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Sächsische Volkszeitung : 08.12.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190512081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19051208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19051208
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-12
- Tag 1905-12-08
-
Monat
1905-12
-
Jahr
1905
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 08.12.1905
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Bunde nicht verlangen, daß er den anständigen Geistes kampf gegen die katholische Kirche aufgebe. „Anständig" sagen wir, daher muß er, wie Opitz sagt, mit den beliebten polemischen Axiomen aufräumen: „die katholische Kirche ist wissenschaftlich inferior; die katholische Kirche ist der Ruin der Staaten: die katholische Kirche ist mittelalterlich." Wie viel Gutes könnte für die Erhaltung eines gläubigen Volkes vom Evangelischen Bunde geleistet werden, wenn er diesen unanständig geführten Kampf beendigte. Alle Christen ver- eint, würden dem gemeinsamen Feind, dem Unglauben, gegenübertreten. In Begeisterung nennt Herr Superinten dent Opitz den Erfolg eines solchen Zusammengehens: „Wenn die edle Kraft, die wir jetzt noch in gegenseitiger Befehdung vergeuden, auf das gemeinsame Ziel sich richt.n wird, welcher freudige Wetteifer zum Heile der Seelen und zur Ehre Gottes wird erwaä-en, welcher herrliche Erfolg wird unser Bemühen krönen! Ter vielfach modulierte Schmerzeusruf Melanchthons: „Wenn ich so viel Tränen in meinen Augen hätte, als der volle Elbstrom Wassertropfen au Wittenberg vorüberführt, sie würden nicht hinreichen, meinen Schmerz über die Zwietracht auszuweinen, von wel chen jetzt Europa entbrannt ist", muß jeden erfüllen, der auf dem Boden des Apostolikums steht. Was die gehässige Be kämpfung der katholisclien Kircl>e anlangt, so erinnere ich an das Wort des berühmten anglikanischen Historikers Ma- caulat): „Tie röiuisckie Kirche wird noch in unverwelklichem Glanze blühen, wenn einst nach 1000 Jahren ein Peruaner auf der Loudoubrücke die Ruinen der St. Paulskirche be trachten wird." Tie Hoffnung auf Einigung aufgeben, heißt Christum verleugnen, der unsere Freude ist. Eph. 2, 14. Deutscher NeichSterg. !:. Berlin. 0. ssi/ung um 6. Dezeuider 1905. Tie Generaldebatte zum Etat setzte am Mittwoch bei gut besetztem Hause im Reichstage ein. Ter Vundesratstisch U»ar wie das Haus überfüllt. Tie Debatte lohnte aber auch den Besuch; da sah man nicht nur den Reichskanzler, mau hörte ihn heute sogar zweimal reden, und dann au seiner Seite alle die Minister, darunter den neuernannten preußi schen Handelsminister Delbrück, ganz unter saß der zukünf tige Kolonialstaatssekretär Erbprinz von Hohenlohe und er wird wohl heute um eine Hoffnung ärmer geworden sein, als der Zentrumsredner Fritzen verkündigte, daß seine Fraktion gegen ein selbständiges Kolonialamt sei. Wenig stens zog er sich nach dieser Erklärung, die er hinter dem Neichskanzlerplatz angehört hatte, sofort ans seinen Platz zurück, und ein eifriger Geheimrat bemühte sich, ihm den Wortlaut dieses Passus zu übermitteln. Reichskanzler Fürst Bülow, der etwas bleich anssieht, führte die Reichsfinanz reform mit kräftigen Zügen ein; er schöpfte so dem Staats sekretär Freiherrn von Stengel den Rahm ab. Der Reichs kanzler betonte die Notwendigkeit der neuen Steuern mit dem Satze: „So kann es nicht mehr weitergehen!" Aber dann meinte er, daß in erster Linie die indirekten Stenern, die bei uns niedriger als im Auslande seien, herhalten müß ten und die Erbschaftssteuer nur ungern angeboten worden sei. Tie Annahme der Vorlage selbst bezeichnete er als eine „nationale Tat". Nur mäßiger Beifall folgte ihm und der Neichsschatzsekretär, der über ein großes Wissen, aber kein gutes Organ verfügt, konnte sich kaum verständlich machen. Nur eine kleine Schar Getreuer hörte ihm zu; er ging auf die Einzelheiten der Stenergesetze ein. Nach ihm hielt der Zentrumsabgeordnete Fritze n-Düsseldorf eine großzügige Etatsrede; Fritzen tritt selten im Plenum auf, ist aber einer der fähigsten Köpfe des Zentrums. Er behandelte heute nur die großen Fragen der Anslaudspolitik, wies die Schwarzmalerei des Reichskanzlers über unsere Finanzlage zurück, lehnte die Forderung der Hohköuigsburg und des Neichskolvuialamtes ab, und ging dann auf die Steuervor lage ei». Seine Stellungnahme ging namens der Fraktion dahin: Das Zentrum hält am Artikel 6 des Flottengesetzes unerbittlich fest, eine stärkere Belastung des Massenver brauches ist ausgeschlossen; die Bierstener darf nickst erhöht werde», der Tabak nicht mehr belastet werden, nur bei den höheren Sorten ist dies zulässig. Die Verkehrssteuer lehnt das Zentrum ab, soweit sie die schwachen Schultern trifft, die Öuittungssteuer überhaupt. Die Neichserbscl>aftssteuer nimmt es au und ist bereit, diese ans Erbfälle zwischen De szendenten n. Ehegatten anszudchnen, falls die Gelder nicht sonst aufgebracht werden; in diesem Falle soll jedoch die Erbschaftssteuer erst bei großem Erbteil (vielleicht 100 000 Mark) erhoben werden. Die Rede Fritzens und namentlich diese Erklärung machten hohen Eindruck. — Sofort erhob sich der Reichskanzler, um sich nun über die auswärtige Po litik auszusprechen, er sprach sehr ernst von Verstimmungen, die erst vorüber seien und solchen, die vielleicht noch bevor stehen. Unser Verhältnis zu Italien wie zu Japan ist freundschaftlich; in die Wirren Rußlands mischen wir uns nicht. Als Lüge bezeichnete er die Meldung, wir hätten Rußland Anerbietungen wegen der Unterdrückung der Polennnruhen gemacht. Seine Darlegungen über die Anslandspolitik fand überall Zustimmung; recht starke Bei fallsstürme folgten ihm hier; ettvas Neues erfuhr man nicht. Die wiederholten Friedeusversicherungen wirken gut. Mar gen geht die Debatte weiter, zuerst spricht Bebel. Der Verlauf der Sitzung war folgender: Präsident Graf Ballestrcm eröffn-"» die Sitzung um 1 Uhr 20 Minuten. Es finde» die Generaldebatte zum Eiat statt. Reichskanzler Fürst Bülow will in kurzer Begründung die ivichi'gste Vorlage, die R icksfinanzresorm einleitcn, den ihr hinge die Zukunft und die Entwicklung des Reiches und der Einzel staate» ab. Ohne eine Gesundung der NeickSfinanzcn ist kein kultureller und sozialer Fortschritt mehr möglich. U'bereinstimmnng herrscht d »rüber. daß es so nicht weiter geben kann, (»ehr richtig!) Die Abhilfe der Misere ist eine undankbare und un populäre Aufgabe. Keine Steuer ist populär. Kann man sich ihr entziehen, tut man es. Die verbündeten Regierungen nehmen das Odium der neuen Steuern sehr gern auf sich im Interesse des Reiches. Eine kleine Finanzrewrm genügt nicht mehr dauernde Abhilfe ist nötig, tonst enthebt unerwünschte Knappheit DaS Reich darf nicht Kostgänger der Einzelstaaten bleiben. eSsoll eher Versorger derselben sein. Unsere heutige Regeln»« bringt Verwirrung in die Etats der Landesstaaten: lassen sich diese nicht ganz beseitigen, sa dürfen sie eine gewisse Höhe nicht überschreiten Bischer waren sie auf 24 Millionen Mark normiert. Unsere Schuldenlast bat sich in einer Weise entwickelt, wie eS niemand kür möglich gehalten hätte, jetzt ist sie über 3(/x Milliarden hoch. Alle verbündeten Regierungen sind einig in der Nrberzeugnng nach neuen Steuern. Die Vorlage schont die schwachen Schultern. ES wird