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Sonnabend den 12. Juni 1V20 «k. 1«. «ritt , Die sechs Matties Roman von Jgna Maria (Nachdruck verboten.) (6 Fortsetzung.) Theres und Hannes waren restlos glücklich. ThereS atmete wie» der die langenbehrte Zirkusluft, und dann BattrkenS Erfolgt Me Zuschauer neben ihr sprachen ja nur von Valerien, und Hanncs frluie sich, weil er Theres glücklich sah. Als sie Baterken in seiner Garderobe aufsuchlen., erzählte ThereS ganz aufgeräumt von der lo» bend'.'n Kritil des Publikums. „Du bist aber auch so wunderschön geritten!" schloß sie aufatmend. Und das Lob dieses Kindes machte Jos Matties stolzer, als ein ganzer Berg glänzender Zeiwngsl«. sprechungen. „Theres, morgen sollst du mal den Hyacinth in der Manege reiten," versprach er ihr. Die Glocke ries die Zuschauer wie der auf die Plä.e. Es folgt« ein Drahtseilakt: zwei Frauen produ» zierten sich aus dem Seil. Hannes stieß Theres an: ,Du, Theres, die können es nicht halb so gut wie dul Du bist ja viel, viel besser Seil gelaufen, i, was haben die dicke Beine . . ." Den Höhepunkt aber bildete Jos Matties mit seinen sechs Fal ben. Angetan mit prächtigem Zaumzeug, trabten die Pferde in die Manege. Jos stand in der Mitte mit der langen Peitschte und lenkte ihre Gangart, rechts herum, links herum. Schritt, Trab, Galopp. Tann rief er sie einzeln bei Namen zu sich heran: „Kalme", „Abdul", „Hassan", „Gizeeh". „Achmed". „Leyla". und jedesmal tänzelte ein Falber auf seinen Herrn zu und führte irgendeinen Trick aus. Nun ließ Jos Matties einen engen Halbkreis schließen, hok> die Peitsche — und zwölf Pferdebeine ragten in die Luft. Wenn ThereS in späteren Jahren an Baterken zurückdachte, sah sie ihn in der hellerleuchtetcn Manege inmitten hochstehender Falben. Am anderen Morgen gingen sie hinaus zum Zkrkuszelt. Im Zwielicht des sonnigen JulitageS erschien Hannes das Zelt öde und ungastlich. Theres saß auf Hyacinth »nd ritt in der Manege. Sie fürchtete sich nicht, als Jos traben ließ, und als er sie herabhob, flüsterte sie ihm zu: „Nicht wahr, Valerien, ich darf später auch reiten, und du lehrst es mich?" Aber daS Schicksal hat ThereS Matties nur dieses eine Mal im ZirkuS reiten lassen . . . Das Leben ging längst wieder seinen gewohnten Gang. Zir kus Caröe gastierte in Königsberg. Die Obstbänme auf der Gcmeindc- > wiese trugen reife Früchte, der wilde Wein färbt« sich rot. Die Zeit ! der Kartoffelernte war da, alle vier Mattieskinder zogen mit auf den großen Acker von Bürgers ölen am Berge. Ein wundervoller Herbsttag belohnte ihren Fleiß. DcS Sonntags gingen Theres. Han- s nes und August Lindemann gewöhnlich in dis Wälder Brombeeren ! und Hagebutten pflücken. Schon tropften goldene Buchenblätter von > den Bäumen, und die Schlehenbüsche trugen blaue Beeren. Vor der ! Eselsbrücke machte Theres Halt: „Hannes, laß uns uukchreu. ich wollt ! so schrecklich gern seiltanzen." Hannes war natürlich einverstanden, bereitwillig kehr'e August Lindemann mit um. „Darf ich auch dabei sein, Tberes?" bettelte er, „Ich verrat es auch ganz gewiß keinem ^ Menschen!" August wurde mitgenommen. Das Hans war verschlos sen. Bürgermeisters waren keim Hauvtlehrer zum Kaffee geladen. ThereS wußte Rat. „lkeberklet'ern!" Sie kletterten über das Hof tor und zum