu diesen geringeren Löhnen zu arbeiten, KIIlUMWÜSI'!« und sind in den Ausstand getreten. Wie wir hören, feiern in Rabenau und Oelsa etwa 600 Arbeiter. In den nächsten Tage» sollen Verhandlungen, namentlich auch sür Neuhausen und Ge ringswalde. stattsinden, die hoffentlich zu einer Einigung zwi- sehen beiden Teilen führen werden, denn das wirtschaftliche Elend ist gerade groß genug, als daß man es noch durch Lohn kämpfe vergrößern dürfte. Geringe Besserung im Baugewerbe Dresden, 5. August. Nach einer am 28. Juli vorgenom. menen Erhebung im sächsischen Baugewerbe, die sich auf 69 391 Personen erstreckte, waren zu dem genannten Zeitpunkt 13 265 Maurer, 12 746 Bauhilfsarbeiter, 3152 Facharbeiter, 590 Lehr linge und 36 weibliche Personen arbeitslos. Ties entspricht einer Arbeitslosigkeit von 42,9 Prozent, gegenüber 43,1 Prozent im Vormonat. d, Der Bezirksausschuß der Amtshauptmannschast Dresden hält am Dienstag, 12. August 10.45 Uhr im Rathause Radeberg eine öffentliche Sitzung ab. Die Tagesordnung hängt sowohl im amtshauptmannschaftlichen Dicnstgebäuüe, Iohannslraße 23, als auch im Verwaltungsgebäude des Bezirksverbaudes, Bür gerwiese 28, aus. d. Sachsens Homöopathen in Frciberg. Am Sonnabend und Sonntag hielten die homöopathischen Vereine Sachsens hier ihre Landcsversammlung ob. Im Mittelpunkt der Beratungen standen die Fragen der Krankenversicherungsreform und der Lübecker Calmette-Erkrankungen, worüber längere Referate er. stattet wurden. Der Reichsbund homöopathischer Vereine, Sitz Dresden, umfaßt gegenwärtig etwa 38 000, der süchsisä)e Lan desverband 8700 Mitglieder. Zum ersten Vorsitzenden des Landesverbandes wurde Lehrer Nieke-Mcißen gewählt. Die nächste Berbandstogung soll im August 1931 in Meißen statt finden. d Oeffentliche Anerkennung für Lebensretter. Die Kreis hauptmannschaft Dresden hat dem Schlosser Edmund Becker ln Meißen, Siebeneichener Straße 17, und dem Fllrstenschüler Ger hard Judenfeind-Hülse in Meißen, Martinstrahe 5, für die mu tige, unter eigener Lebensgefahr am 18. Juni 1930 ausgeführte Errettung eines Ertrinkenden im Elbstrom öffentliche Anerken nung ausgesprochen. d. Zwei Kinder ertrunken. Am Sonnabend waren die beiden 8 bezw. 9 Jahre alten Brüder Helmut und Gerhard Baum aus Värenstein, die sich bei ihrem Großvater in Pirna zu Besuch befanden, nach der Elbe gegangen, um zu baden. Als sie bis nachmittags noch nicht nach Hause zurückgekehrt waren, suchte man nach ihnen und fand schließlich in der Nähe der Postacr Fähre die Kleider der beiden Jungen. Die beiden Knaben, die nicht schwimmen konnten, sind aller Wahrschein lichkeit nach ertrunken. Ihre Leichen konnten noch nicht ge borgen werden. Vas Listen Sie von 8sx appesl? Von Magnus Rehberg. Es soll etwas Schreckliches passiert sein. Aus Amerika kommt die Nachricht. Die Asphaltblättcr lassen es auf den empörten Kurfiirstendamm niederregnen: Der 8sx appe»! soll boykottiert werden! Marlene Dietrich, die Erfinderin des deutschen 8ex appeal, die einzige, die wir auf diesem Gebiete zu versenden haben, soll in eine private Affäre mit dem „Blauen Engel"-Rcgisseur von Eternbcrg verwickelt sein. Die in Scheidung liegende Gattin des Regisseurs soll die amerikanischen Frauenorganisationen mobilisiert haben. Damit droht, so sagt man, die Tätigkeit des „Blauen Engels" in Hollywood wie weiland Fatty und Chaplin lahmgelegt zu werden. Wo Frauen wirken, darf der Satan schlafen gehen In Amerika ist wieder einmal das Unmögliche möglich ge- worden. Drüben hat man den 8ex »ppeal erfunden. Er wurde nach Europa importiert. Hier hochgezüchtet, geistig gewürzt und typisiert. Dann rückexportiert, um als Massenartikel billigst über die Welt verbreitet zu werden. Amerika schlägt fich selber k. o. * Was wissen Sie vom 8-x sppeal? Nachdem die Dame über Klassizismus. Romantik und Viedcrmeicrei ihre untergehende Position als harmonische Existenz verteidigt hatte, ging's über den sozialen Komplex der Krankenpflegerinnen und Suffragetten zum glatten Muskel- tierchen der Sportgierls, zum Ausstellungsobjekt der Film- und Schönheitsköniginnen, zum 8ex appeal. Die neuere Ent wicklungslinie enthält die Entklcidungsstationen des Weibes von der Halbjungsrau iiber Nixchcn, Wanda, Lulu und Vamp. In zwischen wurde die dämonisicrte Frau zur undämonischen Funktion geschmolzen. 