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Notizen Dos Westfälische Volksblatt, Paderborn, macht einig« sehr tressende Bemerkungen über Mitzhelligkeile», die sich hie und da bei der Kandidatenausstcllung zeigen. EL schreibt u. a.: „Uber es sind viele Hundertlausende von Zentrumswäh lern da, die ebensalls Kreisvertretcrversainmlungen und Be sprechungen der Wahlkreiskomitees abhalten, ohne dah es bei ihnen zu kleinlichen Nörgeleien und Mitzhelligkeiten kommt. Das sind unser« Freunde in der Diaspora. Sie handeln in der entscheidenden Frage, in der Erwählung ihres Bertreters, in schöner Einniiitigkeit. Diskussion über Nebensächlichkeiten gibt es beO ihnen nicht. Sie sragen nur nach dem einen: ist er ein rechter und guter Zentrumsmann? .Hat er sich im Reichstag als solcher bewährt? Und hat er darüber hinaus mit der Diaspora die richtige Fühlung unterhalten? Ist die Antwort auf diese Frage klar, dann gibt es kein« Debatte. Dan» können noch so Viele da sein, die das Mandat gerne haben möchten und sie können es durch ihre Hintermänner so oder so zu begründen suchen, — Die Entscheidung sällt dann in drei Minute», lind die Entscheidung lautet: wir stehen geschlossen hinter dem Alan» unsers Vertrauens, und wir iverden das Aentzerste tun, um die erforderlichen Stimmen für ihn aufzubringen. Und sie un,er- lassen nicht, ihrem seitherigen Vertreter öffentlich die Hand zu drücken und ihm zu sagen, wie sehr sie ihn, dankbar sind, für sein bisheriges Wirken und für sein kiinstiges Wolle». Man verlangt nicht von ihm, dah er seinen Geburtsschein vorzeigen soll: man fragt nicht darnach, ob er den oder jenen Berus praktisch ansübt, sondern ledig lich darnach, ob er ein wahrhafter und echter Z e n t r u m s ma n n ist und sich als solcher bewiesen Hai. Zen- trumsredakteure, die bernssmähig seit langen Jahren an den Versammlungen teilzunehme» haben, in denen n,n die einzelnen Kandidaten und um die einzelnen Posten ans der Liste gekämpft wird mit einem Eifer, der einer grösseren Sache würdig wäre, und die sich infolgedessen irgendwie zertreten »Her zerfasert Vor kommen, — solchen Leidensgenossen ist nichts Schöneres zu wünschen, als die seelische Erholung, durch die Teilnahme an einer Kandidalenausstellung in der Zenlrnms-Diaspora Das wirkt nicht weniger reinigend als ein Exerzilien-Aufenihail bei den Zisterziensern oder Redemptoristen. Man bekommt wieder die alte nnversiegliche Freude au der Arbeit im Zentrum." Wer seit Jahren in der Diaspora arbeitet, weih, dass oiese gewiss etwas schwungvolle Schilderung der Wahrheit entspricht. In Sachsen aber wird man eine solche Schilderung nicht ohne Biitcrkeit lesen. Seit sechs Jahren — in denen uns vier Reichs- tagswahle» beschert worden sind bemühen sich die sächsischeil Zeiilrninsanhängcr, die Wahl fiirWahl 20 000 Stimme» ans die Neichsliste der Zenlrnmspartei bringen, um ein Manoat ans dieser Neichsliste. Vergebens! Es waren in diese» Jahren wohl zahlreich»! Zentrnmssührer aus den „Stammgebieten" in Sach sen, lind sie waren auch non der Geschlossenheit und der Opser- williokeil der Männer, die hier in der schlimmste» Diaspora Kämpfen recht auscrbaut. „Das wirkt wie ein Exerzitien- Ansenthall bei den Redemptoristen", meint das Paderborner Zentruinsblalt. Leider Gottes aber soll in nicht allzu selteneil Fälle» l>ei etwas abgehärtete» Gemütern die Wirkung auch der besten Exerzitien nur von kurzer Dauer sein. Zu den Angriffen des Velbiandsdirektors Lehman» gegen das Kabinett Brüning auf der Tagung des Hauptver- liandss der Krankenkasse» schreibt die „Germania": „Man braucht Herrn Lehmann und seinen politischen Ans- ührniigen keine höhere Bedeutung beimessen, als Lehman» sür eine Person verdient. Man könnte sogar für mildernde Um- tände plädieren: Er war es, der t!