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ff Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. Februar 1 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung des Marineetats wird fort gesetzt und zwar mit der Abstimmung über dis Heizer zulage. — Der sozialdemokratische Antrag sowie der frei sinnige Antrag betr. Erhöhung der Heizerzulage von <00 000 Mark wird mit 155 gegen 162 Stimmen und vier Enthaltungen abgelehnt. Zum Kapitel der I n d i e n st h a l t u n g e n begründet Abg. Hue (Soz.) folgenden Antrag: „Der Reichstag wolle beschließen: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Arbeiten und Lieferungen für die Marineverwaltung nur an solche Firmen zu vergeben, welche in Beziehung auf die Arbeits bedingungen die gesetzlichen Vorschriften einhalten und sich verpflichten, zur Regelung und Sicherung der Lohn- und Arbeitsbedingungen auf den Abschluß von Tarifverträgen hinzuwirken, sowie die Marineverwaltung anzuweisen, die Festsetzung der Neuordnung von Arbeitsbedingungen in den Reichsmarinebetrieben unter Mitwirkung der Arbeiter- misschüsse vorzunehmen." — Der Antrag ist geboten, weil sich besonders in der Firma Krupp die Arbeitsverhältnisse stets verschlechtern und namentlich die Akkordlöhne heruntergehen. Staatssekretär v. Tirpitz: Wir stoßen grundsätzlich auf den Widerstand aller Firmen, wenn wir solche Einzel heiten fordern. Wie sollen wir die Einhaltung dieser Vor schriften nachprüfen? Kaum eine Firma hat für die Ar beiter so viel getan wie Krupp. Wenn wir diese Wünsche alle erfüllen, dann werden die Preise ungemein steigen und wir müssen erheblich mehr zahlen. Abg. Giesberts (Ztr.): Die von den Sozialdemo kraten gestellte Resolution deckt sich mit der Resolution des Zentrums von 1008. Der Bundesrat hat dazu noch keine Stellung genommen; wir müssen diese erst abwarten. Wir halten an der früheren Resolution fest und bringen nun zwei neue Forderungen ein. Da die Werftarbeiter nicht unter das Arbeitskammergesetz fallen sollen, so muß man die Arbeiterausschüsse ausbauen; diese sollen bei der Fest setzung der Arbeitsbedingunden Mitwirken. Wenn die Marineverwaltung so vorgeht, dann wird sie vorbildlich werden für andere Reichsbetriebe. Die Abstimmung über die Resolution findet mor gen statt. Eine Reihe von Kapiteln wird genehmigt nach kurzer, heftiger Debatte zwischen Dr. Struve und Staatssekretär v. Tirpitz. Es folgt Kapitel 60: Werften. Abg. Dr. Leonhart (Vp.) wünscht eine Reorgani sation der Werften. Man habe zu viele Beamte zwangs weise pensioniert. Mit dem Schmiergelderunwesen ist es besser geworden. Geheimrat Harms entgegnet kurz. Andere Bundes staaten haben auch ein Anrecht, zu den Lieferungen zugc- lassen zu werden. Abg. Severing (Soz.) bringt eine ganze Anzahl von Einzelfällen aus den Werftbetrieben vor, die schon die Budgetkommission beschäftigte. Nach kurzer Debatte wird die Weiterberatung auf Donnerstag vertagt. Schluß 6'/. Uhr. Albanien vor dem Aufstande. »Von unserem Lpeziatkor»kspondrnten.) Skutari, den 1«. Februar 1911. Die Lage wird hier von Tag zu Tag ernster. Die Re gierung, die noch vor kurzem durch Dementis die Situation verschleiern wollte, geht nun daran, ernste Maßregeln zu treffen. Mitten zwischen zwei Feuern, gehaßt von zwei Völkern , weiß die hohe Pforte nicht, gegen wen sie sich zu erst wenden soll. Erst jetzt sind sich die Jungtürken klar darüber, wie unrecht und politisch unklug es von ihnen war, das albanesische Volk zu verfolgen, zu martern und in den Tod zu Hetzen. Tie Albanesen, die in den letzten Jahr zehnten die Stützen des türkischen Reiches