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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 25. Februar 1911 Nr. 47 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 23. Februar 1 Uhr 20 Minuten. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung der Akilitärvorlage. Abg. v. Byern berichtet über die Verhandlungen der Kommission. Abg. Speck (Ztr.): Die Militärvorlage ist in der Kommission einstimmig als notwendig erklärt worden, selbst die Sozialdemokraten haben erklärt, daß sie das Vaterland verteidigen wollen, wenn es von Rußland ange- griffen wird. Aber dann mutz man die Konsequenzen ziehen mrd das Vaterland schon im Frieden in den Stand setzen, sich zu verteidigen. Vielleicht bewilligen die Sozialdemokra ten auch einmal die Militärvorlage. Die Maschinengewehr kompanien sind notwendig, um den Feuerwert der In fanterie zu steigern. Das Budgetrecht des Reichstages wird durch das Quinquenat nicht berührt; denn der Reichs tag habe es jedes Jahr in der Hand, was er genehmigen wolle; die finanzielle Lage deS Reiches werde dabei berück sichtigt werden. Von nationalliberaler Seite habe man auf Mehrausgaben gedrängt, aber der Kriegsminister habe so fort erklärt, daß die Vorlage genüge. Wir drängen nicht auf Mehrausgaben: die Verwaltung weiß, tvas sie zu for dern hat; aber man kann dem Minister nicht zum Vorwurf machen, daß er Notwendiges nicht gefordert habe. Nicht starke Bataillone machen allein den Sieg, sondern auch gute Finanzen. Wie hoch ist die Neubelastung? 10 833 Mann vom Jahre 1916 ab. Die Belastung der Bundesstaaten ist eine verschiedene. Wenn man die Neuforderungen ge nau nach der Kopfzahl verteilt, würde Bayern 2100 Mann weniger stellen müssen gegenüber Preußen, Sachsen ebenso und Württemberg auch. Ist dies zulässig? Artikel 60 und 58 der Verfassung scheinen dagegen zu sprechen; aber Artikel 60 hat nur vorübergehende Bedeutung mit seiner Vertei lung pro rata, der Bevölkerung. Wenn man die Ersatz verteilung zur Marine heranzieht, dann kommt Bayern nicht schlechter weg, sondern es stellt weniger als den Reichs durchschnitt. So lange Bayern drei Armeekorps stellt, so lange muß es mehr Mannschaften für das Heer stellen als Preußen im Durchschnitte. Wir haben in einer Resolution gefordert, daß die Freilassung vom Militär aus BilligkeitS- aründen noch mehr wie seither erfolgen solle. Wer die Lösung der Abrüstungsfrage bringt, der verdient höchstes Lob. Die Lösung dieser Arbeiten ist des Schweißes der Edelsten wert. Die Vcteranenfürsorge ist jetzt unter allen Umständen höher gestellt. Die Finanzierung des Etats ist eine Schwierigkeit für die kommenden Jahre. Aber bis 1914 haben wir 2—3 Proz. Umsatzsteuer und die Zuwachs- sieuer. Der Etat für 1910 hat bisher 34 Millionen Mark Ucberschutz. Freilich kann sich dies ändern mit der Kon junktur; aber bei obwaltender Sparsamkeit darf man an- nehmen, daß die Gelder ausreichen. Aber eine absolute Sicherheit kann niemand geben; nur eine relative Sicher heit kann man geben und damit muß man sich auch beruhi gen. Treten außergewöhnliche Verhältnisse ein, müssen außergewöhnliche Mittel angewendet werden. Die Ver mehrung erfolgt im einzelnen Jahre nach der Höhe der Einnahmen. Meine Freunde werden mit ganz wenigen Ausnahmen dem Gesetze zustimmen und dadurch im Inter esse des Friedens handeln. Abg. Stück len (Soz.): Wir lehnen die Vorlage grundsätzlich ab und zwar aus prinzipiellen Gründen. Wir verlangen ein Volksheer statt eines stehenden Heeres. Mit der