>28 die pcrsön- icke Beteiligung der Versicherten an den Kosten für Arzt und Apotheke norschlug. Er ist es, der setzt verzweifelte Versuche macht, sich zu rehabilitieren — denn er bewirbt sich bei der Sozialdeinokra, tischen Partci um einen Si tz i m R eichstag. Da durch gewinnt die Angelegenheit allgemeine M'deulnng. Billigt die SPD., dass ihr Kandidat einem Neichsminister gegenüber das Gostrccht so grob verletzt, dass ihr Kandidat eine lüereini- gnng von Krankenkassen zu allgemeinen politische» Zwecken und Z» eigene» ehrgeizigen Plane» missbrauch,? Nach dem Ge setz ist es den Kassen verboten, Mittel siir andere Znrecke als die der Krankeiurersicherung zu verwenden: die Versicherte» lassen sich nicht Beiträge von ihrem Lohn abziehen, damit eine Kassennereinigling eine politische Versammlung veranstalten kan». In dem (tzesclzentivnrf über die Krankenversicherung war vorgeschlagen, und in der Notverordnung ist angeordnet, dass dir Rciciwarbeitsminister bestimmt, inwieweit Mittel für den Besuch von Versammlungen, die den Zweckel, der Krankenver sicherung dienen, verrvendet werden dürfen. Mann darf erwar ten, dass diese Bestimmung bald getroffen wird." Die SPD. nimmt eine Million Mark für Wahlzwecke von den freien Gewerkfäiasten, sic benutzt eine mit den Geldern der Versicherten bezahlte Krankenkassentagung, um Wahlpro,xi- Das ist ihre „Neutralität"! Die freien Gewerkschaslen geben Wahlparole für die SPD. aus Die Maske fällt Der Allgemeine Deutsche Ge io e r k s cha s t s <- bund betont bei der Mitgliederwerbung stets seine politische und religiöse Neutralität, um so auch in den weiten noch christ lich denkenden und sich deshalb der materialijtisch-religions- seindlichen Einstellung der Sozialdemokratie sernhalienden Kreisen der christlichen Arbeiterschaft Anhänger zu gewinnen. Wenn von den christlichen Gewerkschaste» oder z. B. von der christlichen, insbesondere der kaiholischen Presse aus die enge Perbundenheit zwischen den freien Geiverkjchasten und der So zialdemokratie hingewiesen wurde, so Hai man uns als Ver leumder hingestellt und einfach alles bestritten. Jetzt aber er lässt derse-be Gewcrkschastsvund einen Ausruf zur Reichstags wahl, der woi)l auch ganz begriffsstutzige Leute ansklaren muss. In dem Ausruf heisst es: „Nur die Sozialdemokratie hat das im neuen Staat geschaffene soziale Recht im Bunde mit den Gewerk schaften verteidigt. Sie hat den Kamps führen müssen gegen die geschworenen Feinde des neuen Deutschland aus der äusserslen Rechten und Linken, aber auch gegen jene Parteien, die auf dem Boden der Weimarer Verfassung zu stehen vorgeben. Sic musste ihn auch sichren gegen manche Arbeitervertreter in de» bürgerlichen Parteien, die die Lebensinteressen der Arbeiter schaft in den sozialpolitischen Kümpfen der letzten Vergangen heit widerstandslos preisgrgeben