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Pslitische Rnndscha». (Fortsetzung «u» dem Hauptblatt.) — D«S Stichwort von der „nationalen Ehre". Man schreibt uns von befreundeter Seite: Es geht doch nichts über ein zu richtiger Zeit angewandtes Stichwort — der Redner kann dann stets eines Bombenerfolges sicher sein, DaS hat wieder die Rede des Reichskanzlers in der letzten Sitzung des verfloffenen Reichstages gezeigt. Wen mutzte es nicht bis in das innerste Mark erschüttern, als der Reichskanzler im tiefsten Brustton versicherte, d itz es sich bei der Ablehnung der Kolonialsorderungen um das An- sehen Deutschlands und um unsere nationale Ehre bandelt. Nun war das erlösende Wort gefallen. Fürst Bülow hat sich endlich, endlich „zur Höhe Bismarcks" emporgeichwungen und das „Tischtuch zwischen sich und dem Zentrum" zer schnitten. Daher der frenetische Jubel bei den National, liberalen und den Konservativen. Bon einer deutschen Bierbank zur andern schallt'S begeistert: jDie „schwarze Bande" ist nun kalt gestellt, d.e „Baterland'verräter" sind zu Botzen geschmettert. Nun kann der heitz ersehnte Kultur- kampf beginnen und Vater Dernburg wieder in dem jüdisch- deutschen Berliner Tageblalte singen: „Es ist eine Lust irr Deutschland zu leben." Wenn man jedoch die Worte des Herrn ReichskanzerS mit dein Seziermesser der K,iiik unter sucht. kommt man zu einein andern Ergebnis als dem vorn Fürsten beabsichtigten. Jeder ruhig Denkende wird doch zugeben müssen, datz die „nationale Edre" nicht geschädigt sein kann, wenn eine Partei im wohlerwogenen Interesse ihrer Wähler die von der Regierung gestellten Forderungen nicht bewilligt, weil die Partei diese sür überflüssig hält. DaS nationale Ansehen wird allerdings blotzgeitellt, jedoch nicht durch das Zentrum, sondern durch den Reichskanzler selbst, wenn er orbi und urbi bekennt, datz 300 schlecht bewaffnete und schlecht genährte Schwarze von 8000 vortrefflich bewaffneten und mit allen Hilfsmitteln der modernen Kriegskunst versehenen deutschen Soldaten inner- halb vier Monaten nicht besiegt weiden kör n. n. Tie Ameri kaner halten doch auch furchtbare Kämpfe mit den Rot häuten auszufechten; man liest aber nirgends, datz sie gegen 300 Ausständische eine Tn ppenmacht von 10000 Mann jahrelang unterhalten hätten W e werden die Franzosen zu diesem Bekenntnis die Ohren gespitzt und wieder neue Hoffnungen geschöpft haben! Die Katho liken mögen sich gesagt sein lassen, daß die Kolonialaffäre nur der äußere Auloh zu dem Zusammenstoß zwischen dem Reichskanzler und dein Zentrum ist. Die Zentrumsmehr- heit ist einmal der akatholischen Bevölkerung vom starrsten Konservativen bis zum rötesten Sozialdemokraten unerträg- lich geworden, und dieser Stiömung wollte Fürst Bülow endlich nachgeben, um seine wacklig gewordene Position zu befestigen. Für die Katholiken Deutschlands werden jetzt wieder schwere Zeiten kommen Ehrenpflicht ist daher für jeden Katholiken, treu zum Zentrum zu liehen. Sinkt das Zentrum, dann ist es mit der Selbständigkeit der katho- lischen Kirche in Deutschland sür immer aus. In dem nahenden Wahlkampfe darf daher ein katholischer Mann, der auf seine Religion etwas hält, no? allem keinen Na tionalliberalen — der NationalliberaliSmuS ist der er bittertste Feind der katholischen Kirche — seine Stimme geben. Katholisch und Zentrum muk Trumps bleiben! — — Tie Nebenregierung des Liberalismus ist bereits etabliert, ehe dieser auch nur ein Mandat besitzt; so schreibt das ..Berl. Tageblatt" in Nr. 637 folgend^: „Unserer Mei nung nach haben die liberalen Parteien allerdings die Pflicht, die Regierung in ihrem Kckmpfe gegen das Zen trum tatkräftig zu unterstützen, sich im übrigen aber völlige Freiheit zu bewahren. Es wird Sache der liberalen Par- tciführer sein, mit der Regierung zu verhandeln und mit dem Rechenstifte in der Hand genau festzustellen, welck>e Ent- sck-ädigungen der Liberalismus für die Verluste, die