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Beilage z« Nr. IS« der „Sächsischen Volkszeitung" vom IS. Juli IVOS. Aus Stadt und Land. —* Sozialer Ferienkursus. Für den sozia len JerienkursuS, den in den Tagen vom 8. bis 19. Augu>1 der Voltsverein für das katholische Deutschland in M.-Glad- bach veranstaltet, wird soeben das Programm veröffentlicht. Pon den zu haltenden Vorträgen sind die einleitenden der Entwickelung und Lage der heutigen volkswirtschaftlichen Verhältnisse im allgenieinen gewidmet. Im Anschluß daran sollen die wirtscliastlichen Verhältnisse in einzelnen Erwerbs zweigen und die Reformbestrebungen besprochen werden. Es tverden dabei insbesondere die vorliegenden Mißstände und die in nächster Zukunft zu vollziehenden Maßnahme» praktiscl-er Resormarbeit erörtert, und zwar für die vier l-auptsächlichsten Ertverbsstände: Arbeiter, Handwerker. Landwirte, kaufmännische lilewerktreibende. Unter den Na men „Soziale Kultnrfragen" sollen sonstige wichtige Reform- bestrebnngen zur materiellen, geistigen und sittlich-religivsen Hebung sämtlicher Vernss- und Erwerbsztveige dargelegt werden. So unter anderem: Volksbildungsbestrebnngeu (Bibliothek-, Kolportageivesen), die Mäßigkeitsbewegung und die Wohnungsfrage. Aus dem Gebiete der sozialisti- scheu Theorien werden der Marxismus und der Revisionis mus eingel-end behandelt tverden, woran sich dann eine Kri tik des sozialistisck-en Wirtschaftssystems schließt. Dankbar wird man es begrüßen, daß das Programm auch eine Be handlung der sozialen und clzaritativen Ausgaben der christ- liclten Frauenbewegung vorsieht. Dadurch wird den Mitglie dern des katholischen Frauenbundes vor allem auch Gelegen heit geboten, sich mit den aktuellen Fragen des sozialen Le bens insoweit vertrant zu macl)en, daß sie ans sozialem und charilativem (Gebiete mit nachhaltigem Erfolge tätig sein können. Im allgemeinen finden täglich zwei Vorträge vor mittags und ein Vortrag nachmittags statt. An die meisten Vorträge schließt sich eine Diskussion an, die insbesondere die Anßspräche über die Inangriffnahme praktischer sozialer Maßnahmen herbeisnhren soll. Interessenten wird das detaillierte Programm mit den sonstigen Bedingungen znm Besuch des Kursus von der Zentralstelle des Volksvereins zu M.-Gladbach gern zngesandt. * Eine» glänzenden Verlauf nahm das So in in er - fest i m P a l a i s g a r t e n am 9. Juli. Das Fest begann um .'i Uhr mit einem Promeuadenkonzert zweier Militär kapellen. Tie Torwache am Parkeingange trug die Uni- - u m der Zeit Augusts des Starken. Die Produktionen des Turnvereins für Neu- und Antonstadt begannen um 5 Uhr. Die Gabenlotterie tvar reich beschickt und für die Kinder gab es Kasperletheater und andere Belustigungen. Ui» ^,0 Uhr begannen die Vorstellungen der Freien Bühne. Dana folgten Vorträge des Dresdner Männergesangvereins, während in den Pansen die Tnrnvorstellimgen fortgesetzt wurden. Mit einem Kinderlampionzng und einer groß artigen Illumination des Garten» endete das schöne Otar- tensest, welclzes von 8- 9000 Menschen besucht war und voraussichtlich dem Fonds der Prinz Iolzann Georg-Stif tung einen bedeutenden Ertrag gebracht haben dürste. Meiße«. Dem hiesigen Kirchenchor war es wohl zu gönnen, daß er, der sich während des Jahres unter Leitung des Herrn Oberlehrers Schönselder so redlich Mühe gibt, den Gottesdienst zu verschönern, sich auch einmal eine gemeins.rme'Freude gönnte. Gewiß werden alle die. welche bet der Partie waren, den gestrigen Au-flug in den Wald friede» bei Moritzburg als einen höchst genußreichen in angenehmster Erinnerung behalten. Mit Freuden haben wir die Anteilnahme mancher lieber Mitglieder des hiesigen kath. Männergesangvereins begrüßt. Riesa. Die Stadlgemeinde beabsichtigt, auf dem 90 000 Ouadratmeter großen früheren Pfarrlehngrnndstück Fami liengärten anzulegen, wenn sich genügende Beteiligung sin- det. Auch die Anlage eines Kinderspielplatzes auf dem glei- cl-en (Grundstück ist geplant. ! Leipzig. Den Deutschen Steherpreis ans dem Leip- ziger Sportplatz im Stnndenfahren mit Motorführung ge- loann am Sonntag .Hermann Przyrembel-Berlin. Er legte 75 Klm. l>90 Mir. zurück. Zweiter wurde Henry Bäcker- Tortmund, Dritter