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Sächsische Volkszeitung : 27.07.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193007279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19300727
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19300727
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-07
- Tag 1930-07-27
-
Monat
1930-07
-
Jahr
1930
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 27.07.1930
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Notizen Die Leipziger Volkszeitung leistet sich eine unglaubliche Hrschiinpifun« -er evangelischen Kirche. Sie bringt in ihrer str. 170 ein Bild, das einen protestantischen Geistlichen Arm in llrm mit einem Hitler-Monn zeigt unh «ine Kirche, deren Turm rrit einem großen Hakenkreuz geschmückt ist. Ileverschrifi: .Kreuz und Hakenkreuz". Unterschrift: „Im Zeichen »er engen Freundschaft wird die Landeskirche demnächst das Hakenkreuz annehmen." Es genügt, diese geschmacklose Bosheit des Freidensier- >ga»s niedriger zu hängen. Aber was sagen die sogenannten .religiösen Sozialisten" zu einer solchen Probe des sozialistischen Verständnisses für Religion? Die „Reichspost" dos Wiener Organ der österreichischen khristlichsozialen. weist sin Nr. 201) aus die b «deuten- ten Verluste hin, die die freien Gewerkschaften in Oe st erreich ivährend des Jahres 1020 erlitte» haben. Die freien Gewerkschaften haben in diesem Jahre 28 891 Mitglieder »erkoren. Und zwar hat u. a. der Metallarbeiter-Verband 5561 Mitglieder eingebüht, die Textilarbeiter verlieren 3246. die pandels- und Transportarbeiter 2524 Mitglieder. Die Reichs, gost weist mit Recht darauf hin, daß diese Verluste nicht allein »us der Wirtschaftskrise zu erklären sind, und macht folgende bemerkenswerten Ausführungen: „Natürlich hat zum Beispiel auch der christliche Textil- »rbeitervenband die Krise in der Textilindustrie verspürt. Aber ts war ihm möglich, die Verluste, die sich aus den Stillegungen ergaben, durch Gewinne in anderen Betrieben ivettzumachen. diese Erscheinung weist auf die eigentliche Ursache des Mit. zliederverlustes der freien Gewerkscl)aften hin: Das Ausstcigcn »er ckxristlichen Gewerkschaften. Das zeigt sich besonders deutlich in dem prozentuellen Anteil der beiden Gewerkschoftsrichtungen an der Gesamtziffer der gewerkschaftlich Organisierten in Oesterreich Am 1. Januar 1928 bildeten die freien Gewerk schaften 80,2 Prozent der Gesamtzahl der gewerkschaftlich organisierten Arlieitnehmerselbst Oesterreichs, die christlichen Ge- wevksck>aften 8,19 Prozent. Am 1. Januar 19A sank der Anteil der freien Gewerkschaften auf 76,68 Prozent und stieg der der christlichen Gewerkschaften auf 10,11 Prozent. Wenn man die Ziffern der restlichen Gewerkschastsgruppen unverändert beläßt, ergibt sich für den Stichtag 1. Januar 1930 ein weiteres Sinken des Prozentsatzes der freien Geiverkschoften auf 75.4 Prozent und ein weiteres Steigen der christlichen G«werkscl)aften auf 11 Prozent. Gegenwärtig dürfte dieses Verhältnis schon wieder zugunsten der christlichen Gewerkschaften überholt sein. Die christlichen Gewerkschaften, die 1928 erst zirka 9 Prozent der sr«igewerksä)astliä)en Gesamtzahl darstellten, sind 1929 auf ungefähr 14,5 Prozent angewachsen. Die christlichen Gewerk schaften steigen auf Koste» der freien Gewerkschaften. Das ist che 5>ruptursache des Abstieges der freien Gewerkschaften." Austria docet! Hoffentlich machen wir diese Entwicke lung im Gewerkschaftsleben den