er in Hagen und anderswo dlrrch die Opposition der Zentrums- tvähler erleiden könnte, zu erwarten l)at. Wir sind völlig überzeugt, datz die Regierung, die sich lynte in einer Not lage befindet, den liberalen Parteien Konzessionen machen und sich selbst zu einigen Opfern (oder zur Opferung ge wisser Persöulickfleitcn) bequemen wird. Aber vor allem mutz sich der Liberalismus vor jeder übergroßen Nachgiebig keit hüten und klar und deutlick) die notwendigen Garantien verlangen." — Wo hat je einmal das Zentrum auch nur den zehnten Teil einer solchen Forderung erhoben? Es ist zu schön, dasselbe Blatt über die Netn'nregierung des Zen trums, die nicht existiert, reden zu hören und dann so un verblümt sür den Liberalismus Konzessionen zu fordern. Aber das Blatt steht damit nicht allein; die „Nat.-Zeitg." (Nr. 694) schließt sich dem an: „lieber die Folgen der Reichstagsauflösung wird von einer den Liberalen unsreund lich gesinnten Richtung darauf hingewiesen, die ganze Ent wickelung des Konfliktes werde voraussichtlich zur Folge haben, daß sich die Regierung in einzelnen Punkten den Forderungen der'Liberalen tverde nähern müssen. Ms zu einem gewissen Grade halten wir das für richtig; es ist selbstverständlich, daß die Negierung den Versuch unter nehmen mutz, zu denjenigen Parteien in ein besseres Der- l-ältnis zu kommen, von denen sie im Kanrpfe mit dem Zen trum unterstützt worden ist. Es gibt auf den Gebieten des wirtschaftlichen und politischen Lebens viele Punkte, in denen die Negierung den Liberalen cntgegenkommen kann ohne deshalb eine ausgesprochene liberale Politik zu treiben, die bei der Zusammensetzung des künftigen Reichstages ebenso wenig möglich sein wird, wie bei dem letzten Reichs tage. Eine unmittelbare Aeuderung dieses Zustandes ist nicht zu erivarten, wohl aber kann man hoffen, datz nicht nur die Negierung, sondern auch die Konservativen nach einem Zusammengehen mit den Liberalen im Kampfe gegen das Zentrum für die Berechtigung mancher liberaler For derungen zu einer richtigeren Auffassung kommen werden, die nach manchen Richtungen hin zu einer Gesundung der Verhältnisse führen kann. Wir glauben, datz sich dieser Ueberzeugnng auch die Regierung nicht verschließt." Die Liberalen verlangen also den Lohn schon vor der Leistung, denn bis heute können sie nichts aufweisen und nach den Wahlen nicht sehr viel! Aber trotzdem soll die Regierung ihnen entgegenkommcn und Konzessionen machen! Wir bitten, diese beiden Preßstimmeu aufzubewahrcn, sie sind im Wahlkampfe sehr wertvoll. Au- Stadt a«d Land. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) —* Ueber die Notwendigkeit, einen Vertreter der Gesundheitswissenfchast als ständiges Rats mitglied in die städtischen Verwaltungen aufzu- nehmrn, ist in ärztlichen Kreisen schon viel debattiert worden. Auch innerhalb der Dresdner städtischen Kollegien hat dieser Punkt schon zur Diskussion gestanden. Bekanntlich stehen dein Staate eine ganze Anzahl sachverständige Organe der Gesundheitswissenschaft zur unmittelbaren Verfügung und zwar in erster Linie das König!. Landesmedizinalkollegium mit der ausdrücklichen Aufgabe: „Die Anwendung der theoretischen Grundsätze aus die praktische Medizinalverwal- Kng zu vermitteln und aus die fortschreitende Vervoll kommnung der Medizinalgesetzgebung und der Medizinal- einrichtungen hinzuwüken." Hierzu kommt noch ein Ministerialrat als ständiger Referent tn Medizinalmgelegen- heiteu (z. Z. Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Renk) und die über daS ganze Land verteilten König!. BezirkSärzte. Außerdem werden jährlich viele Millionen cnifgewendet sür öffentliche Krankenhäuser. Heil- und Pflegeanstalten und zur Unterhaltung und Ausstattung medizinischer Unterrichts- institute. Fenier gibt eS Städte in Sachsen, in denen man bald gewahr wird, daß maßgebenden Ortes Verständnis sür die Bedentung moderner öffentlicher Gesundheitspflege vorhanden ist und in denen man in entschlossener groß zügiger Weiie an die Lösung sanitärer Aufgaben herantritt. von der Ueberzeugung durchdrungen, datz Sparsamkeit nirgends schlechter angebracht ist als dort, wo cs sich um Schaffung von Einrichtungen handelt, die der öffentlichen Gesundheitspflege zu dienen bestimmt sind. In dieser Be ziehung seien die Städte Dresden Leipzig und Chemnitz an erster Stelle rühmend genannt. Wie daS „Korrespondenz blatt der ärzll chen Kreis- und Bezirksoereine im König reiche Sachsen" schreibt, gibt es jedoch auch Städte in Sachsen — und zwar nicht bloß kleine und arme Gemeinden, sondcrir größere und auch verhältnismäßig wohlhabende — in denen das kommunal-hygienische Lebcn in einer unver kennbaren Stagnation sich befindet, in denen immer nur der jeweils Nächstliegenden dringenden Anforderung auf sanitärem Gebiete genügt wird, weil an maßgebender Stelle der städtischen Verwaltung das erforderlicheVerständnismid das erforderliche Interesse für die großen Aufgaben moderneröffentlicherG. sund- heitSPflege fehlen und weil infolgedessen auch förderliche Anregungen von anderer Seite aus den Kreisen der Bürger schaft usiv. mehr und mehr auSbleibe». Unter allen Um ständen erfordert es jedoch die Bedeutung des öffentlichen Gesundheitswesens und der stetig zunehmende Umfang, der auf diesem Gebiete von jedem größeren Gemeinwis n zu bewältigenden sanitären Aufgaben, datz eine sachverständige mit entsprechenden Machtbefugnissen ausgesialtete Instanz vorhanden ist, deren Geschäftsbereich auvsch'.ictzlich auf Be arbeitung der dem betreffenden Gemeinwesen obliegenden Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheitspflege sich er- strcckt. Diese Instanz wird geschaffen dadurch, datz mau einen Vertreter der Mesiindheitswissenschaft. also einen Arzt als ständige« Mitglied des RatSkollecnum« in die städtische — 24 — Mt Mühe löste sie den Wvercn Niegel und öffnete die Türe. Eine dumpfe, moderige Lust sckflug ihr entgegen. „He, Junker Walther," rief sie. „willst du immer iwch ins heilige Land fahren?" Aber sie erhielt keine Antivort. Da fuhr ihr der jähe Schrecken in die Glieder. „Walther," rief sie stockend, „Walther, so komm dock) her, ich bin da, deine Mutter!" Doch nichts rührte sich in dem alten Gemäuer. Sie stürzte hinein und. da fand sie, daß der Turm leer n>ar. Von ihrem lauten Geschrei erweckt, eilten die Knappen und Mägde her bei. Angstvoll fragte sie nach Walther und Girtl)a. Aber niemand wußte von ihnen. Da schlug sie die Mägde ins Gesicht und rief: „Ihr Treulosen! So sorgt Ihr um mein Kind." Die Angst schnürte ihr die 5kehle zu, daß sie kaum zu sprechen vermochte. Ein alter Diener sagte endlich, er hätte mitten in der Nacht Hnfschlag zu hören vermeint. Aber er habe geglaubt, cs rühre von den Nossen der abzichcnden Ritter her. „Heilige Jungfrau," schrie Frau Wulfhilde, „so sind sie geflohen! Der Trotzkopf, der wilde! Ins heilige Land wollte er. Nun hat er seinen Willen durchgesetzt." Die Knechte und Mägde schrien auf und schlugen die Hände zusammen. Im ersten Augenblick des Schreckens ivaren alle so verwirrt, das keines wußte, tvaS zu tun sei. Frau Wulshilde allein gcivann ihre Fassung wieder. „Alle Mannen zu Pferde!" gebot sie. „Wir müssen noch in dieser Stunde den Entflohenen nach." Datz Gntha ebenfalls mit entflohen sein könnte, schien ihr undenkbar. „Sie wird sich irgendwo versteckt haben," dachte sie und schickte die Mägde auS, nach ihr zu suchen. Allein alle kamen unverrichteter Dinge wieder zurück. Bei dieser Nachricht schien ihre Gestalt zu tvanken. Aber mit einem Rucke richtete sie sich auf und ihr Gesicht wurde so kalt und hart wie Stein. Mit fester Stimme gab sie ihre Befehle. Dem Burgvogt trug sie auf, in ihrer Abwesenheit für die Burg Sorge zu tragen. Während die Burg von Waffengeklirr und dem Geschrei der sich rüsten den Knappen widerhälltv, ging Frau Wulshilde schweren Schrittes in ihre Ge mächer. Sie verschloß nrit eigener