ein unüberwindliche» Hindern»« sein, wenn man die breiten Massen ganz frei läßt. Die LuxuSsteurr wirft nicht viel ab; er gibt zu wenig Reiche bei un». Für die indirekten Steuern sprach auch die Reichsverfassung, welche die direkten Stevern den Einzelstaaten Vorbehalten hat. In Deutschland sind die indirekten Steuern nicht höher, als in anderen Staaten! In Preußen sind von 34 Millionen über 20 Millionen einkommensteuerfreil Bis marck war ei» Anhänger der indirekten Steuer. Seine Ideen müssen noch heute gelten. Wir haben uns nur sehr schwer ent» schließen können, der Reich serbschafrssteuer zuzustimmen; das mobile Kapital läßt sich hier viel schwerer fassen als das im mobile. (Sehr richtig!) Der Besitzer von Grundstücken wird sehr oft Schulden ausnehmen müssen, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können. Aber wir halten diese Bedenken nicht für unüber windlich. Bewilligen Sie dem Reiche was es nötig bedarf; dann werden Sie die Verdienste des Reickskanzlers vermehren durch eine eminent pcnriotiicke Tat. (Beisatz). — Staatssekreiär Frhr von Stengel: Dis Defizit von 1904 ist reichlich 8>/, Mill. Mk. Das Bankdiskonto beträgt zur Zeit S'/z Prozent. Im ganzen wird sich ein Mehrbedarf von 8 Millionen Mark berausstellen zur Deckung von Ausgaben. Die Mehreinnahmen stellen sich im ganzen auf 11 Millionen Mark. Der Redner bespricht die Aus sichten der ordentlichen Einnahmen Für 1606 fehlen uns 228 Millionen Mark. Ein hoher sozialer Gedanke ist es, die breiten Massen frei zu halten. Redner gebt nun auf die einzelnen Steuern ein. — Abg. F r i tz e »-Düsseldorf (Zentr.l: Das Neicks- schatzamt hat eine Riesenarbeit geleistet. Der Reichstag ist sehr spät einberusen worden, und das ist ungemein bekam»lich. Bis 1. April 1908 werden »vir mit Etat und Steuervorlagen nicht fertig. Die in den Etat hineingearveiteten Steuern werden wir wieder berausnehmen müssen. Und nun diese Arbeit im diäten losen Reichstage. Die Sessionen sind länger geworden; man kann nickt verlangen, daß jemand 6—8 Monate hier sitzt ohne jede Entschädigung. Wir boffen ganz offen, daß der Diätenantrag bald Gesetz wird Unser Etat ist sehr ungünstig geworden durch die Ausgaben für die Weltpolitik. Die Kolonien kosten uns riesige Summen! Redner besprich» sodann die politische Lage und fährt dann fort: Unser Etat ist sehr ungünstig: 250 Millionen Mark Anleihen sind nötig. Die Forderung für die HohkönigSburg von 200 000 Mk. hat uns sehr überrascht. Die Schaffung des Kolonialamtes gefällt »ms nickt; wes soll hierdurch gebessert werden? Wir fordern Reorganisation der Kolonialverwaltuna an Ort und Stelle, Beseitigung der Mißhandlungen der Eingeborenen, bessere Beamten usw. In de» Schutzgebieten ist Religionsfreiheit; in manchen Bundesstaaten aber bestehen Verhältnisse, die dem entgegengesetzt sind. Unser Toleranzan'rag fordert dasselbe und wird nicht verschwinden, bis die Mißstände beseitigt sind. (Beifall.) Der Militäretat bring» viele Mehrausgaben, die wir eingehend prüfen müssen. lieber die Ver größerung der Linienschiffe kann ich keine bestimmte Erklärung abgeben; in der Kommission muß aber volle Aufklärung gegeben werden. Wir prüfen die Flottenvorlage mit allem Ernste, aber auch mit allem Wohlwollen. (Beifall.) Aber wir bewilligen nur. falls die Deckungssrage befriedigend gelöst ist. (Sehr richtig!' Wir können die Steuervorlage nickt als eine ein heitliche ansehen! (Sehr richtig!) Der Massenverbrauch darf nicht mehr belastet werden, das sagt schon H 6 des Flottengesetzes. Bier- und Tabaksteuer aber belasten den Massenverbrauch. Wir sind für die Zigarettensteuer, für böbere Fälle aus feine Marken, nicht aber auf