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wichtiges Nekrutlerungsgebiet in ^>en Kreisen der Austen» stehenden verlieren, das sie nicht missen könne." Weiter wurde gesagt: „Der Verband erstrebe durch einen dem Reichstag vorzulegenden Gesetzentwurf, daß künftighin lein Mensch mehr in die Kirche sozusagen hineingeboren werden solle: Religion sei heute nicht mehr Prn>»tsache, andern Zweckmittcl der Politik." Ein anderer Redner ührte aus, „keine besondere Freidenkcrkultur, sondern i ozialistische Kultur sei das Ziel der Freideukerbewegung (die damit also ebenso wie die kommunistischen Kultur organisationen zu einem Hilfsinstrument sozialistischer Par ieipolitik würde, was sie tatsächlich auch-schon lange ist: der „Vorwärts" Nr. 194 vom 20. April schrieb denn auch in Konsequenz dieser Entwicklung, dast in allen programmati schen Kundgebungen der modernen Freidenkerbewegung ein starkes und eindeutiges Bekenntnis zum Sozialismus abgelegt werde; die Sozialdemokratie erkennt also klar, dast mit rein negativen Parolen keine Erfolge erzielt werden können, und setzt daher den Freidenkern ein posi tives Ziel. Mehrere Delegierte forderten die Einführung regelmässiger freigeistiger Morgenfeiern im Rundfunk und das Recht, Versammlungen, Kundgebungen und sonstige Veranstaltungen auch während der Kirchzeit stattfinden zu kaffen. I», übrigen ist für die Stellung der Sozialdemo kratie zur Religion bezeichnend ein Buch von D r. A n n a Eiemsen, „Religion, Kirche und Sozialismus", in dem die Verfasserin „Religion als gesellschaftliche Erscheinung" darstellt. Aus dem Gebiete des Schulwesens fordert di« Jfa Bildung proletarischer Schulkampf-Komitees aus oppositionellen Lehrern, Arbeiter-Eltern, Elternbeiräten, Kindern (Jung-Spartakris-Mitgliedern) und aus der Opposition in den Freien Schul-Gesellschasten. Der Durch setzung dieser Forderungen sollen besonders dienen die zur Durchführung der Elternbeiratswahlen gegründeten „pro letarischen Elternbeirats-Zcntralen". Zu diesem Zweck wird weiter gefordert die Wahl von Aktions-Ausschüssen, Festlegung eines Planes zur Aufrüttelung der Eltern und Kinder, Anberaumung gut vorbereiteter Eltern Versamm- vor den Berichten der kommunistischen Stadtverordneten- Fraktionen über den Schuletat usw. Bezeichnend für die Taktik des Kampfes um die Schule ist die Anweisung, dast an den konfessionellen Schulen Adressen von Eltern und Kindern gesammelt werden sollen; es müßten zuverlässige Genossen abkommandiert werden, die ihre Kinder in kon- ifessionellen Schulest einschnlen; auf die Liste der „proleta rischen Cchulkämpfe" sollen neben Kommunisten auch ^Sympathisierende" (Christen und Sozialdemokraten) ge setzt werden, wenn sie sich auf die K.P.D.-Farderungcn ver pflichten. Ilebcrall wird die Situation für die kommu nistische Propaganda auf dem Gebiet der Schulpolitik wegen der Beschneidung öffentlicher Mittel für das Schulwesen als günstig bezeichnet. Dieser Optimismus scheint tatsäch lich berechtigt zu sein; es finden jedenfalls überall für die vorbereitenden Eltcrnbciratswahlcn allgemeine Kultur- und Schulkonferenzcn der Kommunisten statt; unter den Gästen befinden sich besonders viele Jugendliche der gebil deten Stände. Von