Hand Schrank für Schrank und Tür um Tür, denn niemand sollte in ihrer Abwesenheit ihre Gemächer betreten. Tann ließ sie sich den graium Reiterinantel umhängen, setzte das Samt- darctt auf und stieg in den Burghof hinab, )vo ihr der Burgvogt den schwarzen Hengst cntgcgenführte. Zwanzig Knappen in voller Rüstung und hoch zu Pferde harrten ihrer im äußeren Burghof. Erwartungsvoll standen Knechte und Mägde, der Herrin letzter Befehle karrend. Kurz und bestimmt traf sic ihre Anordnungen und nach raschem Grütze stieg sie in den Sattel und ritt davon, gefolgt von der reisigen Schar. Die Zugbrücke flog empor und das Tor rasselte nieder. Dann war es still in der ganzen Burg. Das Unglück spannte seine schwarzen Flügel über der Falkenburg aus . . . Der Zug der Reisigen brauste durchs Tal und fegte die Dorsgassc dahin. Die Bauern flohen in ihre Häuser und die Kinder, die am Wege spielten, stoben scheu auseinander und purzelten schreiend in die Nesseln. — 2l — Die Knechte sckfliefen in einer entlegenen Kammer und cs ivar ihm da her leicht, die Rosse zu satteln. Zur Vorsicht umwickelte er ihre Hufe mit dicken Tüchern und hielt sie fest am Zügel. Aber das Herz klopfte ihm dock) dabei. Ta näherten sich leise Tritte und im näckisten Augenblick stand Walther vor ihm. Er trug die volle Rüstung, die ibm jüngst der beste Waffenschmied von Mainz gefertigt hatte, mitsamt dein Schwert und dem Helm mit den dunklen Schwingen des wilden Falken. „Ezzelo," sagte Walther, „es ist Wohl nicht wahr, datz zu Byzanz die Straßen mit Gold gepflastert sind —" „Mit Blut," sagte Ezzelo, „mit Blut, Walther. Aber sei obne Sorge, ich habe ein Bcutelein mit Silber —" „O, ich bi» nicht so unerfahren, wie du meinst," sagte Walther. „Vom Staub der Straße kann man iiickck leben, auch nicht yon den Blättern der Bäume. Seit Jahren lxibe ich alle Gesckxmte der Mutter aufgespart. Es in eine artige Summe in blankem Golde. Ich denke, datz es reichen wird." „Wie klug du bist," lobte Ezzelo. „Aber lmbe wohl acht darauf, Waltb r. Es gibt schlimme Menschen ans allen Wegen." „Sei obne Sorge! Wozu lxitle ich mein gutes Schlvert? Ich werde mein Gold zu schützen wissen. Und dann, Ezzelo, dann babe ich ja dich - " „Das ist nxihr," sagte Ezzelo. gerübrt über dieses Vertrauen. „O Walther, ich n>erde nicht von deiner Seite weichen!" „Ich weiß es." sagte Waltk)er und drückte dem treuen Alten fest die Hand. „Und nun, in Gottes Namen laß uns ziehen. Die heilige Jungfrau möge uns schützen." Sie ritten langsam gegen die Zugbrücke. „Ein Glück für uns." sagte Ezzelo, datz das „wilde Heer" in der Burg haust. Das Tor ist offen, die Zug brücke ist niedergelassen. Der TorUxirt schnarcht in seiner Stube. Vorwärts im Namen Jesu!" Als sie durch das Tor ritten, bängte sich eine leichte Gestalt an Walthers Fuß. „Nimm mich mit," flüsterte eine zarte Stimme. „.Heilige Jungfrau," rief Walter, „es ist Gntba, mein Schlvcsterlein Kind, geh zur Mutter!" „Ich fürchte mich zu Tode," sagte das .Kind. „O Waltl>er. ni nm mich mit!" „Ich kann nicht. Kind," sagte Walther. „Was soll ich mit dir in frem de» Landen? Gib mir den Abschiedskntz und dann leg dich schlafen!" Er beugte sich herab zu ibr und nahm sie in seine Arme. Aber sie um- klammerte ihn zitternd und flehte: „Nimm mich mit! Nimm mich mit! Die Mutter legt mich in den Turm, nxmi, sie erfährt, datz ich den Riegel zog. Und dann fressen mich die bösen Schlangen . . ." „VorN'ärtsI" drängte Ezzelo. „Nimm das Kind zu dir in den Sattel. Jni Dorfe setzen wir Gntba ab." Vorsichtig ritten sic über die Brücke und durch den engen Hohlweg. Im - Tale, auf dem weichen Wiesengrund, imkun Ezzelo die Tücher von den Hufen der Rosse. Im Torfe war alles still und dunkel. Nur die Hunde schlugen an und der Bach plauderte leise. „Gutha, du mutzt absteigen," sagte Walther. Aber das Kind fing an zu weinen und rief: „Ich geh nicht von dir, Walther! Lieber will ich sterben!" „Der Kreuzzug der Kinder." -