Artur Stellbrink-Berlin, Vierter Bruno Salzmann-Heidelberg. Preise: 800, 000, 400 und 000 Mark. - In hiesigen Badeanstalten sind in letzter Zeit mehrfach Tascheudiebstähle ausgeführt worden. Gestern ist es gelungen, einen stellenlosen Handlungsgehilfen in einer Badeanstalt in flagranti zu erwischen. Es konnten ihm noch 5 andere ähnliclre Diebstähle nachgewiesen tverden, bei denen ihm Beträge bis zu 00 Mark in die Hände fielen. In der letzten Stadtverorduetensitzung überreichte der Rat de» Stadtverordneten das „Stiftnngsbnch der Stadt Leipzig", eine Arbeit, die 10 Jahre in Anspruch genomnien hat. In dem Buche sind sämtliche in der Zeit von 1221 bis 1902 den Klöstern, dem Leipziger Rat oder den von ihm verwalteten beztv. mit ihm in irgend welcl-en Zusammen hänge stehenden Anstalten und Stiftungen und die den später einverleibteit Gemeinden zugewiesenen Vermächtnisse und Geschenke enthalten. Sie ergeben den Gesamtbetrag von 28 400 000 Mark. — Am Sonnabend wurde in Gegen wart des Ministerialdirektors theh. Rates Dr. Warntig- Tresden das Neue Physikalische Institut der Universität Leipzig eingeweiht, das zur Ausnahme des Physikalischen und des Theoretisch physikalisckzen Instituts bestimmt ist. Professor Dr. Wiesner hielt die Festrede. Plauen i. B. Fünf Assistenzärzte von der Universität Leipzig waren anläßlich der Hinrichtung des Raubmörders Nkmnanu hier eingetroffen um Experimente an dem Kopfe de» Enthaupteten vorznnehmen. Oberstaatsanwalt Beutler erteilte jedoch hierzu keine Erlaubnis, weil solche Verrich- tungen mit der Würde der Vollstreckung eines Gerichtsurteils nicht im Einklang ständen und das Gefühl der Zeugen dieses grausigen Aktes verletzt würde. Pirna. Das große Vogelschießen findet am 10., 17. und 18. Juli auf den Elbwiesen statt. Ehcmnitz. (Drittes sächsisches Kreisturnfest.) Der Festzng findet Sonntag, den 10. Juli, mittags 1 Uhr statt. Er wird wohl der größte werden, den die Turner SaMens je veranstaltet haben. Fünf Stellplätze sind aus- erschen, von denen die einzelnen Abteilungen nach einem Vereinigungspnnkte marschieren, um dann in geschlossenen Reihen die festlich geschmückte Stadt hindurch nach dem Fest platze zu ziehen. 20 Musilkorps sind im Zuge verteilt. Vom Hotel znm römisck-en Kaiser am Hauptmarkt aus wird Se. Königliche Hoheit Prinz Johann Georg die Huldigung der Turner entgegcnnehmen. Kliuzenthal. Sonnabend ist das Geschäfts- und Wohn haus von Bernhard Glaß vollständig niedergebronut. Im Hanse befand sich auch das Herren-KonfektionS-Grschäft von Günnel.' Falkriistein. In der Stickereiindustrie in Jalkenstein, die monatelang zu wünschen übrig ließ, hat ein flotter Geschäftsgang Platz gegriffen. Alle Maschinen sind voll be- schistigt und es wird teilweise mit Ueberstnnden gearbeitet, um die Aufträge erledigen zu können. Die gekürzten Löhne erfahren jedoch keine Besserung. Die Nachfrage nach Arbeits kräften ist eine rege. Bautzen. Das Lausitzer Mnsikfest erfordert bei einer Einnahme von 5001 Mk. an Eintrittsgeldern ?c. einen Zuschuß pon 2510 Mk. Hiervon sind durch persönliche Zuwendungen bereits 1015 Mk. aufgebracht, während der Rest durch 50 Prvz. des Garanticsonds gedeckt wird. GcrSdorf. Der hier am vergangenen Sonntag statt- gesnndene Sängertag des VI. Kreises de« Ober- hausitzer Sängerbundes hatte insofern erhöhte Be deutung, als wir die Ehre hatten, den Vorstand des Ober lausitzer Sängerbundes in unserer Milte zu begrüßen, nämlich die Herren Werner und Wenzel. Znm Schlüße gab ersterer seiner Freude über das gute Gelingen der Ausführung beredten Ausdruck. Doch mußte er die be dauerliche Tatsache berühren, daß siarke Lbcrlansitzer Gesangvereine wie Pulsnitz, Großröhrsdors und Königsbrück nicht soviel LokalpatriotiSmns und Svli- daritätSgefühl haben, ihre Mannen unserem Bunde znzu- führen. Ihr Abgang schwächt unsere Reihen, nützt aber dem an sich schon starken Elbgan-Sängerbund wenig. Wer weiß, ob sie sich jenseits des roten Kartenstrichs jener Würdigung und Wertschätzung erfreuen, die ihnen seitens ihrer Oberlansitzer Brüder zuteil wurde. Vielleicht bringt die Zukunft eine Wendung zum Besseren. Wollen cs hoffen! Auch ans eine Nengeslaltiing der Kreissängertage wies der