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Montag den 20. September 1915 O Sächsische VolkSzeitung Nr. 216 — Seite 2 Ein großer englischer Transportdampfer torpediert Ä v n st a n t i n o p e l, 19. September. Gestern torpedierte ein deutsches Unterseeboot in der Nähe von Äandia einen englischen Transportdampfcr von 15 Ml Tonnen. Er war voll belade» auf dem Wege von Aegypten nach den Dardanellen und sank in kurzer Zeit. (W. T. B.) Riga vollständig geräumt Petersburg, 17. September. „Nuskoje Slowo" meldet, das; Riga vollständig geräumt sei; von 71000 Arbeitern hätten 50000 die Stadt verlassen, von 181 Fabriken seien 57 ganz, andere zum Teil wegverlegt. Ter türkische Bericht K o n st anti n o pel, 10. September. (W. T. B.) Der Bericht des Hanptgnartiers besagt: Bei einem Luftangriffe ans den Hasen von Kefalo auf Jmbros wurde ein größeres feindliches Transportschiff getroffen. Es brach sofort Feuer auf ihm ans und eine Wassersäule schoß empor. Bei Ana- forta verjagten wir feindliche Erknndnngsabteilnngen und bewarfen erfolgreich die feindlichen Gräben mit Bomben. Gewehre und Kriegsmaterial wurden erbeutet. Unsere Artillerie beschoß wirksam feindliche Lager. Bei Seddul- Bahr wurde die feindliche Artillerie zum Schweigen ge bracht. Tie feindlichen Gräben wurden erfolgreich mit Bomben beworfen. Unsere Küstenbatterien beschossen feind- liche Lager und Stellungen bei Seddul-Bahr. Bei einer Batterie schwerer Kanonen entstanden heftige Explosionen. Wir sahen eine Menge Ambnlanzwagen nach diesem Ort eilen. Nachmittags beschoß ein Kriegsschiff der „Patrie- Klasse" sowie die feindlichen Festlandsbatterien bei Seddul-Bahr eine Stunde lang unsere Knstenbatterien, ohne Schaden anzurichten. Panik in Minsk Kopenhagen, OP September. „Nationaltidende" meldet: Tie Bevölkerung von Minsk sei in großer Erregung und flüchte in Massen. Die Bahnhöfe seien belagert. Die Reisenden müßten gewöhnlich drei Tage auf eine Fahrkarte warten. Tie Eisenbahnwagen seien überfüllt, so daß auch die Dächer beseht seien. Die Lebensmittel in der Stadt seien knapp. Mehl und Zucker nur wenig vorhanden. 15 Schiffsladungen Fleisch als Prise erklärt London, 18. September. Das englische Prisen gericht verurteilte 15 Schiffsladungen Fleisch und Speck im Werte von 28 Millionen Pfund Sterling, die nach Kosten- Hagen bestimmt waren, als Prise. Absender sind die ameri kanischen Fleischpacker Arniour, Swift, Hammond und Salzberger. Andere Schiffe waren von einer amerikanischen Gesellschaft gemietet. Das Urteil sagt, die Ladungen seien offenbar für die deutsche Negierung und die deutsche Armee bestimmt gewesen. Amnestie für politische Verbrecher in Rußland Kopenhagen, 17. September. Einem Londoner Telegramm aus Petersburg zufolge erließ der Zar eine Amnestie für politische Vergehen. Hierdurch erhalten 1 00 000 politische Gefangene, die größtenteils nach Sibirien verschickt sind, die Freiheit wieder. (Lok.-Anz.) Serbische Trnppcnansammlnngcn an der bulgarischen Grenze B udap e st, 10. Septembere. Aus Sofia wird gemel det: Tie serbischen Truppenbewegungen an der bulgarischen Grenze dauern fort. Alle Grenzposten wurden erheblich verstärkt. Der serbische Generalstab erklärte das Grenz gebiet als Kiegszone. Der Erbherr von Hohenau 101. Fortsetzung) Nachdruck verboten Ter Pikör hatte geendet; alles war überwältigt, kein Laut wurde hörbar. Da trat der Alte einen Schritt vor. „Frau Gräfin," sagte er, „wo Gott gesprochen, soll der Mensch schweigen, wo er gerichtet, der Mensch nicht urteilen, da haben Sie recht; aber Liebe und Treue, gnädige Frau, die wohnen drüben in Schlesien. Oder war es nicht treue Anhänglichkeit und opferwillige Liebe, was die Bauern in den Kampf und den alten Torwart, meinen guten Kame raden, in den Tod getrieben? Sie haben Ihnen Ihr Schloß vor Brand und Plünderung gerettet — soll es umsonst ge schehen sein? Und was denn, gnädige Frau, als Sie —" Er stockte. „Sprecht ruhig weiter, Stephan, und