Volltext Seite (XML)
und eine Resolution angenommen wurde, in der die Ver sammlung erklärt, Serbien wünsche auch fernerhin keine Verwickelung im europäischen Orient heraufzubeschwören, es könne aber gegenüber der für die Slaven gefahrdrohenden Lage in Mazedonien und Altserbien nicht gleichgültig bleiben. Es halte dafür, daß die Herstellung der Ordnung in Mazedonien am besten erreichbar sei, wenn mit der- selben, unter Wahrung der Souveränetät des Sultans, die interessierten Balkanstaaten betraut würden, von denen jedem nach erzieltem Einvernehmen seine Rolle in dieser Angelegenheit zugewiesen würde. Mit dem Aufträge, für die Verwirklichung der Resolution Sorge zu tragen, wurde ein besonderer Ausschuß betraut. — Der König empfing eine Abordnung hier garni- sanierender Offiziere. Ans die Ansprache des Wortführers derselben, welcher die Notwendigkeit eines guten Einver nehmens zwischen König und Offizieren betonte, erwiderte der König, es sei abgesehen hiervon auch wichtig, daß die Offiziere unter einander einig seien. Hierauf stellte der König den Kronprinzen den jüngeren Offizieren als ihren Kameraden vor und knüpfte hieran die Worte: „Wir Alten werden die Lebensbühne vor Euch verlassen. Ihr bildet die Zukunft Serbiens und des Serbeutums. Deshalb liebet Euch und lebet in Eintracht." (Sehr gut! ob es aber geschieht?) Ans Stadt und Land. Dresden, den 1. September >903. * Se. Majestät der Kaiser traf Dienstag nicht 2,30, sondern erst 5,15 in Dresden ein, da er durch die Parade des Gardekorps abgehalten war. An seiner Stelle besuchte der Deutsche Kronprinz, der vormittags eingetroffeu war. um Nhr die deutsche Städte-Ausstellung. Im Laufe des Vormittags kamen auch Ihre Königl. Hoheiten der Grohherzog und die Großherzogin von Sachsen-Weimar an. Dieselben wurden am Bahnhof durch Se. Majestät den König, den Kronprinzen, den Prinzen und die Frau Prin zessin Johann Georg begrüßt und nach dem Kgl. Schlosse geleitet, wo ein Empfang durch die Herren vom Kgl. Dienst stattfand. Die höchsten Herrschaften nahmen im Kgl. Palais am Taschenberge Quartier. Im Gefolge des Kronprinzen befanden sich Hofmarschall von Trotha, die persönlichen Adjutanten Major von Oppen und Oberleut nant von Stülpnagel. Als Ehrendienst sind befehligt: der Kommandeur der 3. Infanterie-Brigade Nr. 47, General major von Crieger, und Oberleutnant von Ehrenstein vom 2. Grenadier-Regiment Nr. 101. — Nachmittags 2,23 Uhr traf auf dem Nenstädter Bahnhof ein Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogtums Braunschweig, mit Gefolge. Er wurde im Allerhöchsten Aufträge am Bahn- Hofe von Zeremonienmeister Grasen von Rex und im Residenzschlosse vom Kgl. Hansmarschall Wirkt. Geh. Rat von Earlowitz, Exzellenz, empfangen. Se. Königl. Hoheit hat im Nesidenzschlosse, 1. Etage, Wohnung genommen. — Um 6 Uhr findet bei Se. Maj. dein Könige im Bankett saale des Residenzschlosses Königl. Tafel statt, an welcher Sr. Maj. der Kaiser und die übrigen hier anwesenden fremden Fürstlichkeiten mit Suiten, sowie die als Gäste Se. Maj. des Königs in Dresden befindlichen preußischen Generäle :c. teilnehmen werden. Der Tafel folgt um 3 Uhr eine Vorstellung im Königl. Opernhanse und abends 9 Uhr der Zapfenstreich auf dem Theaterplatze, welchem die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften von der Exedra des Hoftheaters aus beiwohnen werden. * Se. Maj. der König besichtigte Montag nachmittag in Begleitung des diensthabenden Adjutanten das Bismarck- Denkmal. Bei seiner Ankunft wie bei der Weiterfahrt be grüßte die sich sofort ansauunelude Volksmenge den Mo narchen ans das lebhafteste. Dem Schöpfer des Bismarck- Denkmals, Robert Diez, Professor