Vorsitzende hin. Unter den jetzt bestehenden Verhältnissen kann die rechte Pflege und das hohe Ziel des edlen MänncrgesangeS nicht erreicht werden. Die Delegiertenversammlungen werden sich damit zu befassen haben. Mit einem herzlichen „Grüß Gott!" verabschiedete sich der Vorstand von seinem eutlegenslen Kreise, in welches die Sänger begeisternd einficlen. Vereinsnachrichren. H DreSden-N. Der Ncnslädter Bezirk des Volks vereins für das katholische Deutschland hält Donnerstag, den 10. Juli eine zwanglose, gemütliche Zusammenkunft im Garten des Neustädtcr Kasinos. Königstraßc 15, ab. — 4 — binden, damit er baldigst dem Haufen »achreiten könne. Das hat der Wächter getan, aber fragt nicht, mit welch grausigem Herzklopfen. Währenddessen er- zählt ihm der Unhold, er sei von Beringen und reite mit dem wilden Heer. Der Hans Tröscher ist ganze 10 Wochen krank gewesen. Und das ist auch wahrlich nicht zu verwundern. So könnte man noch vieles von Beringen erzählen, aber es ist Zeit, daß wir unsere Geschichte beginnen, die leider wxrhrer ist als die Erzählung vom.Hans Dröscher. Am oberen Ende des Städtckzens, nahe bei der murmelnden Lanchrt, die hier einen großmächtigen Anlauf macht, wichtig zu tun, indem sie mehrere Ins; tief herabfällt, tvas zahlreiche Enten und Ginse nicht ablzölt, schnatternd, schier wie todesverachtend, sich auf dem Wasser herumzntnmmeln, lag dicht an die starke Stadtnmuer angedrückt, ein kleines, einschichiges Häuschen. Fenster vorhänge kannten die Bewohner von Beringen noch nicht, dagegen standen vor den blanken Schüben allerlei und wohlgepflegte Blumen, teils in Selber- ben, wie mau die irdenen Blumentöpfe kurzweg ncuut — vielleicht weil sie doch selten lange ganz bleiben — teils in -Holzkisten. In diesem Häuschen wohnte die Witwe Anna Köhler, kurzweg die Baderann geheißen. Die etwa 00 jährige Frau stand gerade an ihrem ärmlich» Herd und kochte etwas. Eine Speise für eine der Tagesmahlzeiten tvar es nicht, sondern ein Tränklein für ein Krankes, ob jung, ob alt, ob Weib, ob Mann, selbst einem Kalb oder einen; jungen Roß l)ätte es »ich geschadet. Aber es tvar unklug von der Baderann, daß sie das nicht lassen konnte. Die Baderann wußte entschieden etwas mehr als die meisten anderen Veringer und Veringerinncn, Badern, das .Hantieren mit Salben, Kräutern und Trän ken, aber Nutzeit brachte ihr das nicht, denn die Dankbarkeit ist ein so seltenes Kräutlein, daß es wenigen Glückskindern beschieden ist, es zu finden. Und ein Glückskind war die 2taderann sicher nie getvesen, nvnigstens nie lange lind nie ganz. Die Baderann hatte von vornherein einen Kapitalfehler an sich, den sie nie wieder gut machen konnte. Sie tvar erstens nicht in Beringen, nicht mal in der Grafschft — und da die mehrere Stunden im Umfang lxitte. tväre dock; Platz genug gewesen — geboren und lxttte trotzdem einer; Veringer geheiratet, ja sie liätte sogar zwei Veringer heiraten können, den einen aber schlanktveg ausgschagen, wodurch ihr Kapitalfehler eher größer als kleiner geworden. Wiewohl sie nun schon niehr als dreißig Jahre hier lebte, war und blieb sie für die Vehringer frenid. Und daran änderte auch der Umstand nichts, daß sie vier echte, rechte Veringer Kinder gehabt, denen kein Mensch ansah, daß ihre Mutter eine Fremde sei. Zwei von den Vieren lagen auf dem Gottesacker, dort drüben bei der Dillstetter Kapelle, neben ihrem Mann, den; Kohlbader, tvie die Vernier ihn genannt. Zwei von den vier befanden sich noch an« Leben, und die waren so schmuck und brav, als müßten sie es fiir alle vier sein. Auf den; Gesicht der Baderann lag ein harter Zug. Einst mußte es nich nur frisch und jugendlich, sondern sogar ansprechend und hübsch gewesen sein. Nun hatten, mehr noch als die strenge Runzelzeichnerin Zeit, Sorge, menschliche Lieblosigkeit und freudlose Tage, die auf die Menschn einwirken wie sonnenlose Winterszeit auf die Natur — sie schläfern beide dm Lebensmut und den LebsnStrieb ein — Runen geschaffen, mr» denen Wissende vieles Trübe und Ernste zu lesen verstehen. vie hexe von Oenngen. Eine kulturgeschichtliche Erzählung aus den hoheuzollerischeu Laude». Von Ernst Hetlinger. Feuillcton-Beilagc der „Sächisch; Bolkszeitnng". 'Ä