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ZWsche KolksMns I Umdhiingigks Taseblatt sör Wahlhkitz Recht «.Freiheit > WZMMWSAM Der Preußische Landtagswahlkampf. Berlin, den 20. A^ril 1908. Seit dem Abflauen des Kulturkampfes war kein Wahl- gang so wichtig und bedeutungsvoll, wie der nun bei allen Parteien beginnende; die Landtagswahlen sollen entscheiden, ob der Liberalismus zur Herrschaft gelangt oder nicht. Ein einfacher Blick auf die Zusammensetzung des Abgeordneten hauses beweist dieses. Das preußische Abgeordnetenhaus bisher 433 Abgeordnete. Diese verteilten sick ! einzelnen Parteien wie folgt: Darunter Mit- olieder des Reictstaacs Zentrum 96 37 Konservative 143 28 Freikonservative 64 9 Nationalliberale 77 6 Freisinnige VolkSpaitei 25 8 Freisinnige Vereinigung 8 1 Polen 13 6 Bei keiner dieser Fraktionen 7 5 433 100 Daraus ergibt sich die Möglichkeit folgender Mehrheits bildungen: 1. Konservative und Zentrum 239 Abgeordnete, 2. Konservative, Freikonservative und Nationalliberale 284 Abgeordnete, 3. Zentrum, Nationalliberale, Freisinnige und Polen 219 Abgeordnete Diese Mehrheiten sind auch in der verflossenen Legislaturperiode wiederholt zutage getreten; die erste derselben wird von den Gegnern die „konservativ- klerikale Mehrheit" genannt; die zweite aber schuf das neue Schulunterhaltungsgesetz, während die dritte mehr die Ab- Wehrmehrheit darstellte, da Konservative und Freikonserva tive für sich allein keine Mehrheit bilden konnten; es fehl- ten ihnen zehn Stimmen. Bei den Neuwahlen ist nun dar auf zu achten, das; die Rechte nicht so gestärkt wird, daß sie für sich allein eine Mehrheit bilden kann. Diese Gefahr ist jedoch gerade jetzt ferner als je zuvor. Die Parteigruppie rung des verflossenen Abgeordnetenhauses machte eine Mehrheit aus Freikonservativen, Nationalliberalen und Freisinnigen unmöglich: diese drei Parteien hatten nur 174 Stimmen: zur Mahrheit fehlten 43 Stimmen. Bei den Landtagswahlen aber handelt es sich um die Frage, ob die- ser neue Kulturkampfblock so stark wird, daß er die konser- vativ-klerikale Mehrheit zu beseitigen imstande ist. Da die etwa gewählten Sozialdemokraten ohne weiteres zu diesem Blocke stehen werden, so rückt diese Gefahr näher. Dieses Ziel aber kann erreicht werden entweder durch eine Schwä- chung der Konservativen oder eine Schwächung des Zen trums. Erstere haben den amtlichen Wahlapparat auf ihrer Seite; das Zentrum steht ganz allein, hat mehr Feinde als je zuvor. Durch die Blockpolitik im Reiche liegt ein Zu sammengehen der anderen Parteien näher als sonst. Das Ziel ist also sehr klar. Rechts und Zentrum sollen um min destens 30 bis 40 Mandate geschwächt werden, um den Ein fluß der bisherigen Mehrheit zu verlieren und dann dem Liberalismus Platz zu machen. Aus diesem Ziele des Wahlkampfes ist ater auch er sichtlich, welche Mittel angewendet werden müssen, um diese Pläne zu vereiteln. Das Nächstliegende würde ja sein, daß Rechte und Zentrum ein Wahlkartell abschließen würden; aber das ist im allgemeinen ganz ausgeschlossen. Einmal sind die Gegensätze Mischen beiden Parteien in der Wahl rechtsfrage sehr groß, sodann steht die Rechte im Blocke und kann daher nicht leicht mit dem Zentrum Zusammengehen. Aber auf der anderen Seite sollten doch von beiden Parteien jene Kompromisse aufrecht erhalten bleiben, die bisher be standen haben. Ferner ist zu überlegen, ob die Zentrums wähler nicht in jenen Kreisen, die dem liberalen Anstürme besonders ausgesetzt sind, für die Erhaltung des konservati ven Besitzstandes eintreten sollten. Gewiß sind hierfür Gegenleistungen zu fordern; in einer ganzen Reihe von Kreisen können sich Zentrum und Konservative