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Ar. 180 18. Iahrg Dienstag» den 10. Juni 1919 abends Sächsische «eschiistsft,Le»r«» Red»«»!»»- Dresden-A. 1«, H,lbei»ftraß, M Fernsprecher 213V« Postschechdonto Leipzig Nr. 14?O7' W,,,»»»»et», »1 mit wuflr. «eUaa» diert«I>L»iNch D.88 In Dresden UN» aan. Deutsch. >»a^ ftei Hau» «... in O»sl«retch «,»,,»« » dtertellLLrU« ».«8 4». In Dresden und aan» Deutschland sret Hau» 4» tu Oesterreich ».80 »i. «n^I. stummer 1. H. »D Attchsllche «ollSjettuna «rschvnt an allen Wochentagen nachmittag». »uietaen, Aunatz»« »oii.eschkslsanjeiae» dt» l«0»r, von tzamtlienaneeige» die ii M,r dorm. Drei» sürdie PelU.SpaltzeUe»,» z.tmstetle mclcil 1 4», gainiiien-Unteige» «v 1 Für undeutlich geschriebene, sewte durch gern wrrcher ausgegebene Anzeigen lünnen wu d». «eraiuivertllchktit sür die AichligleU de« 1 »rt» nicht übeniehmcn. Gdrechsiiindc »er Redaktion! 11—1» tlhr «ermiltag». Einzige katholisch« Tageszettnng in GWhseit. Opgan d« ZentrUmsparreL. «Negade 4 mit illustrierte» -.MteeiMmig-detlage »ad retig, W-cheudeMg« M»««»««». Wmz-»« « «« «U der Wecheudetrog» Kulturbarbarei. H Der Sozialist Müller-Leipzig hat am letzten Tonnerstag den Satz gelassen ausgesprochen: „Eben weil wir die Religion als Privatsache betrachten, bekümmern wir um nicht um die religiösen Bedürfnisse unserer Anhänger." Es braucht heute nicht nachgewiesen zu werden, wie sehr die Sozialdemokratie sich uin die Religion bekümmert und wir müssen den Wortführern der Sozialdemokratie in der L!o>lskammer den Vorwurf machen, daß ne entweder ihr: eigene sozialistische Literatur und Weltanschauung nicht kennen oder nicht kennen wollen. Das letztere wird das rich tige sein. Denn dieser ganze Antrag des GesetzgebungS- ausschusses besagt ja schon, wie sehr sich tatsächlich die So- ziüidemokratie um die Religion bekümmert und das war st das Charakteristische an der Revolution, daß sich die eisten Handlungen der kultusministeriellen „Volksbcans- Imgten" sowohl in Preußen und Bayern wie in Sachsen gegen die Religion richteten. ES gehört daher ein gewisser Mut dazu, heute sich im Parlament hinzustellen und einen Satz zu sprechen von der Güte des oben Angeführten. Ganz abgesehen von dein neuesten Badener Fall, ivo ein Sozial demokrat den Versuch ans Ausschaltung der Religion aus dem Parteiprogramm mit seinem Mandate büßen maßte. Mit Reckst ist von anderer Seite in der Volkskam mer gesagt worden, daß „die christliche Religion eine Ge- meinschaftssoche ist, und die Eltern empfinden es als einen Mangel, wenn die Kinder nicht der Religion Angeführt wer ten können". Aber auch sonst zeigt sich ans Schritt und Tritt der daß der Sozialdemokratie gegen das l : st e n t ii m im allgemeinen und gegen die ka- taoIische Ki r ch e ini besonderen. Es ist uns vor eini gen Tagen die in Chemnitz erscheinende sozialdemokia- tische „V o l k s st i in m e" (Nr. 121) zngestellt worden, die 'oder mehr als deutlich dartut. Eine solche Anballnng mm Haß und von Beschimpfungen wie in dieser Nummer ist ans allerdings schon längere Zeit nickst mehr vor Augen gekommen. Die Vorgänge im Rheinland geben — ganz unberechtigterweise — dort einem — für den wir wirklich leinen parlamentarischen Ausdruck finden — Veranlassung, n .Katholizismus und die katholische Kirche in unglanb- ,! 