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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 25. März 1911 Nr. 70 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 23. März 1 Uhr 26 Minuten. Es findet zunächst die namentliche Abstimmung über den Antrag der Freisinnigen betr. Nichtgewährung von Propogandageldern an politische Organisatio- n e n statt. — Der Antrag wird mit 137 gegen 130 Stimmen und eine Enthaltung abgelehnt. Es folgt die Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag, die Kaliabgaben alljährlich im Neichsetat für sozialpolitische Zwecke einzustellen. — Der Antrag wird mit 237 gegen 88 Stimmen abgelehnt. Nach Erledigung von Petitionen folgt der Kolo nial e t a t. Abg. Erzberger (Ztr.) bespricht die sinanzielle Entwicklung der Kolonien, welche einen Maßstab der wirt schaftlichen Entwicklung gibt. 3,7 Millionen Mark Zu schüsse werden weniger nötig. Scheidet Kiautschou ans, so fordert der Etat 18 Millionen Mark Zuschuß. Die Ein nahmen betragen 9,3 Millionen Mark, 20 Prozent bei 53 Millionen Mark, gegenüber 44 vom Jahre 1910. 25 Prozent der Ausgaben trägt das Reich, 75, Prozent bringen die Kolonien selber auf. Wir haben nur »och eine Kolonie, Neu-Guinea, die einen Zuschuß zu den Zivil- vcrwaltungsausgaben verlangt. Diese Kolonie erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie als aussichtsreichste Kolo nie anzusehen ist. Der Zuschuß von 8W000 Mark ist zu gering, durch eine große Summe könnte man mit einem Schlage eine erhebliche Förderung erzielen. Nur Ost- afrika, Südwestafrika und Kamerun erfordern Zuschüsse zu den Militärausgaben. Der Reichshaushalt muß auch hier entlastet werden, indem nicht bloß die Zivilausgabe», son der» auch die militärischen von den Kolonien selbst z» decken sind. Die neue Dislokation der Truppe» wird Ver ringerung der Militärlasten bringen. Es müssen zum Bei spiel die Wegearbeiten nicht verbucht werden beim außer ordentlichen Etat. 1912 sollen sie im ordentliche» Etat er scheinen. Der Ausgleichsfonds entwickelt sich günstig, ec ist eine Art Sparkasse von jetzt 8 Millionen Mark. Aber zn hoch darf er nicht anschwellen. Der Pensionsetat wächst rapide, besonders in Südwestafrika. Fast die Hälfte !""r Soldaten von 15,000, nämlich 7500, bezieht Pensicn :, rund 4 Millionen Mark Nentendrückerei muß allerdings vermiede» werden. Jedoch muß von Nachuntersuchnngen genügend Gebrauch gemacht werden. Der außerordent liche Etat verlangt 39 Millionen Mark Anleihen. Die Etats- ziffern beweise» die stete wirtschaftliche Entwicklung. Die Steuerlast ist nicht zn hoch. "Me Hauptsorge ist die Ein geborenenpolitik. Nur in Neu-Guinea gab es einen Zu sammenstoß zwischen Weißen und Eingeborenen. Ver hütungsmittel gegen Zusammenstöße sind Abgehen von Zwangsarbeit, die den Negern auserlegt werden. Besteue rung ist zulässig. Nur darf nicht die Existenz gefährdet werde». Aber Hüttensteuer und Zölle können eingeführt werden. Eingeborenenkommissäre sind ein weiteres Vor- deugungsmittel, die. imstande sind, entstehende Differenzen zu beseitigen. Wir sind hierbei zu Mehrausgaben bereit. Das Wirken der Mission ist hocherfreulich. Die staatlichen Behörden müssen Hand in Hand mit denselben gehen, denn der Missionar ist der treueste Helfer bei der Kulturarbeit Finanzielle Unterstützung ist natürlich, aber Land und Grund und Boden soll billig abgegeben werden. Die Weiße Bevölkerung hat de» Wunsch nach Selbstverlvaltnng, eine ganz berechtigte Forderung, bei der aber nicht schabloni- Iieit werden darf. Für Samoa und Südwestafrika ließe sich das