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Nr. »»V I«. Jahrg. Geschäftsstelle und Redaktionr Dresden - A. IS, Holbeinstratze 46 Donnerstag, 2. Oktober I? ^ Fernsprecher 21 SS« Postscheckkonto Leipzig Nr. 14 volfsmtuna B«,«,»pretSi BlerteljLhrlich In der GeschSstSstelle oder don der Post ««geholt Ausgabe I 4.OH X, Ausgabe » 8.VL In Dresden und ganz Deutschland srei Haus Ausgabe I 4.VS Ausgabe » 4.0S — Die Sächsische SallSzeitung erscheint an allen Wocheittagen nachmittags. — Sprechstunde der Rcdaltion: tt bis LS Uhr vormittags. Anzeigen: Annahme don GeschSstSanzeigen bis 40 Uhr. von Familicnanzcigen bis II Uhr vorm. — Preis für dio Petit-Spallzciie SO 4 im ReNametcit 1 Familien. Anzeigen 40 4 — Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fern sprecher ausgegebene Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit des Texter nicht übernehmen Noske Von unserem Berliner Vertreter Rin das „Pro bl ein Noske" tobte in den letzten Wochen ein lebhafter Kampf. Selbist die eigenen Partei genossen Noskes waren an ihm irre geworden. Im Grnndc hatten sw sich aber mir durch die Agitation der Uiiabhänch- gen und durch die irrsininge Gespensterscherei ihres Ber liner Organs „Die Freiheit" ins Bockshorn jagen lassen. Wo irgend ein Offizier sich räusperte und spuckte, wurde in der „Freiheit" über die Gefahr der „Gegenrevolution" ge redet. Dieses „gegenrevolutionäre" Geschwätz war nachge rade schon histeäsch geworden. Nun trugen sich in neuerer Zeit einige Dinge zu, die in ihrer agitatorischen Ausnutzung allerdings geeignet waren, Noske die Hölle recht heisi zu inachen. Vor allem „der Fall" des Obersten Reinhard. Reinhard war der Offi zier, der iin Januar mit einer Hand voll treuer Truppen Berlin voll der Spartaknsherrsclpst befreite und unter schweren Opfern dieser Truppe die Spartakisten aus dein „Vorwärts"-Gebände herauswarf und damit den Sozial demokraten ihr publizistisches Organ wieder,gab. Damals hingen die Geschicke -der Negierung an einem Faden, keil! Wunder, daß Noske und die Sozialisten im Kabinett ihrem Retter schon einigen Dank zollen. Oberst Reinhard ist in erster Linie Soldat. Politiker und Diplomat ist er natur gemäß nicht. Seine Worte haben einen anderen Klang, als das bei anderen Leuten der Fall ist. So hat er sich üben gewisse Zustände in- der Negierung in etwas despektierlicher' Worten ausgesprochen. Darüber ist nun ein großes Geschrei bei den Unabhängigen entstanden, das so lange und w in tensiv fortgesetzt wird, bis richtig auch der „Vorwärts" dar auf hereinfällt ans Purer Angst, von den Unabhängigen sich ja nicht in der Belämpfung der Gegenrevolution übertrnnw- fen zu lassen. Aber wie inkonsequent sind doch alle diese Menschen! Da neben sie Politische Redefreiheit siir alle, also doch auch wohl für den Soldaten, und dann will man eine „Gefahr für die Republik" darin erblicken, wenn sich ein Offizier, mit glattem politischen Sprachgebrauch nicht vertraut, einmal in s eine r Art über die Dinge äußert. So gab es also eine» gewaltigen Sturm um Noske, und es ist auf das Äenßerste bemerkenswert, daß in dieser Sache einer der intimsten Freunde Noskes und ehedem maßgebend, sten Männer der Revolution, S ch e std e m a n n , in das Feuer blies. So kam es zu der Forderung, daß sich Noske vor -den Funktionären der Groß-Berliner sozialdemokrati schen Partei verantworte und rechtfertige. Das tat nun auch Noske am letzten Sonntag in einer Weise, die ihm — ein e i n st i m m iges Vertrauens v o t n m einbrachte. Was Noske in dieser Versammlung über seine Arbeit seit Ausbruch der Revolution, über die Zustände der Revo lution und über die Stellung der Offiziere sagte, geht weit über den