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besonders am Herzen): möge nunmehr endlich aller Hader und Zwist zwischen den beiden lischt ungen auf gewerkschaftlichem Gebiete aufhören! Mögen dieselben, wenn nicht miteinander, so wenigstens nebeneinander wirken, ohne sich gegen seitig, zur Freude der Gegner, zum Schaden der Arbeiter welt, zum Aergernis für weite Kreise, zu beschuldigen und zu befeindenl Alle, die es angeht, haben in dieser Hinsicht eine ernste Verantwortung. Alle, die Ein fluß haben, mögen gewissenhaft in diesem Sinne wirken! Ich selber »verde es nachhaltig tun in der Erzdiözese und rechne auf den Beistand von Klerus und Laien." Nachdem der Kardinal lin nächsten Fastenhirtenbrief das bekannte Dekret über die erste heilige Kommunion zu behandeln versprochen hatte, wendet er sich gegen das A n t i ch r i st e n t u m und sagt weiter: „Haben wir es nicht erst jüngst erlebt, wie eine Anzahl von Preßorganen — und zwar nicht bloß diejenigen, die ohne Hehl den Umsturz predigen — es gewagt hat, das laute christliche Bekenntnis unseres Kaisers, das er vor kurzem bei einem Besuche im Benediktinerstift zu Beuron zur Freude aller gläubigen Christen ausgesprochen hat, zu kritisieren und anmaßend zu tadeln? Man hat die Mär verbreitet, euer Erzbischof habe in Nom in einer Unter redung den Kaiser als von einer bestimmten politischen Partei, die uns Katholiken nahe steht, abhängig darznstellen versucht. Das ist Torheit. Aber Wahrheit ist es, daß ein gläubiges Volk eine feste Stütze auch für die weltliche Ordnung bildet und ein Bollwerk ist gegenüber dem Anpralle des Um sturzes. Altar und Thron stehen allerdings nahe beieinander. Es ist traurig, daß viele, kurz sichtig! und verblendet, es nicht einsehen." Zum Schlüsse wendet sich der Kardinl mit der Bitte an seine Diözesanen, den St. Josephverein in Aachen zu för dern, da er bestimmt ist, die deutsche Seelsorge in Italien zu unterstützen. Weihnachtsbücherschau 1910. ii Ter Verlag von I. P. Bachem in Köln bringt auch dieses Jahr wieder außer neuen Auflagen be währter Werke eine Reihe bemerkenswerter Neuheiten aus den Büchermarkt, die sich vorzüglich zu Geschenkwerken eignen. In die Wunder- und Gnadenzeit, als der Heiland noch auf Erden wandelte, führt uns ein prächtiges Buch: „Das Licht und die Finsternis" von A n n a F r e i i n v. K r a n e. (6 Mark.) Die Verfasserin erzählt in ihrer bekannten bil derreichen Sprache aus dem Leben und der Zeit des Welt erlösers, von Herzen kommend und zu Herzen gehend. Wir find gefesselt von der ersten Seite bis zum Schlüsse. Wir gehen der Mutter zur Seite, die „voll der Gnade" in ihrer keuschen Lieblichkeit der Welt die Wnnderkraft ihres Ge heimnisses vermittelte-, wir schauen dem Jesusknaben in die tiefgründigen Augen, wenn er ernst und still die Schaf herde hütet vor der Felswand im Gebirge. Schon die Schar der Hirtenbuben teilt sich in zwei Lager: für und wider Jesus. Wir freuen uns mit dem Kinde, das dem Heiland seine Fehler bekennt, und an der Hand des großen Wundertäters ein neues Mütterlein findet. Mit geradezu dramatischer Kraft weiß Freiin v. Krane die gewaltige Wirkung der Frage uns miterleben zu lassen: „Bist du Christus?" Das Kapitel Satans Lachen führt uns einen verblendeten Gottesverächter und Die Dornenkrone einen armen zweifelnden Gottsucher vor. Endlich tritt noch Ahasver auf. Viel frohe und starke Gedanken bleiben nach dem Lesen des Buches in unserer Seele zurück. Isabelle Kaiser steht in der vorderen Reihe un serer Romanschriftstellerinnen und deshalb sieht man in weiten Kreisen einem neuen Roman aus ihrer Feder mit Spannung entgegen. In ihrem neuesten Werke „Der wan dernde See", einem Roman aus den Unterwaldner Bergen (6 Mark) hat sie die