Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 01.07.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193007019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19300701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19300701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-07
- Tag 1930-07-01
-
Monat
1930-07
-
Jahr
1930
- Links
-
Downloads
- Einzelseite herunterladen (PDF)
- Ganzes Werk herunterladen (PDF)
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nummer 149 Sächsische Dolkszeilirng 1. s«tt rsr» Brünings Programmrede Die Ausführungen -es Reichskanzlers über das Deckungsprogramm vor -em Reichsrar Der Reichskanzler Brüning ha», wie berichtet, am Samstag vor dem Reichsrat ausführlich die Deckungsvorlagen der Regierung begründet. Ihrer groben Bedeutung wegen geben wir diese Rede hier im Wortlaut wieder: Die Reichsregierung zieht die Deckungsvorlagen, die beim Reichsrat zur Beratung liegen, zurück und hat neue Deckungs- Vorlagen eingercicht, die soeben verteilt werden. Sie stellen eine Modifikation der bisherigen Vorlagen dar. Aus einer ausgebnutcn Ledigensteuer wird eine gröbere Summe zur Deckung des Defizits entnommen, nämlich 110 Millionen. Da zu tritt ein fünfvrozentiger Zuschlag auf alle Einkommen über achttausend Mark mit einem Ertrage von 58 Millionen. Im Etat sollen Abstriche gemacht werden in Höhe von hundert Mil lionen. Außerdem soll dem Minderdefizit des vergange nen Jahres 35 Millionen entnommen werben. Endlich sollen 135 Millionen durch eine Ncichshilfe der Personen im öffent lichen Dienst aufgebracht werden. Der Herr Vizekanzler wird diese Vorlagen im einzelnen begründen. Die Legrimdung der Vorlagen Ich selbst habe namens der Neichsregicrung zur Begrün dung der Eesaiiftdeckungsvorschlcige und des Programms der Reichsregierung zunächst einige allgemeine Ausführungen zu mache». Man hat sich in der Oeffcntlichkcit dariiber gewundert, daß die Reichsregierung, nachdem im April ein Deckungspro gramm zur Sanierung der Kassenlage verabschiedet war. erneut nach zwei Monaten mit hohen Anforderungen an den Reichsrat bzw. an die parlamentarischen Körperschaften hcrangetretcn ist. Man hat vielfach den Vorwurf erhaben, als ob die Ncichsregic- rung im April die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Reiches nicht genügend sicher beurteilt habe. Als die neue Rcichsregierung gebildet wurde, hat sie den Etat und die Etats- ichatzungen des früheren Kabinetts übernommen. Diese Etats- schatzungen waren in einer Zeit aufgestellt, deren Merkmale auch noch gültig waren für ihre Verabschiedung, aber mit ganz anderen wirtschaftlichen Aussichten, als sie zur Zeit bestehen Die Schatzungen waren zunächst darauf aufgebaut. daß die Poung-Anleihe sehr viel früher zustande kommen würde und das, man damals von der Placierung der Vounq-Anleihe un- Die Auswiklimgeil Ser Weltkrise Die Reichsregierung ist jedoch schon sehr früh zu einem anderen internen Ergebnis in der Beurteilung der wirtschaft lichen Lage gekommen. Als sie heranaing an die Aufgaben, die außerhalb der Deckuugs- vorlagen des April liegen, nämlich die finanzielle Sanierung der Arbeitslosenversicherung, wurde bei der Beurteilung der Wirt schaftslage klar, das, wir es nicht mit einer vorubergehciidcn Weltdepression zu tun haben, sondern daß mir vor wirtschaftlichen Erscheinungen stehen, wie sie >n dieser Eigenart in den letzten Jahrzehnten