Oesterreichern bald nach! Eine besondere Feier hat in diesem Jahr« dos Stiftungs fest der katholischen Studentinnenvcrbindung Herrad in Frei- durg ausgezeichnet. Dem Stiftungsfest wohnte die erste Studentin Europas bei, die jetzt 92jährige Aerztin Frau vr. Mathilde Thyssen, die mit Freuden der Einladung Hcrrads pr ihrem Ehrentag gefolgt war. Frau Dr. Thyssen, von eng lischen Eltern in Trier geboren, hat, Lvjährig, im Jahre 1858 vis erste Frau sich den Eingang in die Pariser Sorbonne ge bahnt, wurde damals vqm Rektor mit besonderer Feierlichkeit begrüßt und schloß dann als erste Frau ihr medizinisches Stu- dimn mit der Approbation ab. Den Doktortitel konnte sie erst einige Jahre später erwerben, nachdem sie in Lissabon promo viert worden war, und die Pariser Hochschule nun nicht mehr länger sich weigerte, auch diese höchste akademische Würde ihr zu verleihen. Ihre Praxis übte Frau Thyssen in Straßburg nn Elsaß aus. Doch führten weltiveite Reisen die mutige Forscherin schon in den 70cr Jahren nach China und Japan Während des Krieges vom Jahre 18M diente sie mit ihrer ärztlichen Kunst auf den Schlachtfeldern. Frau Thyssen, die seit Ende des Weltkrieges in Freiburg-Littenweiler im dortigen TäMesternhaus lebt, freute sich, so spät in ihrem Leben zum erstenmal im Kreise katholischer Studentinnen zu weilen, nach dem sie selbst vor zwei Menscl>enaltern sich einsam und tapfer ihren Weg ohne Gleichstrebende hatte bahnen müssen. KommunMische Alarmmeldung Die Dresdner „Arbeiterstimme" veröffentlicht, wie schon gestern kurz berichtet, in den letzten Tagen alarmierende Nach richten über angebliche Paratyphuserkrankungen in Dresden. So wird u. a. behauptet, daß in der Seuchenstation des Fried richstädter Krankenhauses bereits 24 an Paratyphus erkrankte Dresdner Einwohner lägen. Als Grund für die Erkrankungen wird die angeblich schlechte Beschaffenheit des Dresdner Trinkwassers angegeben. Wie von der zuständigen Stelle hierzu mitgeteilt wird, sind wie in jedem Jahr so auch in diesem Jahre in der heißen Iah- Woldemaras verhaftet „Wegen feines -le öffentliche Ordnung gefährdenden Verhallens Für ein Jahr verbann» Kowno, 25. Juli. In der Nacht zum Freitag wurde aus Verfügung des Kow- noer Kommandanten Professor Woldemaras verhaftet und nach einem noch unbekannten Provinzort verschickt. Gegen 23 Uhr fuhren vor dem Haus« von Woldemaras zwei Autos vor, denen mit Karabinern brwassnete Polizeibeamte und Mili tärpersonen entstiegen. Sie begaben sich in die Wohnung Wol- demaras', verhafteten ihn und sührten ihn ab. In der ganzen Nacht waren in Kowno Polizeipatrouillen unterwegs. Der amtliche Befehl zur Verhaftung Woldemaras hat fol genden Wortlaut: „Auf Grund des Paragraphen 8 des Statuts sür ordent lichen Staatvschutz ordne ich hiermit an. Professor Woldemaras wegen seines die össentl'che Ordnung und Anstand gefährdenden Verhaltens sür rin Jahr aus Kowno nach dem Kreise Krot- tingcn zn verbannen und unter Polizeiaufsicht zu stellen." Der Befehl ist vorz. dem augenblicklichen Kommandanten der Stadt und des Kreises Kowno, Oberstleutnant Talevicius. unterzeichnet. Am 31. Juli findet vor dem Kownoer Friedens richter ein Prozeß gegen Woldemaras statt, der vom General sekretär des Innenministers. Oberst Stenzel, wegen Be leidigung im Zusammenhang mit den antipolnischen Ausschrei» tungen in Kowno am 23. Mai 1930 angestrengt worden ist. Wie aus sicherer Qelle mitgeteilt wird, ist Woldemaras nach einem von der Regierung verwalteten