scheut Euch nicht," ermunterte ihn die Gräfin. „Ich sollte es wohl eigentlich nicht, aber ich muß es, des Volkes wegen muß ich es, das in unserem Tale wohnt, und der Armen und Elenden und der Witwen und der Waisen Wegen, denen Sie eine Helferin und Trösterin, eine Freun din und Mutter waren! Ich habe es gesehen und gehört, und darum sage ich es frank und frei: wie groß auch die. Liebe hier, größer als dort ist sie nicht. O, verschmähen Sie diese Liebe nicht, Frau Gräfin, kehren Sie zurück, bringen Sie uns das Glück und den Frieden wieder, welche mit Ihnen aus dem Tale geschwunden sind." Die Stimme des Alten zitterte, Tränen liefen ihm über die Wangen. Hildegard erhob sich von der Seite ihres Gatten, trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Ich will es, Stephan," sagte sic gerührt, „die Heimat meines Gemahls ist auch meine Heimat nnd wohin Gott ihn gestellt, ist auch mein Platz." „Dank, Hildegard," fiel der Graf ein, „Dank für dieses Wort! Laß es dir gestehen: es zieht mich schon lange und mit aller Kraft an den Ort zurück, den ich in kurzsichtiger Torheit einst verlassen und in unmännlichem Kleinmut l»k tlillk AiWMW Letzter Zeichnungstag: Mittwoch, den 22. September. I ———EMM—WW—MS- Tic englisch« Marincmission bleibt in Athen Athen, 19. September. Ter Vertrag zwischen der griechischen und der englischen Regierung über die englische Marinemission ist auf ein Jahr erneuert worden. Der König hat gestern lange mit Venizelos gearbeitet. Der Zusammenkunft wird angesichts der Neugestaltung der Valkanlage Bedeutung beigemessen. Sr. Bischöflichen Gnaden in Leipzig Leipzig, 10. September. Ter hochwürdigste Herr Bischof Dr. Franziskus Löbmann traf Sonnabend nachmittag, mit dem Zuge von Dresden kommend, auf dem Hauptbahnhofe ein. Zum Empfang hatten sich dort ein gefunden Herr Superior und Pfarrer von St. Trinitatis I. St ranz nnd, als ältestes Mitglied des Kirchenvor stands der Pfarre, Herr Neichsgerichtsrat Schaf seid. Der hochwürdigste Herr nahm Wohnung in den bischöf lichen Gemächern des Pfarrhauses Rudolfstraße 3. Uni 8 Uhr erfolgte dort die Vorstellung der versammelten Mit glieder des Kirchen- und Schulvorstandes der einzelnen Pfarreien sowie der Herren Schuldirek toren. Die Huldigungsansprache deS Vorsitzenden er- wiedcrte Se. Bischöfliche Gnaden mit freundlichen Worten des Dankes und der Ermunterung zu weiterer segens reicher Zusammenarbeit. Punkt 1^9 Uhr setzte sich der Zug der Vereinsabordnuugcn mit Fahnen, voran Ministranten mit Kreuz und Kerzen, zum Gotteshaus in Bewegung. Außer der Pfarrgeistlichkeit beteiligten sich an dem feier lichen Geleit des Oberhirten auch die hochw. Herren Kapläne Nolewski (Dresden) und Rheda (Wurzen). Mit dem Glockenklang mischten sich begeisternde Orgelweisen, als der Bischof nun das Gotteshaus betrat und dort von der Hand des Pfarrers Weihwasser und Jnzensation zum Gruß erhielt. Ein brausendes „Ecce sacerdos ui a g n u s", vom St. Trinitatis chor vorgetragen, begleitete die weihevollen Augenblicke der Ad oratio vor dem würdig gezierten Hochaltar. Nachdem die vorge- schriebenen Verse und Gebete von Pfarrer und Bischof ver klungen waren, richtete der hochw. Herr Su pe ri o r von der Kanzel aus folgende Worte an die Versammelten: „Hoch- würdigster Herr Bischof, andächtige Pfarrgemeinde! Wir stehen jetzt am Vorabende des Kirchweihfestes unseres Gotteshauses. Heute vor 68 Jahren hatten die damaligen Gläubigen dieser jungen katholischen Ge meinde das Glück, den hochwürdigsten Herrn Bischof Dr. Dittrich hier zu begrüßen, der herübergekommen war, um dieses Gotteshaus zu weihen. Mit heiliger Sehnsucht und Verlangen begrüßte die damalige Gemeinde den, der diese Gnadenstätte ausstatten sollte mit reichem Himmels segen: „Heute ist diesem Hause Heil wiederfahren!" So galt es damals vor 68 Jahren. Am heutigen Abend bewegt uns derselbe Gedanke, wo wir zum ersten Male be grüßen können den neuen Oberhirten der Diözese, den Nach folger der