der Kunst in allen ihren Formen wird gefordert, dast sie „offen und eindeutig als Waffe im proletarischen Klaffenkampf anznmcnden sei". Angesichts dieser Einstellung ist cs kein Wunder, wenn die Prozesse gegen die dem Kommunismus nahestehenden „Künstler" wegen Gotteslästerung usw. sich häufe»; allerdings scheinen die Gerichte den politischen Kern dieser „künstlerischen" Be tätigung in keiner Weise zu erkennen, sich vielmehr in ihrer Beurteilung auf das Formale zu beschränken. Als beson dere „Stosttrnppe der revolutionären Arbeiterbewegung" ist ausgebildet worden der „Arbeiter Theatcrbund", der durch seine sogenannten Agitprop-Truppen eine zunehmende Bedeutung gewinnt; besonders hervor tut sich die Agitprop- Truppe „Kolonne Links", die gegenwärtig eine Vortrags- tournee durch Deutschland macht. Der 11. Bundestag des Arbeitcr-Thcaterbnndes zu Ostern in Dortmund, auf dem auch Vertreter des Arbeiter-Theaters ans der Tschecho slowakei, England, Holland, Japan und der Sowjetunion Hugcgcn waren, hat sich für den revolutionären Klaffcn- ikampf entschieden, wobei auch die meisten sozialistischen Ar beiter ihre Zustimmung erteilten. Der Arbelter-Thcatcr- Bund wurde 1990 in Berlin gegründet; er umfaßt heute 300 Ortsgruppen mit insgesamt 4000 Mitgliedern. Ein in teressanter Kampf spielt sich zur Zeit ab in der sozialistischen Volks-Bühne Berlin; hier wird heftig gekämpft zwischen der sozialistischen Leitung und der kommunistischen Opposi tion, die ln den sogenannten politischen Sondcrabtcilungcn der Volks-Bühne größere Beachtung ihrer Forderungen nach „ungeschminkt revolutionärer Kunst" verlangt. In einer Rechtfertigungsschrift des Direktors der Volks-Bühne Karl Heinz Martin gegen diese Forderungen der Sondcr- abteilungen findet sich das interessante Eingeständnis, daß Piscator das Wallncr-Thcatcr für seine schamlosen Vor führungen (z. Li. 8 218) und für das Gastspiel des sowjet- russischen Regisseurs Meyerhold („Brülle China" mit starker Hetze gegen das Christentum) nnr pachten konnte, nachdem die Volksbühne für ihn eine Kaution hinterlegt Hat; so sehr war also die Volksbühne daran interessiert, dast Piscator seine „Knnstvorführungen" als „Waffe in revolu tionären Klaffenkämpfen" dem Publikum vorsetzen konnte. Dast Alfred Kerr im „Berliner Tageblatt" Nr. 199 sich ftark für die Sondcrabteilungen ausgesprochen hat, nimmt ?ein Wunder, ist aber immerhin bezeichnend für die Ein stellung gewisser „bürgerlicher" Organe gegenüber dem Kommunismus. Der Streit in der Volks-Bühne ist noch nicht beendet. Auch auf dem Gebiete des F i l m s ist der Kommunismus sehr tätig. Dem Voltsfilm-Verband (Vorsitzender ist !Hch. Mann) wird von der Jfa die Aufgabe zugewiesen, ffilmpolitische Aktionen .Hegen den kitschigen nationa listischen und kirchlichen Film" zu organisieren. — Die kom- »nunistischen Radio-Bünde („Freier Radio-Bund" und ^.Hörerkreis der Funkstunde") sollen zu Massenorganisa tionen ousgebaut werden. Gefordert wird: Schaffung eines Arbeite,sendcrs, proletarische Ausgestaltung des Rundsunk- !Programms, Herabsetzung der Rundfunkgebühren, Frei gabe der Kurzivelleuscndung. Austausch mit dem Sowjet- 4unk. — Schließlich sei als „künstlerische Organisation" noch