Suche löschen...
Sächsische Volkszeitung : 04.05.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190405042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19040504
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19040504
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-05
- Tag 1904-05-04
-
Monat
1904-05
-
Jahr
1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 04.05.1904
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Mit 16000000000 Mark oder 20 Milliarden Franks (die französische Kriegsentschädigung betrug nur sechs Milliarden Franks) kann ein Jesuiten general schon einen zweiten dreißigjährigen Krieg in die Wege leiten und auch durchführen." Besser kann man den großen Kindern das Gruseln nicht beibringen. Die „Köln. Volkszeitung" amüsiert sich auch köstlich über diese Gespensterfurcht und schreibt: Zur Beruhigung der „Wartburg"-Leser können wir aus jesuitischer Quelle Mitteilen, daß der General der Jesuiten sich ent schlossen hat, einstweilen nur den Russen und Japanern, die sich in großer Geldnot befinden, ihre beste» Kriegsschiffe abzukause», das Deutsche Reich zu blockieren und gänzlich verhungern zu lassen — und zwar an Leib und Seele. Aber nicht bloß die „Wartburg" fördert die Dummheit iu horrender Weise im „Volke der Deuker", sondern auch eine lange Reihe anderer Zeitungen. Die sächsischen katholikeltfeindlichen Blätter, auch die Amtsblätter, gehen, wie überall als Hahnemaim mit den großen Wasserstiefeln voran. Das kann nicht wnndernehmen, weil ja hier der Herausgeber der „Wartburg", Herr Superintendent I). Meyer, wohnt und wirkt. So sieht die Aufklärungsarbeit ans, welche unter der protestantischen Bevölkerung verrichtet wird. Ans dem „Volke der Denker" werden fanatisierte und doch glaubens lose mit Vorurteilen gefütterte und doch mit einem Anstrich von voranssetzmigtzloser Wissenschaft überfirnißte Charaktere gemacht. Die Lektüre des handgreiflichen Unsinns in säch sischen Blättern, das Anhören gleich unwissenschaftlicher Legenden und lügenhafter Geschichten in Vortrügen der Bnndesredner muß einen großen Teil des „Volkes der Denker" geistig und sittlich verkommen lassen. Nicht die Jesuiten, welche Bildung und Aufklärung verbreiten, sondern die Fanatisierungsarbeit durch Verdummung allein wäre imstande, einen ÜO jährigen Krieg vorznbereiten. VV. Reichstag. «. Berlin. KI. Sitzung am 2. Mai 1004. Das Haus setzt die Beratung des Etats mit den Einnahmen aus den Jollen fort. Berichterstatter Iw. Arendt: Das abgelanfene Jahr 1003 gibt bei den Zöllen ein Plus von 30 Millionen: deshalb hat die Bndgetkvnnnission den Etatssatz nm 20 Millionen erhöht. — Hng (ZU.) wünscht Auskunft über die Revision des Jollvereinsgesetzes und anderweitige Vorschriften für den Beredlungsverkehr. — Staatssekretär Jrhr. v. Stengel: Die Verhandlungen wegen einer Revision des Zollvereinsgesetzes sind cingelcitet und werden beschleunigt. Die Vorschriften über den Veredlungsverkehr werden einer eingehende» Prüfung unterzogen werden und hierbei die dankenswerten Anregungen des Vorredners berücksichtigt werden. — IU. Pansche (natl.): Die Erhöhung der Matrilularveiträge drückt die Bundesstaaten sehr; zu den 24 ungedeckten sind nun noch 17 weitere hinzugekommen. Die Vertreter der Eiuzelstaaten wehrten sich hiergegen. Mau könnte ja die Zolleinnnhmen um 10 Millionen höher in den Etat