waren, sind der grausamen barbarischen Behandlung der letzten Jahre müde und haben beschlossen, sich für die erlittenen Greueltaten bitter zu rächen. ^ ^ Die Bergbewohner haben der Mobilisierungsordre nicht Folge geleistet: sie haben sich in ihre Berge zurückgezogen oder sind ins Ausland, besonders nach Montenegro gegan gen, um sich dem revolutionären Komitee zur Verfügung zu stellen, sobald die Stunde der Erlösung schlägt. Die Täler und die Berge Widerhallen von Kriegsliedern; kampfes lustige Bauernburschen marschieren von Dorf zu Dorf, von Felsschlucht zu Felsschlucht und fordern die Brüder auf, mit in den Kampf Z" ziehen, um das Land von dem Be- drücker, von den: Blutsanger zu befreien. Man weiß über all schon, vielleicht auch im Auslande, daß die Entwaff- nnngskainpagne vollständig mißlungen ist. Den Behörden wurden nur alte Gewehre, die einem Antiguitätenmusenni alle Ehre machen würden, ausgefolgt. Die guten Waffen wurden jedoch zurückbchalten und tagtäglich werden trotz der türkischen Kontrolle enorme Mengen von Munition und Waffen, sowie von Lebensmitteln eingeschmuggelt. In Selza im Rappeitale, dem Sammlungsorte der nordischen Bergbewohner, ist der Sitz des wohlorganisierten Hanpt- komitees, das über moderne Waffen und reichliche Mitte: verfügt. Das ganze Tal ist von Natur aus eine unein nehmbare Festung; von allen Seiten von hohen Bergen umgeben, ist der Zugang in das Rappeital nur durch eine schmale Schlucht von zwei bis drei Meter Breite möglich. Die Albanesen haben eine Bergstraße gebaut, die das Rappeital mit Montenegro verbindet: auf diesem Wege werden Munition und Nahrungsmittel eingeführt: diese Straße ist auch deshalb von größter strategischer Bedeu tung. weil sie den Flüchtlingen zur gegebenen Stunde die Rückkehr in die Heimat ermöglicht. Schon im Altertume waren diese Berge der Schau platz blutiger Kriege, in denen die tapferen Bergbewohner immer Sieger blieben. Ich erinnere nur an die erste tür kische Erpedition unter Vuci Pascha (1560), bei der die Türken zahlreiche Waffen und 1200 Soldaten verloren. Ju dieser Schlucht befinden sich gegenwärtig 8000 alba nische Revolutionäre, die fest entschlossen sind, zu siegen oder zu sterben. Die Regierung hatte vor kurzer Zeit vier Bataillone mit mehreren Geschützen gegen sic entsendet; dieses kleine Heer konnte aber nur bis zum Fuße der Berge Vordringen. Die Bergbewohner fügten durch plötzliche Ueberfälle dem Expeditionskorps viele Verluste zu. Sie irieben ihre Waghalsigkeit so weit, daß sie dem türkischen Konimandanten durch Boten mitteilen ließen, sein Heer sei nur geeignet, gegen Kinder zu kämpfen, aber nicht gegen Männer. Als die Regierung die Nutzlosigkeit der Expedi tion einsah, rief sie die vier Bataillone ab. Vorige Woche zogen 300 Männer aus Skala nach dem Tale Napei, um sich „ihren Brüdern, die im Namen der Freiheit die Revolution proklamiert haben," anzuschließen. Ein Augenzeuge erzählte mir darüber: „Als die mutigen Männer durch die Straßen zogen, wurden sie von alt und jung mit Hurrarufen begleitet. Mütter beschworen ihre Söhne, Frauen ihre Männer, nicht eher zurückzukehren, bevor sie nicht dem verhaßten Feinde das Lebenslicht aus geblasen hätten." Am 5. d. M. unternahmen die Revolutionäre einige Streifzügc, um das Terrain zu rekognoszieren. Es kam zu Zusammenstößen mit den türkischen Soldaten, wobei es auf Seite der Türken sehr viele Tote und Verletzte gab. Auf dem Dibragebirge befinden sich zirka 3000 Revo lutionäre, welche Zahl bald noch eine erhebliche Vermehrung erfahren dürfte. In der Stadt Dibra selbst zündeten einige