nicht bestanden haben. Als die Rcichsregierung ihre internen Schnizungen auf stellte, herrschte noch ein gewisser Optimismus in Len Vereinig ten Staaten, auch bei den amtliche» Stellen. Es hat sich aber gezeigt, das, dieser Optimismus nicht begründet ist, und das; vielmehr damit zu rechnen ist, daß namentlich in den Vereinig ten Staaten die Arbeitslosigkeit und die Erschütterung der Wirtschaft sehr viel längere Zeit dauern wird, als vorher selbst die Pessimisten angenommen haben. Die Krise der Wirtschaft bat sich auf die ganze Welt ausgedehnt. Ich erinnere an dis außerordentliche Arbeitslosigkeit und den Rückgang des Außen handels in Japan, an die Auswirkungen der Unruhen in In dien. Ueberall ist festzustellen, daß eine Arbeitslosigkeit eingc- treten ist in den Monaten einer Saison, in denen normalerweise die Arbeitslosigkeit erheblich zurückging. Ich darf gleichzeitig feststellen, daß im Vergleich zu anderen Ländern die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht so ungünstig ist, wie vielfach angenommen wird. Trotzdem müssen mir bei der Beur teilung der Lage der Reichsanstält für Arbeitslosenversicherung »u einer erheblich höheren durchschnittlichen Arbeitslosenziffer kommen, als das noch zwei Monate vorher der Fall war. Die Berechnungen beruhen jetzt auf der Durchschnittsziffer von 1,6 Millionen Arbeitslosen. Es ist von entscheidender Bedeu tung. Latz diese Ziffer durch die Maßnahmen der Ncichsregic- rung im Laufe dieses Jahres tatsächlich durchgehalten wird. Die Reichsregierung mußte aus dieser vorsichtigen Schätzung aufbauen, sosort darangehen, ein neues Deckungsprogramm aui- znstcllen. Mit der Weltwirtschaftskrise ist verbunden eine in ternationale Veränderung des Preisniveaus aus der ganzen Linie, am wenigstens allerdings in den Einzelhandelspreisen, die zu einer vollkommen veränderten Beurteilung der künftigen Entwicklung zwingt. Ich will nicht darauf eingchen, welche Gründe dafür vorhanden sind, auch nicht auf die Schätzungen und Ueberlegungen, daß dieses Preisniveau weiter noch für einige Zeit sinkend bleiben wird, und daß die Preise allgemein die 'Tendenz haben, wenigstens die Großhandelspreise, auf das Niveau der Vorkriegszeit znrückzugehen. Das sind zum großen Teil heute noch Vermutungen. Niemand kann sie richtig be urteilen, wie insgesamt in der Finanzwelt überall eine außer ordentlich unsichere Beurteilung der Lage und der zukünftige» Entrvickluna in den letzten zwei Monaten eingstretcn ist. Ich I>ark aber darauf aufmerksam machen, das- für die ge samte W.rtschaftscntwicklung und damit auch für die stnan- ziellen Einnahmen des Reiches diese Preisentwicklung von aanz ungeheurer Bedeutung st. Die Spanne zwischen Produktions preisen, Nohsiofspreisen und Agrarstossen ist ganz «ußerordenl- iich geworden. Es ist ganz klar, daß jede Rcichsregierung und rede Negierung »i irgendeinem Lande der Welt «»gesicht, 'dieser Tatsache» ganz plötzlich vor außerordentlich schwierige Ausgabe» gestellt ftin wird. Ich darf dazu bemerken, daß di'e Lage auch deswegen erschwert worden ist, weil eine Reihe von Ländern glaubte, auch bei industriellen Artikeln eine weitere Zoll- erhohung vornehmen zu müssen, um damit ein Mittel z» finden o>e drohenden Gefahren aus der geschilderten Entwicklung für shr? eigene Industrie abzuwehren. Alles in allem möchte ich -eststellen, daß wir es nicht mit einer normalen Krise zu tun