den gewöhnlichen Tabak Eine Besteuerung nach dem Werte ist möglich. Mit dem Verbot der Surrogate und der Staffelung sind »vir einverstanden, nickt aber mit der generellen Erhöhung der Steuer. Mit der gewaltigen Biersteuererböhung sind »vir nicht einverstanden. Der Bindung der Matrikularbeiträge stimmen lvir nicht zu. sie widerivricht unserem gesamten Pro gramm und unserer Vergangenheit. Die Reichserbschgstssteuer nehmen »vir an. sollte das Geld nicht ansreichen, so sind wir bereit, diese Steuer auch ausmdehnen auf Deszendenten und» Ehe gatten für große Vermögen. Ich war früher gegen die Erbschafts steuer. aber die Rot zwing» uns hierzu. Unter Schonung der schwachen Schultern werden »vir bewilligen, was zum Schutze des Vaterlandes notwendig ist. (Beifall). — Reichskanzler Fürst Bülow will heute nur auf die auswärtigen Angelegenheiten ein-> gehen. Ein leitender Staatsmann kann nickt immer sprechen, wenn Verstimmungen kurz überwunden sind (Hört!) oder gar be- borfteben (Hört!) Wir haben mit einer tiefgehenden Abneigung dev öffentlichen Meinung in England gegen uns zu rechnen, erst in letzter Zeit traten Anzeichen der Besserung ein. Eine Abwendung Italiens vom Dreibund ist nicht zu befürchten. Zwischen Oester reich und Italien haben Mißverständnisse siattgeiuuden, die immer noch beseiligt werde» konnten. Wir halten unverbrüchlich am Dreibund fest, aber »vir müssen auch allein unsere Stellung ver teidigen können. Gegenüber Japan war unsere Politik stets eine korrekte und loyale, unsere Beziehungen zu demselben sind gut und freundliche; Japan bat Achtung vor unseren Verträgen, es wird sich seine Stellung unter den Großmächten dadurch nur fest gen Der englisch-japanische Vertrag steht mit unseren Be strebungen in Ostasicn nickt in Widerspruch. Wir wollen die Un abhängigkeit CbivoS und die offene Türe daselbst. Die Räumung des Landes von unseren Truppen wird im Frübjohr vor sich gehen können. In Rußlands innere Verhältnisse greisen wir nicht ein, haben aber de» Wunsch, daß bald Nube einkehren möge. Wir gaben weder Naischläge noch Angebote, die unsinnigsten Vorschläge bat man uns zugeschobcn, namentlich bezüglich der Meldungen über die Weichselprovinzen. Bei uns balten »vir die Ruhe auf- isckt und dulden kein Uebergreifen der Unruhen. (Beifall.) Die Marokkosrage hat unS ernste Sckwierigkkiiei' geschaffen. Wir suchten in Marokko keine Sondervortcile. Deutsche Rechte konnte» durch ein französisch-englisches Abkommen nickt aufgehoben werden. Wir haben ein erbeblicheS Interesse daran daß freie Gebiete »ns nicht verschlossen »verden. Frankreich wollte Marokko in dieselbe Lage bringen tvie Tunis. Dobei berief es sich ans ein europäisches Mandat, hierdurch war die Madrider Akte verletzt. Der Reils kanzler verliest ein Schreiben an den Botschafter in London, das die Grundsätze der deutschen Marokkopolitik enthält. Wir schlugen angesichts dieser Differenzen eine neue Marokko-Kon ferenz vor, unser Recktsstandpunkt Inar klar und unanfechtbar. (Beifall). Frankreich hat die Konferenz angenommen und olle übrigen Mächte werden fick an dieser beteiligen. Der Grimdzug unserer Politik ist ein friedlicher; diplomatische Gegnerschaft suchen wir friedlich zu überwinden. Wir wollen gegen den Krieg ge rüstet sein. (Beifall.) Darauf wird die Fortsetzung auf Donnerstag l Ubr vertagt. Schluß '/<6 Uhr. Politische Rundschau. Dresden, den 7. Dezember 18VV. — Ter Kaiser stattete am Nachmittag dem früheren Botschafter in Berlin Schuwalow im Kaiserhof einen Besuch ab. Schuwalow hatte sich einer leichten Operation unter zogen, die von Professor Frankel ausgeführt wurde und glücklich verlief. — Die Biidgctkommission