Erwähnt die Arbcitcr-Sängcrbewegung (nach der Frei denker-Bewegung die zahlenmäßig stärkste „proletarische" Kultur-Bewegung), der künftig von den Kommunisten wehr Beachtung geschenkt werden soll; alle Demonstrationen der Arbeitcrsänger müßten einen klassenmäßigen revolu tionären Clmrakter bekommen, sie müßten die enge Per- fbundenheit der Arbeitersänger mit de» Klassenkämpsen de» Die thüringischen Schulgebele Frick lritt den Rückzug an — Unberechtigte Kritik an Wirih Berlin, 23. Mai. Der Reichsinnenminister hat im Laufe des gestrigen Nach mittags die Antwort des thüringischen Staatsministers Baum <Ms seinen bekannten Brief erhalle». Der Reichsinnenminisler hat. gestützt unter andern, auch ans di« einmütig« Zustimmung des Reichshaushaltsausschusseo. an das thüringische Staats- Ministerium das Ersuchen gerichtet, die Besürmortung der neuen Schulgesetze zurückzuzlehen. Die Frage, ob diese Schulgebete die Reichsoerfassung verletzen, wird dem Reichsgericht zur Ent scheidung vorgelegt werden. Weimar. 23. Mai. Im Thüringischen Landtag hat Minister Dr. Frick eine Erklärung ulnr die von ihm empfohlenen Schulgebete allgegeben. Er hat dabei den Versuch gemacht, sich von seinen eigenen Erklärungen, die er in dieser Frage in, Ausschuß gemacht hat, zu distanzieren. Im Ausschuß hat!« Dr. Frick deutlich gesagt, daß sich diese Gebete gegen die Juden, gegen die Außenpviitih und gegen die BöIIier,>ersöh»»ng rich teten. Boi, sozialdemokratischer Seite wurde das dem Minister auch im Plenum des Landtags nochmals vorgekalten. Frick bezeichnet,: es nun in seiner Erklärung als eine Ent stellung. daß die Gebete sich gegen di« Jude» richten sollten. Auch handle es sich nicht um .Haßgeinle, sondern um Freiheits- gebelc. Er. Frick, verstehe unter „Betrug »nd Verrat" den Ver rat vom November 191«. Unter dem Bolksbetrng, der damals begangen worden ist, leide heute das deuische Volk. Es müsse entschieden bestritten werde», daß durch die Gebete ein Verstoß gegen d>e Reichsvcrsassnng erfolgt ist. Durch ihren Wortlaut werden Andersdenkende nicht verletzt. In der folgenden Debatte bezeichnet«» die Nationalsozia listen während der Rede eines Sozialdemokraten den Rcichs- innenminlster als „Jesuiten", ohne daß der Präsident da» gerügt hält«. Ein Teil der sächsischen Rechtspresse richtet gegen Dr, Wirth heftige Angriffe wegen feiner Haltung in der Thüringer Frage. Dabei kann man sich nicht leicht ein karrekteres Ver halte» denken, als Dc. Wirth es in den Thüringer Fragen ein genommen hat. Wirth hat erklärt, daß er sich durch nichts be einflussen lasse als durch rin ruhiges, objektives Abwügc» der einzelnen Fälle. Mehr kan» eigentlich auch der politische Geg ner nicht verlangen. Trotzdem klagt das „Chemnitzer Tageblatt" (Nr. 141), „dah Nationalsozialisten nicht ->, Staatsbürgern zweiter Klasse gestempelt werden dürfen". Wer hat den» das versucht? Jedenfalls nicht der Reichsinnemuini- ster Wirth. Und wem, das gleiche Blatt schließlich bemerkt: „Schließlich kann der Satz der Reichsverfassung von der Macht, die allein von, Volke ausgeht, nicht dahin ,»»geändert werden, daß die Macht nur non einem vom Zentrum ans Herz und Nieren geprüften Teil des Volkes ausgeübt werden darf" — da,», weiß