Apostel, als den Gnadenspender Gottes, der ge kommen ist, so vielen Firmlingen unserer Stadt den geistigen Ritterschlag zu erteilen, damit sie gefestigt seien im Glauben Jesu Christi. — Das Geleitswort des neuen Bischofs lautet: iu fide in caritate, in paticubia (im Glau ben, in der Liebe, in Geduld), und ich kann dem hoch würdigsten Herrn die Versicherung geben, daß darin auch die katholische Gemeinde Leipzigs jederzeit den Weg zu ihrem Bischof suchen wird: Wir wollen feststehen im nimmer Wiedersehen wollte! Drüben liegen meine Pflich ten, drüben das Feld meiner Tätigkeit — ich sehne mich nach Arbeit: Rast bringt Rost!" „So will ich fort und die Frendenkunde heimwäts tra gen," jubelte Stephan auf. „Nur nicht so hitzig, Alter; ich denke, du bleibst hier, bis wir gemeinschaftlich reisen. Tu siehst mir nicht sonder lich gnt aus — die kurze Rast wird dir wohl tun." „Herr Graf, das werden Sie dem alten Stephan nicht antun! Ich bedarf der Ruhe nicht; die Freude hat mich wieder jung gemacht und neues Mark in meine Knochen gegossen." „Wenn du denn durchaus der Bote sein willst, so magst du meinetwegen dein Pferd morgen wieder tummeln! Pslege dich aber bis dahin ordentlich und halt' einen ge sunden Schlaf, damit sich dein Wollen nicht vielleicht als stärker erweist, denn das Können. Hildegard —" „Ich sorge schon für ihn. Kommt, Stephan — Ihr müßt auch noch den Theodat sehen, unser kleines Söhnchen — noch einen Hohenau!" „Da siehst du, Alter, daß du dich wacker halten mußt!" rief ihm Waldemar nach, „ich meine doch, daß du auch ihn lehren willst, den Bogen zu spannen nnd sein Nößlein zu regieren, wie du es mich gelehrt hast." Der alte Pikör drehte sich um. „Das wolle der liebe Gott!" antwortete er und wie ein Heller Sonnenschein leuchtete es über sein verwettertes Gesicht. „Der Kelch ist geleert!" sagte Waldemar, als der treue Diener hinaus war; „es war ein bitterer Trank, den ich bis zur Neige trinken mußte. Meine eigenen Brüder — o Gott, o Gott." Nieger näherte sich ihm und legte die Hand auf seine Schulter. „Danken Sie ihm, lieber Sohn, daß Sie nur einen ver lorenen haben, daß der andere sich und Ihnen noch in der letzten Stunde gerettet worden ist! Wir haben alle ge litten, am meisten aber Hildegard, mein armes Kind. Und Glauben. Dieses Gotteshaus ist unter vielen, oft heftigen Stürmen ein Hort des katholischen Glaubens gewesen.. Schon nach wenigen Jahren des Erstehens versuchte man damals unserer Gemeinde ihr Gotteshaus streitig zu machen, aber mutige, glaubensstarke Männer haben uns, ihren Nachkommen an beiliger Stätte, das Erbe Christi treu erhalten. Auch wir wollen es allzeit unerschüttert bewahren, stand haft ini Glauben, treu ergeben unserer heiligen Kirche! — 01 ottesliebe soll das feste Fundament unseres Wirkens sein, in Liebe wollen wir auch aufschauen zu unserin Oberhirten, der ja auch selbst aufrichtige Hirtenliebe zu all seinen Schäflein in sich trägt. I n Geduld wollen wir führen ein Opferleben für unfern heiligen Glauben, für die heilige Kirche und für den Bischof, und ich kann sagen, daß die Katholiken Leipzigs jederzeit, und namentlich heute, ein Beispiel christlichen Opferlebens geben. Und heute, wo wir den neuen Oberhirten zum ersten Male in unserer Mitte sehen, wollen wir von neuem den Vorsatz fassen, gerne Opfer zu bringen für die Sache Gottes. Hochwürdigster Herr Oberhirt! Ew. Bischöf lichen Gnaden kommen heute mit den reichsten Gnaden- schätzen Gottes in diese Gemeinde, und es ist unser Wunsch, daß besonders reiche Früchte des Glaubens in denen sich fernerhin zeigen, die am morgigen Tage aus Ihrer Hand das hl. Sakrament der Firmung empfangen werden! Für uns alle aber sei dieser Tag ein Ansporn zur Opferfreudig- keit. Benedictus gui venit in nomine Domini; gepriesen der da kommt im Namen des Herrn! Amen." Von dem an der Evangelienseite errichteten Bischofsthrone, umgeben vom assistierenden Klerus, hatte der Bischof den Worten zugehört. Während des Ge