des Reichstages hat sich kon stituiert. Vorsitzender ist Gamp sfroikons.), Vizevorsitzender Prinz von Arenberg, Schriftführer Erzberger, Witt, Latt- mann und Dr. Südekum. Am Dienstag ist die erste Sitzung über die Eisenbahn Lüderitzbncht—Kubnb. — Das prenßische Abgeordnetenhaus hat sich am Mitt woch sein bisheriges Präsidium wiedergegeben: dann folgten zwei Interpellationen, zuerst die über das Eisenbahnunglück zu Spremberg, die nichts neues ergab. Minister Budde bedauerte die Pflichtvergessenheit der betreffenden Beamten; die große Arbeitszeit derselben hat fast niemand mitgeteilt. Die zweite Interpellation drehte sich um den Mangel von Güterwagen und wurde mit dem Hinweis auf die Neufor derungen im Etat beantwortet. Nächste Sitzung Sonnabend. — Parlamentarischer Abend beim Reichskanzler. In den allerersten Anfängen der parlamentarischen Tagung ist diesmal die Einladung des Reichskanzlers Fürsten Bülow an die Abgeordneten der drei Parlamente und zugleich mit ihnen an die Bevollmächtigten zum Bundesrat, die Spitzen der Reichs- und Staatsbehörden und zahlreiche Verrreter des geistigen Berlin zu einem „parlamentarischen Abend" ergangen. In den weiten Räumen des Reichskanzlerpalastes sammelte sich von 9 Uhr ab die Fülle der Geladenen, die der Kanzler am Eingänge mit Liebenswürdigkeit einzeln will kommen hieß. In dem großen Kongreßsaale war mit künst lerischem Geschmack ein Riesenbüfett aufgestellt, der Saal zur Linken barg ein zweites; ein drittes hatte im alltäg- lichen Speisezimmer seinen Platz gefunden. Bald verteilte sich die Schar der Erschienenen — es mochten wohl ihrer 800 sei»» — auf die Flucht von Sälen. Viel bemerkt wurde eine längere Unterhaltung des Fürsten Bülow mit dem Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses Dr. Porsch, die sich nin das Schnlunterhaltnngsgesetz drehte. Die Marine offiziere hatten es namentlich auf die Zentrumsabgeord neten abgesehen, die von ihnen förmlich umschwärmt wur den; aber sie haben vorerst nicht viel erfahren. Um den neuen Kolonialdirektor bildeten sich ebenfalls sehr inter essante Gruppen. Auf die ernste Arbeit im Parlament selbst haben diese Abende nicht zu hohen Einfluß, da sprechen ganz andere Faktoren mit. Auch waren die maßgebenden Führer der Parteien gar nicht erschienen. — Das liberal-sozialdemokratische Bündnis in Baden soll weiter bestehen. Nach einer Karlsruher Meldung der „Franks. Ztg." wollten die Führer der sogenannten Block parteien das „taktische Bündnis" auch in dem Landtage fort- bestehen lassen und die liberalen Aktionen in der badischen Kammer gemeinsam unternehmen; demnach soll der Block die erste Präsidentenstelle besetzen, während der Sozialdemo kratie der zweite Vizepräsidentenposten zufallen soll. Ans dieser Meldung geht nicht hervor, ob man dem Zentrum wenigstens die erste Vizepräsidentenstelle einräumen will. Nach der Stärke der Parteien, die in allen anderen Parla menten maßgebend zu sein pflegt, hätte das Zentrum eigent lich Anrecht ans die erste Präsidentenstelle: „wenn die Na- tionalliberalcn jetzt dieses Recht für sich in Anspruch nehmen, so ist dies nur so zu erklären, daß sie der Zahl ihrer eigenen Mandate auch die der sozialdemokratischen Abgeordneten! hinzugezählt wissen wollen. Man kann daran erkennen, wie eng der badische Nationalliberalismus sich bereits mit der Sozialdemokratie verbunden fühlt." So schreibt mit Recht die „Kreuzztg." Aber der Hase läuft bereits, wie es die Genossen vorschreiben. Oefterreich-Nnqarn. — Ministerpräsident Baron Fejervary wurde vom Kai ser in besonderer Audienz empfangen. Tie Audienz währte ungefähr zwei Stunden. Nach der Audienz kehrte der