Gut im Kreise Krot tingen verschickt worden, wo er bis zur Entscheidung über seinen weiteren Aufenthaltsort streng bewacht wird. Vor seiner Ab führung verlangte Woldemaras, daß in das Protokoll über die Verhaftung eingcfllgt würde, daß er als rechtmäßiger Minister präsident und Außenminister verhaftet wurde. Diese Titel setzte er auch bei der Unterzeichnung des Protokolls unter seinen Namen. Dieses Verhalten Woldemaras hat bei den anwesenden Polizeibcamten Bedenken über die Eeijtesversajsung Wolde maras' heroorgerusen. Frau Woldemaras, die ihren Gatten begleiten wollte, und sein kleiner Nesse, der bekanntlich bei dem Attentat aus Wolde maras am 6. Mai 1929 von neun Kugeln verwundet wurde, wurden einstweilen zuriickgehalten. Sämtliche Schreibtische und Akten wurden von der Polizei versiegelt, wobei Woldemaras noch sein eigenes Siegel hinzufügte. Die Verhaftung Wolde maras war übrigens von den Behörden im Zusammenhang mit der Einleitung eines Verfahrens wegen Hochverrats schon längst geplant. Der Staatspräsident, der vor seiner Abreise nach dem Auslande verschiedentlich mit Drohbriefen belästigt wurde, soll nach einem nicht nachzuprüsenden Gerücht di« Anweisung gegeben haben, Woldemaras bis zu seiner Rückkehr unschädlich zn macken. reszeit In Dresden vereinzelte Fälle von Typhus und Para typhus aufgetreten. Zu irgendwelcher Beunruhigung läge jedoch kein Grund vor, insbesondere sei es vollkommen unrichtig, von einem epe - demischen Auftreten der Krankheit zu sprechen. Die Zahl der an Typhus und Paratyphus erkrankten Personen be trage seit Anfang des Jahres etwa 20. Zur Zeit befänden sich nur einige wenige Personen wegen Typhus oder Paratyphus in Behandlung. — Im übrigen erfahren wir noch, daß bereits in allernächster Zeit ein amtlicher Bericht zu erwarten ist, in wel chem über den Stand und Umfang genaue Mitteilungen gemacht werden. Verhängnisvolle Fahrlen Ein schwerer Unfall ereignete sich am Freitag in Coswig. Ein 65 Jahre aller Rentner Schmidt, der aushilfsiveise als Einkassierer bei der Ortskrankenkasse tätig war. fuhr auf seinem Fahrrat) die Dresdner Straße landwärts. Als er plötz lich nach links in die Kötitzer Straße einbog, wurde er von einem hinter ihm fahrenden Lieserkrastwogen aus Kötzschen broda erfaßt und zu Boden geschleudert. Hierbei zog er sich schwere innere Verletzungen zu,- der sofort hinzugezogene Arzt konnte nur den Tod seststcllen. Von der Landgendarmerie und Unfallkommission des Kriminalamtes Dresden wurden die zur Klärung der Schuldfrage erforderlichen Erörterungen angestellt. — Gestern mittag blieb an der Ecke Pfarrgasse An der Mauer ein 26 Jahre alter Kaufmann Schulze mit seinem Fahrrad am Nummernschild eines vorbei fahr enden Kraftwagens hänge» und kam zu Fall. Er zog sich schwere Verletzungen zu und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Der Verband der wissenschaftlichen katholischen Studenten- oereine „Unitas" hält seine 67. Generalversammlung in Aachen ab vom 30. Juli bis zum 4. August 1930, unter dem Mono: „Die staatsbürgerliche» Aufgaben der Unitas". Die örtliche Vorbereitung des Festes liegt in den Händen des W. K. St. V. Unitas-Aachen, der ältesten an einer Tech». Hochschule bestehen den U. V. Korporation, und des dortigen Philisterzirkels. Die Verlegung der GV. nach Aachen mag als Beweis dafür gelten, daß wir sehr wohl zu schätzen und zu würdigen wissen, was die Bevölkerung des jetzt befreiten Gebietes in den Besatzungs jahren sür da- gesamte