haben. Sie steht im Kampfe auch gegen alle die radikale» Parteien, die eine hemmungslose Agitation gegen die freien Gewerkschaften führe» und ebenso verantivortungslos bald den bolschewistischen Sowjetstaat, bald das faschistische „Dritte Reich" verspiechen. In dem grossen Ringen um den demokratischen Ausbau der deutsche» Republik, um das wirtschaftliche und politische Mitbestimmungsrecht der Arbeiterklasse, um die Ausgestaltung der Sozialversicherung und die Erweiterung des sozialen Schutzes stehen die Sozialdemokratie und die freien Gewerk schaften allein . . . Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands; Die Entscheidung liegt in euren Händen! Der Kamps gehl um eure Zukunft! Eure Parole muss jein: Gegen die liberal konservative Einheitsfront der sozialen Reaktion! Gegen di« leeren Phrasen der Kommunisten und Nationalsozialisten! Alle Stimmen der deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen für die Sozialdemokratische Partei Deutsch lands!" Die sozialistische Wahlparole wird also von den „freien" Gewerkschaften einfach übernommen. Das nennt inan „poli- tische Neutralität"! Nach diesem Ausrus ist die Zumutung, sich sreigewerkschasllich zu organisieren, sür jeden christlichen vor allem für jeden kaiholischen Arbeiter einsach eine Beleidigung. Uebrigens haben es die freien Gewerkschaften nicht bei Worten bewende» lassen, sie sind z» Tate» übergegangen Die „Freie Gewerkschast", aas Mitteilungsblatt des Ortsausschusses Ha>'barg des ATGB., meldet ,n ihrer Nummer vom 11. August: „Ter Allgemeine Deutsche Gewerkschastsbnnd hat dein Wahl« fonds der Sozialdemokratischen Partei eine Millio n R Al. überwiesen. Die Gewerlischaflen, auch die örtliche», müssen das übrige tun." - Es ist kaum zweifel haft, dass die „freien" Berussverbände ebenfalls für den Wahl fonds der Partei Gelder geben Sämtliche G'M'rkfchnstsblä'ter setzen sich mit Hochdruck sür die SPD ein Alle sind aui den To» gestimmt, den die „Sächsische Gewerksckafts'.eituog" des ADGB. mit den Worten anschlägt: „In dem.kommende» Wahl- Kampf kann es daher für die Gewerkichaften auch nur eine Partei geben, die sie unter dem Eitisatz ihrer ganzen Kraft unterstützen werde, die Sozialdemokratie" Nun sollten die „freien" Gewerkschaften noch ein übriges tun und sich in Zukunft auch mutig nicht mehr „frei", sonrer» „sozialdemokratisch" nennen Warum noch länger das Firmen schild maskieren? — Im übrigen wissen jetzt die Mitglieder der sozialdemokratischen Gewerkschaften, die nicht sozialdemokra tisch sind wofür ihre ^küträoe verwand« werde» " ganda zu treiben. . . . Der SPD. ist gegenwärtig jedes Mittel recht. Wenn die Hetze nur Ersolg hat! d. Die Schaffung eines Kraftoinnlbusvcrkehrs zwischen Dresden-Bühlau und Pirna. Die Gemeinden Cunnersdorf, Reit zendorf, Zaschendorf, Bnrsberg. Bonnewitz, Schullwitz, Schön feld, Gönnsdorf, Eschdorf und Wünschendorf haben sich zu einem Zweckverband zum Betriebe eines Krastoninibusverkehrs zwi schen Dresden Bühlau und Pirna znsninmengeschlossen. Der Verband, der seinen Sitz in Pirna hat, bezweckt Hebung des Personen- und allgemeinen Berkehrs zwischen den genannten Gemeinden. Die Satzung des Verbandes ist von der Kreishaupt, inannschast Dresden genehmigt worden. l.eiprig und (Imyebung Blutige Wahlkrawalle . Leipzig, 20. August. Im Zusammenhang