an der Akademie der bildenden Künste, hat Se. Maj. das Komthnrkrenz 2. Klasse vom Albrechtsorden verliehen. * Znm Empfange Sr. Majestät des Kaisers hat sich die Deutsche Städteausstellung in stimmungsvollen Fest- schmnck gekleidet. Der dekorative Schmuck der Kuppelhalle an der Stübel-Allee und des Hauptsaales beschränkt sich auf eine verständnisvolle, der Architektur und der Farben tönnng beider Räume entsprechende Verwendung von Blatt- pflanzengrnppen und wirkt in seiner Einfachheit würdig und vornehm. Ein mächtiges schwarz-weiß-rotes Banner hängt über dem Eingang znm Hauptsaale von der Galerie des Knppelsaales herab. Einen gleich angenehmen und vornehmen Eindruck bringt auf den Beschauer der Ehrenhof hervor, der vor dem Nordportal des Ansstellnngspalastes errichtet worden ist. Die Kuppel des Triumphbogens, der als Unterfahrt hergestellt worden ist. ruht auf mit Taimen- grün umkleideten, kräftigen viereckigen Säulen, die ihrer seits ans weißen Postamenten stehen und zeigen somit in ungezwungener Weise die Landesfarben Sachsens. Die Klippel des Pavillons leuchtet in dnnkelrotem Sammet und trägt auf ihrer Spitze eine goldene Kaiserkrone, während rnndgeschnittene Lorbeerbäume die Kuppel umgeben. Jni Innern ist die Decke des Pavillons rot und weiß aus geschlagen. Zwei dnnkelrote Sammetbaldachine von Lanzen gehalten, schmücken die Seiteneingänge. Gegen den Park zu ist der Platz vor dem Portal auf jeder Seite des letzteren durch eine Reihe von fünf Bogen im Stile des Ansstellnngs palastes abgeschlossen, die ihrerseits in einer geschwungenen Linie das Portal mit dem Umfassnngsgitter des Aus- stellnngsparkes verbinden. Auch dieses Bauwerk ist mit Tannengrün bekleidet und trägt ebenfalls eine Reihe von kugelförmig geschnittenen Lorbeerbäumen. Die geschmack volle Dekoration ist auf Anregung des Vorsitzenden des Festausschusses Herrn Stadtrat Königl. Baurat Adam von den Architekten Rose und Röhle entworfen und von Herrn Baumeister Pusch ansgesührt worden. * Anläßlich der Mittwoch, den 2. September d. I., stattfindenden Kaiserparade auf dem Schießplätze zu Zeithain wird die Sächsisch-Böhmische Dampfschiffahrts- gescllschast folgende Sonderfahrten ausführen lassen: Ab Dresden talwärts früh 5 Uhr nach allen Stationen bis Meißen, Ankunft 6 Uhr 35 Min. (im Anschluß an die Fahrt 6 Uhr 45 Min. vormittags ab Meißen nach allen Stationen bis Riesa; in umgekehrter Richtung verkehrt außer den Planmäßigen Schiffen nachmittags 3 Uhr ein Sonderschiff ab Riesa nach allen Stationen bis Meißen im Anschluß an Fahrt Nr. 87, abends 6 Uhr ab Meißen nach Dresden. * Se. Königl. Hoheit der Prinz Max, Herzog zu Sachsen, ist Montag vormittag von Dresden abgereist. * Das Königsabzeichen für die im Jahre 1903 im Schießen beste Batterie wurde der 5. Batterie 8. Feld- art.-Neg. Nr. 78 verliehen. * Landtagsuachrichten. Zur Reform des sächs. Landtagswahljrechts. Der Landesausschuß des National- liberalen Vereins für das Königreich Sachsen stellt als hauptsächliche Forderungen auf: Beseitigung der indirekten Wahlen und die Aufhebung der Scheidung zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen. Ferner soll für die Erste Kammer eine Zusammensetzung erstrebt werden, die sich den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen unseres Landes besser anpaßt. Im übrigen wird die vorzuschlagende Er klärung. wenn auch ihrer Richtung nach bestimmt, doch so allgemein gehalten werden, daß sie den Abgeordneten für ihre Stellung zu der zu erwartenden Regierungsvorlage nicht zu enge Schranken zieht. — Der Vorstand des kon servativen Vereins im Amtsbezirke Meißen und der Vor stand des Blindes der Landwirte sind übereingekommen, im 