offenen Küchensenster hinein. Tie Nachbarin sah der Kletterpartie zu: „Wie eine Katze so flink," sagte sie zu ihrem Manne, als ob Zirkusblutt sich verleugnen läßt!" Theres hatte längst aus dem oberen Boden ein Seil spannen lassen, flink lief sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Hannes machte derweil ans alten Kisten und Säcken Sitzplätze zurecht. Dann war teten sie auf Theres „ läuft sie jeden Tag Seil?" erkundigte August Lindemann sich ana-legentlich, „was sagt denn Deine Mutter dazu?" „Tie Mutter weiß nichts davon, und wenn du je in keinem iLben ein Won sagst, sind wir geschiedene Leute!" drohte Hannes. '.Wo Theres doch so Heimweh nach Baterken hat. da kann sie schon ^ mal seillaufen. Da ist doch wirklich nichts dabei — —" Die Tür ! tat sich auf. Herein trat Theres. Die beiden JungenS starrten sie an. War denn das dieselbe ThereS, die neulich mit ihnen aNosseln auSgclescn? Die da lächelnd auf das Seil zuschritt, war ein fremdes, wun- derbar schönes Mädchen, das in seinem blauen Seidenkleid, daS frei» lich etwas kurz erschien, seinem blauen Seidenfchirmchen, dem nied lichen blauen Hütchen, den blauseidenen Strümpfen und Schuhen wie ein« richtige Prinzessin aussah. „Theres!" sagte Hannes. „Theres —" August Lindemann saß da mit halbofefneur Munde und ver- wunderten Augen und wagte kaum zu atmen. Und ThereS bestieg das Seil, spannte ihr Sonnenschirmchen aus und lächelte die Erstarrten an. Hannes mußte wieder an jenen Jahn, marktstag denken, da er Theres zum ersten Male in jenem blauen Seidenkleidchen gesehen, und aus einmal kam ihm die Erkenntnis, daß Theres niemals so werden würde, wie seine Mutter oder Tante Linde mann. Augusts Herz pochte in raschen Schlägen, So etwas Schönes. Wi ein Elfchcn huschte Theres dahin über das Seil, und er beneidete Hannes glühend, daß der immer bei ihr sein durste. Wieder warf Theres Hütchen und Schinnchen von sich und begann langsam nach „Wiener Blut" sich zu wiegen. Dann sprang sie ab. verbeugte sich graziös lächelnd und fiel Hannes aufweinend um den Hals. Der war zu Tode erschrocken. Ratlos blickte er aus daS schluch- zende Mädchen. „Hast du dir wehgetan? fragte August Lindemann verstört. Sie schüttelte, noch immer heftig weinend, den Kopf. — — „WaS ist denn passiert?" wagte Hannes aus sie cinzureden. „Sag mirS doch, ich helf dir gewiß." Da schluchzte Theres wild auf. „Nach Baterken will ich! Han nes wurde blaß und still. Ja, wenn Theres Heimweh hatte. . . Und er sah sich im Geiste in jene Zeit versetzt, wenn Theres nicht mehr im Hause sein würde, wenn sie mit dem Vater von Stadt zu Stadt zog. Ganz leise sagte, er während seine große, grobe Hand zart über ihr lockiges Haar strich: „Sei doch still. Theres, es ist mir noch ein Jahr, dann kommst du aus der Schule. Eher kann Baterken dich doch nicht gebrauchen. Nach und nach wurde sie ruhiger. Auf einmal lächelte sie Hannes an, während noch blanke Tränchen an den Wimpern hingen! „Hannes, gelt, du bist mir nicht böse, aber icb Hab manchmal so arg Heimweh nach Valerien, daß ich meine, ich müßte davon sterbe«. August Lindemann machte große Augen, das war einmal ein spaßiges MädchenI Erst tanzte sie. dann weinte sie, mnn lachte sie. — Theres hielt ihm die Hand hin: „Nicht wahr, August, du erzäbsst es niemand, daß ich