deutsche Volk entbehrt und erduldet hat. daß wir für di:se Opferbereitschaft und Größe jetzt einen, wenn auch kleinen Tank abstatlen wollen. Im Rahmen der heurigen G. V. wird auch ein Sportfest Zeugnis oblegen von der Pslege der Leibesübungen iw U. V. Der U. V. umfaßt heute 60 Korpo- rattonen und Zirkel und ist an fast allen deutschen Hochschulen vertreten. Der Verband hat sich in den Jahren seit 1920 mchr als verdoppelt, ein Beweis für die ihm innewohnende Kraft und seine heute mehr denn je zutage tretende Notwendigkeit. Möge von der heurigen G. V. reicher Segen ausströmen zum Wohl des Verbandes und der ganzen katholischen Studenten- jäiast! l.eipiig un6 Umgebung Ernte des Todes Leipzig, 26. Juli. Beim Nähen stach sich die 17jährige Arbeiterin Ilse Weder mit der Nadel in den Finger. Obwohl die Wunde sofort von einem Art behandelt wurde, zeigte sich nach einigen Tagen eine schwere Blutvergiftung, der das junge Mädchen trotz Kranken hausbehandlung zum Opfer gefallen ist. — Der Fleischer Richard Reif aus Leipzig stürzte mit seinem Motorrad in einer Kurve der Straße Lauterbach—Otlerwisch. Er zog sich einen Wirbel» säulenbruch und eine Rückenmarkquetschung zu, die nach seiner Ueberführung ins Krankenhaus St. Jakob zum Tode führten. — Der am 17. Juli nach einem Motorradunfall in das Kranken haus St. Georg eingelieserte Herbert Köhler ist jetzt seinen Ver letzungen erlegen. Beim Weitertransport eines drei Zentner schweren, bis zur Höhe des ersten Stockwerks hinausgezogenen Zcmenlblocks trat in Leipzig-Möckern in der Krossigkstraße ein 30 Jahre alter Maurer fehl und stürzte in die Tiefe. Mit schweren Verlekun- gen muhte er dem Krankenhaus zugesührt werden. ) Von der Leipziger Messe. Wie die Handelsabtemmg ver Kaiserlich Japanischen Botschaft in Berlin dem Leipziger Meß. amt mitteilt, werden die japanischen Handelskammern auch im Frühjahr 1931 wieder auf der Lciziger Messe ausftcllen. — Die Vereinigung der technischen Oberbeamten deutscher Städte, der Deutsche Vaupoüzeitag und der Bund Deutscher Archiiektcn veranstalten zusammen mit dem Verband Deutscher Architekten« und Ingenieurvcreine und der Freie» Deutschen Akademie des Städtebaues vom 1. bis 6. September in Leipzig während der Herbstmesse und in Dresden eine gemeinsame Tagung, aus der über hygienische Fragen des Städtebaues, über baupolizeiliche Ausgaben und Rechte irnd über andere wichtige Gebiete Vor, träge gehalten werden. ) Ein Tampfheizungsofen fliegt auseinander. Infolge un sachgemäßer Behandlung eines Dampfheizungsofens, der im Keller eines Villengrundstücks in Lcipzig-Schleußig in der Brcit- schneidersiraße steht, flog dieser beim Anheizen auseinander. Durch den gewaltigen Luftdruck wurden mehrere Kellerlüren und Fensterscheiben eingedrückt. Personen aber glücklicherweise nicht verletzt. Man nimmt an. daß der Kessel zu wenig Wasser enthielt. Außerdem konnte sestgeslellt werden, daß auch das Sicherheitsventil geschlossen war. ) Milde Strafe für eine rohe Tat. Eine besonders rohe Tat. die schwere Folgen nach sich ziehen Könige, verübte der Schmicdegeselle Walter Winkler aus Leipzig. Er war bei einem Schmiedemeister beschäftigt und hatte einem Lehrling wegen Der Akademiker Do« F. S. Gudenhagea Mein Freund war, wie ich, in die bayrische Kleinstadt ver schlagen worden. Er hatte sein Doktorat vor längerer Zeit ge macht und sprach seither nur mehr davon, daß er für seine Doktorarbeit nun endlich einen Verlag finden müsse, weil sonst sein akademischer