18. ländlichen Wahlkreise den bisherigen langjährigen Vertreter, Oekonomierat Steiger-Leutewitz, wieder auf- znstellen. Herr Steiger hat sich zur Annahme der Kandidatur bereit erklärt. * Katholisches Gesellenhans. Am 23. Aug. 1903 ist der große Saal des katholischen Gesellenhanses wieder seiner Bestimmung übergeben worden. In neuem, licht vollem Gewände zeigt sich derselbe als ein Meisterstück der Malerkunst. Galt es doch, den herrlichen Baustil rein gotischer Art mit der jetzt gebräuchlicheil. modernen Aus stattung großer, festlichen Zwecken gewidmeter Säle in Einklang zu bringen. Die Lösung dieser schwierigen Auf gabe ist Herrn Malermeister Paul Rother, Bürgerwiese 3, iil bester Weise gelungen. Die Decke zeigt sich in zartein Blau, bedeckt von zahllosen <1500), goldeneil Sternen, während die als Steinwerk behandelten Bögen der groß artigen Deckenkonstrnktioil, dein Saale eine außerordentliche Höhe geben. Eine in reizendem Muster gehaltene Galerie umsämnt das Ganze. Die Spitzbögen über den Fenstern weiseil ein modernes Ornament, die darin enthaltenen Wappen die Abzeichen der verschiedensten Handwerke, darauf- hinweisend, daß der Raum in erster Linie dem Katholischen Gesellenverein dienen soll. Den Kappeil über den Fenstern, deren Maßwerk durch die lichte Farbe zu vollster Wirkung kommt, ist ein liebliches, von Löwen- und Adlergestalteil unterbrochenes Muster eigeil. In glatter, dem Auge sehr wohltuender, gelblicher Farbe, erstrahlen die Wände, wo gegen sich die in Not und Gold ansgeführten Kapitäle der Bögen, sowie die Lamperie wirkungsvoll abheben. Auch die Bühne hat ein neues Aussehen erhalteil. Der in streng gotischen Formen entworfene Prospekt mit prachtvollem Vorhang paßt sich würdig dem gesamten Eindruck an, ja, durch seine bis zur Decke anstrebende Höhe hebt er denselben bedeutend und wird selbst zu einem Meisterstück der Deko rationsmalerei. Alle zur Bühne gehörigeil Malereien sind ans der bühnentechnischen Anstalt des Herrn Hugo Steglich, „Znm Steril", Landhausstraße, hervorgegangen. Sie gebeil einen guten Beweis für die Leistungsfähigkeit des genannten Instituts. Da auch die Beleuchtung einer gründlichen Er neuerung unterzogen worden ist, so reiht sich der Saal in seiner neuen Gestalt würdig an die schönsten unserer Stadt. Möge derselbe sich recht viele Freunde erwerben. I). * Der katholische Gesellenverein hält nächsten Sonntag, den 0. September 1903, abends 8 Uhr, im Gesellenhanse einen großen Theater-Abend znm Besten des Hauses ab. Zur Aufführung gelangen „Kleine Hände", Lustspiel iil 3 Akten und „Teremtcte", Lustspiel in 1 Akt, unter Leitung des Herrn Direktors E. Senff-Georgi. In Anbetracht des wohltätigen Zweckes wäre es zu wünschen, daß die Ausführung dieser überall mit vielem Beifall anfge- nommenen Stücke recht großen Besuch des Vorstellnngs- abends bewirkt. * Geheimer Kommerzienrat Hahn iil Dresden ist gegen eine Kaution von 100000 M. ans der Unter suchungshaft entlassen worden. * Der seit Monaten andauernde Streik voll etwa 400 Töpfergesellen iil Dresden und Umgebung ist durch das Eingreifen des Herrn Oberbürgermeisters Beutler be endet worden. * Ermittelungen über die Trunksucht in Sachsen. Das Königl. Ministerium läßt zur Zeit Er mittelungen darüber nnstellen, welchen Umfang die Trunk- sucht in Sachsen hat und ob hierüber bereits Statistiken vorhandeil sind. * Polizei bericht. Um ein Pferd nach der Hechtstraße zu transportieren, setzte sich am Sonntag ein Arbeiter auf dasselbe und ritt cs die Lößuitzslraße entlang. Hier scheute das Tier plötzlich und warf seinen Reiter so unglücklich ab. daß er einen Schadel bruch erlitt. Zwickan. Durch eine Explosion beim