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Nr. 188 18. Iahrg. Freitag, den 6. Juni 1SLV abends GeschiistaftetZe und Redaktion» Vresden-21. <v, «-«kbeinstriitz» <!Ä ^ernsprripe,- 21 ßüü Postscheckkonto veipzi»! 9ie >»»ad« X mtt tllustr. v«Uaa» vlertiljützrllch U.88 X». In Dresden und gm>. Deutlch- land frei Kau« «.»« F In Oesterrrt« «.»«X. «»«««»» 0 Vierteljahr»« «.88 X». In DeeSden und ganz Deutichiand frei -im» M.— X» in Oesterreich 8.8V X. *tni«l. Nummer 10 s vi» «»chmq, «olk«,ettuiia rrichetnt an «Ulen «ochentage» nachmmag». 0 . , Anzeige», Rnuahm« >'<» Nkia.uüSou-kkji'u Via 10UH«, Vv» Faml»t,»n>ze!ue» die II U!,rVor>». Preis siirdle PeM Sr->iiz »l> 1" g.nr Aetta- meieil l -V. gnuunev - Au,ei>zru Mi gür undeutlich peichiielum, -.->v>e durch Fern sprecher onspcgev.ne !?>> ,, u-e» inu-tn !vir di« Veruuiwurllichle'lllirdu .><>uiligie-l dei »exiel nicht ich. niebmc». Lprechinu.pe der üiedaision: ll- >2 lldr i-.-rmUIngS. O ll Einzige katholische TagesMwW w GME Srgim Aeim«msvm.tri. ' Wrsgab« ^ mit illustrierter MtMiMrmgsbeilage Mck Mttz. Wochev-M««s MrgM« -k «ur «tt -er Me»ch««-eMKr Die Bergewaltignng in der Bolkskainsner. Dresden, 5. Juni. Ein Blick in den Saal bietet kein erhebendes Bild. Auf der Tagesordnung aber steht die Schul frage, lieber die Wichtigkeit ist kein Wort zu verlieren. Gewiß auch bei den Sozialisten zeigen sich starke Lücken. Aber fast ebenso schwach sind die Bänke der bürgerlichen Parteien beseht. Am Negierungstische thront Herr Buck auf dem Sessel des Ministerpräsidenten. Ter Vater des religions- losen Uebergangsgesehes für das Volksschulwesen, Abg. Arzt erstattet den Bericht des Gesetzgcbuugsausschusses. Keine neuen Gesichtspunkte. Er hat ja auch seine Meinung ausgiebig im gedruckten Bericht niedergelegt, den wir gestern besprochen haben. Zum Schluß muß er dann noch von einer Reihe von Protesten Kenntnis geben, die in- zwisckwn eingelaufen waren. Monoton las er sie vor und wir können es ihm nachfühlen, daß ihm das gerade in dein Augenblick nicht angenehm war. Erfreulicherweise kam da bei auch im Plenum zu Gehör, das; vor. allein das katho- lische Volk entschieden protestiert. Manch einer von den Abgeordneten horchte auf, als er hörte, das; da Proteste deS kaiholischeu Kasinos in Glauchau, der jungen kalho- iischen Gemeinde in B ä re n sie i u usw. eingetroffen waren. Größeres Interesse wecken die mit großer Lebhaftig keit vorgetraaenen Ausführungen des Mitberichterstatters, des Demokraten Dr. Barge. Die Aufmerksamkeit im Saale wächst etwas. Man fühlt auch auf der Tribüne, wie sich hier zwei Fronten schroff gegenüberstehen. Tenn von den bürgerlichen Parteien wagt es niemand, auch nur ei neu Finger für die volle Vergewaltigung des christlichen Volkes zu rühren, wenn auch, vor allem aus freisinniger Seite, starke Antipathien gegen di« konfessionelle Schule, minde stens aber doch wenig Shmpathien dafür vorhanden sind. Abei völlig vergewaltigen! Rein! Das zu tun, bleibt Vorrecht der in diesem Falle vereinigten sozialdemokratischen Parteien unter Führung ihres Arztes, dessen Arzneien sie so willig schlucken. Wohl bekommst Sittliche Größe! Karl Kautsky sagt in seinen Erörte- rungen über das Erfurter Programm, die sozialistische Ge- sellschast werde „das glänzendste Gemeinwesen, das die Ge schichte bisher kennt, an sittlicher Größe und materieller Wohlfahrt weit übertreffen". Als das glänzendste Echmein- wesen, das die Geschichte bisher kenne, sieht Kautsky Athen an, an dem er nur die Sklavenwirtschaft verurteilt. Soll die heute gesehlich fcstgelegte Vergewaltigung des christ- lichen Volkes vielleicht sittliche Größe sein? Nein, sie ist das Gegenteil davon und schafft Heloten auf kulturellem Gebiete. Kautsky sagt: „Glücklich jeder, dem