geweint habe? Und in dem Augenblieck hätte sich August lieber zerreißen lasten, ehe er davon, was er soeben erlebt hatte, auch nur ein Sterbenswörtchen verraten hätte. Unten schrillte die Haustürklingel. „Die Eltern kommen!" Hannes sprang auf. „Theres, lauf und zieh dich um!" Theres huscht« hinaus, die Beiden wickelten das Seil von den Balken und legten eS an seinem Platz, warfen die Säcke zu den übrigen und stellten die Kisten an die Wand. Da tönte vom Hofe herauf Theres Stimme: „Hannes. August, kommt runter, ich weiß was!" Nun zogen die Drei wieder einträchtig loS in dem schönen herbstlichen Garten an der Ruhme. Hannes und Au gust schüttelten die Zwetschenbäume. Als sie genug hatten, setzten sie sich i» die sonnebeschienene, kerbstlich-bnnle Weinlaule. „Theres, sing doch: Vöglein im hohen Baum." bat Hannes Die Leute aus dem Dorfe, die von ihrem sonntäglichen Spa ziergang an Bürgermeisters Garten vorüberkamen, blieben stehen und horchten. „Dat iS MattiesenS Therese! Dar Kind singt wie ne Sil berglocke." Die, der das Lob galt, saß seelenvergnügt aus der Holz bank. schlenkerte mit den lange Beinen und spuckte Zwetschenkerne im hohen Boaen ans. Hans Matties hatte den ganzen, lieben Sonntag nachmittag in der Gaisblattlaube des Pfarrgartens gesessen und Nnnegarns Welt geschichte studiert, von der französischen Revolution und der unglück lichen Königin Marie Antoinette. Ber'ha und Silvlla kamen mir ihrer Pflegemutter von einem dörflichen Kasseeklatfch, und im Kloster brachte Schwester Philomena die jüngsten Matties eben zur Ruhe. Troß der deutlichen Abneigung, die DüereS gezeigt, hatte Marita Nenertella ihre Gedanken auf den Kunstreiter nicht beiseite gelegt. Sie setzte ihre ganze Persönlichkeit ein, ihn für sich zu ge winnen. und Jos Matties war auch nur ein Mensch — dazu ein Mann. Da« „Nicht wahr Baterken, du heiratest dies« eklige Marita nie, niemals" begann zu verslassen. Di« Gegenwart, di« den ein samen Mann mit sorgender Liebe umgab, war ja so viel stärker, als die immer schwächer werdende Bitte seines Kindes. Hild Envrres war tot, die Erinnerung allein konnte sein Leben auch nicht aussüllen, sie würde immer die elfte Stelle in seinem Herzen «imiehmrn, das hatte er Marita gesagt. Er würde letzten Endes immer allein blelbe», selbst wenn ThereS jetzt nach beendigter Schulzeit zu ihm zog. Zwei, drei Jahre, dann ging sje mit einem fremden Manne und Hans war sowieso für ihn verloren. Er hatte doch wohl noch ein Anrecht daraus, glücklich zu sein. Sollte denn da« Leben wirklich für ihn das goldene Tor schon zugeschlagen haben? Daß ThereS und Marita nicht harmonierten, war nur weib liche Eifersucht, da« mußte sich legen. Da« Sind mutzte eben begreifen lernen, daß der Vater auch noch ein Recht auf Leben besaß. Recht behaglich war ihm jedoch nicht, al« er dem Bürgermeister Brennecke einen großen Brief schrieb und ihn bat, beiliegendes Blatt Theres ab- zugelen. Immer sah er dabei daS Kind vor sich, wie es ihn an gefleht, di« Tänzerin nicht zu heiraten, aber das Verlangen nach Ma rita Venerjella war stärler wie Kinderbitten «nd Kindertränen. Anton Brennecke rief seine Ehehälfte zu sich in die Amtsstube und ließ sie den Brief sehen. „Jetzt heiratet er doch daS Mensch!" polterte er los. „Kann die ne gute Mutter geben für