Gaseinlassen in das Martinwerk der Königin Marienhütte bei Zwickan sind das Manerwerk stark beschädigt und einzelne Teile weit weggeschlendert, auch fünf Arbeiter erheblich verletzt worden. Planen i. V. Die vogtländischen Studenten- und Schülerherbergen erfreuten sich iil den diesjährigen Sommer ferien eines guten Besuches, wenn auch bei einzelnen Orten ein kleiner Rückgang gegen das Vorjahr zu ver- zeichnen gewesen ist. Obenan steht Klingenthal mit 83 Besuchern, dann folgen Brambach mit 08, Elsterberg mit 47, Rodewisch mit 34, Krebes mit lO, Hirschberg a. S. mit 5 Besuchern. Die Schülerherbergen bleiben auch während der Michaelisferien geöffnet. Marieneh. Kürzlich wurde das von dem Ehemnitzer Künstler Georg Moerling in einer Höhe von drei Metern ausgeführte Julius Mosen - Denkmal eingeweiht. Vom Rittergut aus erfolgte ein Fcstzng. an dem die Spitzen der Behörden von Oelsnitz, Plauen, Schülerabordnnngen. Studenten usw. teilnahmen. Oberbibliothekar I)r. Mosen- Oldenburg dankte für das seinem Vater gewidmete Denkmal. , (L. T.) Reichenau. Der Geh. Kommerzienrat Herr Fabrik besitzer Oskar Preibisch und seine Gemahlin haben zum ehrenden Andenken an ihren verstorbenen Sohn Walter bei der Widerkehr seines Sterbetages der von ihnen inS Leben gerufenen Walter Preibisch-Stiftung 20000 M. für Reichenau und der Alters- und Jnvaliden-Unterstützungs- kaffe für Dittersbach 6000 Kronen überwiesen. Die Zinsen dieser Kapitalien sollen zur Unterstützung alter und gebrech- licher Arbeiter verwandt werden. Vermischtes. Hamburg. Die hiesige Vichmarktbank wurde durch den Viehkommissionär Conrad Wittenburg aus St. Pauli um mehrere Tausend Mark geschädigt. Der Täter wurde verhaftet. Ueber die Höhe der unterschlagenen Summen liegen noch keine bestimmten Angaben vor; einzelne Blätter beziffern dieselben ans 80000 Mark. v Ueber einen aufregenden Vorfall, der sich auf der Oberspree gegenüber dein Treptower Park abspielte, wird der „Nordd. Allg. Ztg." berichtet: Am Mittwoch nachmittag fiel von einer an der Stralauer Landzunge vorbeifahrenden Zille ein vierjähriges Mädchen, die Tochter des Schiffers, ins Wasser. Die Eltern hatten den Unfall nicht sofort bemerkt und waren schon eine kurze Strecke weitergefahren, bevor die Bemannung den Personenkahn löste, um Rettungsversuche zu unternehmen. Dagegen hatte ein Spaziergänger, der eine deutsche Dogge bei sich führte, die Szene beobachtet. Er machte den Hund frei und jagte ihn ins Wasser Dem Tier gelang es auch, das Mädchen mit seinen Zähnen zu erfassen, in demselben Augenblick, in welchem das Rettungsboot hinzukam. Das Tier weigerte sich jedoch, die Gerettete frei zu geben, sondern schwamm mit dem Mädchen dem User zu. Erst hier konnte der Vater von dem Herrn des Hundes das gerettete Mädchen, das keinerlei Schaden erlitten hatte, in Empfang nehmen. v Das große Los der sächsischen Landes lotterie anlangend, war kürzlich seitens der „Dresdn. Nachr." behauptet worden, daß dieses noch nie zweimal ans ein und dieselbe Nummer gefallen sei. Demgegenüber wird jetzt ans Reichenbach i. V. gemeldet, daß im Jahre 1853 das große Los «100000 Taler) auf Nr. 21965 und im Jahre 1859 (150006 Taler» ebenfalls ans diese Nummer gefallen ist. v Lohnender Nebenverdienst wird häufig in den Zeitungen empfohlen; Damen. Beamte, Kauflente usw. werden eingeladcn, diese Gelegenheit, reich zu werden, nicht ungenutzt zu lassen. Ein Herr wandte sich, wie die „N. Westpr. M." erzählen, an eine solche Adresse in Zürich unter gleichzeitiger Einsendung der verlangten Nachweis- gebübr von 3 Mk., war aber nicht wenig erstaunt, als er postwendend folgenden Ratschlag erhielt: „Es giebt nichts Häßlicheres nnd