machen. Selbstverwaltung hat Selbsterhaltung zur Voraussetzung. Der südwestafrikanische Landesrat hat sachlich und nützlich gearbeitet. Seine Beschlüsse und Wünsche sollen beim nächstjährigen Etat vorgelegt werden. Was ist geschehen, uni den Wunsch des Reichstages, die Gemeinden reichlich mit Land auszugestalten, zu erfüllen? Tie Errichtung einer kolonialen Hypothekenbank ist dringend wünschenswert. Es soll das ein staatliches, kein privates Institut sein. Für Südwestafrika dürften 2 Millionen Mark genügen. Für Grundstücke, die unbebaut zu Speku lationszwecken liegen gelassen werden, ist eine höhere Steuer zu erheben. Das ist erfreulicherweise geschehen. Die Beamtenauswahl ist wichtig und wird geschickter ge- handhabt. Das Kolonialbeamtengesetz bringt große Vor- Die Wurzeln der modernen Christ,isleuguung legt das glänzende inhaltreiche Buch des Würzburger Pro fessors Dr. Kiefl „Der geschichtliche Christus und dw moderne Philosophie" (Mainz 1911, Kirchheim) bloß. Kiefl nimmt eine AbreckmvMI mit der protestantischen Theologie vor, indem rr sie zur Selbstbesinnurig darüber aufruft, „was im bisherigen Entwicklungsgang der Leben-Jesu-Forschung wirkliches Ouellenergebnis ist und was dem wechselnden Weltbild der Zeitphilosophie angehört, und ob auf diesem Forschungsgebiete nicht Gedanken zur Herrschaft gelangt sind, die jenen Sternen gleichen, deren Licht, um ein Wort von Strauß umzukehren, in der Theologie noch leuchtet, während sic an ihrem ursprünglichen Standort bereits er loschen". (Vorwort.) So wird das Buch zu einem Abriß der Geschichte der protestantischen Theologie des 19. Jahr hunderts und deren Beeinflussung durch die Philosophie. Als vor Jahresfrist der Karlsruher Professor Drews seine Leugnung der geschichtlichen Existenz Christi ins Volk warf, ließ Harnack das unwillige Wort fallen, wenn zwei oder drei freie Kosaken über das Studium des Urchristen tums geraten und ein paar Aufsätze schreiben, könne man sicher sein, daß diese Mindestfordernden und Mindest- bietenden den ganzen Trott der deutschen Bildung hinter sich herziehen würden. Jetzt muh er sich sagen lassen, daß letzten Endes jener Ansturm erfolgte aus dem Gebiete heraus, welchem die moderne Theologie die mächtigsten Bollwerke innerhalb ihres eigensten Rayons bereits auSge- liefert habe, nämlich der neueren Philosophie seit Kant, welche stark an der Architektur der modernen Theologie be teile. Es ist wünschenswert, daß die Beamten möglichst etatsmäßig angestellt werden. Dadurch wird allzu rascher Wechsel vermieden. Aeußerst unangenehm ist die Frage der Nachverzollung. Eine Beruhigung der Kaufmannschaft muß herbeigeführt werden. Prinzipiell ist die Nachver zollung zulässig Protestieren muß man aber gegen den Eingriff in schwebende Prozesse von Berlin aus. (Leb haftes Hört! Hört!) Redner polemisiert lebhaft gegen die Stellung des früheren Staatssekretärs Dernburg zu dieser Angelegenheit. Die Eisenbahnpolitik erweist, daß 1907 und 1908 Bahnen bewilligt wurden, ohne daß genügende und erschöpfende Vorarbeiten gemacht waren. So hat man sich um 50 Kilometer geirrt, die weniger nötig sind. So etwas darf nicht mehr Vorkommen. Unter dem Regime Lindeguist möge» die Kolonien eine gedeihliche Entwicklung nehmen zum eigenen Wohle wie zum Wähle des ganzen Volkes. (Lebhaftes Bravo! in der Mitte und rechts.) Abg. Dr. Dröscher (Kons.): Aber den ganzen Kuchen hat mir der Vorredner aufgegessen. (Heiterkeit.) Ich wünsche die Verminderung der Truppen. Den aner kennenden Worten der Missionare stimme ich bei. Wir wünschen eine Trennung von Justiz und