8<-x sppeal ist Emanzipation des funktio- nalisierten Sexus auf Koste» der Liebe. Der vorletzte Drunslischrci der Welt, der Typ „Göttliche Garbo", wurde noch von den Erototcchnikcrn der Jetztzeit in romantischer Dunsliakeit verabreicht. Eie wurde noch als Edel werk, aöer in komplizierter Fassung kredenzt. Sie war aus- gestaltet mit dem ungewissen Etwas. Der Dernier cri aber, der Typ „Blauer Engel", wurde in eiskaltem Licht aufgeleuchtet. Das gewisse Etwas wurde mit schnauziger Offenheit präsentiert. Man ist von Kopf bis Fuß auf das da eingestellt, was 8ex appeal genannt werden müßte. Die Zeitläufte produzieren mit Volldampf den Typ der Hetäre. Es scheint, als oo dem Zeitgeist dieser Typ am besten gelingt. Die öffentliche Geltung, der Marktwert und sein Konsum sind schon akzeptiert. Alles Restliche hat sekundäre Wirkung. Das Jahrhundert des Bourgeois hat die Erotik säkularisiert, das Jahrhundert der Technik hat den 8exu, emanzipiert. Der bomo tecknicu, kennt seinen Weg und seine Mittel: Er läßt den 8sx appeal auf dem riesigen Podium des Tonfilms austreten und proklamiert in Fototon und Fotobild sein Idol von der Liebe. Die humane Sphäre des Lebens ist durch die animalisch-intellektualistische Gegenwart entsetzt worden. Die Frau von heute steht als Mixerin da für die modernsten Eefühls-Coctails zwischen Mann und Weib. Un geheuer scharfe Schnäpse werden auf die Zeitgenostenschaft ver gossen. Wer sie ertragen kann, ahoi! Wer nicht, muß zum Spezialarzt lausen. Siegi Freud ist nicht zu empfehlen. _So ist die ganze Welt denn auf den Kopf gestellt. Mit und ohne Natur. Alles ist nichts. Die Männer schwirren wie Motten um das Licht. Und wenn sie verbrennen, dafür kann die 8ex-Jndustrie nicht. Was soll man da machen? — Di« amerikanischen Frauen- organisationen sollen in Boykottaktion getreten lein. Sie packen am empfindlichsten Punkt zu, am Konsum. Di« Männer der Industrie haben beschlossen, das in die 8ex spp-sI-Besitzerin Marlene Dietrich investierte Kapital in Europa auszu-werten. Auch hier werden sich organisierte Frauen gegen ihre Mitschwester erheben. Soll man aus diesem Verhalten entnehmen, daß die Mehrzahl der Frauen ohne 8ex appeal herumliiust? Daß alle Niedertracht an der Schönheit ausgelassen wird? Daß alle Eifersucht der Häßlichkeit zur Last gelegt werden muß? — Nein, die amerikanischen Frauen handeln aus Gründen der öffentlichen Moral! Diese Art Moral dringt unerbittlich in alle Boudoir- Geheimnisse vor und erwürgt den Sünder mit dem eigenen Bett laken. Amerikanerinnen haben eine besondere Begabung dazu. Ibre Moral ist Emanzioation der Ethik auf Kosten der Religion. Die pietistisckie Moralbegier ist eine Genußsucht mit um gekehrten Vorzeichen. Die Sekten in Amerika neigen dazu, ein verkrüppeltes Christentum zum Standard zu verwerte». Sie arbeiten sich nach dem Taylor-System der Ewigkeit entgegen. Sie erleben das Christentum am laufenden Band in Teilfunktionen. Und daß die Frauen bei diesem Verfahren an der Spitze marschieren, ist sehr bekümmernswert. Die Männer sollten die Sache in die Hand nehmen. Vor nehmlich diejenigen, die ein paar scharfe Coktails ertragen können, ohne umzufaklen. Dem ungewissen Etwas und dem ge wissen Etwas müßte man in diesem Falle eine stabile Stange Sachlichkeit entgegensetzen, die in vergangenen Zeiten mit dem Ausdruck „Tugend" belegt wurde. Das alte müde Europa könnte sich mit dem jungen robusten Amerika zusammenschließen und eine Koalition sür die Frau von zauberhafter Charme, von glänzender Klugheit und tugendhafter Schönheit bilden. Mar lene Dietrich müßte ins Ehrenpräsidium ausgenommen werden. Sie würde ihre Rolle ausgezeichnet spielen. Ich fürchte, mit meinem Vorschlag allein bleiben zu müssen. Denn meine Gedanken haben nur einen geringen Marktmer So würde ich denn meiner Wahlverwandtschaft Vorschlägen, die Vor gänge des großen Lebens weiterhin andächtig zu beobachten und den Boykott gegen den 8ex sppesl de: schwankenden Basis der Zeitläufte zu überlasten. Heute ist das Mögliche unmöglich geworden. Und da mir bewußt bleibt, daß ein unmöglicher Mensch nur noch in Feuilletönen den Jazz der Zeit begleiten darf, bittet der. Ver fasser um die diesbezügliäum unverbundenen Bildlichkeiten. Diese Art von Verbindlichkeit darf nicht mit llnverbindlichkett verwechselt werden. Antiquitäten. Nach der Figdor-Auklion in Wien gab ein Großindustrieller, der eine Menge gotisciier Möbel und vor allem Sessel gekauft hotte, einen Empfang. Unler den Gästen befand sich auch ein durch seinen Witz bekannler Rechtsanivalr Auf die Frage des Hausherrn, wie ihm die Neuerwerbungen gefiele», gab er die vielsagende 'Antwort: „Für unsere Alt- Vorder» mögen diese Stühle ja gut gecvesen sein . . . Aber für unsere alten Hintern sind sie entschieden nichis.
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