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«r. ISS. Freitag den IS. Juli LSS7. «. Jaqrga«» Sachslsche MksMuiig Erscheint «iialich nach«, mit «uSnahme der Sonn, und Fesltaae. ve»u,-t»rri-i «iertelj 1^8«^ «ohne Bestellgelds, sür Oester- reich S « 08 Ii. Bet a. a.Postaiistalleu l-Zeitungspretsliste «r «V«K8. Einzelnummer 1v Bf. — Bedatttoiir Sprechstmide- ll—is Uh» I UnabhSasiges Tagkbllitt flr Wahrheit, Reiht «.Freiheit > Wer wünscht Trennung von Kirche und Staat? Das Buch des Tübinger Kirchenrechtslehrers Säg müller: „Tie Trennung von Kirche und Staat. Eine kanonistisch-dogmatische Studie, Mainz-Kirchheim 1907" -gab uns gestern Veranlassung, in einem Artikel im allge meinen die Wechselbeziehungen zwischen Kirche und Staat und die Folgen einer Trennung zwischen Leiden kurz zu be leuchten. Der Artikel, der wegen des Ausrufes zur 54. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Würz burg im zweiten Blatt erschienen ist, fordert direkt zur Be antwortung einer zweiten Frage heraus, die da lautet: Wer hat denn ein Interesse an der Trennung von Kirche und Staat? Tenn das Interesse daran erzeugt den Wunsch, Liese Trennung anzustreben und gesetzlich durchzuführen. Der christliche Staat wünscht sie nicht und in einem solchen werden auch in den Kreisen der Glieder der Kirche selbst keine diesbezüglichen Wünsche laut. Damit ist schon angedeutet, daß eine solche Trennung einer Kampfesstim mung entspringt und die Zeit, da diese Frage erörtert wird, naturgemäß eine Kriegszeit ist. Auf seiten der Gegner der Kirche wird diese Forderung erhoben in der Meinung und dem Wunsche, da mit der Kirche selbst einen schweren Schlag zu versetzen, wenn ihr nicht gar die Todeswunde beibringen zu können. Auf seiten der Anhänger der Kir ch e hingegen wiro der Wunsch nach Trennung laut, um die Kirche weiteren Drangsalierungen durch den Staat zu entziehen und einer in den Fesseln des Staates ver knechteten Kirche freie Entfaltung zu ermöglichen. Wenn zum Beispiel der fanatische Friedberg den Satz niederschrieb: „Wir können geradezu sagen, daß die Kirche durch die Staaten erhalten worden ist" (vergl. die oben zitierte . Schrift Sägemüllers S. 10 Anmerkung 2) — so ist damit ein Blick in die Gedankenwerkstatt dieser Leute gestattet. Sie geben sich der Hoffnung hin, mit ihrer Loslögmg vom Staate der Kirche den Boden unter den Füßen weggezogen zu haben. Sie befinden sich da in einer argen Täuschung. Das kann nämlich zutreffen bezüglich jener „Kirchen", welche ganz und gar als N at i o- nal - u n d L a n d e s k i r ch e n von der Gnade des Staa tes abhängen nnd nur an den Krackendes Staates einen Halt haben. D i e k a t h o l i s ch e K i r ch e i st d a s n i ch t. Ans katholischer Seite wurde dem Wunsche nach Tren nung der Kirche vom Staate Ausdruck gegeben durch den berühmten französischen Philosophen Lainennais, als er noch nicht mit der Kirche zerfallen war, und von dem um die Kirche in Frankreich hochverdienten Grafen Mon- talembert. Ans eine Trennung in gewissem Sinne zielte in Deutschland ein Antrag der katholischen Partei auf der Frankfurter Nationalversammlung 1848 bei Beratung der sogenannten „Grundrechte". „Doch wollte der Antrag nicht vollständige Tren nung, nicht Lösung aller Bande zwischen Kirche nnd Staat, sondern eine freundliche Auseinandersetzung, eine Entlassung der Kirche aus ihrem bisherigen unfreien Dienst- und Hörigkeitsverhältnis" (Sägmüller a. a. O. S. 11). Der diesbezügliche Antrag tv-urde jedoch mit großer Mehrheit (357 gegen 99 Stimmen) abgelehnt und statt dessen ein anderen Antrag angenommen, der lautete: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegen heiten selbständig, bleibt aber, wie jede andere Gesellschaft im Staate, den S ta a t s ge setz en unterworfe n." Dagegen wehrte sich mit Recht das katholische Volk in einem Petitionssturm, so daß die verächtlichen, eine beleb digcndo Geringschätzung der Kirche enthaltenden Worte „wie jede andere Gesellschaft im Staate", wodurch die Kirche auf