man wirklich nicht mehr, was man zu einer solche» geistigen „Höhe" der politischen Diskussion sagen soll. In der Redaktion des „Chemnitzer Tageblatts" sollte »»,» die Ausführungen etwas genauer lesen, die der deulschnaliu- uale Abgeordnete Eberle kürzlich im Landtag über die Nalio- „alsozialisteii gemacht hat. Letzten Endes handelt es sich um die Frage, ob die Nationalsozialisten loyal im Rahmen der Verfassung Mitarbeiten wollen oder ob sie („Ich pseise aus die Verfassung", sagte Killinger) die geordnete politische Arbeit sabotieren wollen. Von einen, illoyalen Verhalten de, I» Mitteldeutschland einflußreichen Nationalsozialisten wird nicht das Zentrum den ersten Schaden haben, sondern das mittel- deutsche Bürgertum und die mitteldeutsche Wirtschaft. Fortsetzung -er Wehrdebatte Berlin, 23. Mai. Ter Reichstag hat gestern die zweite Beratung des Wehretats fortgesetzt. — Abg. Brüninghaus <D. Vp.) be grüßte die programmatischen Ausführungen des Reichswehr ministers. Glücklicherweise seien die Zeilen vorüber, in denen die alle Armee hingesteiil wurde als eine veraltete Organisa tion, die nur aufgebaut war auf Kastengeist und Kadaver gehorsam. Ans der alten Armee haben wir in die neue Reichswehr übernommen de» kategorischen Imperativ der Psiicht, die Treue, Disziplin, Manneszucht und Selbstzucht. Im Bergleich zum englischen Söldnerheer sei die 'Reichswehr billig. Abg. Külz (Dein.) erklärte, die Etaalsnolweiiüigkest der Reichswehr entbinde- nicht von der Verpslichtung. den Etat der Reichswehr innerhaib der finanzielle,, Möglichkeiten z» halte». Die 'Absicht des Wehrministers. einen stabilen Wehrelat zu schas sen. sei zu begrüße», aber das finanzielle Niveau müsse dann niedriger sein als das des jetzige» Etats. Bei der Marine müsse ei» Ersatzbanprogramm eine grundsätzliche Enlscheidnng bringen: die jetzige Rate lehne die Demokratische Partei ab. Am Wehrelat könne noch vieles gespart werden. Abg. v. Lindeiner-Wilda» (Chrisll.-Nat.): Wir verschlie ßen »ns nicht dem Gedanken, daß es wünschenswert wäre, durch überstaatliche Schiedsinstanzen die Geißel des Krieges aus de» Auseinandersetzungen der Nalioncn auszuschaitcn. Zu den setzt bestehenden überstaatliche» Instanzen haben wir aber nicht das Zutrauen, daß sie in Streitfällen eine gerechte Ent scheidung ahne Ansehen des Gegners treffen und durcksühren würden. Es kan» nielleicht einmal der Zeitpunkt kommen, wo der Gedanke des Rechts zum Regulator der Päikerbcziehnngcn wird; heute aber sind wir van diesem Idealznstand noch weil entfernt. Auch die Sozialdemokraten sollten sich zu dem Grundsatz bekennen, daß die Möglichkeiten des M-rsailler Ver trages in der Wehrmacht ausgeschöpst werden müssen. Der Sozialdemokrat Noske hat als Wehrministcr mit ollen Kräften sür die Ausrechte,baltung des 200 OOO-Mann-Heeres gekämpst. Reichswehrminister Grvener: Meine Bemerkung über den Völkerbund Kat der Abg. Schöpsii» spöttisch gesunden; ich habe aber damit lediglich eine positive Tatsache festgestellt. Es war,- sinnlos und verbrecherisch, unsere 10 Divisionen zum An griff gegen irgendeine» unserer Nachlmn, zu verim'nden. Wir Proletariats hcrvorheben. „Hinein in die Betriebe, schafft revolutionäre Bctricbschörc. Schasst