Erwartungen keineswegs enttäuscht. Es ist sicher das kraftvollste Werk, das bisher aus ihrer Feder hervorgegangen ist, ein Buch, das sich eng an die Wirklichkeit anschließt und doch der Poesie nicht entbehrt. Im Jahre 1836 wurde der Lugernsee abgeleitet, und um dieses Ereignis dreht sich der Roman. Wer diesen Roman liest, der so knapp und realistisch geschrieben ist, ohne aber selbst in heiklen Szenen zu verletzen, wird sofort erkennen, daß die Dichterin bei dieser Schöpfung mit ganzem Herzen bei der Sache war. In diesem Werke liegt eine bodenstän dige Kraft und die Lichter der Romantik, der Bergriesen und der Alpenschönheit geben diesem Gemälde ein ganz eigenartiges Gepräge. Ganz anderer Art ist der Roman „Das Moselhaus" von Luise Schulz - Brück (5 Mark). Es ist eine Ar beit ohne großen literarischen Ehrgeiz, aber trotzdem eine tüchtige Leistung. Die behaglich und breit geschriebene Erzählung spielt zum größten Teile an der Mosel und nur zum Schluß in Berlin. Im Mittelpunkte steht Arnolds, der Bürgermeister, der das stattliche Moselhans besitzt. Frau Eva Ohler, eine junge Witwe aus Berlin, die mit ihrem Bruder Hans Dietrich dort in der Sommerfrische weilte, lernte den Bürgermeister, der Witwer war und bereits eine reizende Tochter besaß, wegen seines einfachen, edlen Cha rakters so schätzen, daß sie zuletzt gern ihm die Hand reicht. Und auch Hans Dietrich gewinnt das Herz der Bürger- ineisterstochter. Es sind alte Motive, die dem Roman zu grunde liegen, aber die Verfasserin versteht es, uns zu fesseln, wcil die Hauptpersonen des Romans uns um so sympathischer erscheinen, als sie im grellen Gegensätze zu hypermodernen Berliner Typen stehen. In alte italienische Paläste, drin wundersam erstarrte Lebensanschauungen und Lebensformen herrschen, führt uns der neueste Roman von Marie Amelie Freiin von Go diu: „Alte Paläste" (1,50 Mark). Weder der in ur- alten Traditionen ausgewachsene Adel, noch die nur der Gegenwart lebenden Dorfbewohner können die Brücke fin den zu dem neuen Lande, das die moderne Jugend sich zu erobern gedenkt, dem Lande der Freiheit und Selbständig keit. Aber die Liebe versteht und findet den Weg. In einem ganz verlorenen Winkel, in dem doch des Lebens Dramatik sich abspielt, leitet uns der neue Roman von L. van Endeers: „Am Ende der Welt" (5 Mark). Ueber ein altes, stolzes Geschlecht mit ländlichen, starren Sitten geht ein schwerer Schicksalsschlag und macht die Hoch mütigen weich und mild. Sehr gut entwickeln sich die Hauptcharaktere: die starre, einsame Großmutter, der nichts zu viel wird, um den Schein des GlückeS aufrecht zu «hal ten: der schwache und doch so charaktervolle Sohn, die spieß bürgerliche kurzsichtige Lina, die schöne, leichtfertige Jo hanna Weynand: psychologisch am klarsten aber erscheint der Charakter des alternden Mädchens mit dem jungen Herzen, die die Jugendenttäuschung niederzwingt, bis wt« zum Lohne das Glück wiederkommt. M. Herberts poetischer Born ist noch keineswegs erschöpft: ja, er fließt gerade in den letzten Jahren besonders reichlich. Unter dem Titel „Heimfahrten" vereinigt die Dichterin ihre neuesten Lieder und Balladen (3 Mark). Diese Sammlung beweist uns, daß M. Herbert mit ihren Stoffen gewachsen ist und auch die Form viel sicherer beherrscht als früher. Die neuen Gedichte enthalten nicht mehr so viel Betrachtungen, sie sind mehr liedermäßig gehalten. Die Sammlung ist in der Sprache sorgfältig gefeilt und reich an schönen Bildern und Vergleichen. Eine liebe Gabe für die Heranwachsende, weibliche Ju gend bietet Elise Kronberg in ihren „Mädchenerzäh lungen deutscher Dichter" (geb. 2,60 Mark). Da kommen Meister der Novellen und Märchendichtung zu Worbe wie Ludwig Aurbacher, der gemütvolle Volksdichter, der