Entstellenderes für ein Zimmer, als wenn die Bilder, Spiegel nsw. vom Fliegenschmntz bedeckt sind, was gerade in den Sommermonaten häufig zu geschehen Pflegt. Es ist also für jedermann eine gewiß lohnende Arbeit, in den Mußestunden die Bilder vom Schmutz zu reinigen nnd dadurch dem Zimmer wieder ein sauberes, anmutiges Aussehen zu verleihen." — Die Dummen werden eben niemals alle. v Ueber das Trinkgeld-Spstem läßt sich nach dein Zentralblatt für das deutsche Gastwirtsgewerbe Professor K. Oldenburg folgendermaßen ans: „Das; anständige Leute, die nicht nur ebenso schwer arbeiten, wie andere, sondern härter, im 20. Jahrhundert dazu verurteilt werden, ihr Einkommen in geschenkteil Fünf- und Zehnpfennigstücken von Dutzenden fremder Leute täglich einzusammeln uns bei jedem Metallstückchen untertänigst sich verbeugen müssen, weil angeblich der Wirt so besser seine Rechnung findet, ist ein Ueberrest so krasser Barbarei, daß wir an sein Dasein ohne deir täglichen Angenschein nicht glauben würden. Langsam nnd sicher wirkt diese tägliche Gewohnheit ans den Kellner ein. Die Triiikgeldstimimmg ergreift den ganzen Menschen; sie steigert den Erwerbstrieb bis zu krankhafter Höhe nnd schafft den Tppns des Trinkgeldjägers; sie bricht das Ehrgefühl; sie gefährdet die Kameradschaftlichkeit zwischen den Arbeitsgenossen, sie erzieht znm Lakaiensinn, reizt aber zugleich das Gefühl der sozialen Zurücksetzung. Auch rein wirtschaftlich hat das Svstem seine Bedenken. Die Unregelmäßigkeit der Trinkgeldernte macht dem Kellner das Haushalten außerordentlich schwer. Die Unsicherheit des Einkommens begünstigt aber auch wesentlich den Stellen wechsel, das „Wechselsieber". Das Trinkgelder - Snstem wirkt auch auf die Arbeitsdaner zurück, weil es den Kellner an langer Arbeitsdaner nnd besonders an Nacht- nnd Sonntagsarbeit direkt interessiert." v Die Selbstmorde in Sachsen. Ein trauriges Kapitel in den Erscheinungen der Zeit bildet die Zahl der zunehmenden Selbstmorde, und leider steht unser Sachsen unter den Staaten, die eine hohe Ziffer von Selbstmorden anfwcisen, mit obenan. Während die Zahl im Deutschen Reiche im Jahre 1901 11833 (im Jahre 1900 11393) betrug, darunter 9149 männliche und 2384 weibliche, nnd der Durchschnitt ans 100000 Einwohner sich ans 21 <20> stellte, geht Sachsen über den Durchschnitt des Reiches um 50 Prozent hinaus. Hier beträgt die Zahl der Selbstmorde 1368 «gegen 1282 im Jahre 1900» — 1076 männliche nnd 292 weibliche — nnd ans 100000 Einwohner kommen 32 l31>. Uebertrosfen wird Sachsen mir durch einige kleinere Staaten, wie Sachsen-Altenbnrg mit 36. Sachsen- Kobnrg-Gotha mit 43, Schwarzburg-Sondershansen mit 54. Auch die Hansestädte gehen ebenfalls über den Durchschnitt hinaus, so Lübeck mit 4o, dagegen bleibt Berlin unter dem Durchschnitt. v Ein für Fortbildnngsschüler bedeutungsvolles und lehrreiches Urteil fällte jüngst das Reichsgericht in Leipzig als Revisionsinstanz. Ein Fortbildnngsschüler hatte der Aufforderung des Lehrers, die Bank zu verlassen, nicht Folge geleistet nnd sich dem Lehrer, als dieser Gewalt an wenden wollte, widersetzt. Der Vorfall kam zur Anzeige. Der unbotmäßige Schüler erhielt von der Strafkammer wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt vierzehn Tage Gefängnis. Der Vater des Verurteilten legte beim Reichs gericht Revision ein, die aber verworfen wurde mit der Begründung, daß der Lehrer in Ausübung seines Berufs als Beamter anznsehen sei nnd daß ein ihm bei Ausübung seines Beamtenrechts geleisteter Widerstand als Widerstand gegen die Staatsgewalt nach 8 113 des Reichsstrafgesetz- buchs zu bestrafen sei. Der Verurteilte mußte also seine vierzehn Tage abbüßen.