'or Weise zu besudeln. Wir wollen daraus eine Blüten lese folgen lassen: . . Wo irgend ein kapitalistisches Bubenstück an der Menschheit begangen wird, gleich ist auch der segnende Pfaffe mit seinem Weihwasserkessel zur Stelle und ver neigt sich dreimal und noch dreimal vor dem goldenen Kalb und singt ihm Hosianna." Das Blatt beschimpft die „christlichen Zentrumspriester" als Kriegshetzer und sagt: „. . . Die Leute in der goldgestickten Toga und mit dem Brevier in den feisten Händen, um deren nackte Lippen das ewig gleiche, kalte Lächeln spielt, deren grüne Augen nie einen warmen Strahl zu senden vermögen — das waren die gefährlichsten Kriegsverbrecher Salbungsvoll trieften ans ihren Mäulern die Worte, die ihnen der boshaft lächelnde Gott Mammon in die Ohren flüsterte." In diesem Tone geht es weiter. Man wird verstehen, wenn wir das so wirken lassen: denn es hängt sich von selbst niedriger. Nur eine Stilübung sei noch angeführt: „Mag das deutsche Volk wie ein Hund im Straßen graben verenden, Seine Eminenz schwingt das Weih-i rauchfaß gen Paris. Tie deutsche Nation ist arm gewor den, unsäglich arm. Denn wenn die Schwarzen erst das Schiff verlassen, dann ist für keine hungrige Ratte mehr etwas zu holen." Mit Abscheu wird sich jeder Mensch, der sich noch einen funken Schamgefühl bewahrt hat, von solchen Ausgeburten eines mehrheitssozialistischen Blattes wenden. Sachlich braucht darauf nichts erwidert zu werden, als höchstens das, daß nun trotzdem der Minister des Auswärtigen im Reiche, Graf Brockdorff, es gewagt, sich zum Kardinal von Köln zu begeben. Er hat es getan, ohne vorher das Blatt in Chemnitz, das einst der jetzige Neichswehrminister Noske redigiert hat, um Erlaubnis zu fragen. Kann es nach all dem wohl wundernehmen, lvenn dieses Blatt die Unver frorenheit hat, zu behaupten, „die kapitalistischen Verbrecher des Salon seien ebenbürtig ihrer Brüder vom Gebetbuch." der angenehme Zeitgenosse von der „Volksstimme" schreibt am Schlüsse, das deutsche Volk werde „auch über diese Ge- sellschast hinwegschreitcn zur Erfüllung seiner großen Auf. gäbe, durch den Sozialismus eine bessere Menschengemein schaft zu schaffen". Die „Dolksstimme" hat ja nun zur Ge nüge gezeigt, was sie unter einer „besseren Menschengemein, schaft" versteht und auf welchen Ton sie diese Gemeinschaft gestimmt wissen will. Aber wir möchten doch noch Hinsicht lich des Artikels des Chemnitzer sozialdemokratischen Blat tes an das Ministerium in Dresden eine natürlich ganz ergebene Anfrage richten: So viel wir wissen, sind die Reichsgesetze noch in Gül tigkeit. Jedenfalls hat die Regierung in Sachsen bei der Verlängerung des Belagerungszustandes sogar bis znm Jahre 1851 zurückgreifen müssen. In dem erwähnten Ar tikel wird nun eine Religionsgemeinschaft in der gemein sten Weise beschimpft. Gibt es hier kein Recht und Gesetz mehr, sind die Paragraphen außer Kraft gesetzt, die die ka- tholisckse Kirche vor solchen Beschimpfungen schützen könne.'? Wir sind Verfechter vollster Preßfreiheit. Das aber, ist keine Preßfreiheit mehr, sondern Preßfrechheit. Wir dan ken höflichst, wenn das die „bessere Menschengemeinschaft" sein soll, die der Sozialismus dem deutschen Volke bringen will. Aber — Religion ist Privatsache und wir sind fest davon überzeugt, daß die Chemnitzer „Volksstimme" auch heute nochd ie Kühnheit haben würde, die Frage, ob ein Ka tholik Sozialdemokrat sein kann, mit einem glatten Ja z» beantworten. Tie kalte Stirn scheint auch zur „besseren Mensclxmgemcinschaft" zu gehören. Aber um noch einmal darauf zurückziikommeii: Ter 8 166 des Strafgesetzbuches ist noch in Kraft. Hier aber handelt es sich um eine Beschimpfung der katholischen Kirche. Es sind unseres Erachtens alle Vorans.setznngen für den 8 166 gegeben. Ist die katholische Kirche, ist ihr Klerus in Sachsen vogelfrei? Wir wären der Regierung Gradnauer sehr verbunden, wenn sie sich dazu äußern würde. Und solche Leute wagen es, sich am Heiligsten zu ver greifen,, >vas das christlick)e Volk besitzt, an den Seelen der Kinder! Und vor solchen Elementen sollen wir vielleicht die Segel streichen und das Prinzip der konfessionellen Schule preisgeben! Dazu liegt nicht die geringste Veranlassung vor. Herrn Kultusminister Buck ist ja eine für ihn allerdings recht wenig angenehme Pfingstüberraschung zuteil geworden. Der