Rahmen einer engeren Versammlung hinaus und verdient in weiteren Kreisen im Lande bekannt zu werden. Er traf die Krebsschäden unserer Zeit mit derben, aber siche ren Worten Wenn er sprach, „daß für Hunderte und Tau sende die Revolution nur eine (sie legen beir z n m Stehle n wäre", so sagte er uns allen, die wir diese Dinge miterlebt haben, gewiß nichts Neues, den Krein», nm die Nevolntionsniacher etwas sehr Peinliches, -aber Wahres! Noske fuhr fort: „Das macht die anständigen Menich-eii topi schen und jagt sie wieder dem alten Regime zu (lebhafte Zustimmung). Leute, die nie den Mund aufgemacht haben, w tauge der Schützengraben ihnen drohte, haben nach der Revolution in den Fabriken an Terrorismus, Niederträchtig keit und Vergewaltigung anderer Meinungen die schlimm sten Sünden anderer Machthaber tausendfach übertroffen. < Lebhafter Beifall.) Sollen wir von diesen Prahlhänsen und Großmäulern Deutschland zugrunde richten lassen? (Sehr gut!)" Hier traf Noske in der Tat das Griindübel der jetziger.« Zeit. Er wurde aber noch deutlicher, als er fortnibr. „Tie Betriebsräte haben nur dann einen Zweck, wenn nicht jedes zwanzigjährige Großmaul glaubt, in einem Millionenbetrieb hernmregieren zu können, sondern wenn die erfahrensten, reifsten und klügsten Arbeiter Arbeiterräte werden. Wir können doch nicht Zahlabendpolitik treiben. (Sehr wahr!)" Bon ganz besonderem Interesse waren die Aussührnii' gen, die Noske in m ilitärischer Hinsi ch t machte. Er kam ans seine Tätigkeit in Kiel zu sprechen und bemerkte dabei, daß er der erste Soldatenrat von Deutschland gewesen sei. Es drohte in Kiel alles drunter und drüber zu gehen und eine Welle des Verderbens über das Land sich zu er gießen. „Da habe ich mir" — so «sagte Noske — „die alten Offiziere und Beamten, verprügelt und bespuckt, wie sie waren, einzeln wieder herangeh-olt und mi! ihnen das Schlimmste verhütet. Und ebenso war es hier in Berlin. Es war der Träger eines der bekanntesten dent - s ch e n N a m e n , der mir unter tausendfacher Lebensgefahr die Gewehre und die Munition für meine ersten Freiwilli gen ans den Kasernen znsammengestohlen hat. (Zuruf: Wer?) Wenn Sie es wissen wollen: ein GrasBis m a r ck. (Bewegung.) Wenn sie ihn erwischt hätten, hätten sie ihn totgeschlagen, und ich sollte jetzt vergessen, was diese Offi ziere mir für die Rettung des Landes geleistet haben? Tie Partei darf mir -die Leute nicht verpr^llen, ans die ich in Kiel und in Berlin nicht verzichten konnte uph auf die ich heute nicht Verzicht leisten kann. Tie Reichs wehr ist eine dauernde Gefahr wie jede Söldnertruppe, wenn sie nich-tE, st raff st e, eise r n st e M annes - z ncht hält." Noske erklärte dann, daß er jedem, der sein Amt haben »volle, es mit Kußhand überlasse; er betonte dann, baß alle „reaktionären" Offiziere herausgeworfen und bis jetzt 200 Generale verabschiedet seien. Sehr bezeichnend ist sein Bekenntnis: „Wenn ich nicht ein so unverbesserlicher Optimist wäre — nach den Erfahrungen, die ich geinacht habe, s p u ck t e i ch auf die ganze Mensch h e i t. (Bewegung.) Es pirscht sich jetzt an uns alles mögliche heran. (Zurufe: Halbseidene, Revolntionsgewi nner!)" Was dann NoSke über die Zukunft des Offizierk-örps aiisführte, wirkt angesichts des herrlichen Glanzes unserer einstigen Armee geradezu erschütternd. Er sagte: „Im Offizierkorps bleiben in erster Reihe -die Leute, die im Januar für uns gekämpft haben. Sodann die armen Frontoffiziere, die sich im Kriege ausgezeichnet haben. Die reicheren Offiziere kann ich eher entlassen. Wir werden an, 1. Januar 1020 ein bettelarmes Offizierkorps haben, das mit seiner Eristenz an die Sicherheit des Landes und an die Festigtest