Mini- sterpräsidcnt in das Palais des ungarischen Ministeriums zurück und erklärte, er habe die Vorschläge des Kabinetts, betreffend die aktuelle politische Situation den» Monarchen unterbreitet und Se. Majestät habe sich die Entscheidung Vorbehalten. — Die zwei ungarischen Fachminister Handelsininister Vörös und Ackerbauminister Baron Feilitzsch dürften zwei Tage in Wien bleiben. Ihre Anwesenheit gilt den Ver- Handlungen mit den österreichischen Ressortkollegen über die Handelsverträge mit der Schweiz, Serbien und Bulgarien. — Im Abgeordnetenhaus wurde die Erklärungsdebatte, die nur mehr recht spärliches Interesse zu finden vermochte, zi» Ende geführt. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, si: länger fortzuschlcppen, da die Redner keine neuen Gesichts- pimkte mehr vorzubringen wußten und der Standpunkt der einzelnen Parteien zur Wahlreform zur Genüge aus frühe ren Erklärungen bekannt ist. Schweiz. — Der Nationalrat sprach sich mit 81 gegen 15 Stim men für die Errichtung von Gesandtschaften in Petersburg und Tokio aus. Der Beschluß bedarf noch der Zustimmung des Ständerates. Frankreich. — Der Senat hat mit 181 gegen 102 Stimmen das Gesetz über die Entstaatlichung der Kirche in seiner Gesamt heit angenommen. Damit sind die Würfel gefallen. Die französische Kirche ist frei und kann nun daran gehen, ihre Geschicke selbständig zu leiten. Tie Loge hat gesiegt, aber ihr Triumph ist der Beginn des Erwachens eines neuen kirchlichen Lebens aus den Ruinen. Frankreichs Kirche tvar durch den Staat zu seiner Dienerin geworden. Lieber arm und frei, als im glänzenden Käfig gefangen, werden die französischen Katboliken ausrufen. — Die Deputicrtenkammer nahm in ihrer heutigen Vormittagssitzung den ersten Artikel der Vorlage betreffend die Altersversorgung mit 642 gegen 14 Stimmen an. In diesem Artikel wird im Prinzip der Beginn der Altersver sorgung ans das 60. Lebensjahr festgesetzt. England. — Wie dem Reuterschen Bureau aus Lahore gemeldet wird, hielten die Ladenbesitzer in Kangra eine öffentliche Versammlung ab, und Unterzeichneten auf dieser eine Ver einbarung, keinen europäischen Zucker mehr zu verkaufen. Solche Versammlungen sind in Punjab jetzt an der Tages ordnung. Die Veranlassung dazu ist darin zu suchen, daß »reit im Lande herum Flugblätter verbreitet werden, in denen behauptet wird, daß der importierte Zucker mit Knochenmehl und Ochsenblut raffiniert sei. Es wird eine ernstliche Verschiebung des riesigen indischen Zuckergeschäfts befürchtet, da auch eine große Brahminenversammlung in Multan den Hindus den Genuß importierten Zuckers ver boten hat. Türkei. — Der Sultan hat die mazedonische Finanzkontrolle unter der Bezeichnung „Membre de Kommission" mit der Bedingung angenommen, daß dieser Kommission noch ein besonderes türkisches Mitglied zugeteilt wird. Das Regle ment der Delegierten soll als Instruktion mit einigen von der Pforte gemachten Modifikationen in Kraft treten. Die betreffende Note der Pforte ist dem österreichisch-ungarischen Botschafter zugcstellt worden. AuS den de„tsck»en Kolonien — Telegramm aus Windhuk: Am 2. Dezember d. I. in 2 nomi Vog Etat- zu gc bewil mau beam »ninis in Zu Staat Nichtc sion i anheil runge wird - tragt i 98, S, bewill Kassen 33 62t Mark, L Ach stalteu Mark, Leistuu Ausgal Ausgab tus uni Mark uommei Na 1/2IO U Ta Ringthea 1870. sä Schwerin nischcS K- Dogma i 1332. * L Dichter. - Erfinder! gesellichan bedeutend, 9. D« i N>c. »>. — 1817. Archäolog. Maler. — „Das verl von Schwl * » logisä Wittern Temye: sich de Königi Ankuni Abreise Generc SUg 7 seid, u Herrn i anstatt König feld an
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