mit dem 'Wahlkampf kommt es in Leipzig fast stündlich zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten. Naineutlich in der Nähe der Lokale, in denen Nationalsozialisten ständig zu verkehren pflegen, sammeln sich, von kommunistischen Agitatoren ansge putscht, Arbeitslose an, die gegen einzelne Nationalsozialisten Vorgehen. So kam es am Dienstag kurz nach 11 Uhr in der Kramerstrasse zu einem solchen Kampf, bei dem die National sozialisten, von Kommunisten hart bedrängt, sich mit leeren Bierflaschen zu wehren versuchten. Die Polizei mnssle wieder holt eingreifen. Mehrere Personen, meistens Nationalsozialisten, wurden verletzt. Es erfolgte eine Anzahl Zuführungen zum Polizeipräsidium. Die Tätigkeit der Polizeibeamten ist, wie vom Polizeiprä sidium im amtlichen Bericht über die Vorgänge mitgeteilt wird, durch die zahlreichen 'Neugierigen, die sich überall angesammelt hatten, sehr erschwert worden. Das Polizeipräsidium benutzt deshalb die Gelegenheit zu dem Ersuchen an das Publikum, das Vorgehen der Schutzpolizeibeamle» pegen die radanlustigen Elemente nicht durch müssiges Zusehen zu erschweren Die Be amten haben Anweisung, gegen die Ausschreitungen mit allem Nachdruck vorzugehen. Sie können dabei aber nicht immer auf die Neugierige» Rücksicht nehmen. Wer sich vor Weiterungen und Schaden bewahren will, tut deshalb gut, sich van Ansamm lungen fernzuhalten. Tödlich verun-ilück! Ei» schwerer Bauunfall mit tödlichem Ausgang ereignete sich Dienstag früh auf einem Neubau an der Ecke Fichte- und Knchstrasse im Süden Leipzigs. Als man mit dem Hochziehen van Balken beschäftigt war, löste sich ein starker Balken aus dem Seil und traf den »inten stehenden Zimmermann Oskar Birkigt aus Markkleeberg so unglücklich am Kopf, dass er einen schweren Schndelbruch davontrug. Bevor er Aufnahme >m Kran kenhaus finden konnte, erlag er der schweren Verletzung. — Kurz vor Mitternacht wurde am Montagabend die 17 Jahre alte Pelznäherin Helene Grunert in der Dresdner Strasse von einem Personenkraftwagen überfahren und musste mit schweren inneren und äusseren Verletzungen dem Krankenhaus zugeführt werden, wo sie in den frühen Morgenstunden des Dienstag dev 'Verletzungen erlag. s Die Pilzvergiftungen. Bon den zehn an Pilzvergif tung erkrankten und ins Tiakonissenhaus Leipzig eingeliefer- ten Personen aus Lützen, von denen bekanntlich vier ge- s> orbe n sind, befinden sich die übrigen sechs nunmehr ausser Lebensgefahr. j Wurzen erhöht die Vicrsteuer. Nachdem der Etat der Stabt Wurzen für 1010 schon mit einem Fehlbetrag von rund sstt 000 Ai. verabschiedet worden ist, hat sich jetzt ergeben, dass dieser Betrag noch auf 200 000 M. steigen wird, da die zur Un terstützung der Arbeitslosen und andere» Bedürftigen einge setzte Summe bereits aufgebraucht ist. Um diesem sich vergrö- ssernden Defizit Einhalt zu gebieten, hat man beschlossen, die Biersteusr zu erhöhen. Durch die neuen Sätze wird sich ein Glas Bier um durchschnittlich einen Pfennig höher stellen s Das Umsatzsteueraufkommen in Sachsen. Im ersten Vierteljahr 10.10 belief sich das Umsatzsteueraufkommen im Lan- dessinanzamtsbezirk Leipzig aus rund 111,87 000 RM und im Landesfinanzamtsbezirk Dresden auf 10 211000 NM Auf Grund dieses Steueraufkommens war der Umsatz im Bezirk Leipzig auf 1.82 und im Bezirk