dieselbe Linie mit jedem beliebigen Verein gestellt worden war, gestrichen wurden. Sehr interessant und nicht ohne Nutzen für die Gegen wart ist die Erinnerung an das Urteil Döllingerd über diese Bestimmung auf der ersten Katholikenversamm lung in Mainz. Er führte dort aus: „Stände nichts anderes dabei, so hätten wir alles, was wir wollen. Das Bedenkliche liegt im Nachsatze, daß die Religionsgesellschaften den Staatsgesctzen unterworfen sein sollen, wenn dieser Nachsatz immer nach Maßgabe des Vor dersatzes interpretiert (ausgelegt) würde, also nicht in be- zug auf religiöse, sondern nur auf andere Angelegenheiten Gehorsam verlangte, so wäre nichts wesentliches zu er innern. Aber es ist möglich, das; man unter Staatsgesetzen auch die jetzigen oder zukünftigen staatskirchlichen Gesetze perstehen könnte, wo es dann mit der kirchlichen Freiheitein Ende hätte" (vergl. Pastor, A. Nei- chcnsperger I, 260—261). Dem Wunsche nach Freiheit der Kirche von den Be drückungen durch den Staat entsprang das Verlangen Windthorsts nach Trennung, dem er in der Reichstag?- sitzung vom 25. November 1871 »nd im preußischen Abge ordnetenhause am 22. Juni 1883 Ausdruck verlieh. Daß in der Tat auch bei einer loyalen Trennung, welche die Rechte der Kirche achtet und wahrt, die Kirche für ihre Lebensentfaltuug gewinnen kann, zeigt die Entwicke lttug der Dings in Brasilien, wo durch Dekret der provisorischen Negierung vom 7. Januar 1890 die Tren nung vollzogen wurde. Es wirft auf die frühere katholische Regierung nicht das beste Licht, wenn die Bischöfe in ihrem gemeinsamen Hirtenbriefe schrieben: „Enthält das Dekret auch Klauseln, die leicht zu ge hässigen Auslegungen und Einschränkungen Anlaß geben können, so muß man Loch anerkennen, daß es in seiner jetzi- gen Fassung der katholischen Kirche in Brasilien eine Summe von Freiheiten bietet, wie sie dieselbe nie mals zur Zeit der Monarchie besessen hat" (Stimmen aus Maria-Laach 70, 1906, 541). Ebenso wissen landes- und sachkundige Beobachter als Erfolg der Kirche seit der Trennung zn rühmen die Wieder herstellung einer achtunggebietenden Stellung und ein immerfort steigendes Ansehen im öffentlichen Leben. (Vergl. die Schilderung von Karl Schlitz 8. ll. „Die Folgen der Trennung von Kirche und Staat in Brasilien", Stirnmen aus Maria-Laach a. a. O. 631—547.) Indessen, wie gesagt, die Voraussetzung und zwar die unentbehrliche Voraussetzung für eine nicht ablehnende Be urteilung der Trennung ist die, daß der Staat in durchaus gesetzlicher Weise vorgeht und die Rechte der Kirche re spektiert. Wer jedoch wollte im Ernste das glauben? Der Tren nungsgedanke entspringt ja einer antikirchlichen Gesinnung und diese wird gerade die Gelegenheit benutzen, um in einer Beraubung, um nicht zu sagen, Ausplünderung der Kirche ihr Mütlein an der gehaßten Kirche zu kühlen. Wie wenig man nicht etwa bloß in Frankreich, sondern auch sonst Lei den deutschen Theoretikern an eine volle und ganze Trennung denkt, beweist zur Genüge, daß von ihnen hervorgehoben wird, durch eine volle Tren nung entgehe dem Staate die gesetzliche Handhabe, die Kirche in seiner Gewalt zu behalten, so daß dieselbe bei ihrem großen Einfluß auf die Gemüter mächtiger werden könnte als der Staat selbst. Und sie malen dann das Ge spenst eines „unfreien Staates in der freien Kirche" an die Wand. (Vergl. über Literatur Sägmüller a. a. O. 12 und 29 ff.) So erscheint die Trennung von Staat und Kirche nicht als eine völlige Freigabe, sondern als Fortsetzung bezw. Verschärfung des Kampfes gegen die Kirche. Aus diesen: Gedanken heraus und ans der Erwägung, daß das friedliche Zusammenarbeiten beider Gewalten, jede selbständig in ihrem Gebiete, dem Wohle der menschlichen Gesellschaft mehr nützt als die Trennung, erklärt es sich, daß die kirch lichen Instanzen, Päpste nnd Bischöfe, die Tren nung verwerfen. Siebleiben zum Unterschied von manchen Idealisten nnd Wolkenseglern auf dem Boden der Tatsachen. Ihren Standpunkt charakterisiert das Wort des Erz bischofs