der Negierung gebunden ist. (Beifall und Be wegung.)" Noske stellt dann die Gefahr einer „Gegenrevolution" von dieser Seite in Abrede. „Natürlich seien die Leute von den jetzigen Verhältnissen nicht entzückt." „Sorgt lieber da für," so rnst Noske seinen Genossen zu, „daß die anstän digen Leute nicht eineil Ekel vor der Revolution bekommen und sagen, wenn das Sozialismus ist. ist uns eine anstän dige bürgerliche Negierung lieber. (Zürns: Das hört «nan alle Tage!)" Und was sollen wir anderen ans diesen Ausführungen Noskes erseheil? Daß ohne straffe Manneszucht, ohne die vielgeschmähte Disziplin keine Regierung regieren kann. Bei dem Charakter einer Revolution, die nach Noskes eige' neni und durchaus zutreffenden Zeugnis einerseits als eine „Stehlfreiheit", andersens- als eine Lohnbewegung sich ent wickelte, liegt -die Gefahr vor, daß sich alle Bande der Ord nung und Sicherheit löten. Wer sich in solchem' Strudel am .Ruder halten will, muß fest zngreisen. Er muß, wie Noste wiederum zutreffend ansführte, „den Mut zur Härte" haben, und, abermals nach Noskes Anschauung, „lieber ein paar tausend Tollköpfe opfern -als ein OO-Millionen-Volt". Tie soziatdeiliokratischen Genossen, die diese Aeiißerini- ge„ Noskes mit anhörten, bekundeten ihnen eine überaus lebhafte Zustimmung. Sie haben damit also zugegeben, daß es ohne die Anwendung von staatlichen Macht- und Gewalt mitteln gar nicht geht. Und wenn wir uns die Tinge seil dem 9. November wieder vor Angen führen, dann werden wir uns sagen müssen, daß bei keinem noch so „reaktionären früheren Regime"* so viel Blut geflossen ist und mit solcher Anwendung der schärfsten staatlichen Gewaltmatznahmen vorgegangen worden ist, als das jetzt im Zeichen der Re publik, im Zeichen der „Freiheit" geschieht und als das, wie anch wir rückhaltlos zngebeli, im Interesse der Aufrechterhal- tilng der Ordnung notwendig ist. Noske ist die Verkörperung der sozialdemokratischen Entschlossenheit zur Aiisrechterhattliiig ihrer Macht zu allen, also auch zu Gewaltmitteln. Daß es aber gerade ein Sozial demokrat, und noch dazu einer ist, der nie Soldat und immer ein scharfer Kämpfer gegen den „Militarismus" war, daß dieser selbe Noske, obwohl niemals Soldat, eine Macht in sich vereinigt, wie nie zuvor irgend ein General, und daß er von dieser Macht Gebrauch macht und notgedrungencr- weise Gebrauch machen muß, wie« nie zuvor ein militärischer Befehlshaber, das ist — das Tragikomische an der Geschichte. Wiek^r in Berlin! Von unserem parlamentarischen Vertreter Nach fast einjähriger Panse — welch eine qualvoll lange Zeitspanne, noch dazu in Erinnerung an all das in ibr Er lebte! — tagt nun znili ersten Male wieder ein reguläres Parlament im majestätischen ReichstagSgebände zu Berti!«. Man möge es dem Verfasser dieser Zeilen erlauben, an die Gefühle zu erinnern, die ihn an jenem unseligen 0. Novem her >018 beim Verlassen des Reichstagsgebündes erbeben machten. Man wird es ihm dann um so mehr glauben, wenn er erklärt, daß auch das jetzige Wiederbetreten dev altvertrnnten Räume nicht n n r freudige Gefühle auslösie! Wie könnte es anch anders sein! Was alles liegt hinter lins! Versunken ist Glanz und Größe des einstigen macbt- vollen Deutschen Reiches! Dahin ist für lange Zeit Deutsch lands Weltgeltung, weil ihr das Rückgrat: ein stolzes Heer und eine starke Flotte, fehlt. Der Glanz unserer Friedens- tage drückte sich naturgemäß auch dem Leben und Treiben im Parlaments-Hause ans Das ist jetzt g a n z a n d e r s geworben. Eine küble Nüchternheit, die geradezu wie ein eisiger Lufthanch anmntet, umfängt de«' in liebaewoi-- denen einstigen parlamentarischen und vo'iiijchen Erinne rungen