meindegesanges: „Komm, Heil'ger Geist, kehr' bei uns ein" wurde er nun mit Chormantel und den bischöflichen In signien, Mitra und Stab, bekleidet und trat dann, eine stattliche und ehrfurchtgebietende Erscheinung, an die Schwelle des Altarraumes, um von hier aus zum ersten Male Worte liebender Hirtensorge an seine Leipziger Diö- zesanen zu richten: „Liebe Katholikengemeinde zu Leipig! Durch Gottes Barmherzigkeit, nicht durch eige nes Verdienst bin ich zum Oberhirten dieser Diözese ernannt worden und durch die Kraft der Weihe gestärkt worden im Heiligen Geiste, um dann „hin zu gehen, zu lehren und zu taufen und zu befestigen". So wie die Apostel von Ort zu Ort zu diesem Zwecke wunderten, so auch jeder ihrer Nachfolger, der immer bereit ist, dahin zu eilen, wo man seiner bedarf, den HI. Geist zu spenden und- das Wort Gottes zu verkündigen. So bin ich auch heute unter euch erschienen, um euch zu s a g e n, in welchem Aufträge ich komme, um die zu stärken, die bisher schon mit so vieler Sorgfalt im heiligen Glauben unterrichtet wurden. Sie sollen befestigt werden und dann nach dem heiligen Glauben leben. Das ist ja unser höchstes Glück, der heilige Glaube, denn dadurch erlangen wir den Frie den niit Gott, Vereinigung mit Gott und einst die Anschauung Gottes. — Viele Gefahren und Ver suchungen wenden sich gegen dieses hohe Glaubensgut. Es sträubt sich dagegen die eigene Sinnlichkeit und Begierlichkeit, als Frucht und Folge der Erbsünde. Es erhebt sich vielfach dagegen der Für st der Finster- nis, von dem der göttliche Heiland sagt, daß er „hinaus geworfen worden ist", aber sich immer bemüht, denen zu schaden, die fromm leben wollen; vielfache Sitten und Gebräuche, die nicht eigentlich kirchliche zu nennen sind, aber hie und da Wurzel geschlagen haben und uns auf Abwege führen können fort vom heiligen Glauben. Laßt uns darum also fest zusarnmenstchen im heiligen Glauben, die Mittel der Gnade gern gebrauchen, damit wir den Frie- den erlangen, der uns so nötig ist! gerade sie, wip ist sie voll Versöhnung gegen diejenigen, die sie leiden ließen, voll Liebe zu allen, voll Dank und Preis gegen das gnädige Walten der Vorsehung! Sie haben den Kelch geleert — aber jetzt Frieden, Frieden, mein Sohn! Ich weiß, was in Ihrer Seele vorgeht, ich verstehe, was Sie fühlen und ich fühle mit Ihnen; aber wer das eine so herr lich ausgeführt, der mag auch das andere so geendet haben, wie cs allen zu Heil und Segen ist. Einstmals haben Sie dem Herrn nicht still gehalten, da Sie sich klüger zu sein dünkten — halten Sie ihm jetzt still und legen Sie alles, was Sie drückt, all Ihre Trauer und Ihren ganzen Schmerz demütig und ergeben in seine Hand, was sie tut, ist wohl getan!" Waldemar antwortete nicht; es mochte auch das Beste sein, was ihm sein Schwiegervater riet, aber er stand den jüngste Ereignissen näher und hatte den letzten Kampf noch nicht ausgekämpft. Waldemar hatte dem Diener gegenüber gelächelt und gescherzt, jetzt vermochte er nicht länger dem Zuge seines Herzens und der Natur zu spotten, er war ein Mensch, auch jetzt noch ein Mensch, und Menschen denken nnd fühlen menschlich. Er sah die Wege alle, er sah, wohin sie geführt — zu neuem Leben hier und dort zum Tod; aber warum sie gewandelt werden mußten, das konnte er nicht absehcn, nicht begreifen. Er fühlte sein Glück, — sollte er sein Unglück nicht fühlen? Sollte er nur danken, nur Ehre sagen und Preis singen über das Unmenschliche, was geschehen, über den Schimpf, der seinem Namen angetan? Vergeblich wartete der alte Rieger auf ein Wort aus seinem Munde. „Waldemar, Waldemar — mein Sohn!" rief er schmerzlich. „Was wollen Sie, Vater? Ich habe verloren — soll ich mich über den Verlust freuen?" „Und viel zurückgewonnen — wollen Sie sich des Ge winns nicht freuen?" Ein bitteres Wort schwebte auf der Zunge des Grasen — da trat Hildegard ein — den kleinen Theodat auf ihrem Arme haltend. Waldemar eilte ihr entgegen. (Fortsetzung folgt.)