Ledocbowski von Gnesen-Posen, der 1873 dein Abgeordneten A. Reicbensperger ans seine Frage, ob das Zentrum die Trennung von Kirche und Staat beantragen solle, antwortete: „Man möge abnxuten, daß die Bösen es »ns brächten." Abtvar'ten ja! aber zugleich auch arbeiteil, daß wenn einmal der anlichristlicbe Zeitgeist die Trennung bringt, die Kirche wohl vorbereitet, den Sturm bestehen kann. Modernismus unter den deutschen Katholiken. Dresden, den 18. Juli 1007. Jeder neue Gedanke wird heutzutage von seinen An hängern in ein System gebracht und mit den lieblichen Nach silben „isinns" generalisiert. So ist auch das neueste Schlagwort vom „Modernismus" entstanden, von dem un sere Gegner behaupten, daß ein Teil der deutschen Katho liken von dieser Krankheit befallen worden sei; wenigstens versichert cs uns täglich dis liberale Presse. Sie trägt sich hierbei teilweise mit den kühnsten Gedanken; sie rechnet mit einem Abfall eines Teiles der deutschen Katholiken und noch mehr mit dem Zerfall des Zentrums; diese Aussicht ist ihr die angenehmste. In der liberalen Presse wird jetzt mit Katholizismus und Zentrum nur so gewürfelt und dabei zeigt sich eine erschreckende Unwissenheit in katholischen Din gen. Was ist nun alles an diesen Dingen richtig? Ter „Modernismus" soll einen Ausgleich zwischen mo derner Welt und Wissenschaft einerseits und der katholischen Kirche andererseits anstreben. Ein höchst verdienstliches Werk! Aber es scheint uns hier die gesamte Fragestellung falsch z» sein. Ein Ausgleich setzt einen Widerspruch vor aus und es muß nun zuerst das gegenseitige Feld streng abgegrenzt sein. Die erste Frage also ist: Besteht ein Widerspruch zwischen Kirche und Wissen- schaft? Und bei der Beantwortung dieser Frage scheiden die beiden Faktoren bloße Theorien und Hypothesen aus. so daß wir näherhin zu fragen haben: Besteht ein Wider- spruch zwischen den Glaubenssätzen der Kirche und den festen Ergebnissen der Wissenschaft? Liese Frage muß zuerst be antwortet werden, und erst, wenn sich hier ein Gegensatz ergibt, kann man an einen Ausgleich denken. Nun bcant- Worten wir diese Frage rundweg mit Nein; ein solcher Gegensatz besteht nickt und hat nickt bestanden. Tie ganze Geschichte der Kirche beweist uns dieses. Wir können sogar hinzufügen, daß ein solcher Gegensatz auch in Zukunft nie bestehen kann, La Dogma und Wissenschaft aus derselben Quelle der göttlichen Wahrheit fließen. Aber selbst, wenn wir ganz und gar „voraussetzungslos" sind, so können wir Naserate werden die 6 aespalt. PctitzeUe od. deren Raum mit 18 j> > Wamei, mit 8«^ die^eile berechnte, Wied^ Buchdruckerei. Redaktion »nd ^e««dcn, Ptllnttze* Etraste 4L. — Fernsprecher^r^lWL. keinen Gegensatz finden. Wir fordern die Gegner auf, uns einmal mit einem solchen Gegensatz zu kommen, wohlge- merkt, als Antwort auf unsere genau präzisierte Frage him; erst dann läßt sich weiter diskutieren. Aber noch nie hat man es gewagt, in der Wissenschaft selbst einen solchen Widerspruch zu beweisen. Was ein Mann wie Häckel und seine Nachplapperer aufstellen, ist eben nicht Wissenschaft, sondern freie Phantasie. Da also gar kein Gegensatz besteht, so ist auch kein Ausgleich erforderlich und der „Modernis- mus" kann seine Arbeit ersparen, er arbeitet für etwas Ueberflüssiges. Nun kommt der angebliche zweite Ge gensatz — der zwischen moderner Welt und Katholi zismus. Ist hier ein Widerspruch vorhanden? Ja und nein! Wenn man unter der modernen Welt alle die Er rungenschaften und Fortschritte der Technik und Wissenschaft meint (Eisenbahn, Telegraph, Telephon, lenkbares Luft schiff. Röntgenstrahlen usw.), so besteht ein Gegensatz nicht. Es sind auch treue Söhne der Kirche, die Erkleckliches auf diesen: Gebiete geleistet haben und kein Gebot der Kirche hindert einen Forscher, neue Experimente anzustellen und dem Fortschritt zu dienen. Hier besteht also gleichfalls kein Gegensatz. Wenn man aber unter der modernen Welt die Gesamtsumme jener Eigenschaften versteht, die sich in der führenden