Grad für ungültig erklärt würde. Beide hatten wir natürlich keinen Pfennig Geld, um die Drucklegung eventuell selbst zahlen zu können. Seit dreivicrtel Jahren fing er bei jedem gemeinsamen Spaziergange zu jammern an. Ich bin zwar sonst ein gedul diger Zuhörer (und habe mir dadurch schon die Snmpathien manchen bedeutenden Mannes erworben), aber in letzter Zeit mußte ich doch öfter hcrausplatzen, weil mich die Eintönigkeit unjeressKesprächsthemas schließlich langweilte. Eckvlich war ein Verlag gesunden. Wie es meistens schon In solchen Fällen ist. ein kleiner, unternehmender, der an der Arbeit interessiert war, weil sie einen neueren englischen Philo sophen behandelte, dessen Werke er selbst in llebrrsetzungen her- ausgab. Ein Hindernis war noch: mein Freund mußte sich kontraktlich verpflichten, 200 Exemplare an seine Bekannten ab- msehcn oder einen Druckkostenbeitrag von 600 Mark zu stellen. Bei den weitläufigen Beziehungen, di« wir beide hatten, «ine Kleinigkeit! Wir stellten also eine Liste unserer Bekannten auf ehe malig« Freunde, Gönner, Berivandt«, ich entdeckte schließlich noch rine alt« Tante in Ostpreußen, di« das Werk über den aktuellen Naturphilosophen auch kaufen mußte, aber alles in allem kamen doch nicht mehr als SO Personen zusammen. Auf di^se Weise »ing es also nicht. Wir rannten zu den fünf Buchhandlungen der Stadt. Wenn lebe 25 Stück abnehmen würde, war es vielleicht zu machen, im Verein mit unserer Vekanntenliste. Aber — von den fünf Buchhändlern erklärte sich ein einziger bereit, das Werk in Kommission zu nehmen, natürlich nur einige Exemplare. Wir waren alle beide ratlos! Einmal, mein Freund war seit einigen Tagen wie ver- indert. platzte er während de» Essen» heraus: er sei zwar aber- »läubisch und wollte mir nicht, mehr im Voran» erzählen, weil sa sonst doch wieder nicht» darau» würde, aber nun bade er den Weg gesunde,i. um das Buch zu finanzieren. Er habe ln. der grössten Tageszeitung Münckgnis ein Inserat aufgegeben, heute müsic cs bereits erschienen sein. Beim nächsten Kolpor teur kauften wir das Blatt, nach einigem Suchen fanden wir tatsächlich das Inserat, reichlich klein sür Leu kapitalen Be trag von -Zv Aiark, oen nun» oreüua va>ur angelegt halte, aber er erklärte mir. daß man sür eine große Sacl>e auch etwas ris kieren müüe. Die ganze Aufmaämng des Inserats war wirk lich genial, und ich bin überzeugt, mein Freund wäre der ge borene Ncllamechef sür ein Großunternehmen. Er hatte sich nicht mir einem alltäglichen Text begnügt sondern eine klas sische Alliteration verwendet, die jedem gebildeten Leser sojort in die Augen springen mußte: ..Wer wünscht Widmung Wissenschaftlichen Werks gegen Stellung eines Druckkostenbcitrnges? Angebote unter „Na- turphilöioph" an die Erp. d. Bl." Nun kamen spannende Tage. Am nächsten Nachmittag konn ten frühestens die ersten Anfragen mit der Post einlangen. Aber der Postbote hatte nicht einen einzigen Brief. Am fol genden Tage ebenso und desgleichen am' dritten Tag. Wir dachten an ein heimliches Komplott oder an eine Störung bei der Post. Am vierten Tage aber kam mir mein Freund stolz lächelnd entgegen: er hatte einen Gönner gefunden! Ein Herr Josef Neumaor. am Kuvert stand: „Ministerium des In nern." Also zweifellos eine einflußreiche Persönlichkeit. Wir malten uns den guten Mann in allen Farben aus. Er war wohl ein höherer Ministerialbeamter. der größere Gelder haben mußte, um sich den Luxus eines solchen Mäzentums leisten zv können. Oder