zaben, sondern mit einer Krise, die ungeheure Aufgaben auf Ulen Gelüsten schazft, und deren Ueberwinduna eine Lebens- -wtwendigkeit und Schicksalsfrage des deutschen Volkes ist. Deckung miler atze» lliuslSsdeu Deswegen sind wir dazu übergegangen, sofort neue Schätzun gen aufzustellen und neue Deckungsvorlageu einzubringeu. Wir glaubten unter keinen Umständen damit zögern zu können. Denn diese Reichsregierung hatte es sich zur Ausgabe ge macht, unter allen Umständen vollkommene Klarheit über den Stand der Rcichssinanzen dem deutschen Volke zu geben, sic olaubte dazu verpflichtet zu sein, um die Gefahren vergangener Jahre zu bannen, sic glaubte verpflichtet zu sein ange sichts der Tatsache, daß in den vergangenen Jahren aus Mangel an Einsicht der Parteien oder aus außenpolitjichen Rücksichten nicht sofort dann, wenn sich eine veränderte finanzielle Situation ergab, die Initiative ergriffen und energisch an ein Sanie- rungspiogramm herangeganzen wurde. Die neuen Vorschläge ergeben sich folgendermaßen: der Mehrbedarf für die Krisenfllrsorge beläuft sich auf 162 Mil lionen Mark, die Mindereinnahmen konnten aus 150 Millionen geschätzt werden. Bei der Voreinschäizung des Etats, obsthon sie dort knapp bemessen waren: außerdem ist aus dein Etat noch eine Summe von 17t Millionen für die Zwecke der Ar beitslosenversicherung bcrcitzustellen — alles in allem also 186 Millionen. Die Abdeckung dieses Bedarfs habe ich schon im einzelnen dargestcllt. Ich verweise darauf, daß die vielfach aeäußcrten Wünsche, die Abdeckung dieser Summe im Etat im Rahmen des übrigen Programms, das die Reichsregierung für die Sanierung der Wirtschaft und die Eesamtrcsorm der Reichs- sinanzen vorbereitet, zu verschieben. Das ist sür die Reichs- regierung nicht akzeptabel ans einer ganzen Reihe von Gründen Entscheidend sür den Kredit des Reiches und das Ansehen jeder Reichsregierung ist cs, in erster Linie, daß nicht gerüttelt wird an den, Schuldentilgnngsplan, der »ach der lex Schacht vor Weihnachten ausgestellt ist. Diese Aufgabe aus irgendeinen längeren Zeitraum durch Ausdehnung des Schuldentilgungsplanes zu verschieben, würde in der ganzen Finanzwelt unseren Kredit erschüttern und den Glauben an den energischen Willen des deutschen Volkes zur Sanierung seiner Finanzen. Es würde auch dem Innern Deutschlands zu einer bedenklichen Verlraucnscrschüitcrung führen. Denn man darf nicht unterschätzen, trotzdem unsere Der Streit Thüringen — Reich Schulgebete am 11. Iuii vor dem Statasgerichtshof. In dem verfassungsrechtlichen Streitverfahrcn zwischen den» Reich und Thüringen wegen der Ancmpeshlung gewisser Gebete mit politischer Tendenz durch das thüringische Bollsbftdnngs« Ministerium hat der Vorsitzende des Staatsgerichtshoscs nunmehr zur mündlichen Verhandlung aus Freitag, den 11. Juli nach Leipzig eingetaden. In der mündlichen Verhandlung wird das Reich vertcten durch Staatssekretär Zweigert, Präsident Dr. Kneip, Geh. Konsistonalrat Dr. Egcr, Pros, der Theo logie an der Universität Halle, und Prälat Dr. Mansbach, Pros, der Theologie an der Universität Münster. vnianzdebatten früher überschattet wurden von dem schweren Ringen um den Pou'-gpiau. hat ein so hohes Kassendesizft eine Erschütterung des Vertrauens jm eigenen Volke herbeigesührt. Das ist keine Sckuild der damaligen Regierung gewesen, die uir Zeit von Anleiheverhandlungen vielfach, auch durch die Bemühungen