cs beschieden, fein« Kraft einzusetzen ini Kampfe für die Verwirklichung dieses- herrlichen IdealsI" Wir beneiden die Sozialisten nicht um dieses Glück, das sie nun in vollen Zügen auS- kosten wollen — ein reines Glück ist es nicht, das werden sie tvohl heute schon gemerkt haben. Aber gleichgültig; das Parteiprogramm muß erfüllt werden, solange sie an der Macht sind — denn, so schrieb der Sozialist Hermann Remmele „die sozialistische Bewegung hat ein hohes Inter esse daran, daß die religiösen Denkformcn so bald als mög lich vei schwinden". Also dir demokratische Mitberichterstattcr Dr. Barge legte den Standpunkt der Minderheit dar. Er ging anbei mit Herrn Arzt sehr scharf um und machte ihm den Vor- Wurf, daß überhaupt Erwägungen durch seinen Antrag ab. geschnitten seien. Er stellte fest, daß die Gegengründe der Minderheit nicht in den gedruckten Bericht genügend biu- eingekommcn sind. (Dieser Bericht ist vom Abg. Arzt ver- faßt.t Dr. Barge betonte, daß die Religion zu den Grund rechten gehört, auf die unser ganzes Kulturleben beruht. Weiter wies er auf den Konflikt mit dem Reicks hin. Er bat um Annahme der Minderheitsanträge, um einer Ver gewaltigung der Gewissen und einem Uebcrmaß staatlichen Zwanges vorzubeugen. Der Mehrheitssozialist Lange hielt eine große Philippika: Es handle sich um kein Gesetz, sondern um Grundzüge, die der Regierung zur Ausarbei tung eines Gesetzes übergeben würden. Die Tendenz konutc er natürlich nicht abstrciten. In unglaublicher Weise ging er gegen die Direktoren vor, in einer Weise, die auch für die Lehrerschaft alles andere denn schmeichelhaft war. Er erregte daher bei den auf der Tribüne zahlreich anwesen den Lehrern große Heiterkeit. Daß das Christentum her Herrn Lange schlecht abschnitt, braucht kaum besonders be tont zu werden. Herr Lange wünscht, das; das Reich sich nach den Grundzügen Sachsens riclsten soll, nicht umge kehrt. Unter größter Aufmerksamkeit sprach dann der Ver treter der deutschnationalen Fraktion, Herr Professor Tr. Rcndtorff, der vor allem betonte, daß es sich um einen Kampf der Weltanschauungen bandele. Es soll eine will- kürlichc Vergewaltigung der Minderheit vorgenommen werden. Man habe im Gesetzgebungsausschus; den Ein druck gehabt, daß eine die andere zu erwürgen trachte. Das Gesetz solle dazu benutzt werden, die Religion mit einem Schlage zu beseitigen. Ter Abg. Arzt habe in einer Ver sammlung es ja ausgesprochen, daß vor allem politische Gc- sichtHmnite maßgebend seien. Ten Bericht des Abgeord neten Arzt bezeichuete er als sehr stark gefärbt! er entspreche nicht der Objektivität. Abg. Nendtorss kam dann ans die konfessionelle Gliederung zu sprechen. In dankenswerter Weise nahm er sich dabei der katholischen Schulen au. Er wies zuerst auf die so überaus große Zahl der Pro teste des katholischen Volkes hin. Tas ganze Haus horchte auf. Tie Katholiken hätten sich eine moderne Volks- s ch u le geschaffen, so z. B. in Tresden eine ausgezeichnete Mädchenfortbildungsschule. Was die Katholiken geschaffen haben, sei eine Kulturleistnng von erheblicher Bedeutung. Es sei wirklich nicht gering zu achten, wenn so für die von liberal! zugezogencn Katholiken gesorgt worden sei. Er fragte die Sozialisten: Wollen Sie diese ErziehungSgemein- schast mutwillig zersprengen? Tas sei eben die äußerste In toleranz, gegen die man sick wenden müsse. Man habe es auf die planmäßige Ausrottung der Religion abgesehen. Dann rechnete er in ruhiger und sachlicher Weise mit den tönenden Schlagwortcn der Sozialisten ab. Besonders nahm er gegen den Moralunterricht Stellung. Wuchtige Anklagen waren es. die den Sozialisten da entgegen hallten. Arg. Rendtvrff vezeichnele mir Rech! den Moralunterr'cht als das, was er ist, nämlich als sozialistischen