Verwaltung. Die Mittelbahn in Ostafrika muß an den Tanganikasee weiter geführt werden. Die Ausbeutung des Naturschatzes an: Natronsee mit 4000 Millionen Mark muß durch das deutsche Kapital erfolgen. Es geht vorwärts in unseren Kolonie». Hoffentlich kann der Staatssekretär noch recht lange die Verwaltung der Kolonien führen. (Beifall.) Abg. Ledebour (Soz.): Dröscher hat den Staats sekretär mit einem Kübel voll Lob überschüttet: aber so hält er es bei jedem Staatssekretär. Ich stehe mit nieinen Parteigenossen auf dem bisherigen Standpunkte in der Kolonialpolitik. Redner behandelt die Schießerei auf die Kasfern in Wilhelmstal recht breit. Abg. Dr. Goller (Vp.): Wir stehe» dem neuen Staatssekretär mit demselben Wohlwollen gegenüber wie seinem Vorgänger. Abg. Dr. Paasche (Natl.): Man soll im Lob des Staatssekretärs Dernburg nicht zu weit gehen. Wer in den Kolonien Geld verdient, soll nicht sofort hohe Steuern zahlen müssen. Man ebne dem Kapital den Weg, niache nicht so viele Schwierigkeiten. Abg. Dr. Liebert (Np.) fordert Ausbau der ost- afrikanischen Mittelbahn bis an den Tanganikasee, um das Katangagebiet schnell zu erreichen. Man kan» die Hütten steuer erhöhen oder eine Kopfsteuer erheben. Abg. Noske (Soz.) kommt auf die Spekulation der Togogesellschaft zu sprechen. Das Hans tagt bei Abgang der Züge weiter. Die Heerschau der sächsischen Landwirte. Dresden, den 24 März 191 >. Die Landesversaminlung des Bundes der Landwirte im Königreiche Sachsen tagte gestern nachm, von s/22 Uhr an im großen Saale des Tivoli. Der weite Raum mochte von über 2000 Vertretern der sächsischen Landwirtsckiaft be setzt fein, unter denen man auch Staatsminister Dr. v. Otto. Staatsminister a. D. v. Metzsch-Reichenbach und zahlreiche sächsische Landtagsabgeordnete bemerkte. Der Landes delegierte Geh. Oekonomierat A n d r ä - Brannsdorf er- öffnete die Versammlung mit begrüßenden Worten, um dann auf die günstiger gewordene wirtsclxiftliche Lage in Deutschland hinznweisen. Industrie und Landwirtschaft bewegten sich in aufstcigei der Richtung, trotzdem herrsche eine allgemeine Unzufriede! heit und die Sozialdemokratie erhebe mehr als je ihr Haupt. Im Gegensätze zu der Agitationsweise der liber >en Parteien hätten die Land wirte jederzeit einv'andfkei oagestanden und die Einfachheit und der christliche Sinn, der vor 40 Jahren bei der Be gründung des Deutschen Reiches auch in den höheren Stän den zu finden gewesen fei, könne man auch jetzt noch bei der Landwirtschaft konstatiere!'. TSr Redner wies weiter darauf hin, daß die sächsische Staatsregierung sehr gute Maßnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauen seuche auf dem Lande getroffen habe, daß jedoch die Be stimmungen für die Schlachthöfe in dieser Beziehung noch sehr lückenhaft seien. Auch die Maßnahmen Preußens ließen sehr viel zu wünschen übrig. Ferner protestierte er noch gegen einige Aeußerungen des Geh. Rates Rieser in teiligt ist. „Die (protestantische) moderne Theologie hat insofern kein Recht, sich über Drews, den Eindringling und Dilettanten, zu beklagen, als der ganze Forschungszweig, den das letzte Jahrhundert zuerst als Leben-Jesu-Literatuc und schließlich als Probleme aus dem Leben Jesu hervor gebracht hat, in weitestgehendem Maße niit philosophischen Theorien gearbeitet hat." (S. 213.) Ausgangspunkt der Leugnung der geschichtlichen Existenz Christi ist die Scheidung zwischen dem geschicht lichen und dogmatischen Christus, wie sie zuerst von Spi noza ausgesprochen, dann von dem als „Philosoph des Protestantismus" gefeierten Kant ausgenommen