hervorragendste Philosoph, den unbestritten Deutsch-, land lumte besitzt, ist Wilhelm W n n d t in Leipzig. Er hat sich in einem Briefe an die Leipziger Ortsgruppe deS evangelischen Pfarrervereins über die Abschaffung des Ne ligwnsunterichtes und die Einführung des Mvralunter- richts geäußert. Dabei führt er aus: „Der verbreitete Ruf nach Abschaffung deS Religions unterrichtes in der Schule verbirgt unter diesem Namen nach meiner Meinung eine der größten Kultnrbnrbarcicn der Gegenwart." Und Wundt legt dann dar, wie der Re- ligionsuntericht „durch nichts anderes und am allcrwenig- sten durch einen ans irgendwelchen anderen Quellen zu- sammengelescnen sogenannten Moraluntcrricht ersetzt wer den kann". Wir glauben ja nicht, daß diese Auslassungen des be rühmten Philosophen auf die Herren Arzt und Genossen irgend welchen Eindruck machen werden. Wer am Donners tag den Phrasenschwall des Sozialisten Lange über sich er gehen lassen mußte, wird diese Hoffnung nicht hegen. Aber immerhin verliert dadurch das Uvteil dieses Philosophen an Bedeutsamkeit nichts, ganz im Gegenteil. Kultur barbarei! Das ist das richtige Wort für diese christcn- tnmsfeindlichen Maßnahmen. Und wohin solche Kultur barbarei führen kann, davon hat ja die Chemnitzer „Volks stimme" einen Beweis abgelegt. Man bekommt da wicdei einmal einen Begriff, wie im Ziikiinftsstaate der Satz „Religion ist Privatsache" in die Praxis umgcsetzt würde. tack. Der Papst zu« BonifatlusjuLttäum. Ans diesem Anlaß hat Papst Benedikt an dm deutschen Episkopat eine Enzyklika gerichtet, die sehr bemerkenswert ist. Das Rundschreiben bezieht sich auf die zwölfte Jahrhundertfeier der Entsendung des Heiligei» Bonifatius als päpstlicher Gesandter für die deutschen Völ ker. Papst Benedikt erklärt, an feierlichen Festlichkeiten teilnebmen zu wollen, die znm Gedächtnis und zu Ehren desjenigen stattfinden tverden, von dem Deutschland die Grundlage für sein Heil und seine Wohlfahrt erhielt. Ter Papst erinnert eingehend an das ausdauernde wirksam: religiöse Einigungs- und Fricdenswcrk, dem sich der Heilige Stuhl in eifriger Werbetätigkeit widmete. Er hebt aus Grund geschichtlicher Beläge besonders die dem heiligen Bonifatius anvertrante Mission hervor und erwähnt seine bedeutendsten Erfolge, wie die Massenbekehrung ganzer Be völkerungen Thüringens. Er betont die Anhänglichkeit des Apostels an den Heiligen Stuhl, der ihm während dreier Päpste hingebendes Wohlwollen bewahrte und ihn auch hoch würdigte, indem er ihn zum Erzbischof von Deutschland bestimmte und ihm und seinem Volke besondere Vorrechte gewährte. Ter Hl. Bonifatius errichtete Gotteshäuser, Asyle und Klöster und durchwanderte Stadt und Land, er gründete Diözesen, verbesserte Bestehendes und bekämpfte und zerstörte heidnische Vorurteile. Durch von ihm er-« zogene Mitschüler ans England führte er viele barbarische Stämme der Zivilisation und dem Glauben zu. Der Papst erinnert an die Zeiten, in denen zwischen allen deut schen Völkern und dem Heiligen Stuhl volle Einigkeit be stand, die nicht nur der Religion zugute kam, sondern auch für das Zivilleben aller große Wohlfahrt brachte. Aus diesen Erinnerungen könnten nützlich« Lehren für das künf tige Werk der Wiederherstellung der Kirchcneinheit und ihre Wiedervereinigung in Frieden und Barmherzigkeit gezogen werden. Tie Lehre des Bonifatius ist noch lebendig, seiner Beispiele und seiner Taten ist man noch sehr wohl eingedenk;' er ladet noch heute zur Einigkeit ein, er ladet die Abtrünnigen zur Rückkehr zu der Kirche und Aus gabe ihres Hasses und die Gläubigen zum Ausharren in Einigkeit ein, ans der auch in Eintracht die bürgerliche Ge- sellsck>aft hervorgcheu wird. Papst Benedikt ersucht die französischen und englischen Nachbarvölker flehentlich, die Rechte und Gesetze der Kirche in der