cinstellcn: allerdings hat das Reich dann das Risiko zu tragen. Man könnte auch andere Einnahmen erhöhen, um die Bundesstaaten zu schonen. — v. Kardorff (Rp.) wider spricht diesem Vorschläge, da der Bundesrat gar nichts getan hat, um höhere Einnahmen herveizuführen, indem er die Handelsver träge einfach gekündigt hätte, namentlich den für Argentinien. Wenn der Bundesrat so wenig Rücksicht auf uns nimmt, haben wir ihm auch nicht entgegcnzukvmmen. lSehr gntl) Staatssekretär Frhr. v. Stengel: Die Anregung Paasches muß erst in der dritten Lesung näher erwogen werden. — Speck (ZU.) bedauert, daß sich seinerzeit im Reichstag keine Mehrheit gefunden hat für den Termin des Inkrafttretens des neuen Zolltarifs; hätte man als Termin den 1. Mai 100.7 gesetzt, so würden unsere Verhandlungen mit den anderen Staaten schon längst zu Ende geführt fein- Gegen den Vorschlag dcS Abg. Paasche' muß ich mich sehr entschieden auS- sprechen; wir können die Einnahmen nicht so ohne weiteres erhöhen. Die Bundesstaaten sollen nur das Defizit tragen. (Bravo!) — Staatssekretär Frhr. v. Stengel: Der Reichstag hat der Steige rung der Ausgaben stets zugeslimmt, ist also auch hierfür verant wortlich- — Sachs. Geh. Rat Ho heul hat schließt sich dem Vor schläge Paasches an; die Einzelstaaten sind schon jetzt zu sehr be lastet. Sie müßten infolge des Beschlusses des Reichstages die direkten Stenern erhöhe» und das geht auch schwer. — Abg. Iw. Paasche (natl.) bringt seinen angekündigten Antrag nicht ein. da er keine Unterstützung gefunden habe. — Iw. Pachnicke iFr.Vg): Damit ist die Anregung erledigt. Unsere Landwirtschast kann den einheimischen Bedarf nicht decken. — Iw. David (Soz.) lehnt die Anregung Paasches durchweg ab; man führe eine Rcichscinkommen- hörte, und er ist später einmal ein Wüstling geworben. Ist bciS ein Gewinn fürs deutsche Volk? Lieber, die wirklich Volkslieder sind, die dein Volkscharnkter entsprechen, gemüts- tief ungeschminkt die Lebenswahrheit aussprechcn in natur- hafler Einfalt lwie eS der deutsche Michel liebt), wird nieinand unterdrücken. Die Kirche ist nicht engherzig: in ihrem Geiste handelte jener Kirchensürst von Passall. der dem Cuntm' ^Vultlmriim 0 oolidi ionni lauf einen Winter- rock?) gab, obwohl dieser Sänger dv Vo>xo!w,>!da durch aus nicht sehr kirchlich war. - Wahr ist, daß die Bedeut ung des Volksliedes im 17. und 18 Jahrhundert vielfach nicht erkannt wurde, Ivo es zmn Teil verachtet war. Aber das sind merkwürdigerweise gerade die 2 Jahrhunderte, wo die Kirchenfeinde oben waren, wo die Ehristumsfeinde den Ton angaben. Erst von Herder und Goethe wurde das liebe Volks lied wieder zu Ehren gebracht: aber auch zwei Katholiken: Arnim und Brentano, haben sich große Verdienste erworben um dieses literarische Aschenbrödel durch die bekannte Samm Iling „Des Knaben Wnndcrhorn" (1806—1808); desgleichen GörreS, ein katholischer und kirchlicher Mann, durch die nr- kundliche Sammlung: „Altdeutsche Volks- und Mcisterlieder ans Heidelberger Handschriften." Und seit dem vorjährigen großen deutschen Sängcrfest in Frankfnrt a. M.. bei dem der Berliner LehrergesangS- verein die Kaiserkette davontrng, ist doch auch das große Intet esse des deutschen Kaisers gerade für daü Volkslied sehr bekannt geworden. Freilich, für Volkslieder, die im Tone der modernen Dekadenten ans dem Misthaufen entstanden sind, haben