Revolutionäre das türkische Munitionsdepot an, wobei 20 000 Mausergewehre und eine große Menge Munition vernichtet wurden. Tie großzügigen Vorbereitungen, die hastig getroffen werden, lassen für das kommende Frühjahr einen allgemei nen Aufstand befürchten. Die Schuld an den unausbleib lichen blutigen Ereignissen tragen die Grausamkeiten der Jungtürken gegen die christliche Bevölkerung. Kirche und Unterricht. k Die Frage der Erstkommunion. Die bischöflichen Ordinariate Augsburg, Bamberg und Würzburg haben beschlossen, die Kinder in ihrem 11. Lebensjahre, also im 6. Schuljahre, zur ersten bl. Kommunion zuzulassen. Die .,Augsburg»r Postzeitung" meint: „Die Ansicht der in der praktischen Seelsorge arbeilenden Geistlichen ging dahin, daß man auf das 11. Lebent jahr zurückgehen könne, weiter aber nicht " ü Abfallsbrwcgung. Die Abfallsbündler reiben sich vergnügt die Hände. Sie sind am Addieren der AbfallS- zahlen — und siehe da: die Enzyklikahetze im abgelaufenen Jahre ist nicht ganz ohne Erfolg gewesen. Zwar ist dabei der letzte Rest ihrer Reputation bei der friedliebenden Be völkerung verloren gegangen, denn sie haben mit den Sozi, Freidenkern und Altkatholiken gemeinsame Sache gemacht im Seelenhandel: doch fällt das einem Bündlcr nicht gar zu arg aufs Gewissen. Der Ausschuß zur Förderung der Los-von-Rom-Bewegung ist ja mit ihm zufrieden und daS genügt! Diente den Los-von-Rom-Stürmern im Jahre 1000 der Anarchist Ferrer zum Vorwand, so bot sich ihnen 1010 die Borromäus-Enzyklika als willkommener Anlatz 72 „Mir brennt der Gaumen," sagte sie. „Willst du mir nicht Wein brin gen? . . . Oder — schicke mir lieber die rothaarige Bissula hierher mit einem Mischkrug. Sic wird erzürnt sein, daß sie von der Versammlung ausge- schlossen wurde —" „Aber bedenke doch, sie ist nur eine Sklavin." „Besitzt aber den Stolz einer Königin! Sie würde zürnen — uird ick: will sie versöhnen." „Du hast recht, Laeta — wie immer!" Und er ging. Kurz darauf trat Bissula in die Cella, einen Mischkrug in der Hand, den sie am Fuße des kleinen Altars niedersetzte. Ihre Augen sprühten vor Zorn. „Wo sind die Mänimr?" fragte sie. „Und warum hast du mich nicht gerufen zu der Ver sammlung?" „Es durfte kein Weib anwesend sein außer mir," log Laeta. „Dir ist aber ein Vorzug gewährt, Bissula; du sollst dem Imperator den Dolch ins Herz stoßen —" „Weil ihr Römer zu feig dazu seid," rief Bissula verächtlich. „Aber ich tu's doch Ich töte ihn —" „Hast du vernommen, daß Gratian zum Kriege gegen die Ala mannen rüstet?" „Ja — darum soll er sterben." „Du gibst mir dein Wort, Bissula?" „Hier — meine Hand und mein Wort! Aber ich will ihn nicht feige morden, sondern offen, Auge in Auge ihm gegenübertreten. Gleich morgen —" Laeta erschrak. Diese Barbain war ihr zu schnell, die war imstande und machte ihr einen Strich durch ihre ganze kluge Berechnung. „Erst muß Philo dran," dachte sic, „und zu gleicher Zeit — falls sein Stoß fehlgehen sollte — muß Bissula bereitstehen und vollenden, was der andere etwa nicht vollführon konnte." Dieses Schweigen dauerte Bissula zu lange. „Ich werde in den Palast des JmveratorS geben," sprach sie, und mit ihm kämpfen auf Leben und Tod. Und er soll sehen, wie wir Alemanninnen das Schwert zu führen verstehen: beim dritten Gange sitzt es ihm in der Brust —" „Bei allen Göttern!" ries Laeta, „das geht nicht! Glaubst du etwa, du befindest dich im alemannischen Sumpflandc? Der Kaiser hat doch seine Leibwache, die würde dich in Stücke hauen, ehe du nur einen Schritt in sein Gemach getan hättest. Nein, er muß in dem Augenblicke sterben, in dem er unbeschützt anS der Kirche tritt — vor allem Volke!" „Nein doch! —" „Ich sage: Ja!