die arme» Kinder, wenn sie angemalt in kurzen Nöcken Kußhände unter die Zu schauer wirft?" „Die hat ihn aber zu nekmen verstanden!" meinte bedächtig di« kluge Frau Rosa. s„Gott die Männer. Die hören und sehen ja nichts, wenn sie toll sind. Nun kriegt die arme Theres auch noch ne Stief mutter " „Ich werde ibm aber schreiben!" brauste Anton Brennecke auf. „Wer sechs Kinder hat und die Frau aus dem Kirchhofe liegen, hätte wohl ander« Sorgen, als tanzenden Frauensmenschern nachzusackern." „Das willst kn ihm schreiben? Nich's wirst du schreiben!" Frau Rosa sagte es ruhia und bestimmt. „Mische du dich nicht in fremde Angelegenheiten. Meinst du, er hört auf dich, wo er doch schon di« Stimme seines Gewissens tottchlägt! Nein. laß den Mattles nur hin- eintapvcnl Brockt er sich ne Suppe ein, löflelt er sie auch allein aus! Ms ob du einen verkiekten Mann von einem dummen Streich ab halten kannstl" The«? las. und ihre Augen weiteten sich. „Er soll sie nicht heiraten! Die nicht!" Sie knänelte das Blatt zusammen, ihre Stimme überschlug sich in ohnmächtigem Zorn, ihre Annen funkelten. „Diese Marita! Damals schon bot sie Baterken so Augen gerollt. Dabei hat Baterken mir die Hand darauf gegeben, daß er sie nicht heirate'! — Baterken hat sein Wort gebrochen, Baterken lügt!" DaS Letzte sckirie sie hinaus und fiel answeinend aus Anton Brenneecks Bult. Jirgend etwas ängstigte Frau Rosa bei diesem furchtbaren Ber- zweifliingsauskriich und sie fühlte, daß in Theres der Glaube au den Vater, d-n Einzigen, der ihr geblieben erlosch. „Theres, du bist doch ein vernünftiges Mädckien." suibte sie das Kind zu berub'aen. „Komm, sek dicki mal dnt'er!" Ihren Aittnn schickte sie mit den Auaen hinaus. „Wir beide wollen mal ganz ruhig über die Sache sprechen." „Er hat sein Wort gebrochen!" flammte Tberes auf. „Tante Rosa, er bat es mir in die Hand versprochen, diese Marita Veneriella nicht zu heiraten!" Der guten Frau Bürgermeister wurde schwül, das Kind hatte ja recht, tausendmal recht, aber man durste ihm das doch nicht zn- geflehen. „Sieh mal Tberes." lenkte sie ein. „Vater ist immer so allein, seit Mutter nicht mebr bei ihm ist. Da fühlte er sich so einsam, und die Tänzerin ist aewiß eine gute Frau, sonst hätte dein Ba«er sie doch nicht lieb!" Das Letzte sagte Frau Rosa, ohne davon selbst überzenat zu sein. „Tante." schluib'te TbereS „Mutterten Ist erst zwei Jahre tot — damals wollte Ba'ersen sich totschießen da bin ich noch gerade daru- gekommen, sonst bäten lie ihn auch hinausgetragen — und min hat er Mutterten schon veraessen —" Frau Rota kam sich vor wie ein schlechter Diplomat, dem nichts übrig bleib' als seine Pässe zu fordern. „— Und dann in zwei Monaten wäre ich doch zu Baterken ge- zoaen. o sch hätte ihm alles so schn gemacht. WaS braucht er da diese — diese!" (Forttetuma solat.) DDK » jj" G § V ^nnaliivs vorrins! iottor Laroinlax-on. ^n-unc! Vorbauk von Wortpapioron. ldintsrlox-unx-sstoll^ von äVortpapio- roo rvooks Linlösun^ von 2>ns- und Oorvinnantoilsobsinsn. ^n- u. Vvrkauk krsrndsr Ooldsortvn. 8otiookvorkskr. ^Ktj6NLs686N8e!l8.11 0sles-küss S !m „Um llöt XoM»«!" — Solilsvklkoseing 7 MünoiÄe. 86, ÜWiiMüiz»« — klisspislr 3 — flsiroesle. 11 Norioduo k» n.^nkauk vonAteottssln. 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