Vorlage hat nian das alte Spiel getrieben: erst fordert inan in der Presse recht viel, dann kommt man mit weniger und ist zufrieden. Diese Vorlage wird nur eine neue im Gefolge haben — nach den nächsten Wahlen. Diese Vorlage ist die zweitgrößte, die wir seit Bestehen des Reiches haben. Sie kostet nicht 104 Millionen Mark, sondern 141 Millionen Mark. Was könnte man mit den Geldern anfangen, wenn uran sie für kulturelle Zwecke verwenden könnte. In der Kommission hat man den Kriegsminister geradezu aufge- fordert, mehr Soldaten zu fordern. Abg. Bassermann (Ntl.): Wir stimmen der Reso lution betreffend Ehrengerichte zu und ebenso den anderen Beschlüssen der Kommission. Der Aufwand für die Rüstun gen ist eine schwere Last, aber sie ist geboten, um den Frie den zu erhalten und so die Kultur zu schützen. Eine Miliz würde wesentlich teurer zu stehen kommen, aber sie wäre leine Fricdensgewähr. Unsere Friedensliebe ist bekannt. Die Armee darf nicht rasten; die Technik stellt stets neue Opfer. Weitergehende Wünsche auf Vermehrung will ich nicht weiter vortragen, aber das Parlament hat ein Recht, Kritik auch nach der Richtung zu üben, ob die Vorlage ge nug bietet. Wir behalten uns dieses Recht besonders vor. Die Deckung der Marinevorlage ist gegeben; sollten dir Gelder nicht ausreichen, so müssen die Vermögen und Erb schaften stärker herangezogen werden. Die Abrüstung bleibt ein schönes Problem; Frankreich rüstet immer mehr, trotz dem es viele Schwierigkeiten hat in seinem Bevölkerungs zustand. Der Friede der Welt ruht auf den deutschen Bajo netten: das mag sehr unangenehm und kostspielig sein; aber wir müssen diese Opfer bringen. (Beifall.) Abg. Dr. Wiemer (Vp.): Wir stimmen der Vorlage zu, können aber Mehrausgaben nicht zustimmen. Der Reichstag kann gewiß die ersten Neuforderuugen auf später verschieben; wenn aber dann kein Geld da ist, verzichtet die Militärverwaltung gewiß ni?.> auf die bewilligten Meyr- forderungen. Wir halten die einjährige Bewilligung für besser. Bedenken über dis Deckung muß mau haben. Wenn man keine Gelder hat, >'öui:>u die Veteran"» zu kurz kom men. Die Sparsamkeit in der Armee läßt noch manches zu wünschen übrig. Man könnte die Kavallerie erheblich herabsetzen. Die Frage der Abrüstung darf man nicht so leichthin abtun. Wir stimmen der Vorlage zu. Abg. v. Puttlitz (Kons.): Die Militärvorlagc hält sich in dem Nahmen des Notwendigen und entspricht der allgemeinen politischen Lage. Die Einmütigkeit der bür gerlichen Parteien wird in Deutschland freudig begrüßt wer den und im Auslande einen guten Eindruck machen. Abg. v. Liebert (Rp.) stimmt dem zu und polemi siert gegen dis Sozialdemokratie, die das Vaterland systema tisch untergrabe. Kriegsminister v. Heerin gen antwortet dem sozial demokratischen Redner. Unsere Soldaten sind heute so ge stellt, wie sie sein können. Fehler kommen vor, so lange temperamentvolle Menschen da sind. Alle Parteien sind da von überzeugt, daß ein schlagfertiges Heer absolut not wendig ist. Die Vorlage ist nicht reduziert worden, sie war nicht ein Betreiben des Augenblicks, sondern die Frucht jahrelanger Arbeit. Wir haben keine Lücken aufgemacht, sondern solche geschlossen. Eine Verminderung der Ka vallerie kann nicht in Betracht kommen. Die Luftschiffe helfen nichts, wenn es Nebel ist. Da können wir dann nicht sagen: „Bitte sehr, wir spielen heute nicht mit!" (Heiter keit.) Die Kosten der Landesverwaltung betragen bei uns 15,2 Prozent der Gesamtausgaben, in Frankreich 34 Pro zent. Wenn man unser Nationalvermögen zu 300 Milliar den berechnet, so betragen alle Kosten nur 1,64 pro Mille als Versicherungsprämie. Viele Ausgaben sind nur ein Durchgangsposten. Das Heer leistet dem Volke viel an Er ziehung. (Beifall.) Abg. Korfanty (Pole): Wir haben sehr schwere Be denken gegen die Vorlage und lehnen diese ab. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (W. Verg.) erklärt, der Vorlage zuzustimmen. Abg. Dr. Heim (Ztr.) fragt nach der finanziellen Deckung, die nicht erschöpfend gegeben sei. Keine Ausgabe ohne Deckung, sei die Parole sonst. In der Vorlage selbst sei aber diesmal nicht von der Deckung die Rede. Man kann nicht sagen, wir bewilligen, aber wollen keine neuen Steu- ern. Der Neichsschatzsekretär konnte über eine Deckung auch nichts bestimmtes sagen. Wie steht es mit der Auf- besserung der Mannschaften? Heute weiß niemand, was die Vorlage kostet. (Ledebour: Also lehnen Sie ab!) Seien Sie doch nicht so ungeduldig. Sie sind doch nicht mehr so jung. (Heiterkeit.) Seit Jahren höre ich von Ersparnissen, aber man sieht nichts davon, es kommt leider nie zum Sparen. Man täusche sich nicht. In der Heeresvermehrung ist auch eine starke persönliche Steuer enthalten. 10 000 Mann bedeuten 10 Millionen Mark Belastung der Volks wirtschaft und dies trägt fast nur die Landwirtschaft. Der Bauernstand muß die meisten Lasten tragen. Ich mache meine Abstimmung von der wirklichen Lösung der Deckung*- frage abhängig: ich stimme gegen die Vorlage. Abg. Noske (Soz.) polemisiert gegen den Abg. von Liebert. Nächste Sitzung Freitag: Fortsetzung. — Schluß 7 Uhr. Die namentliche Abstimmung sindet am Freitag statt. Sozialdemokratische Vibliotheksarbeit. Im heißen politischen Tageskampf gegen die Sozial demokratie und ihre Bestrebungen wird in der Regel, be sonders aber in den aufgeregten Zeiten, die einem Wahl kampfe vorausgehen, in erster Linie der zersetzenden Arbeit dieser Partei in der Tagespresse und der öffentlichen Reden in Versamiulungen und Parlamenten gedacht. Man ver gißt zu leicht ihre Betätigung auch auf andere» Gebieten, wo sie mindestens ebensoviel Unheil anrichten kann. So ist z. B. ihre Arbeit auf dem Gebiete der BildungS- bestrebungen verhältnismäßig wenig bisher beachtet wor den. Es ist das aber ein Fehler, der von schwerwiegendste» Folgen sein dürfte. Besonders in den letzten Jahren hat sich die Sozialdemokratie energisch der Bibliotheksfrage angenommen. Seit einem Jahrfünft ungefähr bemüht man sich auf sozialdemokratischer Seite mit allen Kräften, die bestehenden Bibliotheken auszubauen und überall neue einzurichten. Man hat die kleinen Bibliotheken zusammengelegt zu soge nannten Zentralbibliotheken. Ein Bildungsausschuß für die ganze Partei wurde ins Leben gerufen, der durch Musterverzeichuisse die Bibliotheksbewegung förderte. Welche Ausdehnung die Bewegung schon gewonnen Hai, ergibt sich aus den Antworten auf eine Rundfrage. Von 647 Bibliotheken haben 476 geantwortet. Diese verfügten über 385 805 Bücher und wiesen eine Ausleihe von 751 641 Bänden auf. In einzelnen Orten ist es in den letzten Jahren ganz gewaltig vorwärts gegangen. Der beste Be weis ist Leipzig. Es bestehen dort 64 Bibliotheken im Stadt- und Landbezirk. Während im Jahre 1906 ungefähr 20 000 Bände verliehen wurden, waren es 1907 schon 70 835 und 1908 wurden 121563 Bände ausgeliehen. <Äit vier Jahren hat sich also die Benutzung der Bibliotheken versiebenfacht. Damit ist Leipzig an die erste Stelle in bezug auf das