« „Hast du mir zu befehlen?" rief Bissula stolz. Laeta war klug genug, darauf nicht zu antworten. „Ach. Bissula," sagte sie, „was seid ihr hartköpfig, ihr Bar — ihr Alamannen! Wir reden noch darüber. Jetzt hole ich dir den Dolch, mit dem die Tat geschehen soll. Er ist im Tempel Jupiters geweiht und wird sein Ziel nicht verfehlen." Sic lächelte Bissula zu, verließ den Raum und schloß rasch die Tür ab. „So - nun will ich dich fest halten, wie eine Löwin bis z»m Tage der Tat." dachte sie. „Sie wird zwar zürnen, aber nur um so gereizter und grimmiger »nf den Kaiser sein." — 60 — Eumacho-. zog einen kostbaren Amethyst von der Hand und steckte ihn an Laetas Finger. Dann winkte er einem Sklaven, der ihm ein Kästchen aus Zedernholz brachte. Er entnahm ihm ein Halsband von herrlichen Per len. „Das wird dein Dlnt kühlen," sprach er und legte eS um ihren schönen Hals. „Aber es soll nicht die Glnt in deinem Herzen löschen!" „Nein," sagte Laeta lächelnd, „das brennt nur sür dich, Eumachos! . . Aber jetzt, mein Freund? die Marinorbilder! Sonst sind die Gäste so be lrunken, da ßsie keinen Genuß mehr davon haben." „Wie dn befiehlst!" sagte Enmachos und rief den Velarius herbei. Er lc sprach sich kurz mit diesem, worauf er sich entfernte. Eine langgczogene Fanfare, wie aus silbernen Tuben geblasen, klang durch den Raum; wie auf Kommando erloschen die Lichter, tiefe Dämmerung hüllte die Gäste ein. Tbrasea schrie in die Stille hinein: „Beim Herkules, Eumachos, willst du uns in den Orkus schicken?" „Warte — und halte die Augen offen!" klang dessen Stimme. „Wenn ich schon über die Styx fahren soll, so will ich wenigstens etwas zu trinken haben," rief Thrasca. Und während die letzten Lichter erloschen sah man, wie er eine mächtige, wcingefüllte Amphora in seine Arme riß und seine Lippen anlegte . . . Eine rauschende Musik erklang, und aus dem. Ncbcnraume ergoß sich ein Schwarm von jungen, leichtbekleideten Mädchen, die, den cfeunmwundc- ncn Tyrsusstab schwingend, einen goldenen Wagen umtanzten, in dem auf schwellendem Lager von Rosen und Lilien Aprodite, die Schaumgeborene tbronte. . . . Hinter diesen kam eine Schar junger Bacchanten mit Weinlaub im Haar, jauchzende Schreie auSstoßend. In wilden Sprüngen umtanzten sie das Faß, auf dem behaglich der alte Weingott Bacchus saß und seinen Kin dern verheißungsvoll und spöttisch zulächelte, wie ein Faun. Langsam bewegte sich der Zug durch die Festhalle hinaus in den glän zend erleuchteten Garten. Die Gäste, die noch nicht völlig berauscht auf dem Boden lagen, erhoben sich und schlossen sich dem Zuge an. Und draußen bei den rauschenden Springbrunnen, unter den dunklen Bäumen und in den dichten Büschen tobte ein Bacckxmal, über das die Nacht verhüllend ihren dunklen Schleier warf. Die Menschen erniedrigten sich zu Tieren, versanken in einem Sumpf.. WaS sich hier aber im kleinen vollzog, daS geschah in dem ganzen Hei- dcntmne: es richtete sich an der eigenen Sinnenlust und an den Lastern, die eS großgczogcn, zugrunde. Es grub sich selber sein Grab. Jenseits des giftigen Sumpfes aber, auf grünen, blühcirden Inseln, wuchs stark und gesund ein mächtiger Baum empor, der tausend Knospen und Blüten trug: da erhob sich stolz und frei das junge Christentum, von der Sonne der Wahrheit befruchtet und erwärmt: ein königlickwr Baum! — 5. Während das Bacchanal durch den Garten rauschte, versammelten sich die Verschworenen, da sic jetzt ganz ungestört und unbeobachtet ihre finsteren Pläne schmieden konnten. ^ ^