Dresden auf 1,17 Milliarden Reichsmark zu schätzen, während die entsprechenden Zahlen im ersten Vierteljahr 1020 1,00 und 1,00 nicht unerheblich gün stiger waren Im vierten Vierteljahr 1020, wo saisonbedingt der Umsatz höher zu sein pflegt, hatte er im Bezirk Leipzig 2,14 und im Bezirk Dresden 1,71 Milliarde» RM betrauen Pulsch in -er Tajofla-l Noch vor zwei Jahren gehörten Revolutionen und Der- schwörungen in Portugal zu den Alltäglichkeiten, an die man sich gewöhnt hat und die man nicht ernst nahm. Das sonnige Einerlei der schönen Stadt an der Tajomündung wurde dadurch für einige Stunden oder Tage unterbrochen. Die Neugierigen sammelten sich auf dem Rocio, in den Strassen der unteren, noch vom Marquis non Pombal erbauten Stadt, die nach dem furchtbaren Erdbeben, das einen Teil Lissabons verschlang, ent stand, oder unter den Palmen und Judasbäumen der Avenida, und warteten auf die weitere Entwicklung der Ereignisse. Regierung und Revolutionäre klebten ihren „Aufruf an das Volk" nebeneinander an die Mauern der Häuser, und das flanierende Publikum studierte kopfschüttelnd den Inhalt. I» den Cafes meldeten sich „Vaterlandserretter" aller Schattie rungen. Es wurde debattiert und geschrien, bis schliesslich die revolutionären Truppen, voran die Offiziere mit gezogenem Hegen, nnmarschiert kamen, während die Regierungssoldatcn kbenso martialisch anrückten. Jedoch kam es meistens nicht zum Kampf. Es geschah wohl, dass die Offiziere aufeinander los stürmten, anstatt aber ihre Säbel zu kreuzen, besannen sie sich in letzten Augenblick eines besseren und boten sich Zigaretten an. Es kam auch vor, dass, ehe ein Zusammcnstoss erfolgen konnte, ein strategischer Kriegsrat zwischen beiden Lagern ab- gehaltcn wurde. Wenn dann z. V. die Revolutionäre die Avenida oder den Platz Eduard des VII., die Ncgierungstruppen aber die anliegenden Hügel besetzt hatten, so ergaben sich die Aufständischen freiwillig, weil sic sich kricgstechnisch im Nach teil befanden. Wurde aber doch geschossen, so waren die Kugeln nur für die Neugierigen gefährlich, da zur Zielrichtung gewöhnlich nicht der Feind, sondern irgend «ine Seitengasse genommen wurde. Der letzt« Putsch vor etwas mehr als einem Jahr«, von dem man hörte, konnte nicht «rnst genommen «erden, er hätte zur Zierde jeder Operettenbühne dienen können. Ein forscher Oberleutnant, mit Namen Morä«s. be schloss mit einigen Kameraden, der Regierung des Generals Carmona ein Ende zn setzen. Mit einem Ne'"ü>';'r s'--«>,iif,,c- begab er sich in das Prnsidcntschaftspalais, hielt dem General die Pistole auf die Brust und verlangte von ihm er solle seine Abdankungsurkunde unterschreiben. Präsident Carmona aber liess sich nicht «inschüchtern, er nahm dein Offizier ruhig die Masse aus der Hand, verhaftete ihn und übergab ihn der Mache. Damit hatte der Pulsch seinen Abschluss gesunden. — Leider sind nicht alle Revolutionen i» Lissabon so unblutig und gemütlich verlaufen. Es gab leider zwei oder drei Aus nahmen, so naineutlich die grosse 'Revolution von Weihnacht 1026, die noch im Gedächtnis aller unvergessen ist. Da waren es nicht nur die streitenden Parteien im Militär, die sich gegen seitig bekriegte», sondern mit der Hilfe 'Moskaus war es zu einem Vvlksausruhr gekommen. Note Arbeiterkolonnen halten die Dächer der Häuser in den