befangenen Besucher des Wnllotbanes an, Königs« platze. Ist es nur die nebeldurchschwängi:'te Hwbsrllist. die draußen uns unwillkürlich, Wärme heiickiei'.d. erschauern läßt? Oder ist es nicht anch etwas von dem eiligen Last- Hauch der „neuen Zeit", der uns den ganzen Wandel der Tinge nach «mißen wie nach innen empfinden läßt? ... Fürwahr: es ist vieles anders wwc-idcn' Zwar blickt das Auge noch auf die ehrwürdigen Denkmäler einer großen Zeit, auf Bilder und Statuen einer Epoche, die schm, m- haft weit hinter uns zu liegen schein-. Ruch das :evo!i:>io- näre Regime hat vor diesen Zeugen einer stolzen Zeit L»:!' gemacht. Aber die ganze Umwelt .äße kem Wärmcgefütl anfkommen. Tie Behaglichkeit ist arg be'ckw'tten. Tie Re- votntionssoldateska bat diesem Ban ni d sei» Eu'.richciiacj übel mikgespielt. Die Plüschbezüge sind zu Kostümen für den weiblichen Anhang der spartakistischen Gewalthaber der ersten Revolutions-Wochen verwendet worden, nno die Leder bezüge der Klubsessel, abe" auch die kunstvollen Schnii-creier» aus Wandbänke» m-a Nischen landen enr-e prosaische Ver wendung. Tie Tep'si he sind auch nickn bester aew.-i '«--n, ganz abgesehen davon, daß auch sie, und zwar stückweise, Liebhaber fanden. Man kann jetzt noch den Schnitt öee Messer verfolgen, weihe die Sezierung auch großer tnnst- voller Teppicke ver minen. Die Wandelhalle, der e-acrit- liche politische Sam ncchnmlt. ebenw der Sitzungssaal, haben im wesentlichen ihr Aussehen behalten. Aber der In halt, der sich in mren Rahmen nassen «oll. in ein ganz an derer geworden. Nun also tagt die deutsche Volksnerl''etnng wieder in Berlin. Man slob seinerzeit diese vulkanisch« Ztidk. Das Knattern der Maschinengewehre in dm Straßen, da:- Don nern der Geschütze ans den Plätzen, der Sin: n gegen mstnt- liche und private Gebäude und die mö>dorische» Siaißen- kämpfe waren fürwahr keine Atmosphäre in wclclxn ücb eins friedliche parlamentarische Wiederansbanarde:t batte voll ziehen können. Weimar lieb bierfür sein Dock« Tv-.t ist das Fundament geschaffen, ans das man ücb jetzt in der Berliner Arbeit stutzen zu können glaubt. Ob d'e „Berliner Lust" -dem nibigeii und gesickerten Fortgang der Parlamen tarischen und politischen Arbeiten zuträglich ist, werden wir ja bald ans nächster Nähe zu prüfen in der Lage sein. Und so wünschen nur der deutschen Nationalversamm lung ein gedeihliches Wirten zum Woble von Reich und Volk! Die Palulllinlerlu'llcttion in der Natioualvessammluntj Berlin, 1. Oktober Am Ministertisch Dr. Bell. Präsiden» F e b r e n b a ch eröffnet die Schling um > Ubr 2st Min. Fortsetzung der eichen Bci ntuna des T n m nItg e s e l; -' s. Aog. Dr «'«stch zu Tvhna T. Pp.): Der gegeiiwärn w Zustand ist nn- hnltkm. Die Geschädigte» sind in oer größten Notlage. Wii schlagen den Venass»ngsa«sich>,s a.r Behandlung der «Vorläge vor. Alg. Eobn ('.Inabbst Iw balle es nir richtig, w'l'n um» das Reich haftbar macht, es aber er* michtiat. die Kosten anfziibrinae! 'neck Vor'ck-läe.e zur Einlo'i'N'ensieuer d««r Höck.-stbesleners m Der Gest'tzenln'nrs wild einem :>!n - cl i.ß von 2! Mitgsi.-Rrn nberwie'en. Es äsich die Beratung der I nt - rvell a t i o n Tr. H ein; e n Gern cD. Vp.), beti di-' deutsche Valuta^ Mg. Tr. Hugo (D. Vp.) begründet die Interpellation. Den letzten Stoß habe unsere V.stnta dnem die Pvlstit des Reichsfinmi'gnsti'.sters erlitten, der non d-r Nöglickle.t eines Staats-bankrotts sprach, mit der Abstempelung der 'Roten drohte »sw. Wir ist es möglich, daß der Mancher nock mir Platze ist. (Lärm im Zentrum.) Der Wille zur Arbeit! wächst. Die Regierung muß mit äußerster Scbärse stir Ruhe und Ordnung sorgen, damit das Ausland zu uns, Vertrauen ncwinnt.