wurde. Ist hier der Leitgedanke die Selbstgesetzgebung der mensch lichen Vernunft, so fällt damit die Abhängigkeit des Men schen von Gott und damit natürlich auch die Erlösung der Menschheit durch Christus: es bleibt nur eine Selbsterlösung des Menschen. Wohin solche Gedanken führen, zeigt das Wort des Protestanten Tieftrunk: „Wir sind Götter von unbedingter Freiheit und Selbstgesetzgebung. nur dem Grade, nicht dem Wesen nach von Gott der obersten Intelli genz verschieden." Was heute ini Gewand der Mythentheorie auftritt und das Leben Jesu als Werk der dichtenden Volkssage er klärt, das war im Grunde damit scl>o» gegeben. „Der historische Jesus wird als unerkennbar und unwesentlich in den Hintergrund geschoben: an den biblischen Texten wird, was sich ästhetisch nachempfinden läßt, als Symbol, als Ahnung höherer Wahrheit verehrt, das übrige als wert lose Hülse weggeworfen." (S. 9.) Zur vollen Streichung Jesu aus der Geschichte war der Weg gebahnt, als in der Philosophie eine fortschreitende Entwertung des Persönlichkeitsbegriffes die Herrschaft ge einer Dresdner Versammlung des Hansabundes, die sich gegen den Bund der Landwirte gerichtet hatten. Dann teilte Redner mit, daß sich die Mitgliederzahl von 29 578 auf 30 031 gehoben und daß an die Bundeskasse nach Ber lin im letzte» Jahre 104 551,80 Mark abgeliefert worden seien. Die Rede schloß mit einem dreifachen Hoch auf Kaiser Wilhelm II. und König Friedrich August. An zweiter Stelle sprach Chefredakteur Dr. Oerte! über schwere Kämpfe und hohe Ziele. Er betonte, daß das neue Wahlrecht für Sachsen schwere Enttäuschungen ge bracht habe, denn mehr als 25 Sozialdemokraten hätten ihren Einzug in den sächsischen Landtag gehalten. Er warne davor, Zugeständnisse nach links im Landtage zrt machen und widmete dann dem aus dem Staatsdienste ge schiedenen Jinanzminister Dr. v. Rüger, um den man uns in Preußen beneidet habe, anerkennende Worte. Weiter begründete er seinen Artikel in der „Deutschen Tages zeitung" über den neuen Kurs in Sachsen und betonte, daß eine kraftvolle Negierung die echten Grundsätze der StaatS- erhaltung nicht verleugne» und keine Zugeständnisse an den Radikalismus machen dürfe. Ferner besprach er die Ein führung der französischen Ochsen und die Aushebung des Schächtverbotes in Sachsen, den Rücktritt des Fürsten Bülow und dir Verfassungsfrage in Elsaß-Lothringen. Dann besprach er die Stellung des Bundes der Landwirts zu den übrigen Parteien und hob hervor, daß z. B das Zentrum oft sehr gute Wirtschaftspolitik gemacht habe und eine nationale Partei sei. Deshalb könne er sich nicht! für eine Ausschaltung des Zentrums erklären. Ganz ent schieden müsse er aber gegen das Hinausspielen der poli tischen Kämpfe ans das konfessionelle Gebiet protestieren« Man werde ihm jetzt nachsagen, daß er ein Schleppenträger des Zentrums sei. Schließlich sei es aber immer noch besser, dem Zentrum die Schleppe zn tragen, als de» Herren Bebel und Ledebour den roten Mantel nmzuhängen. (Lebhaftes Bravo!) Bei dem Zusammengehen mit den Nationallibe- ralen in der Stichwahl empfehle er die größte Vorsicht: und wenn sich Freisinn und Sozialdemokratie in der Stich wahl gegenüber ständen, dann sei es wohl am besten, wenn die rechtsstehenden Parteien Gewehr bei Fuß ständen. Weiter wandte sich der Redner noch gegen den Hansa- und Bauernbund und hob hervor, daß Konservative und Land wirte unter keine» Umständen sozialdemokratische Stimmen abgeben dürften und daß sie jederzeit für die unbedingte Sicherung der Monarchie eintreten würden. Auch der nächste