vielleicht war er Junggeselle, der sein Geld auf solch« Weise wohltätig verwendete. Seinem Stile nach schien er sehr wohlwollend zu sein. Es gab also doch noch Leute, die das Herz am rechten Fleck hatten! Wie mußte er wohl aus- sehen? Cut und steifen Hut, grauer Schnurrbart und den Ha bitus eines Eeheimrats! Ein Auto hatte er sicher! In einer halben Stunde war die Antwort an ihn fertig, der Titel der Arbeit genannt und der Betrag, den der Ver leger als Unterstützung zur Bedingung machte. Mein Freund wollte gerne am nächsten Sonntag nach München kommen, um alles Nähere mündlich mit ihm zu besprechen. Am übernächsten Morgen war dir Antwort aus München da, wir dachten gar nicht, daß Ministrrialbeomt« so sichnell antworten könnten. Noch nie hatte ich meinen Freund so lachen sehen wie damals. Ich.mußte den Brief selbst lese» er lautete etwa folgendermaßen/ ^ „Sehr geehrter Herr Doktor! Recht vielen Dank für Ihren liebenswürdigen Brief, in dem Eie mir so ausführlich über Ihre Arbeit berichtet haben. Das Thema hat mich wirklich sehr interessiert, zumal ich mich seiner Zeit, noch während meiner Studienjahre, auch ausführ lich mit Philosophie beschäftigt habe, und auch heute noch immer ein großer Naturfreund bin. Aber es ist ja heute nicht mehr so leicht allen Schriften zu folgen und ich glaubte daher in Ihrem Inserat einen Hinweis auf ein Werk gefunden zu haben, Las man gelesen haben muß. Aber, wie ich jetzt mit BeLauer« leiylelle, habe ich la^iniur Ilir Ziyeral nicht ganz richtig aa ^ gefaßt. Ich bin nämlich selbst ein armer Kanzlcibeamter uns dachte, daß Sic Ihr Werk allen Abnehmern widmen und deren Namen darin abdrucken würden. Ich darf Ihnen ja wohl ge stehen, daß es meiner Eitelkeit einigermaßen geschmeichelt hatte, wenn ich als Gönner in einem lviüensäxifllichen Werke genannt worden wäre. Ich halte gerne dafür einige Mark ge opfert und mir dafür Ihr Buch gekauft. Den genannten Druck- kostcnbeitrag, oder auch nur einen Bruchteil davon, kann ich Ihnen leider nicht zur Peinigung Kellen, aber Sie iverdcn für ein so interessantes Thema sicher'cinen anderen Gönner finden oder schon gesunden haben, der Ihnen die Drucklegung ermög licht. Sollte sich aber niemand finden so kennen Sie ja noch immer auf mich.zurückkommcn. und Sie können sich darauf ver lassen, daß Sie in mir einen Abnehmer haben. Uebrigens würde ich gerne mit Ihnen bekannt werden, vielleicht haben Sie selber auch Spaß daran, mit einem einsamen alten Mann Freundschaft zu schließen. Sie werden mich nvar an keinem der nächsten Sonntag« zu Hauie antrerten. denn ich bin ein großer Freund der Natur und fahre mit meinem Rad auis Land. Vielleicht sind Sie aber auch Radfahrer und kommen einmal mit? Ich fahre dann stundenlang durch die Wälder, die ich über alles liebe. Wenn Sie aber kein Rad haben, können wir uns am nächsten Sonntag ja auch io tressen. Aller Voraus sicht nach wird es ein schöner "Tag werden, und ich möchte daher keineswegs in der Stadl bleiben. Sie iindcn mich ungefähr von 12.45 bis 2 15 Ilbr in Inzingcn (Sic fahren auf der Hauptstrecke bis Gugliing und steigen dann in die Lokalbahn um. und haben noch etwa fünf Viertelstunden zu fahren). Ich bin dort im Gasthaus zum Alpenwirt, gleich neben der Kirche, aber Sie können es gar nicht verfehlen, weil es das einzig« in Frage kämmende Gasthaus am Orte ist. ^or! sitze ich in der dritten Slube. rechts beim Oien in der Ecke. Sie erkennen
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