Bibliothekswesen der Arbeiterorganisationen gerückt. Selbst die Berliner Organisationen haben in ihrer Gesamtheit keine so hohe Frequenz aufzuweisen. In Berlin sind rund 225 000 sozialdemokratisch Organi sierte. Von den 60 selbständigen Zweigvereinen besitzen 41 eine eigene Bücherei. Diese 41 Bibliotheken verfügten mit der der Arbeiterbildungsschule zusammen über 44 732 Bände, die insgesamt 126 918 Entleihungen im Jahre 1909 erzielten. In ganz besonderer Weise nimmt man sich auch der Heranwachsenden Jugend an. Die Ideen des Sozialismus werden ihr beigebracht durch das sozialdemokratische Lieder buch, das 30 000 Abnehmer fand, und durch die Zeitschrift „Arbeiterjugend", die alle 14 Tage erscheint und 64 000 Abonnenten hat. Dazu kommen dann noch die Jugend bibliotheken. Die Zentralstelle für die arbeitende Jugend hat einen „Katalog für Jugendbibliotheken" herausgegeben. In den Leipziger Bibliotheken sind fast überall eigene Jugendbibliotheken vorhanden, die von Tag zu Tag mehr benutzt werden. l Die Mittel, die den sozialdemokratischen Organi sationen zur Verfügung stehen, sind naturgemäß nicht sehr bedeutend. Sie müssen, von ganz wenigen Ausnahmen, von dem arbeitenden Volke aufgebracht werden. Und es bringt sie auf mit einem Idealismus, der für viele andere als Muster gelten kann. Wie schon oben bei Berlin gesagt wurde, brachten die 41 Organisationen 18 898 Mark auf. In dieser Zahl sind die Ausgaben für Einrichtungsgegenstände, wie Spinde und dergleichen, nicht einbegriffen. In der „Neuen Zeit" machte H. Schulz seinerzeit Mitteilung über die Auf- Wendungen der Sozialdemokratie für Bildungszwecke. Danach hatte Bremen den höchsten Etat. Leipzig brachte 10 810,83 Mark auf. In Kötzschenbroda, wo man bei Ein- Die Heilige Schrift im Lichte der neuesten Entdeckungen. Soeben läuft durch die Tagespresse die Nachricht von überraschenden Erfolgen der Ausgrabungen auf dem Boden des alten Samaria. Dieses alte Samaria — heute nach seiner Benennung unter römischer Herrschaft Sebastije ge heißen — War gegründet von dem König Omri (889 bis 887 v. Chr.), dem Vater des Königs Ahab von Israel. Jetzt Hat man auf seinem Boden mehrere Palastbauten e.ufgedeckt. die man ansetzt für die Zeit der Könige Omri, Ahab (877 bis 866/54) und Jerobeam II. (781 bis 740). In den aufgedeckten Schichten fand man nach der Mit- teilung des Entdeckers Lyon (vergl. den Bericht des Leip ziger Professors Kittel im „Theol. Literaturblatt" vom 3. Februar 1911) neben einer Alabastervase, die den Namen des ägyptischen Königs Osorkon ll. (874 bis 853) trägt, auch zahlreiche (75) beschriebene Tonscherben (Ostraka). Das Altertum benützte die Scherben eines zer brochenen Tongefäßes noch als Schreibmaterial des armen ManneS aus dem Volke. Gerade diese Tonscherben geben wegen der Schrift- Zeichen, die mit Tinte und Rohrfeder.aufgetragen sind, dem Funde seine gewaltige Bedeutung für die Bereicherung unserer Kenntnisse von den Kulturzuständen des alten Israel. Einmal bestätigen sie das Vorhandensein einer einheimischen Schrift, und zwar nicht bloß für die unmittel- bare Zeit, in der sie beschrieben wurden, sondern auch für frühere Zeiten. Denn wie der genannte Leipziger Gelehrte betont, ist die Verwendung des TonscherbenS als Schreib- uraterial nicht daS erste, sondern dem geht die Verwendung des Papyrus und der Tierhaut voraus. Zeigt die Schrift, wie der Entdecker sie beschreibt, einen stark kursiven Zug, viel stärker, als ihn die uns sonst bekannten Inschriften zeigen, so würde