ge waltige Heinrich v. Kleist, der bilderreiche KlemenS Bren tano, der Naturfreund Adalbert Stifter, dann Eduard Mörike in seiner fein psychologisch gearbeiteten Novelle Lucie Gelmeroth. Auch der Humor kommt nicht zu kurz in kleineren Erzählungen von I. P. Hebel und Hermann Kurz. Alles in allem: ein Büchlein von dauerndem Werte für Heranwachsende Mädchen. Eine nicht nur unterhaltende, sondern auch sehr nütz liche Weihnachtsgabe bilden Bücher, die die in der Schule gewonnenen Kenntnisse verliefen. Diesem Zwecke dient die Sammlung: „Aus allen Zeiten und Ländern", deren 6. bis 8. Band soeben erschienen ist. In die sturmbewegte Zeit des zweiten Kreuzzuges führt uns Friedrich Hollmut in seiner Erzählung „Robert von Saverny" (3 Mark). Ein feines Buch für die Heranwachsende Jugend. Vermischtes. VTolstoi als Student. Tolstoi war schon als Knabe von einem tiefen Wissensdurste erfüllt, aber weder seine erste Bildung, die er zu Hause erhielt, noch sein Studium auf der Universität Kasan wußten seine Lern begier zu befriedigen. Als er in der Wintersaison 1844/45 als „junger Mann" aus altadligem Geschlecht und mit guten Beziehungen in die Gesellschaft von Kasan eintrat, wurde der scheue und schüchterne Student von dem Glanze der großen Welt zunächst geblendet und fortgerissen. Aber seine Studien machten nur sehr spärliche Fortschritte. „Was unsere Professoren in Kasan vortrugen," hat er später selbst von dieser Studentenzeit geurteilt, „vermochte mich nur wenig zu interessieren. Ich studierte zuerst ein Jahr die orientalischen Sprachen, jedoch mit geringem Erfolge, obgleich ich mich voll Begeisterung in alles stürzte, was ich tat. Ich las unzählige Bücher, doch alle gehörten nur ein und derselben Richtung an. Wenn mich ein Gegen stand fesselte, wich ich davon nicht um ein Haar breit ab und trachtete mit allem vertraut zu werden, was auf diesen besonderen Gegenstand Licht werfen könnte." Bei solcher Form des Lernens schnitt Tolstoi bei den verschiedenen 62 - „Was wolle» Sie also von mir?" fragte Montussan mit seiner gewohnten Offenheit. „Ich will, Sie mögen mir behilflich sein, Laureuca und deren Tochter »or Not zu schützen." „Wie soll ich das ciustellcn?" „Vielleicht könnten Sie ein gutes Mittel ausfindig machen, um den beide» Frauen Geld zukommeu zu lassen, etwa indem Sie ihnen entbehrliche Gegenstände verkaufen, die ich gegen anständige Preise ankaufen würde." „Sie machen den Eindruck eines rechtschaffenen Mannes auf mich, und kann ich nicht verstehen, weshalb Frau Largeval lieber Not leiden, als Ihre Hilfe anuehmen will!" „Ja, ich verstehe es selbst nicht." „Besitzen die Damen Bilder?" „Ja: doch sind das lauter elende Stiche in noch elenderen Rahmen, deren keiner mehr als zehn Franken wert ist." „O. das tut nichts!" rief Montussan strahlend aus. „Ich versichere Ihnen, daß Sie, ehe drei Tage vergehen, für ein Bild fünfhundert Franken bezahlen können, ohne dabei zu verlieren." „Wie wäre das möglich?" „Das ist meine Sache. Sorgen Sie sich um nichts und halten Sie Ihre 25 Louisdor bereit. Sic sollen Ihre Freude an meinem Scharfsinn haben." „Sie müssen sich aber beeilen, denn die beiden haben vielleicht keine fünf Frauken mehr im Hause." „Das dachte ich mir bereits am Tage des Unfalles selbst. Da Sic eS denn so eilig haben, werde ich Ihnen schon morgen ein Bild bringen." „Ich danke Ihnen recht sehr, Herr Montussan," sagte Georg und stand auf, um, nachdem er dem Maler warni die Hand gedrückt, zu gehen. Als sich die Türe des Ateliers hinter ihm geschlossen, begann Lucien wie von Sinnen heriimzuspringen, wobei er mit lauter Stimme allerlei lustige Lieder sang. Jetzt schien der eigentliche Rausch über ihn gekommen zu sein, allerdings in anderer Form, als wie ihn der Punsch