wir und hat der gesunde Großteil des deutschen Volkes kein Verständnis. tiio'cml um! roino minim owcr <Im micmimn will, dem ooll lcmimii in nnocm laut, du mt wnnim viol. So hat der obgenannte Walther von der Vogelweide gesagt, und möge es auch so bleiben in unfern deutschen Landen, Tugend und reine Minne, sittlich reine Liebe, auch im Lied; da gibt'S daun viel Wonne; da ist das Leben eine Frende; da gibt'S keine Verführung, keinen qualvollen Schmerz der Eltern, keinen Selbstmord und KindeSmord! steuer ein. dann braucht man nicht die Brotverteuerung durch die Zölle. — v. Kardorff (Rp): Wohl leitet der Reichskanzler die BertragSverhandlungen, aber der BundeSrat hat auch einen Einfluß darauf. — Iw. Wolfs (W. Ber.): Deutschland kann seinen Brot bedarf selbst decken. Auf der einen Seite steht bei der Sozial demokratie IW. David, auf der anderen Seite Schippet, die heben sich beide auf! (Sehr gut!) — Nach kürzeren Ausführungen der Abgg. Pachnicke, Iw. David, v. Arendt und Speck wurde der Antrag der Kommission genehmigt. Die Vudgetkommißion beantragt Erhöhung der Zucker steuer um 10 Millionen. — Mommsen (Fr. Vg.) spricht über die Vermahlung des russischen Hückers in Danzig. — Speck (Ztr.) wünscht tunlichst bald einheitliche Bestimmungen über den Vered lungsverkehr. — Gothein (Fr. Vg.) hat Bedenken gegen die ein heitliche Regelung des Veredlungsverkehrs durch das Reich. — Holz (Np.): Unsere Zuckerindustrie kann bei den heutigen niedrigen Preisen nicht mehr bestehen. — IW. Paasche (natl.): Durch die Zuckerkouvention haben wir im Weltmarkt Kanada verloren; aber der Konsum des Zuckers steigt ungemein. — Kulerski (Pole) bekennt sich als Gegner der Verbrauchssteuern, besonders der Salz steuer. — Werner (Antis.) fordert an Stelle der Salzsteuer eine progressive Einkommensteuer, eine Luxusstcuer, höhere Steuern des Ehampagners und der feinen Zigarren. Auch auf Automobile ist eine Steuer zu legen. — Ga mp (Np) hat schon Ende der 70er Jahre die Aufhebung der Salzsteuer gefordert, aber sie nicht er reicht. Die Automobile sind zu versteuern. — Beim Titel „Malz- steuer" bespricht Iw. Pachnicke (Fr. Vg.) den Erlaß der preuß. Minister gegen den Flaschenbierhandel: er bedauert diesen Erlaß.— v. Kardorff IRp.) fordert eine gestaffelte Malzstener im Interesse der kleinen Brauereien. Damit ist das Kapitel Zölle und Verbrauchsabgaben erledigt. Das Kapitel „Reichsstcnipelabgabcn" wurde ohne wesentliche Debatte genehmigt. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Fortsetzung. Politische Rundschau. Deutschland. — Der 27. Kongreß der katholischen kaufmännischen Bereinigungen Deutschlands findet in diesem Jahre acht Tage vor der Katholiken-Versammlnng und zwar am 12., 12. und 14. August in Fulda statt. — Die Versamm lungen tagen dortselbst iu den herrlichen Orangerie-Sälen, die 1721 von dem Fürstabt Eonstantiu von Buttlar als Prunkstücke reinen Barockstiles erbaut wurden. An diese Fürstensäle schließt sich nördlich der neue große Stadtsaal, der in demselben Stile erbaut ist, an. Die Säle stehen mit dem wohlgepflegteu städtischen Schloßpark in unmittel- barer Verbindung. In dem großen Stadtsaal und in dem herrlichen Schloßgarten werden sich die Kongreßteilnehmer nach den Beratungen zur Erholung zusammenfinden. Bei der günstigen Lage Fuldas, das von allen Seiten sehr leicht zu erreichen ist, dürfte eine rege Teilnahme an der Generalversammlung seitens der Mitglieder des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereine Deutschlands zu er warten sein. — Eine Abänderung des Braustcucrgcsctzcs soll ent sprechend der Anregung von süddeutscher Seite den gesetz gebenden Faktoren des Reiches in absehbarer Zeit iu Vorschlag gebracht werden. Es wird sich hierbei in keiner Weise darum handeln, Mehrerträge aus der Brausteuer zu erzielen. Vielmehr soll nach der „Nat.