Gesellschaftsschicht vereinigt, die auf sittlichem und moralischem Gebiete die Umwälzung der Be griffe herbeiführen will, dann allerdings besteht zwischen ihr und dem Katholizismus eine tiefe Kluft, aber auch eine unüberbrückbare: da gibt es keinen Kompromiß, sondern nur ein Entweder — oder. Wenn es modern ist, den Egois mus als erstes Gebot aufzustellen, wenn der „Herrenstand punkt" das erste Moralgesetz der modernen Welt ist, dann kann der Katholizismus sich hiermit nicht aussöhncn, denn er stellt die Nächstenliebe als erstes Gebot auf und daneben den Gottesdienst als erstes Moralgesetz, das den Menschen scheinen: Schöpfer und Herrn unterstellt. Hier geht es Stahl auf Stahl, und da gibt es keinen Kautschuk, der aus- gleichen könnte. Ein Ausgleich ist also in dieser Richtung nicht möglich; sondern da handelt es sich um eine Erneue rung dieser modernen Welt mit den ewigen Wahrheiten des Christentums und mit seinem unabänderlichen Sittengefetz. Wir sehen also, daß die gesamte Frage eines Aus gleiches falsch gestellt ist; ein solcher ist entweder nicht not wendig oder er ist nicht möglich. Nun wendet man ein, daß es aber in der katholischen Kirche doch so manche Einrichtungen und Erscheinungen gebe, die nicht mehr so recht in unsere Zeit paßten; diese seien es, die manchen abstoßen und viele Moderne zurück halten, der Kirche sich zu nähern. Der Venvis für die letz ten Behauptungen wird nicht erbracht, jedoch nennt man als solche Einrichtungen den Inder, den Marien-Knlt, den Herz-Jesu-Kult und anderes mehr und fordert, daß erst hier eine gründliche Reform einsetzen müsse, dann werde der Ka tholizismus einen neuen Siegeslauf in der modernen Welt antreten. Diese Aufstellungen erscheinen uns mehr, als gewagt: die innigsten nnd zartesten Blüten am Baume der Kirche, die Verehrung der Mutter Gottes, hat noch nie- wanden von der .Kirche abgestoßen, Wohl aber Tausende zu ihr hingezogen. Und was den so viel beschrioenen Index betrifft, so haben die deutschen Bischöfe ans eigener Ini tiative sich in Nom jene Vollmacht schon erwirkt, die man erst in einer Bittschrift anstrebte. Der deutsche Episkopat hat sich damit das beste Zeugnis ausgestellt, daß er es von selbst versteht, den wirklichen Bedürfnissen der GegeMvart Rechnung zu tragen. Was will man also? Ueber den Inder wird viel zu viel Geschrei gemacht; es will uns fast scheinen, als hätten sich manche katholischen Kreise voi: der protestantischen Scheu vor dem Inder an stecken lassen. Wir haben unsere Ansicht hierüber schon vor mehreren Tagen ausgesprochen. Ter Staat hat den wirk samsten Inder in der Beschlagnahme, die erfolgt, ohne daß der Autor angehört wird; der Protestantismus hat den un geschriebenen Index, daß er katholische Schriften kann: oder gar nicht kennt, und da kommt man nun und bauscht die relativ kleine erzieherische Maßnahine der katholischen Kirche so furchtbar auf. Es will uns fast scheinen, als stecke mehr hinter dem Lärm der liberalen Presse; diese meint wohl, daß mit der Beseitigung oder der Reform des Inder ein Frei brief für alle Irrlehren gegeben sei, daß den tollsten Phau- tasten und tollsten Spekulationen die Tür geöffnet sei. Nachdem die Aktion von Münster an einen: Punkte ein gesetzt lwt, der nunmehr erledigt ist, können die beteiligten Herren nichts besseres tun, als dies unumwunden zuzu geben und die Sacke auch formell für erledigt zu erklären; dann hört das ganze Geschrei über den „Modernismus" auf. Es Nxire Zeit, daß nun neben den vielen Kundgebungen aus Münster einmal auch eine solche käme. Bleibt sie aus, so ist doch für die deutschen Katholiken die Sacke erledigt und jener Kreis kann nicht mehr an Bedeutung bean spruchen, als den eigenen Personen, die ihn: nahe stehen, zukommt. Das einmal ofstn anszusprechen, ist auch eine Pflicht der katholischen Presst, die solche Bestrebungen nicht unterstützt. j Dr-Spen. den 18 Juli 1»a7. — Zur Nordlandfahrt des Kaisers. Der Kaiser setzte am 16. d. M. nachm. 4'/z Uhr die Reise nach Narvik fort, wo