herbeizuführen Pflegte. „Was fällt dir ein?" fragte Niaux beunruhigt. „Hat dir Largeval ein Gift eingegeben, welches dich ganz toll macht?" „Genevidve, lieber Freund! Es handelt sich um Genevidve! Du kennst sie ja und weißt, daß es weder in Paris, noch in der ganzen Welt ein junges Mädchen mit einem so engelhaften, süßen, herrlichen Gesicht gibt wie sie." „Nun und?" „Seit drei Tagen schon zerbreche ich mir den Kopf darüber, auf welche Weise ich ihr nützlich sein könnte, vermochte aber nichts zu finden. Da kam mir iiuii ihr Onkel, dieser wackere Mann, zur Hilfe. Ich werde nun endlich einen Lebenszweck haben-, mein Leben, bisher so verabscheuungswürdig und inhaltslos, wird endlich jemandem Nutzen bringen, und dieser jemand ist das herrlichste, tugendhafteste und beste Wesen auf Erden." „Mein armer Montussan, du bist ja verliebt in das kleine Mädchen." „Verliebt! Ich! In diese hehre Jungfrau! Ich. der Cyniker, der Trunkenbold, verliebt! Sage das ja nicht mehr, sonst machst du mich zornig!" — 63 — „Aber . . ." „Ich müßte erröten: ja, bestrafen müßte ich mich selbst auf der Stelle, wenn ich diese fleckenlose Unschuld mit einem unlauteren Wunsche verun glimpfen wollte. Ich, verliebt! . . . Glaube das ja nicht! ... Ich könnte allerdings ihr Sklave, ihr Hund sein, aber verliebt! . . . Lächerlich!" Niaux hörte ihm lächelnd zu, der jetzt von neuem anhub: „Weshalb begegnete ich nicht vor zehn oder zwölf Jahren einem solchen Mädchen? Da wäre ein anderer, ein ganzer Mann aus mir geworden, dafür verbürge ich mich!" „Und da behauptest du, daß du nicht verliebt bist!" „Nein, und tausendmal nein! Geuevidve ist eine Art Gottheit für «ich, die ich aus der Tiefe anbeten werde . . . Und außerdem wird es dir selbst bereits bewußt geworden sein, daß es für den törichten, schändlichen, ekel erregenden Lebenswandel, welchen ich führe, nur eine Lösung gibt." „Welche Lösung?" fragte Riaux beunruhigt. „Den Selbstmord! Glaubst du etwa, wenn ich fünfzig Jahre alt ge worden und mein Leib kraftlos und abgenützt sein wird wie alte Leinwand, ich den Farbenklecksern oder sonstigen Dummköpfen als Zielscheibe ihres Spottes dienen werde?" „Was schwatzest du da, mein armer Montussan? Hast du vielleicht den Punsch nicht gut verdaut?" „Spotte nicht! Der Selbstmord ist der meiner harrende Tod, wenn ich nicht zum allgemeinen Gespött herabsinken will. Doch sei unbesorgt. Bei mir ist bereits alles wohlerwogen und beschlossene Tatsache. Ich werde aber wieder jung, wenn ich daran denke, daß ich fortan meine Kraft, meinen Geist und'mein Leben diesem Kinde werde widmen können." Riaux erhob sich und sagte: „Umarme mich, Montussan. Mit dem heutigen Tage trittst du vo« dem Rande des Abgrundes zurück, in welchen du zu versinken drohtest. Und Fräulein Largeval sei tausendmal gesegnet dafür, daß sie dich auf diese Ge danken brachte." „Larifari, Alter: waS du da für schöne Dinge sprichst! Genevidve be darf meiner, und ich werde ihr zur Seite stehen, ohne daß sie es weiß." „Schön." „Du wirst mir aber behilflich sein." „Recht gerne: sage mir bloß, in welcher Weise." „Wir werden sie mit ihrem Anbeter, diesem jungen Dummkopf, ver heiraten, der den Omnibuspferden unter die Hufe läuft, und dann gelangt mein Entschluß zur Ausführung. Du wirst ihr eine Traueranzeige zuschicken, und es soll mich freuen, wenn sie bei der Erinnerung an den alten Trunken bold eine Träne vergießen wird." Riaux gab keine Antwort, überzeugt, das dies nicht so enden werde. Montussan versank in tiefes Sinnen, aus welchem er erst emporfuhr, als sein Freund zu ihm sagte: „Du hast mir aber noch nicht verraten, in welcher Weise du den Damen Largeval zu Hilfe kommen willst." „Die Sache ist ganz einfach. Der ehrenwerte Onkel hat mir mitgeteilt. l