-Lib. Korr." nur erreicht werden, und zwar auf dem Wege der Staffelung der Steuer, wie sie iu Bayern, in Baden und in technisch vorzüglicher Weise iu Württemberg Gesetz ist, daß neben den größeren auch die mittleren und kleinen Brauereien leichter bestehen können, als dies zur Zeit möglich ist. Vielleicht läßt sich dann auch das Verbot der Surrogat- mittel hereinnehmen, wie es in den genannten 2 süd deutschen Staaten schon besteht, nicht zum Schaden der Biertrinker; denn das süddeutsche Bier ist weit schmackhafter als das norddeutsche. — Gegen die Flvttcnschwärmcrci macht auch die „Kreuz zeitung" Front; sie meint, daß es besser wäre, wenn der Flottenverein mit seinen weitanSgreifeuden Plänen etwas zurückhaltender wäre, besonders jetzt, wo die Finanzlage des Reiches so ungünstig ist, daß sie für die Zukunft mit Recht die schwersten Bedenken erregt. Daß für die Ver stärkung unserer Seemacht nach Kräften gesorgt werden muß, versteht sich von selber. So lange aber die Bereit willigkeit fehlt, neue finanzielle Hülfsquellen zu eröffnen, sind Vorschläge, wie die des Generals Keim, mir Wasser auf die Mühlen der Gegner und helfen den Widerstand gegen die Flottenvermehrnng verstärken, statt ihm den Boden zu entziehen. — Bei der NcichStagöwahl im Kreise Sachsen Altcn- bnrg erhielt der konservative Kompromißkandidat Iw. Porzig 18 088 und der Sozialdemokrat Bnchwald 17-I I!) Stimmen. — Die Kundgebung des deutsche» evangelischen Kirchcn- ansschnsscs brachte die Aufforderung an die Protestanten, „im öffentlichen Leben" nach ihrer religiösen Ueberzeuguug einzutreten. Da wir von den Katholiken stets dieses kon sequente Verhalten gewünscht haben, fällt cs uns nicht im mindesten ein, hiergegen einen Widerspruch zu äußern. Was uns an dieser Kundgebung nicht gefallen hat, das ist die Aufforderung zmn Kampfe gegen die katholische Kirche, das ist der Protest gegen die Aufhebung eines sehr un schönen, die deutschen Katholiken beleidigenden Ausnahme gesetzes! Nun waren wir begierig, wie das Echo aus dem protestantischen Lager selbst ertönen werde, seit 14 Tagen ist der Ruf erklungen und noch findet sich kaum eiu Gegen schall. Es mag für den deutschen evangelischen Kirchen nusschuß sehr betrübend sein, wenn er erfahren muß. wie ungemein wenig Beachtung diese seine erste öffentliche Kundgebung gefunden hat. In der Tagespresse ist sie ohne Schall verhallt: nur die Protestantischen kirchlichen Zeitschriften nehmen von ihr Notiz, was ja ganz selbst- verständlich ist. Aber auch hier ist die Aufnahme gar nicht freundlich. So spricht die Zeitschrift „Der alte Glaube", die immer gegen die Aufhebung des Artikels 2 war. von einer „phrasenhaften Verschwommenheit" dieser Kundgebung, die „geradezu Peinlich" berühre. Das Blatt fragt aber daun: „Warum aber kein klares, unmißverständ liches Bekenntnis zu den göttlichen Grundlagen der evange lischen Landeskirchen, dem