zusammen- finden, um den Liberalen Mandate abzunchmen. Wo es nur irgend möglich ist, empfehlen wir solche Bündnisse. Aber wir lassen auch keinen Zweifel darüber aufkommen, daß uns solche Kompromisse nicht sehr angenehm sind. Wahlkompro- misse haben immer einen unangenehmen Beigeschmack; doch das preußische Wahlrecht Mingt einfach zu solchen. Wer sie nicht eingeht, verliert Mandate und hat zum Schaden noch den Spott. Wo also ein solches Wahlrecht besteht, da muß man mit dem Bleistift in der Hand die Kompromisse ab schließen und immer rechnen, daß wir nicht zu kurz kommen. Die Zentrumswähler dürfen ohne Gegenleistung keinen Schritt für die Parteien tun, auch dann nicht, wenn der ge meinsame Gegner ein Sozialdemokrat ist, wir sind das unserer eigenen Ehre schuldig und die Gegner handeln auch nicht anders. Wer gleich für andere Parteien stimmt, wirft sich weg. Da also in den einzelnen Kreisen verschieden ^orrellan /Majolika lerkscotta ki-irla» U. /HelS» gestimmt iverden wird, so ist unbedingt erforderlich, daß eine scharfe Wahldisziplin herrscht, daß man überall der von der Parteileitung ausgegebenen Parole folgt. Nur jetzt keine Sonderbündelei und Sonderbrödelei I Das Ziel muß immer fest im Auge behalten werden: Niederhaltung des Liberalis- mus und all seiner Assistierten! Wir begrüßen es daher lebhaft, daß man in Oberschle- sien dies allseitig anerkannt hat und daß sich Zentrum und Polen verständigten. Sind sie gespalten, dann hätte der neue Mock wohl 7 bis 10 Mandate gewonnen, die dem Zen trum verloren gegangen wären. Da ist es weit besser, das Zentrum bel)ält 7, die Polen gewinnen 3 Mandate und dem Liberalismus wird ein Schnippchen geschlagen. Es muß an erkannt werden, daß es in Oberschlesien eine besondere Ueberwindung kostete, um zur Verständigung zu kommen; unsere Parteigenossen verdienen daher auch alle Anerken nung, daß sie klug und mit kühlem Kopfe vorgegangen sind. Was aber dort möglich war. das muß viel leichter ander wärts sich erzielen lassen. Halten wir uns nui immer klar das Ziel vor Augen: Nieder nnt dem Liberalismus! Ganz besonders dem Freisinn müssen wir den Großmachtkitzel aus- treiben; er soll keine einzige Stimme vom Zentrum erhal ten, selbst wenn lauter Konservative oder lauter Sozial demokraten gewählt würden. So können wir getrost in den Kampf ziehen, weil auf unserer Seite das Recht und die Freiheit und des Volkes wahres Wohl steht. Politische Rundschau. Dresden, den 21. April 1908. — Der Kaiser i« Korfu. Am Sonntag vormittag wohnten die Majestäten mit der Kaiserlichen Familie und den Umgebungen, sowie der König und die Kronprinzessin von Griechenland dem Gottesdienste bei, welchen Militär- oberpfarrer Goens in der Kapelle des Achilletonö abhielt. Später verteilten, die Majestäten Ostergeschenke an die Damen und Herren der Uingebnngen und begaben sich hierauf mit Familie und Gefolge in Automobilen nach der Stadt Korfu. Hier fand eine große feierliche Prozession zu Ehren des heiligen Spiridion statt, zu welcher von der ganzen Insel Tausende der Landbevölkerung in den mannig faltigsten bunten Trachten zusammengeströmt waren. Der König von Griechenland und seine Familie nahmen vor dem König!. Schlosse Aufstellung, während die Kaiserlichen Majestäten mit Familie und Umgebungen vom Balkon aus die Prszcssion betrachteten, die vor dem Schlosse Halt machte. Hier wurden Gebete gesprochen, in denen auch der deutschen Majestäten gedacht wurde. Die Hohenzollern war ebenso wie ihre Boote zur Feier des Osterfestes bis in die Mastenspitzen mit frischem Grün geschmückt. Mit den Majestäten nahmen die Kronprinzessin von Griechenland und ihre Kinder am Fest der Mannschaften teil. — Kriegsmiuister ». Ei«em, dem sein Erholungsurlaub in Aegypten sehr gut bekommen ist befindet sich bereits auf der Rückreise und wird etwa Mitte Mai seine Dienstgeschäfte im vollen Umfange wieder aufnehmen. — Der Neichsanzeiger veröffentlicht den vom Reichs amt des Innern den Bundesregierungen übersandten Entwurf eine- WetngesetzcS nebst Denkschrift. — Nach den bisher vorliegenden Bestimmungen wird sich Staatssekretär Dernbrrrg zunächst über London nach Kapstadt begeben, um das Küpland und die anderen eng lischen Kolonien in Südafrika zu besuchen. Er wird ferner Natal, den Oranjcsreistaat, Transvaal und Rhodesien be reisen, um sich über die dort erzielten Resultate zu unterrich ten. Alsdann wird er auf dem Landwege in einer etwa vier- zehntägigen Tour nach dem Norden von Deutsch-Südwest- asrika gehen. Die Reise dürfte im ganzen etwa vier Monate beanspruchen. — Die Wünsche der Kognakbrenner gehen dahin, daß Trinkbranntwcine, deren Alkohol nicht ausschließlich ans Wein gewannen ist, nicht als Kognake bezeichnet werden dürfen. Mischungen von Kognak mit Alkohol sollen die Bezeichnung Kognakverschnitt führen. Die neuen Vorschriften werden, um einer Täuschung über die Herkunft vorzubeugen, die Bestimmung enthalten, daß auf jedem falschen Kognak das Land angegeben sein muß, wo der Inhalt für den Verbrauch fertiggestellt wurde. — Der Gesamtvorstand des Bundes der Industriellen nahm in seiner letzten Sitzung Kenntnis von der in dm Ocffentlichkeit laut gewordenen Anregung, einen politischen Bund der gewerblichen Arbeitgeber zu gründen. Der Ge- samtvorstand hielt die ganze Frage aber nicht für so weit geklärt, daß der Bund der Industriellen von seinen bisheri- gen Bestrebungen Einfluß auf die politische Vertretung der Industriellen in den. Parlamenten zu gewinnen, Abstand nehmen könnte, zumal eine einheitliche politische Parole für einen solchen politischen Bund der Arbeitgeber undeuck- bar erscheint. — Mit der Festlegung des Osterfestes erklärte sich der Gesamtvorstand prinzipiell einverstanden und er- lZ(jeIlO5eioIeiM Deulzclien Ieintw35C>is)uIver5 fflürsig-Iemtpi-äpai-ates ru erwerben ist leickt mit stilleres seittabr- rebnten bewährten, giänrenä begutacht. ?rei5 je 1 /AK. uriä 4 /AK. (äierniscbes bsborstorium Hi». ». Hok«n»ck«I, Dres4en-8. Lvorg Xlltnio tlsvkk., Ougsburger 5tralZe 41. Depots in Dresden: tlerm. stocb, Mmsrkt. Oeorge kaumsnn, Prager 5tr. 40. achtete als Termin, ebenso wie der Handelstag, den ersten Sonntag nach dem 4. April für geeignet. — Die konfessionelle Hetze im Kreise Tecklenburg wird von der „Nat.-Zeitg." (Nr. 190 vom 16. April 1908) in folgen der Weise gebilligt: „Der gemeinsame Kandidat der Gegner des Zentrums ist der freikonservative Landwirt Gellhcms. Gleichwohl stellen Deutschkonservative und Bund der Land wirte unter lebhaftem Bravo der Zentrumspresse, zum Bei- spiel auch der „Germania", den Regierungspräsidenten Gescher auf, weil er als Katholik dem Klerikalismus wohl wollender gegenübersteht. Er hat allerdings erklärt, der konservativen Partei beitreten zu wollen. Wie die Preh- stimmen, die von der „Post" kürzlich veröffentlicht sind, zei gen, wird dadurch das Mandat womöglich dem Zentrums- Gegenkandidaten in die Hand gespielt. Die Wähler aber wollen vorläufig noch nicht mitmachen und haben in Lenge- rich Herrn Gescher glatt absallen lassen. Und das alles im Zeichen der Blockpolitik!" Diese Auslassung sagt mehr als genug! — Besteuerung der Druckerschwärze. Die Einschränkung des Zeitungswesens verlangte nach der „Elbezeitg." Guts besitzer Moutua aus Sophieuhos bei Allenstein auf einer Versammlung des Bundes der Landwirte, die am Sonn abend den 11. April im Hotel „Kopernikus" zu