durch den Krieg ge störten modernen Gesellschaft wieder einznfnhren und die christliche Caritas wieder auslebcn zu lassen, die sowohl dem Kriegshaß, wie auch Zwisten, Kirchcntrcnnnngen und Fehlern aller Parteien ein Ziel setzt, damit die Menschen mit festerem Band als gewöhnliche Vereinbarungen in Einigkeit, im Glauben und in Verbindung mit dem von Christus eingesetzten und durch die Werke und daS Blut so vieler Heiliger und Märtyrer geweihten apostolischen Stuhl znsamengchalten werden. Ter Papst schließt seine Enzyk lika, indem er für die Feier des Festes des hl. Bonifatius der Geistlichkeit und den Gläubigen ganz Deutschlands be sondere religiöse Vorrechte gewährt. Rheinischs Republik und Frieden. Don einer besonderen Seite wird uns geschrieben. Der Jubel, den die Proklamierung der rheinischen Republik in Frankreich geweckt, beweist am oesten, wie ;ehr man dort die Losreißnng erwartet und jetzt darüber befrie digt ist. Einzelne französische Blätter sprechen vas auch un verhohlen ans. Sie schreibt „Echo de Paris": Ein Ereig nis, das wir alle ersehnten, hat sich nun vollzogen." Wer die französische Geschichte kennt, weiß, daß es immer das offene Bestreben aller Politiker war, an den Rhein zu ge langen. Ein großes Frankreich, dessen Westgrenze Tent'ch- lands schönster Strom bilden sollte, schwebte ihnen immer vor Augen. Napoleon war es zuerst gelangen, dieses Ziel zu erreichen, als er den „Rheinbund" gründete. Die jetzi gen Machthaber in Frankreich haben viel von ihm gelernt. Ein neuer Rheinbund ist heute wohl schlecht möglich oarum kann es auch ein „Rhcinstaat" sein. Namen sind ja be deutungslos, die Hauptsache ist, daß das Otaatengcbildc unter französischen Einfluß und unter französische Ober hoheit kommt, und das so sehr gehaßte Preußen geschwächt und zerstückelt werde. Uns ist noch völlig unklar, was die Franzosen eigent lich Vorhaben. Wir stehen doch am Vorabend des Friedens, und Frankreich will uns die härtesten Bedingungen anser legen, die jemals ein Volk zu tragen hatte. Man denke nur an die finanziellen Leistungen! Es gibt aber ',i.-' eine Möglichkeit, diese aufznbriiigen. Dentichland muß im Be-» sitze all seiner Gebiete bleiben, die als Hauplfatwicn seiner Volkswirtschaft und damit a»ch seiner Arbeits- und Leistungsfähigkeit gelten. Sollen wir Milliardcinunimen zahlen, dann muß diese Last auf unser ganzes Volk verteilt werden, daun bat jeder sein „Sckrerslcin" duza beizutragen. Ein Deutschland aber, das seine blühendsten Provinzen ver liert, und nach den Annexionen durch Frankreich und Bel gien nur noch über einen Bruchteil seiner früheren Volks kraft und Bevölkernngszisfer verfügt, ist unfähig, Milliar denschulden abziitragen. Wird nun auch noch das Rhein land abgetrennt, verlieren wir auch noch unser blühentstes Wirtschaftsgebiet, dann sind wir völlig arm und können nicht einmal mehr die freiwillig übernommene Last von ein hundert Milliarden zahlen. Die Fran-oien stehen vor de. Wahl. Entweder zwingen sie uns, Riesenoyser zu bringen, oder sie teilen unser Reich ans, «in drittes Zbt es nicht. Wir wissen, wie trostlos der Zustand der k». inzöü'ckcn Fi nanzen ist. Ribot hat erst kürzlich im Senat erklärt, daß der Bedarf der Republik für das Jahr 1!)I!> rund 4-1 Milliarden beträgt. Bisher herrschte noch allge mein in Frankreich die Ansicht, daß Deutschland alles be zahlen würde und mit deutschem Gelde die zerrütteten Fi nanzen wieder anfgebessert werden könnten. In den letzten Tagen beginnt man aber doch einznschen, daß eine solche Leistung über unsere Kraft gebt, »nd alle Hoffnungen auf Niesenentschädigungen mehr als trügerisch sind. Ob tie Franzosen sich nicht vielleicht aus dem Grunde sagen, daß es besser sei, ans deutsches Geld zu verzichten, wenn man dafür blühende Landstrecken mit reicher Wirtschaft er» I-alten kann?