Religions- unterricht. Ter demokratische Abg. Pastor Kruspe sprach dann für seine Fraktion. Als er bemerkte, daß auch viele Sozicu- demokraten den Protest gegen die Abschaffung des Reli gionsunterrichtes unterschrieben hätten, wurden die Sozial demokraten stzhr unruhig. Seine übrigen Ausführungen waren nickt immer klar. Tie konfessionelle Schule gab er auf und trat dafür für konfessionelle Klassen ein. Am Schluffe meinte er, die Sozialisten sollten das Christentum nicht als feindliche Macht arischen. Ta wurde ihm zuge rufen: Doch!, und ein Unabhängiger schrie: Wie Feuer und Wasser. Sehr richtig war es, wenn Herr Kruspe sagte, es gebe nicht nur einen Imperialismus der Völker, sondern auch der Parteien, der andere Volksteile vergewaltigen kann. Tie Geschichte gebe aber das Echo: Wehe denen, die ihren Sieg mißbrauchen! Hiernach trat der unabhängige Müller-Leipzig auf, der erklärte, daß es in diesem Weltanschanungskampf gar keine Verständigung gebe. Tie Politik der Nationalver sammlung macht ihm schwere Sorgen, denn dort sei das „Zentrum Trumph". Er bat namens seiner Partei die Regierung, gründlich und schnell zu arbeiten und schon nach Pfingsten das Gesetz vorzulcgen. Abg. Tr. Kaiser (Deutsche Volkspartei) protestierte scharf gegen den Zwang, wies z. V. darauf hin, das; katholische Lehrer, die wirklich gläubig seien, sich einem solclf-eu Zwange nicht fügen könnten. Tas bevorstehende Gesetz politisiere die Künder. Sehr unruhig wurde die Mehrheit, als Dr. Kaiser vom Widerstand sprach. Er konnte darauf erwidern, daß man doch auch etwas von den Sozialdemo kraten gelernt habe. Er hoffe immer noch, daß die Regie rung die Führung übernehme, sich iricht führen lasse, und den Anträgen die Zähne ausbrechen werde, die die Gewissen verlebten. Abg. Jochen (Demokrat) hält es auch für notwendig, daß in der Schule die Religion gelehrt wird. Als Schul- dircktor behandelte er dann vor allem Fachfragen. Trotzdem er vom demokratischen Vizepräsidenten zur Kürze gemahnt und zur Sache gerufen wurde, blieb er weitschweifig und sprach tatsächlich stundenlang. Schließlich hatte er kaum mehr als 20 Abgeordnete zu seinen Füßen sitzen. Es wurde ihm niil Recht gesagt, das für solche Auseinauderschnugeu der Ausschuß dasei. Es halst aber nichts, der Redestrom über Kompetenzfragen zwischen Direktoren und Lehrern z. B ging munter weiter. Um Uhr ergriff endlich Herr Kultusminister Buck das Wort. Sofort füllte sich das .Haus. Herr Buck zog es vor, sich kurz zu fassen. Er sprach von der Bedeutung der Frage, von den Richtlinien, dkst die Volkskammer für die Arbeit der Regierung geben wolle und kam dann aus d. i Wunsch zurück, daß möglichst rasch der Entwurf eines SchulnotgesetzeL vorgelegt werden solle. Herr Buck erklärte, das werde eine schwierige Aufgabe sein. Aber er verbeugte sich vor seinen Fremweu und sagte, er werde einen Ver nich macken. Während die Abgeoidnete» in den Pfiugst- serien wein.n werde er und ieine Mitarbeiter die Materie zu einem Geietze uniformen. Vor dem 00. Juni könne je doch das Gesttz dem Gcsamtministerium nicht vorgelegb wudeu. Tann müsse die Drucklegung erfolgen, so daß die Sacke gimiligcusalls die .Kammer am 2l. oder 2ö. Juni wie!:'! brsitästieen lönne. Was die Anträge des Gesetz- gebunasausickuiscs anlange, so seien sie für die Regie rung »ich. unbedingt zwingend, Aenderungen seien nctw.udig, ja vielleicht sogar Ausbau, und nun kam's. Tic Frage des Religionsunterrichtes müsse zunächst aus- scheiden. Ter mmbbäiigige Abgeordnete M e u r e rust. N ii ck zug! B u ck besrreiiet, das; das ein Rückzug sei. weist ans die V. reandmnaeu a> W.imur yin mW die Möglichkeit, daß unter Umständen dann Aenderungen in kurze/ Zeit vorgenouinuu! '.neiden müßien. Er vertröstete seine sozia listischen Fleunde ans Ostern l!)20 und wies auch ans die Aenderungen des Lernbnwc.