Redner, Freih. v. Wangen heim st le 1 nspiegel besprach den bevorstehenden Kampf um die nächsten NeichstagsNxchlen und trat für eine Verbesse rung des Zolltarifes zugunsten der Landwirtschaft sowie für eine Kultur der Oedländereien ein, durch die noch über 30 Millionen Menschen mit Brot und Fleisch versorgt wer den könnten. Ferner wünschte er eine Verständigung zwischen Industrie und Landwirtschaft, da beide gemein same Interessen hätten. Auch sprach er die Hoffnung aus, daß in Zukunft in der deutschen Sozialpolitik ein etwas mäßigeres Tempo eingeschlagen werden möchte. Die Ver sammlung nahm einstimmig folgende Resolution an: „Die Landesversammlung des Bundes der Landwirts bedauert lebhaft die Vertiefung der Gegensätze zwischen den staatserhaltenden Parteien. Sie verurteilt entschieden dis Hetze gegen die Parteien, die sich durch die unbedingt nötige und, wie die Entwicklung bezeigt hat, ersprießliche Re form der Neichsfinanzen ein unbestreitbares Verdienst er worben haben. Sie mißbilligt die Agitation und Arbeir des Hansabundes und des liberalen Bauernbundes, von denen jener Gegensätze zwischen Industrie und Landwirt sckiaft zu schaffen und zu vertiefen bemüht ist, nüihrend dieser die mühsam errungene Einigkeit innerhalb der Landwirt schaft stört. Die Landesversammlung ist nach wie vor be reit zn gemeinsamer Arbeit mit allen schaffenden Ständen und allen wahrhaft nationalen Parteien. Sie hofft, daß angesichts der Stärke und der wachsenden Keckheit des ge meinsamen Gegners eine Eingang jener Stände und Par teien noch in letzter Stunde erreicht werde und zwar auf Grund folgender Forderungen: 1. Fortführung einer nationalen und wirtschaftlichen. Heimatspolitik nach dem Grundsätze der Gleichberechtigung. 2. Aufrechterhaltung und Ausbau des Zollschutzes unter Wahrung der Parität zwischen Landwirtschaft und In dustrie. wann: Was heute alle Welt im Marxismus sieht, über tragen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Menschheit, die Auffassung, daß der einzelne nichts ist, daß aber das Ganze, die Masse der Träger der Entwicklung sei — das ist der Gedanke Hegels, der auf die Religion ange wendet, diese als ein Erzeugnis der Masseninstinkte er scheinen läßt, wie es erst vor kurzem in dem Buche von Völlers über „die Weltreligion in ihrem geschichtlichen Zu sammenhang" (Jena 1907) ausgesprochen wurde, das uns in Drews Buch „Christusmythe" oft genug als Quelle be gegnet. Woher stammt dann nach diesem Hegelschen Gedanken das Bild Jesu? Es kann gar nichts anderes sein als ein Mythus. Wenn Hegel den Satz ausspricht: „Der Mythus, auf einem bestimmten Punkte seiner Entwicklung ange langt, auf welchem das erste Morgenrot der Gottmensch heitsidee aufleuchtet, muß mit innerer Notwendigkeit diese Idee in einem Individuum anschauen, auf eine Einzel- Persönlichkeit hinausprojizieren: nicht die von einer ge schichtlichen Persönlichkeit ausgehenden Wirkungen sind es, welche durch Vergrößerung zum Mythus anwachsen, son dern die innere Notwendigkeit der Entwicklung schafft den Kern der Christusidee": so ist damit das Programm für die Drewssche „Christusmythe" gegeben (vergt. S. 96). Der Bremer Pastor und Monistenhäuptling Kalthoff hat> dann noch vor Drews diese Hegelschen Gedanken zu EndS gedacht, indem er alle großen Männer, vor allem Christus natürlich, aus der Weltgeschichte strich. Was hat nun solchen Angreifern gegenüber die prote stantische Theologie, die noch den geschichtlicl>en JesuS fest» halten will, zu erwidern? Was bleibt ihr überhaupt nochj in den Händen, wenn sie das Wunder aus dem Leben Jes>1