Kampflieder gegen die Unlcrnehmcr. Bildet Bclegschastsversaminlungen mit revolutionärem Arbeitcrgcsang." Kultur und Justiz, diese als rechtliche Schützerin des kulturelle» Eigenlebens eines Volkes, gehören eng zu sammen. In dieser Erkenntisis l-at der Kommunismus schon seit langem eine eigene justizzersetzende Tätigkeit auf gezogen. über die in einem anderen Zusammenhang viel leicht Näheres berichtet werde» kann. Für heute sei nur verwiesen auf den finanziellen Opscrsinn des .Kommunis mus auch auf diesem Gebiet. Die neueste Nummer des „Tribunal" (Organ der Roten Hilfe Deutschlands, Sektion der Internationalen Roten Hilfe) bringt die Abrechnung für das 4. Quartal 1929, in dem rund 315 000 Mark zu meist für Unterstützungen an Gefangene, Rechtsschutz- und Kinderheime ausgcgebcn wurden; 50 Prozent davon kamen durch Sammlungen ein, nachdem im Dezember 1929 auch noch Gelder für die kommunistische Winterhilfe in Höhe von mehr als 100 000 Mark gesammelt worden sind. Die „Rote Fahne" Rr. 100 vom 30. April teilt mit, daß die Ausgaben der Roten Hilfe nur für Hilfeleistungen und Prozesse z. Zt. durchschnittlich 40 000 Mark im Monat betragen. Im Jahre 1929 hat die Rote Hilfe «Nein für ihre Kinder heime 76 389 M. ansgegeben. Die Zeit, in der wir leben, entscheidet, ob das Gesicht dieses Jahrhunderts christlich oder atheistisch sein wird. Man redet sich ein. alles Unheil des fortschreitenden Kultur« und Justizbolschcwismus käme nur vom russischen Bolsche wismus her. Man will nicht sehen, daß dieses Unterwühlen christlicher Lebensauffassung in sehr starkem Maße auch das Produkt höchst eigener Entwicklung in Deutschland ist; wir selber produzieren den sog. Kulturbolschewismus. Wenn das katholische Volk dagegen ankämpfen will, so muß es im eigenen Lande ansetzcN. Dann muß es unter Umständen aber auch mit den kulturpolitischen Kompromissen ein Ende machen, welche die notwendige klare Frontbildung ver- hindern. —<ic. H müssen aber in de» Grenzen des Versailler Vertrages alles tun, um unsere Slrciikräsle so nutzbar zu machen, daß sie ein Hin dernis sür jede fremd« Streitmacht bedeuten, deutschen Vodcn zu besetzen. Das ist der einzige Weg. unsere Neutralität zv ivahicn. Wir hossen, daß unsere Streitmacht iin Ernstfälle ans reichen wird, um «in«,, Angriss solange abzuwehre», bis di, überstaatlichen Instanzen des Völkerbundes die MSglichliei zu», Eingreifen haben. — Der von sranz. Seite erhobene Vor wurf, die Höhe unseres Wehrhaushaltes sei besorgniserregend läßt sich leicht widersegen. Der diesjährige Wehrhaushall bleibt u», 50 Millionen zurück hinter den, Nutzeffekt des 'Nee, maljahres 1928. Die Mehrausgaben im diesjährigen sranz» fischen Hccreselat sind dangen so hoch, wie unser ganzer Wehr- Haushalt. Ich kann also dem Urteil der Welt die Entscheidung darüber überlassen, ob der französische Borwurf berechtigt ist. — Die Beratung wird heute fortgesetzt. veamle und Volksbegehren Brauns Antwort aus eine Interpellation. Berlin. 23. Mai. Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung des Prcuß Landtags steht als einziger Punkt die dritte Lesung d^ Dl Staatshaushalts für 1930 in Verbindung mit der Großen Anfrage v. Wlnterscldt (Duat) über Disziplinarverfahren gegen Beamte, die sich für das Volksbegehren „Freiheits-Gesetz" eingesetzt haben. Ministerpräsident Dr. Braun ergreift sofort das Wort, um diese Große Anfrage zu beantworten: Er führt folgendes aus: Anlaß zu dieser Anfrage haben meine Ausführungen über das Vorgehen der Staatsrcgicrung gegen die Beamten, die sich am Volksbegehren beteiligt haben, i» der Sitzung des Hauptaus- schuffes vom b. Mai d. I. gegeben. Ich habe in jener Sitzung — ich zitiere nun aus dem Protokoll über die erwähnte Sitzung — u. a. folgendes ausgcfiihrt: „Wenn die Preußische Ctaats- regierung es für zweckmäßig gehalten haben würde, auch gegen Beamte, die lediglich unterzeichnet haben, disziplinarisch v'orzu, gehen, dann würde sic sich von dem Staatsgcrichtshof nicht bin dern taffen, denn die Disziplinargewalt über die preußischen Be amten siebt dem Preußischen Staatsministerium und nicht dem Ctaatsgericktshof zu." Dieser Bericht gibt nicht ganz wörtlich meine Ausführungen wieder. So habe ich u. a. tatsächlich ge lugt „disziplinarisch vorzugehcn und die Entscheidung der DijzK plinargerichte anzurufen". Lvenn die Interpellanten nun fragen, ob das Staats- Ministerium diese meine Ausführungen billige, so kann ich daraus nur erwidern, daß keine Veranlassung vorlicgt, darüber ein« Entscheidung des Staatsministeriums hcrbeizufiihren. Die Ausführungen, die ich im Parlament mache, Hab« ich mit voller Verantwortung vor diesem zu vertreten. Das Kabinett in seiner Gesamtheit entscheidet n»r bei Meinungsverschieden heiten seiner Mitglieder. Solche sind aber in der hier zur Er örterung stehenden Angelegenheit bisher nicht zutirge getreten. Die Anfrage des Herrn Dr. v. Wintcrseldt und Fraktion?» genossen an sich gab keine Veranlassung, eine Entschcidng des Kabinetts herbeizuführen, um so mehr nicht, als ich mich nach den vorangegangenrn Erörterungen im Kabinett über die in Frage stehende Angelegenheit ohnehin mit meiner Austastung eins weiß mit den übrigen Kabinettsmitglicdern. Meine Acußerung verletzte nicht im entferntesten die Achtung vor Gesetz und Rechtsprechung, wie. die Interpellanten behaupten. Sie ist auch nicht geeignet, da« Gefühl der Rechtssicherheit zu erschüttern. Im, Gegenteil: Hh stehe mit meiner Stellungnahme durchaus auf dem Boden des G^rtzes, denn zur Entscheidung über disziplinarisch zu ahndende» Verhalten von Beamten sind noch dem Gesetz lediglich die im Gesetz dafür vorgesehenen Instanzen, d. h. die Vorgesetzten und die unabhängigen Disziplinargerichte zuständig. Uttillle des Etaatsgerichtshofs in den Fällen des Artikel 19 der Reichs» versaffung haben kn Gegensatz zu den Urteilen, die das Reichs gericht gemäß Artikel IS Abs. L der Reichsverfaffung ans Grunds des Rrichsgesetze« vm k. April 1S2V sällt«. keine Gesetzeskraft und' können daher di« unabhängigen Disziplinargerichte nicht un mittelbar binden In »er anschlietzrnden Aussprach« erklärten die Redner der Deutschnationalrn und der Wirtschostspar- tei. datz sie das Geholt des Ministerpräsidenten adlehnen würden. Wetterbericht -er Dres-rrer Wetterwarte Witterungsaussichten. Heiter bis wolkig, warm, geringe Gewitterneigung dabei fortt^stehenö. Schwache dis mäßige Winde aus nördlichen und östlichen Richtungen.