schriftgemäßen Glauben an JesuS EhristuS, den Mcnschgewordencn, Gekreuzigten. Auferstandenen und Erhöhten?" In längeren Ausführungen wird dann beklagt, daß der KirchenauSschnß die „gähnende Kluft" im Protestantismus nicht sehen wolle. Gleichzeitig publiziert der Erbmarschall des Fürstentums Minden. Freiherr von der Recke, in der „Kreuzzeitung" einen Aufruf zum Kampf gegen den JesuitiSmuS. „aber nicht gegen diesen allein". Er will den 8 2 des JcsuitengesetzeS sehr gern unter dem «Grabhügel der Kulturkampfgesetze" liegen lassen und gegen den Liberalismus ankämpfen. Die Lehrfreiheit des kirchlichen Liberalismus bekämpft er mit folgenden Argumenten: »Jede Kirche bedarf einer obersten Instanz, deren Entschei dung gilt, bis sie von derselben obersten Instanz geändert wird. Wie soll sonst Glaubensbekenntnis und Lehre mit der wirklichen Offenbarung Gottes in Uebereinstinunung erhalten werden? Was die katholische Kirche hierin zu viel hat, das haben wir zu wenig. Sie hat genug zu tun. sich vor der Gefahr des Ueberglaubens zu hüten. Wir: vor der des Unglaubens." Aus dem weiteren Aufruf des Freiherrn von der Recke ist ersichtlich, daß er Wert legt auf das Zusammen- arbeiten der Gläubigen beider Konfessionen. Wenn er nun hier für die Katholiken die Gefahr des Ueberglaubens er blickt, so sieht er zu schwarz und kennt unsere Verhältnisse zu wenig. Wir haben hierin nicht zu viel, sondern wir haben nur das richtige Maß, die richtige „oberste Instanz", wie sie der Stifter der Kirche selbst gegeben hat; daß ist gewiß, daß Freiherr v. d. Recke ungewollt mit solchen Ansichten dem Katholizismus viel näher steht, als er selbst geglaubt; die freie Forschung schließt eine „oberste Instanz" förmlich aus. Dieser kurze Blick in das andere Lager muß uns das wertvolle Gut unseres Glaubens doppelt schätzbar machen! — Einen nltramontancn Reichskanzler wünschen sich die Bismarckischen „Hamburger Nachrichten", weil dann mit größter Wahrscheinlichkeit „auf das endliche Einsetzen der längst bitter notwendigen, aber bisher noch nicht zum Ausbruch gekommenen großen nationalen Bewegung gegen die Supremation des Ultramontanismns zu rechnen wäre, welche der klerikalen Herrlichkeit im Deutschen Reiche ein für allemal ein Ende bereiten könnte. Abgesehen davon aber würde das Zentrum, wenn es den Neichskauzlerposten oder andere politisch hervorragende Ministerien zu besetzen hätte, dadurch in eine äußerst unbequeme Lage gebracht werden, und es wäre wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, die reichsverderbende Politik fortznsetzen, die es jetzt, lediglich im Besitze der Macht, aber bar jeder Verant wortung. betreibt. Jedenfalls erscheint es ratsam, dem Gedanken der Uebertragung einer solchen Verantwortlichkeit auf das Zentrum näher zu treten; es kann nur dazu helfen, die ungesunden Zustände von heute einer wohltätigen Krisis entgegenzutreiben." Das Bismarckblatt täuscht sich sehr; wenn dem Zentrum der Posten des Reichskanzlers angeboten würde, hätte dieses gar keinen Grund, denselben aus- znschlagen, falls man dann an höchster Stelle entschlossen ist, den Forderungen des Zentrums Rechnung zu tragen. Das deutsche Volk aber würde sehr gut damit fahren, denn die Politik des Zentrums ist eine durchweg volkstümliche und deutsch-rationale. Wir fürchten aber immer, daß man sich heute imMentrum die Köpfe noch nicht zu