- bin. Tann kam ein Weite-es: He> r Buck erklärte, er babe den F >, t e r e s s e » t e n i.'stier- zeit Mitteilung davon gemacht, daß sie z u r B erat u n g bei dem S ch n lg e j etz he r a n g e z o g e n w ü r den. Dadurch, das; das Schnlgeietz nun schneit geschasst» werden müsse, sei i h m d i e A » s f ü h r u ng di e s e s V e r - s p re ch e n s nahez u n n in öglich gemacht: er müsse das sagen, damit man nicht behaupte» könne, er habe sein Ver sprechen lcichtsertigerweije nicht gehalten. E.- seien eine, ganze Reihe von Körperschaften, so die Bürgermeister, dn- katholischen Schulvorstände usw. dstäerhalb an ihn herangeireieii. E' w> nnwiikbar, üe gwi i:ei..uzu;ieheu. Nach Beantwortung von zwei Fragen, die uns hier weniae intcressieren, betonte er, er wolle heute ans die Frage de- Belastung des Religionsunterrichtes nicht eingehen. Er'sei sich der Pflicht bewußt, das zu verantworte», was im Gc- setz enthalten sein werde. Er wolle niemanden einen Willen anszwinge». Alles-, was getan werde, gehe nur von dem einen Wunsche aus, dem Vaterlande, dem Kinde und der Schule einen Dienst zu erweisen. Nach diesen schönen Wor te», die ini schreienden Widerspruch zu seinen bisherig, » Verordnungen stehen, nahm der Minister wieder Platz. Ein Schlußautrag wurde augeuomiiien, der Berichienlat! r Arzt versuchte noch eine Kulturrede zu halten, wurde aber vom Präsideutentische aus darauf aufmerksam gemackt daß das nickt seine Aufgabe sei als Berichterstatter. Nun !- n die Absti m m u n g. Es wurde über die einzelnen Punkte zuerst getreu,»: abgeslliumk. Ter M i n d e r b e i t s a n t ra g, daß, wo besondere Bedürfnisse dafür bestehe», Schule» lon- fessiouelIc r M iuderheiteu als allgemeine V§-> z. schulen bis auf weiteres bestehen hwiden könne», wurde mit allen Stimmen g c g e u d i e S t i m m e u der beiden r e ch ts st e h e »den Parteien abgelehu t. Auch die Temvkraleu stimmten gegen die koii'essio- uelle Schule. Ebenso wurde der Amrag Tr Rena- torfs, das; der in llebereinstimmimg mit den Lehre n, der betreffenden Religionsgcmeiude zu erteilende Religions- unterricht ordentlicher Lehrgegenstaud der Schule sein 'soll, abgelehut, und- zwar ebenfalls mit Hilfe der Demokrate u. Ebenfalls stimmte» die Temokiaten gegen den Antrag des Abg. Beutler, das; die Frag« des Reli gionsunterrichtes aus dem llebergaugsgcsetz auszuschließen sei. Ter Antrag des Gesetzgebuiigsausschusses: „Aller Unterricht soll gesinnuiigsbildeud wirk.-». Religionsunterricht wird in der allgemeinen Volksschnick nicht erteilt, vielmehr findet j» den letzten beiden Sctp.l- klasseu eine sittliche Unterweisung in w ö chentli ch zwei Stunden statt" wurde mit den Stimmen der beide» sozialdemokratiickan Fraktionen gegen die Sti m m e n d e r s ä mlli ch e n bürgerliche» Parteie n a n g e n o m m e n. Naiv r- lich wurde auch der Antrag R e n d t o r f f, die Errichtung von Privatschulcn im bisherigen Umfange frei zn lassen, abgelebnt und der Antrag der Vergewaltiglingsmei 7 heit, daß die jetzt bestehenden Privatschulen über ibr-n. Rahmen nicht erweitert werden dürfen, sondern viel- mehr a b g e b a » k werden müsieii, angenommen. Tic weiteren Punkte über die Fortbildungsschule, die Selbstverwaltung, den Schulvorstand, die Personal- un!> Diziplinarakten und die Scminarrcsorm wurden teils e u- stimmig, teils von der sozialdemokratischen Mehrheit an ->> nommeu. Zum Schluß kam die große U eb err a s ch u 11 g: Tie Ausschußmehrheit hatte ursprünglich beantragt, och Kammer wolle beschließen, die als Beschlüsse des Gesttz» gebungsausschusscs ausgesübrten Anträge auznnehmeu u d die Regierung z» ersticken, gemäß diesen Beschlüssen alsb