auch das auf eine lange vorausgehende Kenntnis der Schrift Hinweisen. „Weder die Schrift noch das Material: Tinte und Feder, sind dann um 900 erst auf gekommen. sondern sie setzen längere Uebung in Papyrus und damit ein größeres Schrifttum, das vor 900 liegt, jedenfalls für Kanaan, höchstwahrscheinlich aber auch für Israel voraus" (Kittel). Hat man aber im gemeinen Volke in Farbe und Schreibrohr sich geschäftliche Notizen über Wein- und Oellieferungen — denn davon erzählen die neuentdeckten Tonscherben — auf den Nächstliegenden Scherben, den man gerade zur Hand hatte, gemacht, dann ist es einfach selbstverständlich, daß man im Heiligen Lande lange vorher in althebräischer Schrift auch größere Ur- künden und Bücher geschrieben hat. Und nun halte man neben diese Tatsache die andere Tatsache, daß es bis vor gar nicht langer Zeit Bibelkritiker gegeben hat, welche mit ängstlicher Sorgfalt bemüht waren, jedes schriftliche Dokument dem alten Israel abzusprechen, die Kunst des Schreibens soll dort gar nicht bekannt ge wesen sein! Und das nur, um mit solchen Machtsprüchen ihre Theorien von einer möglichst späten Abfassung der Bücher des Alten Testamentes retten zu können. Mit all diesen Machtsprüchen ist es jetzt endgültig vorbei und für eine gewisse Beurteilung des Alten Testamentes, die nicht radikal genug sein konnte, hat die Zeit der Umwertung aller Werte begonnen. Betrifft diese Entdeckung das Alte Testament, so eine andere nicht minder bedeutsame das Neue Testament, be sonders die Beurteilung des JobanneS-Evan- geliumS. Dieses wurde von einer gewissen Kritik dem Apostel abgesprochen, nicht zuletzt aus dem Grunde, weil eS mit Begriffen arbeite wie Wahrheit, Glaube, Liebe. Hoffnung, Erkenntnis u. ä., die wohl begreiflich seien bei einem Manne, der die griechische Weisheit und die Ge danken der Gelehrten von Alexandria in Aegypten kenne, nicht aber bei einem Juden, der auf dem Boden Palästinas gelebt habe. Dieser stolze Bau hat sich als Kartenhaus erwiesen, das kläglich zusammengebrochen, seitdem vor zwei Jahren der Engländer Harris ein jüdisch-christliches Psalmbuch in syrischer Ucbersetzung neu entdeckt hat. Es enthält eine Sammlung von 42 Liedern (Oden) als „Oden Salomons" betitelt. Um die Bedeutung dieses Fundes zu erkennen, sei einmal aufmerksam gemacht auf die Zeit der Ab fassung dieser Lieder. Sie fallen nach den Angaben der Forscher, die sich bis jetzt mit den Oden befaßt haben, in die Zeit von zirka 50 v. Chr. bis zirka 67 n. Chr. (Harnack), also in die Zeit vor der Zerstörung des Tempels in Jeru salem. Als Ort, wo sie gedichtet wurden, kann nur Palä stina in Frage kommen. „Diese Oden können nicht nach Alexandria oder in die Diaspora (jüdische) versetzt wer den; sie atmen nicht gricchisch-philosophischen Geist, so gewiß sie von dem Griechischen nicht ganz unberührt sind." (Har nack, Ein jüdisch-christlicheS Psalmbuch aus dem ersten Jahrhundert, Leipzig 1910, S. 74). Nach andern (Grimme in Theologie und Glaube 1911, S. 13) hat der Dichter, der die Lieder in hebräischer Sprache gedichtet hat, in Palästina, wahrscheinlich sogar in Jerusalem gelebt. Wir befinden uns also in der Zeit deS jungen Christentums. Ein Christ hat diese Oden, die ihm wegen der darin ausgesprochenen mystischen Frömmigkeit gefielen, christlich überarbeitet; daS verraten die unstreitig in den Liedern enthaltenen christ lichen Elemente. Und jetzt zum Inhalt, der gerade dieser Entdeckung ihre unvergleichliche Bedeutung gibt, Diese LiebersamM"