zerbrechen braucht; vorerst ist Graf Bülow noch Reichskanzler und cs ist kein Grund vorhanden, weshalb er zurücktreten soll. Wenn dies aber je einmal eintritt, so sind andere schon längst vor dem Zentrum da, die auf diesen Platz an der Sonne hoffen! — Im Wahlkreis Frankfnrt a. O. findet am 12. Mai eine Ersatzwahl statt, da die Wahl des Sozialdemokraten Or. Braun für ungültig erklärt worden ist. Die Sozial demokraten haben Or. Braun wieder ausgestellt; die bürger lichen Parteien wollen sich auf einen liberalen Kandidaten einigen; der Name Bassermann wird hierbei genannt. Die Niederlage der Sozialdemokratie in Altenbnrg gibt dem „Vorwärts" Veranlassung zu sehr ernsten Betrachtungen; ja er sagt sogar: „Hat die innere Tätigkeit der Partei seit dem 16. Juni an Schwung und begeisterter Agitation nach gelassen? Haben wir alles getan, wozu der Sieg uns ver pflichtete? War unsere Parteipolitik — wir meinen natür lich nicht die Politik gegenüber dem Gegner — durchweg fruchtbar? Waren alle Einzelerscheinungen notwendig, ver loren wir uns etwa nicht in Kleinlichkeiten und Neben dinge, war unser Tun immer so bedeutsam wie unsere Sache?" Für die bürgerlichen Parteien ergibt sich heute das eine, daß ein fester Zusammenschluß absolut nötig ist; wo dieses gegen den gemeinsamen Feind sich zeigt, da ist eS mit den Siegen der Sozialdemokratie vorbei, da ver liert sie die Mandate, die sie der Zersplitterung der bürger lichen Parteien verdankt. Aber notwendig ist auch, daß alle bürgerlichen Parteien, auch das Zentrum und die Katholiken, gleich und gerecht behandelt werden, damit sie zusammen arbeiten können. — Der „National-Zeitung" zufolge hat die national- liberale Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses dem Abg. Mendt, der sich für die Abschaffung des Reichstags- Wahlrechts anssprach, nahe gelegt, seinen Austritt ans der Fraktion erklären zu wollen. Oesterreich - Ungarn. — Im österreichischen Abgeordnetenhaus wurde die Sitzung am Montag mit der Vorlesung des Einlaufes eröffnet, worauf der Präsident unter Berufung auf die seit Jahren ohne Widerspruch geübte Praxis, daß die auf der Tagesordnung stehenden Wahlen vorgenommen wurden, ohne Rücksicht darauf, ob in die Tagesordnung eingegangen wurde oder nicht, die Vornahme der Wahl der Quoten deputation und der Ausschußersatzwahlcn sowie der Wahl zweier Schriftführer anordnete. — Or. Anton Dworak P. Am 1. d. Mts. ist in Prag der Komponist Or. Anton Dworak, als er beim Mittagessen saß. infolge Schlagflusscs gestorben. Dworak. der ein Alter von 02 Jahren erreichte, hinterläßt zwei Söhne und drei Töchter. Mit Anton Dworak verlieren die österreichischen Slaven ihren größten zeitgenössischen Komponisten. Dworaks sinfonische und Kammermnsikwerke zählen teilweise zu der modernen Instrumentalmusik; auch seine „slavischen Tänze" haben eine große Popularität er- langt. Der Meister genoß in den musikalischen Kreisen des In- und Auslandes aufrichtige Verehrung. Dworak, der der Sohn eines Fleischhauers aus Mühlhausen bei Kralup war, wurde vor zwei Jahren ins Herrenhaus berufen. Rom. — Die „Tribuna" meldet, während der Anwesenheit des Präsidenten Loubet in Rom habe der Vatikan allen Nuntien in Europa eine heftige Protestnote gegen die neue schwere Beleidigung des Hauptes der katholischen Kirche gesandt.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)