Allenstein stattfand: er soll gesagt haben: „Der Bund der Landwirt« möge dahin wirken, daß die Druckerschwärze schärfer be steuert Iverde, um dem Zeitungswesen zu steuern. In heuti ger Zeit, so meinte Herr Montua, lese auf dem Lande schon jeder Arbeiter die Dummheiten in den Zeitungen und werde dadurch ganz konfus gemacht. Das sei die Folge der Billig keit der Zeitungen, die dadurch auch dem einfachen Arbeiter zugänglich seien. Durch das Zeitungslesen werde der Ar beiter von allem unterrichtet; das sei nicht gut und nicht wünschenswert Die schädlichen Folgen sehe man immer mehr hcrvortreten. Um den Uebergriffen der Arbeiter ent- gegcnzutreten, müssen die Zeitungen teurer werden. Dieses iväre wieder zu erreichen durch eine hohe Besteuerung der Drnckerschwärz e." Schade, daß der Posten des Neichsschatzsekretärs schon besetzt ist; Montua hätte sonst wohl Aussicht auf diesen. Wir gestatten uns einen Gegenvorschlag: Die Besteuerung der überflüssigen und dummen Reden würde noch mehr Geld einbringen! — Protestantische Karfreitagsstimmen. Die Kreuz- zeitung (Nr. 182 von 16. April 1908) schreibt u. a. zum Karfreitag: „Ein schlichtes, aber eben in seiner Schlichtheit ergreifendes Selbsterlebnis erzählt gelegentlich der Dichter Martin Greif. Auf einer Wanderung durchs Hochgebirge entzückte ihn einst eine sonderlich schöne Aussicht. Wie er sich umwendet, steht er vor einem jener Kruzifixe, die eine stille Zierde katholischer Lande sind. Raschen Fußes will er vorübereilen, das Kruzifix stört seinen Frohsinn. Doch die Hand, alter Gewohnheit folgend, fährt unwillkürlich nach dem Hute. Der Wanderer steht still. Er muß daran denken, wie oft hier Lawine» niedergestürzt, wie sie Leben um Leben begraben. Er wird ernster und ernster; er denkt an andere Gefahren, an Gefahren der Seele. Und nieder zieht es ihn zu den Füßen des Kreuzes, und er betet. Als er sich wieder erhob, erfüllte ihn eine Freude, viel köstlicher als sein Frohsinn zuvor, und in doppelter Schöne strahlte um ihn die hohe GebirgSwelt." In der Deutschen Tagesztg. (Nr. 182 von 16. April 1908) lesen wir einen sehr er bauenden Artikel über den „Siegeszug des Kreuzes", dem früheren „Zeichen der Schmach und Schande", der „Krone höchste Zier"; es heißt auch hier: „Das Kreuz ist nicht in der Kirche geblieben, sondern hat auch im Glauben und Brauche des Volkes eine Heimstatt gefunden. Die Mutter, die das frische Brot auschueidet, versieht eS mit dein Zeichen des Kreuzes. Au Feldsteinen, au Wcgschetden, au Mark- zeicheu finden wir das Kreuz, gewissermaßen als Flursegen. Au den Hostoren und Haustüren, über den Betten der Großen und Kleinen, ja am Eingänge znm Stalle hat cs seine Stätte, als Gottesgruß und SegenSverheißung. Dort, wo der Aberglaube an die bösen Dämonen, an Unholde und Hexen, an daS Beschwören und Versehen noch nicht ganz auSgestorben ist, gilt das Kreuz als wirksamster Talisman, als nie versagendes Schutz- und Abwehrmittel. Selbst den Fürsten der Hölle, den König der Finsternis, scheucht und schreckt es. Was bei den Völkern des Alter tums Sinnbild der finsteren, vernichtenden Kraft des Dämo nischen war, das hat sich in sein Gegenteil gewandelt, in in daS Symbol des Lichtes, das den Mächten der Finsternis wehrt, „A,vo orux, avo lux! Sei gegrüßt Kreuz, sei gegrüßt Licht!" war der wirksamste Bann- und Segens- spruch. dein kein böser Geist, keine Unholdin stand hielt." — Der Artikelschreiber hat ans seinem Herzen keine Mörder grube gemacht, sondern geschrieben, wie es ihm umS Herz war. Fast deucht uns, als sehne er sich nach jener Zeit zurück, wo allüberall in Deutschland das Kreuz auch in derOeffentlichkeit noch seineHeimstätte hatte, in dieZeit vor der