um die Kreuzer-Anleihe, das Kasscndesizit ge deckt hat. von her M JettM Aber >ch mache darauf aasmerksam, schiebe» wir noch einmal ft rücksichtslose Sanierung der Finanzen aus, dann ist es niög- ftch, dag wir i» einen» späteren Zeitpunkt die weiteren inter nationale» Finanzverhnndlmigen ebenso haben, wie die Sachvcr- iändigen nach Paris gegangen sind, »ämlich daß. wenn uns Forderungen gestellt werden, wir nicht wegen unserer Fftiauz- iage imstande sind, eine Forderung abzulehiicn, sonder» ge- nvungen sind, nachzugebe,,. Daß das Ziel und das Pr«KM-mm der Reichsregierung auf lange Sicht-» ht»aus die ,cl,w«r erkaufte Freiheit von der Komrvlle zu erhalten und z* sichern, auch die außenpolitische Freiheit für die nächsten Jahr, » stabilisieren, daß der lieber» gang von dem früheren System «wr Kontrolle zur Freiheit der Zinanzgebarung vom deutschen Volke noch nicht vollkommen -erstanden wurde, braucht nicht z» verwundern, aber es ist eine Flicht und eine Aufgabe er Reichsregierung, darauf auftnerk» .im zu machen und vom ersten Augenblick „n mit zähem Willen -asür zu sorgen, daß die Konsequenzen dieser Freiheit in dem Instinkt der parlamentarischen Körperschaften eingchen. Sicherung der großen NnanzreMm Und nun möchte ich noch ein Weiteres lagen zu den Plänen einer Verschiebung. Sie wissen, daß die Summen, die für den Tilgungsfonds in den Etat eingestellt sind, wenn sie ibren Zweck erfüllen, und die ersparten Sumnipn sür die nächsten Jahre zur grundsätzlichen Finanzreform verwendet werden sollen. Gehen wir so weit, Laß wir jetzt die Tilgung wieder auscinanderziehen. so kommen wir wieder i» die Situation» wo Jahr für Jahr ein Sniiieruiigsprogrammaiisgestellt wird, aber die Versprechungen, die geinacht sind, nicht durchzusühren sind. Das ist auch entscheidend für die polirische Entwicklung Deutschlands, daß wir festhalte» an der unbedingten Bereit stellung dieser Fonds für die Finanzsanierung und sür die Um stellung des Finanzsystems wie es die Reichsregierung sür den Herbst vorbereitet. Ich füge hinzu, das; der Glaube an ein absolut sichere, absolut und restlos verantwortungsvolle Finanzpolitik die Voraussetzung ist. daß die übrigen Maß nahmen der Neichsregierung zur Behebung der wirtschaftlichen Lage durchgesührt werden können. Was ist das Oitprogramni, wen», es nicht gelingt, die Kredite zur Durchführung zu bringen? Was ist das Arbeitsbeschaffungs-Programm, von dem ftstern der Ncichsarbeitsnnnjster im Reichstag gesprochen hat, wenn der Glaube «Mstste Kreditsicherheit des Reiches und an wn festen Willen Finanzresorm erschüttert wird? Diese Abdeckung des^Defizits ist die Voransselmna um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. . Das Mlschaslsprogcamm Und alles, was versucht wird, wird ein Schlag ins Wandt Ein, wenn es nicht gelingt, die notwendigen Summen von den ourlamentarischen Körperschaften zu erhalten. Ich weise vor llem daraus hin, daß diese Notwendigkeit auch die Voran« sttzung sür das Wirtschafts-Programm der Neichsregicrung 6« ''str haben »ns .zunächst b-'m-'n-, cm.,, „,-y p..» Der Sturm Erstausführung im Staatlichen Schauspielhaus. Im Rahmen der Shakespeare-Festspiele wurde auch das problematische Märchenspiel „Der Sturm", das seit einem Mcn- chenalter in Dresden nicht mehr aufgesührt wurde, in einer ehr klugen und szenisch geschickten Einstudierung neu heraus- gcvracht und damit einem wirklichen Spielplan-Manko