Hauptstrassen besetzt und schosse» auf Militär und Polizei. Leichen bedeckten die Nua de Oro, und es wäre sicherlich z» ernsten Ereignissen gekommen, wenn nicht General Gomez da Costa, der im Weltkriege die portugie fischen Truppen in Afrika gegen Deutschland befehligte und später auf den Schlachtfeldern in Flandern gekämpft hatte, seine Soldaten in Kampssormation in die Hauptstadt hatte cin- riicken, die Revolution niedcrgeschlaacn und di-' Militärdiktatur verhängt hätte. Aber General Gomez da Eoste verstand es nicht, seine Stellung als Diktator zu behaupten. Er hatte den jetzigen Staatspräsidenten General Carmona zum Aussen- ministcr berufen, wollte iPi aber bald abschüttcln und ernannlc ihn zum Gesandten beim Vatikan. Carmona aber war mit dieser „Kaltstellung" nicht einverstanden, kehrte das Heft um und liess mit der Hilfe einiger ihm ergebener Ossiziere den Diktator verhaften und nach den Azoren verbannen. Um die bittere Pille zu versüssen erhielt Gomez da Costa bald darauf in seinem Exil seine Ernennung zum Feldmarschall. — Sei der Zeit hat General Carmona die Regierungsgewalt fest in Händen behalten und hat dafür gesorgt, dass in Portugal geordnete Verhältnisse eintraten und dass vor allem die leidige Politik aus der Armee verbannt wurde, die de» Anlass zu mehr oder weniger grotesken Serienrevolutione» gab. Aber... das alle Uebel hat sich doch nicht gänzlich ausrotle» lassen. Mieder waren es zwei Generäle und mehrere Ossizcere, die de» Beruf als Vaterlandserreller in sich spürte» und eine Revolution an- zuzettcln versuchte». Aber die Zeiten Halle» sich in sosern geändert, dass eine tüchtige Polizei die Putschplünc rechtzeitig auszudecken verstand, die Massenlager beschlagnahmte und die Rädelsführer verhaftete. Ru» pflegt man aber, wahrscheinlich unter der Ueberlegung „heute dir, morgen mir" in Portugal mit Aerschwörern sehr glimpflich umzugehcn, man begnügt sich mei nen» damit, sie auf die herrlichen Azoreninseln zu verbanne», wo sie umr.iuschl von de» Wogen des Ozeans ein beschauliche» sorgenfreies Leben führen, bis ihnen die Tore Lissabons wieder geössnet werden. Es gehört sich deshalb kein besonderer 'Mut und kein Märtyrertum dazu um in Portugal eine Revolution zu beginnen, es bleibt mehr oder weniger ein Spiel, bei dem die Anführer 'Ministersessel gewinnen und nur wenig verlieren können. 'Roch etwa 70 v. H. aller Portugiese» sind Analphabeten. Bedeutende Industrien gibt cs nicht im Lande, das, trotzdem es nur zirka 8 Millionen Einwohner zählt, noch immer eins der grössten Kolonialreiche ist. Eine grosse Vergangenheit, seit Vasco da Gama die halbe Welt sür seinen König entdeckte und Camoens seine Lusiaden schrieb, lastet auf Portugal. Mit dem Sturz des Königshauses der Braganza und der grausame» Er mordung Dom Carlos des II. und des Thronfolgers Dom Luiz Philippe 1008 in der Rua da Arsenal halte «in fremder Geist der sranzösischen Aufklärung in Lissabon Einzug gehalten und alte Traditionen über den Hause» geworfen. Die Folge waren die sich wiederholende» Revolutionen und Pronunciamcntos. Der Präsident-Diktator General Carmona hat das Verdienst, Portugal wieder in die Bahnen seiner geschichtlichen Kultur entwicklung zuriickzudrängcn. Eine Revolution kann das reich« und schöne Land nur allzuleicht einem Chaos zusühren. — I! 8»