abgehol- fen. Tenn der Sturm erhält nicht nur dadurch Bedeutung, daß er das überhaupt letzte Werk des Dichters ist, sondern weit mehr dadurch. daß er das menschlich-ticsste, alle dramatischen Probleine im Eftzaffen Shakespeares gewissermaßen nochmals znsammen- fasscnde und darum repräsentativste Drama, ma» könnte fast sagen, scfti künstlerisches und auch ethisches Testament darstellt. Auch über dieses Stück gibt es eine reichhaltige Literatur, in der viel über Ursprung. Echtheit usw. gesprochen wird. Das sind Dinge, die den Besucher einer Ausführung erst in zweiter und dritter Linie interessieren lind die darum hier gar nicht berührt werden sollen. Ganz äußerlich gesehen mag der Sturm eine Stimnilingsinischung aus Hamlet und „Wie es Euch gefällt" sefti. Auf der einen Seite der Thronprätendcnt, der den erb berechtigte» Bruder verdrängt hat. Die Folge» solchen Han delns. Aus der andere» junge, starke Liebesszeneii, nicht so lyrisch und sinfonal gestaltete wie ftliher, aber echtere und sinn vollere. Auch die drei Welte», die wir ans dem Gcsamtiverk Shakespeares gut kennen, treten ans: die Rüpel und Sänfer, die inaienalislische Sphäre sAntonio und sein Kreis) und,die reinere Idealwelt des Prosperv und seiner Geister, die a» den Soniinernachlslrcnm erinnert. Aber hinter dem Aeußeren ver birgt sich diesmal mit größerer Deutlichkeit der liesere Gehalt. Trincnlo und Stephano, die Alkoholisier,. bewegen sich im rüdesten Gassendialekt und geben einen wirksame» Kontrast zu dem geschniegelten »nd solonsäbigeren Witz der Hoslcute Zu ibnen gesellt sich der Ticrinenlch in der Gestalt des grotesken Slaüban. der seinen Namen ans den damaligen englisch-indischen Neisecrzähliingen hat. G-mein ist Ealiban nicht, sondern Ur mensch. dessen Kräfte zu Gutem genutzt werden können. Und wenn er mit Mordpläne» umgebt, so tut er dies mit lautem Gebrüll, nicht heimlich. Er ist der Instinkt der Person. Das Scheusal dagegen ist der erwähnte Trincnlo, kein Tier, sondern nach Bedarf Mensch oder Untier. Die beiden versorgt Stephano mit Alkohol, so werden sie reif zu allen Untaten, denen aber Prospero zu begegnen weiß. Tie Miltelgruppe der Materialisten besteht aus Antonio. Proiperos schlimmem Bruder, dem König Aionso und dein Mordbuben Sebastian. Ein alter Hosmann, Gonzala. unter ihnen, der redlichere Bruder eines Poionius, ist Gegenstand des Witzes und Spottes dieser von Begierden Besessenen. Ihr Erzieher wird der Repräsentant der dritten Sphäre. Prospero, der rechtmäßige Herzog. Mit Hilfe der ihm Untertanen Geister, besonders der Idealgestalt Ariels, werden sie erschreckt und zum Nachdenken gebracht, bis Mitleid den Bann löst und den versöhnlichen Ausgang hcrbeiführt. Das ethische Erziehungsiverk wird auch an dem Liebespaar Ferdi nand und Miranda vollzogen. Ihrer jähen Bereinigung stellt Prospero Hindernisse entgegen und Ferdinand muß um die Geliebte Kümpfen und für sie schassen lernen. Die menschlich-warmen Beweggründe in der Gestaltung dieses Zanberdramas treten fast in keinem Werke Shakespeares so kiar zutage wie im Sturm. I» der sich auf den ersten Blick als Nobinsonade darstellenden Handlnng findet sich eine außer ordentlich scharf umrisscne und durch den guten Ausgang kcinesmcgs verwässerte persönliche Einstellung des Dichters zu den Dinge» des Lebens, ein Bekenntnis und. wenn man will, ein Abschied vom Werke. Shakespeare macht sich im „Sturm" frei von seine» Enttäuschungen und kämpft gegen die eigene Müdigkeit an. indem er nochmals alle Künste, die sein Lebens werk waren, zusammenfaßt und in vergeistigter Form sich ans leben läßt. Bald darauf slüchietc seine Seele in die reineren Gefilde, vo» denen sie immer geträumt. . . . Der Zauber des lustigen, von Ariel gesührte» Elcincnts schwebte über dieser Aufführung. Kiesau sorgte, daß kein Mißru-rständiiis aufkam. dämpfte Ernst und Scherz und ließ der Thealermaschincrie genügend Spielraum, ohne sie in den Bor- dcigrnnd zu stellen. Da die mitbeteiligten Faktoren große Lust an dem wegen der seltenen Aufführungen ohne Muster dostchendcn Werk spürten, Ellen o. Cleve-Pelz überdies die gefährliche „Opcrnklippe" zu umsegeln verstand und Dr. Ehitz eine sehr ansprechende Musik crsundcn hatte, mar die künst lerische Vorarbeit garantiert. Die Darsteller trafen de» rcalistisch'Mürchenhasten Toi, durchweg. Lindncrs Proszrero. geistig dem Thema besonders gewachsen, der Ariel Antonia Dietrichs, mit den Versen prachtvoll mnsi,zierend und das Tier Ealiban, wie esDecarli erfaßte, standen voran. Hell» berg und Posse waren die Rüpel. Woester und Hilde gard Barko a. G. fdiese mit wenig PersönlichkeiN das Liebespaar. Kottenkamp. Paulsen. Kleinoschegg. Lotte Grüner, Deli Maria Teichen hatten die kleieren Rallen inne. Das Publikum spendete dankbare,, Bcftali. zeigte sich aber — be- gre'fucherweise — bet der Commedia öeil' arte im 3 Akt ge langweilt. Franz Zickler. Leipzig. Komödienhaus sfriiher Batlenbergtheatcrt. Ur aufführung: „Zwei Mädels aus dem vierten Stock" — Ein Dolksslück in vier Abteilungen von Franz Cornelius. Zeit: die Gegenwart. Zwei Großsiadünädcl: Miczi und Anna. In Temperament und Lebensanftasftmq grundverschieden. Anna, bürgerlich solid, wird brave Hansirau. Miez! liebt Tralwandenmgen geiährüchster Art. Es bannt« schief gehe». Aber sie bält sich, was ibr zunächst keiner zuge traut hätte. Wie der Verfasser den Iragfähigcn Ausgang ge funden hat. zeigt Menschenkenntnis und Bühncnoeichick. Des. gleichen war die Charakterschwäche und die Brutalftch de» Mlers „Plnddemann" scharf gezeichnet. Man weiß, wa» man bei einem Volksstück mit in Kauf nehmen muß: eine aemisse Rührseligkeit und Derbkeit. Der Biibnenieiter Joseph F,r- maus hat darin glücklich Maß gehalten Daß ein Teil der Zuhörer bei einige,, ernst zu nehmenden Szenen lachte, beweist, wie schwer diesen, Teil seelisch beiznkommen ist. Das Spiel stand zweifellos höher als das Stück. Firmans als Pliidde- mann und Gertrud Maurer als Miez, blieben ihre» iftcht immer leichten Rollen nichts schuldig. Das Gesamtsniel be friedigte durch gesteigerte Einheitlichkeit. Der Beifall war stark und verdient. Am Schluß dankte in einer kurzen Ansvrache Direkior Fritz Kranz für treu« Gewigschaft und gab anläßlich der ersten Jahresbilanz dieser, neuen Unternehmens bekannt, daß im verflossenen Jahr fünf Uraufführungen siattgetiin» den hätten, die sämtlich von hier aus ihren Weg über Deuftch- lands Bühnen genommen hätten Dazu kommen 14 Leipziger Erstaufsührnngcn In? ganzen 27 Stücke Eine durchaus b«. amtliche Jahresleistung — Wenn man bedenkt, daß das Theater von heule mehr denn je von der Ungunst der wirtschaftlichen Loge beeinflußt wird, und daß das Komödienhaus finanziell ganz aus sich gestellt ist. der kann der rührigen, zielbewuß.e»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder