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Beilage zu Nr. der „Sächsischen Volkszeitung". Bon einem „klerikalen Boykott" wußten vor einigen Wochen kirchenfeindliche Blätter ans Irland zu berichten. Wie die „Münch. N. N." (23. Jan.) zuerst meldeten, hat sich in Dublin eine „katholische Ver einigung zur Beförderung der zeitlichen Interessen der Katholiken" gebildet. Diese Vereinigung — so schreibt das liberale Blatt — möchte einen Universal-Boykott gegen die Protestanten ans grnnd eines allgemeinen Spio nier- und Bcnachrichtigungssystems schaffen. Tann wird der Erzbischof von Dublin beglückwünscht, weil er die Ver einigung und ihre Ziele verworfen habe. Hierzu wird der „C. A." durch den Herrn Erzbischof von Dublin folgendes mitgeteilt: Der Zweck der sogenannten „katholischen Ver einigung" war durchaus nicht, die Protestanteil zu boy kottieren, sondern nur den schimpflichen Boykott gegen die Katholiken zu durchbrechen, welcher namentlich in Irland seit Jahren, ja seit Jahrhunderten besteht. Das; dies der Fall, beweist deutlich das mir vorliegende Handbuch der Vereinigung, welches die Tatsachen darlegt, die zur Grün dung des Verbandes führten und die zn befolgende Methode vorschlägt. Unter den Tatsachen seien folgende hervorge hoben: Bei der irischen Great Northern-Eisenbahn betra gen die gesamten Jahresgehälter 60 533 Pnnd Sterling i l 210 660 Mk.), davon bekommen protestantische Beamte 50 832 Pfund Sterling <1016 630 Mk.), auf die katholi schen Beamten fallen nur 0701 Pfund Sterling <10-1020 Mark). In allen besser bezahlten Stellen sind die Pro testanten enorm überwiegend. Bei der Midland Great Western-Bahn, sowie der Great Southern und Western- Bahn ist das Verhältnis dasselbe. Bei der ersteren sind z. B. nur zwei Katholiken in Stellungen, die mehr als 200 Pfund Sterling jährlich einbringe», bei letzterer kon»nen ans 75 höhere Beamte nur zwei Katholiken. Ganz ähnlich ist es mit der Parität bei der „Eavan and Leitrim-Bahn", bei der Königlichen „Dublin Society", der „Bank of Ir land", der „Provincialbank of Irland", der Königlichen Bank, sowie bei der Menge von Versichernngsbnreans: überall eine ganz auffallend starke ZnrücksetZling der Katho liken, obwohl Irland zu drei Viertel katholisch ist! Es ist so weit gekommen, das; viele protestantische Kanflente, auch kleinere Händler und Ladenbesitzer, so viel als nur mög lich die Katholiken ans ihrem Geschäftsverkehr ansschliefzen. Tie ganze Unhaltbarkeit solcher Zustände sieht man erst ei», wenn inan bedenkt. 1) das;, wie gesagt, Irland zn drei Viertel katholisch ist, 2) das; die Katholiken für höhere Posten weit zahlreichere und mindestens ebenso tüchtige Kandidaten stellen wie die Protestanten. Wir baden viele hervorragende Juristen, Mediziner, Gelehrte. 3) Bei den Eisenhahngesellschaften, wo die Imparität besonders stark hervortritt, sind viele Aktionäre katholisch und diese Bahnen werden znm Teil ans öffentlichen Mitteln, also hauptsäch lich vom Gelde der Katholiken subventioniert. Tie Art und Weise, wie die „katholische Vereinigung" jene unerträglichen Zustände beseitigen wollte, hatte einige Fehler und diese tadelte der Erzbischof von Dublin, gegen das Unternehmen an sich hat er nichts einzuwenden, denn es trägt durchaus den Charakter der Mäßigung und Tole ranz. Für die Katholiken wird nur deren billiges Recht verlangt. „Wir wünschen nicht", so heißt es in dem Pro gramm der Vereinigung, „eine Bevorzugung der Katho liken, aber wir werden ein protestantisches Monopol in ge schäftlicher und administrativer Hinsicht nicht dulden" . . . „Wir wollen nicht, das; den Nichtkatholiken etwas ge nommen werde, was sie bereits haben, und als eine Ver leumdung müssen wir die Unterstellung der „Belfast-Ztg." kennzeichnen, wir forderten die Entlassung der Protestanten ans ihren Stellungen, um sie durch Katholiken zn ersetzen" . . . „Die katholischen Geschäfte sollen nicht mehr systema tisch gemieden werden, wo sie dieselbe Ware mit derselben Sauberkeit und Aufmerksamkeit liefern wie protestantische." Um ihren Zweck zu erreichen, schlägt die „katholische Vereinigung" folgende Mittel vor: 1) Nach dem Vorbilde des deutschen Volksvereins sollen sich die irischen Katholiken sammeln, um als große einheitliche Mach; ans die öffentliche Meinung zn wirken und sich dadurch ihr Recht ans paritätische Behandlung zn sichern. Tie segens reiche soziale und apologetische Tätigkeit des Voltsvereins für die Katholiken Deutschlands wird den irischen .Katho liken als Vorbild geschildert. 2) Die katholischen Aktionäre der Eisenbahn- und Versicherungsgesellschaften, der indnslri eilen Unternehmungen und größeren geschäftlichen Betriebe sollen ihr Recht lind ihren Einfluß geltend machen für die Wahl katholischer Direktoren und höherer Beamten. 3) Die .Katholiken sollen ihre Kundschaft denjenigen Geschäften ent ziehen, die katholische Bewerber »m Stellungen unberück sichtigt lassen. Aus Stadt und Land. —* „Ein Opfer des TenfeIsBitr n" nennt eine sozialdemokratische Korrespondenz den Stadtvikar Kuhn in Oehringen lWttbg.j, der mit einer verheirateten Frau durchgebrannt ist. (Vgl. z. B. Frankfurter „Volksstimme" Nr. 103. 3. Mai.) Daß cs sich um einen protestantischen Geistlichen handelt, sagt die Korrespondenz nicht. —* Große Kunstausstellung Dresden 1003. Welch ein Wert in den Kmvlschätzen der Ausstellung anf- gespeichert ist, kann man aus den Versicherungssummen erkennen, die für die Kunstwerke ansgeworfen sind. Die Versicherung beträgt 6 Millioneil Mark gegen Feuer und 1 Million Mark gegen Schäden beim Transport. An dieser Gesamtversicherung sind 35 deutsche Versichermigs gesellschaften beteiligt unter Leitung des Herrn Direktor Ahlhelm in Dresden von der Norddeutschen Fener-Ver- sichernngsgesellschaft. Läßt sich der materielle Wert noch annähernd angeben, so ist der künstlerische Wert einzelner Werke überhaupt nicht abznschätzen. Leipzig. Die Leipziger Gewerbekammer dringt in ihrem eben veröffentlichten Jahresberichte energisch auf Ein führung einer Umsatzsteuer für Großbetriebe im Klein handel. Speziell gegen die „Zugaben" bei Einkäufen wendet sich der Bericht, und nicht mit Unrecht, denn es ist kaum zu glauben, was heutzutage schon alles als Lockmittel angewendet wird, um Käufer anzuziehen. Die neueste Attraktion sind Theaterbillets. Leipzig. Mittwoch, abends in der zehnten Stunde, ereignete sich abermals ein Unglücksfall auf der Pleiße, der dritte iu welligen Wochen. Der Tapezierer Karl Emil Semmelrath ans Hamburg fuhr mit einem Freunde in einer Gondel. Beim Pfahlballten Restaurant kippte die Gondel um. Der Freund Semmelraths hielt sich an der Gondel fest und ward dadurch gerettet; Semmelrath aber ertrank. Der Leichnam wurde yente früh gefunden. Hartmannsdorf. Hier herrscht große Wohnungsnot. Sogar die Wohnungen im Armenhaus mußten vermietet werden. Es hat sich ein Bansparverein gebildet. Die Gemeinde hat sich bereit erklärt, für Bauten dieser Genossen schaft das Ballland um 20 Proz. billiger abzulassen. Zwickau. Das Königliche Krankenstift hier ist wiederum durch den Nenbau eines Pavillons erweitert worden. Noch in diesem Jahre soll mit dem Bau eines zweiten «Isolier-) Pavillons mit Laboratorium, bakteriologischer Untersuchnngs- station nsw. begonnen werden. Zittau. Die „Zittaner Morgenzeitnng" meldet: Der Bischof von Gadara und Weihbischos von Prag I)r. Frind besuchte am letzten Sonnabend in Begleitung mehrerer anderer höherer geistlicher Herren den Berg Oybin. Der Bischof und seine Begleiter statteten auch dem Oybin- Mllsemn einen längeren Besuch ab, dessen Leiter den Bischof darauf hinwies, daß wohl seit 1383, dem Tage der Weihe der Eölesliner-Kloslerkirche. kein Bischof voll Prag mehr auf dem Oybin weilte, und daß der Weihebischof Wenzel von Prag damals die Sakristei auf dein Oybin „dein heiligen Wenzel" geweiht habe, flieste dieser Weihekrenze sind noch in der Sakristei erhalten. Dem Bischof I)r. Frind wurden übrigens unlängst seiner deutschen Gesinnung wegen iu Reichenberg und Warnsdorf große Ovationen dargebracht. Ostritz. Sonntag, den 20. Mai bis Freitag, den 3. Juni findet Volksnmsion in der Filialkirche Engelsdorf Pfarrei Wiesa in Böhmen statt. Dieselbe wird von Jesuiten ge halten. Da Engelsdorf unmittelbar an der sächsischen Grenze liegt, ist zn erwarten, daß diese Missionen auch von sächsischen Katholiken zahlreich besucht werden. Hoffentlich geht Sachsen dadurch nicht zn Grunde! Bautzen. In der Nacht zn.u zweiten Pfingst Feiertage ist in Eommera» bei Klir der weichgedcckte Gasrhof mit Tanzsaal des Gutsbesitzers Schuster total eingcäschert worden. — In derselben Nacht ist auch das bereits seit geraumer Zeit leer stehende Wohnhaus des Bäckermeisters Ernst Gottlieb Knobloch in Oberförstchen ein Raub der Flammen geworden. — 12 — nichts von Geschäften sehen. Und nun beginnen Sie meine Vertretung damit, daß Sie einstweilen meinen Gast unterhalten. — Adieu, adieu!" Als er das Zimmer verlassen, schwiegen beide Männer zunächst einen Allgenblick. Der Geistliche ließ einen Prüfenden Blick über den jungen Mann gleiten, den dieser wohl bemerkte, denn auch er hatte den Pfarrer ein wenig von der Seite gemustert. Er errötete, denn er mochte sich wohl bewußt sein, daß sein Blick nicht frei von Mißtrauen gewesen. Dann nahm Heberlein zu nächst das Wort: „Wem cs vergönnt ist, auf dem Lande zn leben, der ist doch beneidens wert." „Ja," sagte der andere zurückhaltend — „es hat manches für sich." „Ihre Zustimmung klingt recht wenig begeistert," gab Heberlein lächelnd zurück, ja mail möchte beinahe glauben, Sie fühlteil sich hier nickt wohl." „O, was sollte ich wohl zn klagen habeil!" entgegnete Brandt eifrig, »bel ohne sich sonderliche Mühe zn geben, die Ironie in seinem Tone zu unter drücken. „Es ist ein gesunder Aufenthalt — körperlich." „Das klingt wiederum sehr bedingt." sagte Hebcrlein, „und bestärkt meinen Verdacht von vorhin. Ans Ihren Worten ist zn entnehmen, daß Sie die geistigen Genüsse vermissen - - aber darauf muß man dock gefaßt sein, wenn man die Landwirtschaft als Beruf wählt." „Wählt?" lachte der andere laut und höhnisch auf. „Ach so!" sagte der Pfarrer, mit dem Kopse wiegend. „O, ich bitte ans meinen Worten keinerlei Schlüsse zn ziehen. Verzechen Sic überhaupt, Hochwürden, daß ick Sie mit meinen eigenen Angelegenheiten langweile, während Herr Eisold mich gebeten, Sie zu nnterhalten." „Aber ich bitte Sie -- was haben Sie denn von Ihren eigenen Ange legenheiten geredet — lind von Langelveile kann bei mir nie die Rede sein, wo sich mir ein Einblick in ein Mcnschenschicksal bietet. Und wenn es Ihnen eine Onal ist, so lassen Sie uns doch ein wenig von Ihnen Plaudern. Sie brauchen noch nicht einmal allzu mitteilsam zu sein, sondern mir nur ein paar Fragen zu beantworten — aber auch das nicht, wenn Sie nickt wollen. Also soviel steht fest, Sie sind Landwirt gegen Wunsch und Neigung." „Das weis; der liebe Himmel," seufzte der andere. „Und Sie können ans irgend einem Grunde ans diesem Berufe nickt heraus." „So ist es, Hochwürden — nehmen Sie immerhin an, ick sei ein armer Teufel, der nichts weiter hat, als die paar Taler die er verdient. Was soll ich anfangcn, wenn ich jetzt in das Leben hinaustrete —" „Es ist gewagt," bemerkte der Priester, „jemanden anznraten, seinen einmal, sei es freiwillig oder unfreiwillig, ergriffenen Berns zu verlasse» und, wie man sich landläufig ausdrückt, umzusattcln. Indessen ließe sich wohl untersuchen, woher die Unzufriedenheit kommt um dann zu helfen, zu lindern oder wenigstens zu raten." „Was mich drückt, dafür haben weder Sie noch irgend ein anderer Rat oder Hilfe," seufzte der andere tief auf. Dann, als habe er scholl zu viel ge sagt und ärgere sich darüber, riß er sich zusammen und sagte kühl: „Ucbrigens nehmen Ew. Hochwürden an nieinem Schicksal einen von mir gänzlich un verdienten Anteil." — o — „Was?" fuhr Eisold seine Frau an, „die Armen sagst du? Bedauerst sie gar noch?" „Wenn sie nicht arm wären, würden sie doch nicht ans dergleichen un glückselige Einfälle kommen. Auch liest man heute so viel von Verführern des Volkes." „Sie sollen sich nicht verführen lassen sind alt genug," eiferte der Hausherr, „sie sollen Gott -vor Angen und im Herzen haben — und dann ibre Armut — bescheiden solle» sie sich, wie es ihre Väter auch gemacht haben! Aber das ist eben der Zug der Zeit. Unzufrieden — immer nnznfrieden! Niemand will sich mit dem begnügen, was er bat." „Ick glaube, Sie haben alle beide Reckt, deine Frau sowohl wie du," warf hier der Pfarrer bin, „ich kenne jene Bergwerksdistriite und die Mensche», die da Hansen. Sie sind in der Tat arm, bitter arm, aber von Natur gut und friedfertig und früher waren sic auch mit ihrem harten Lose zufrieden. Jetzt aber sind sie freilich nicht mehr, was sie waren, und mit der Gottessnrckt und der Genügsamkeit ist es nicht weit her." „Na, hörst dn's, Marie?" sagte Eisold triumphierend. „Aber manche ihrer Forderungen sind voll und ganz berechtigt und die Gesellschaften, in deren Dienst sie stehen, nutzen sie in der Tat ans, daß es znm Erbarmen isl. Und dann," fuhr der Pfarrer fort, „du kennst sie doch auch, jene falschen Propheten, die das Volt verführen und verderben? Oder Haff doch wenigstens von ihnen gehört?" „Gehört jo, aber Persönlich habe ich ne noch nicht kennen gelernt ich wollte es ihnen auch nickt geraten haben, sich hierher zu versteigern! Ich wollte ihnen heinilenchten, daß sie ihr blaues Wunder erleben sollten!" „Dann unterschätzest du sie aber gewaltig, mein Lieber. Ich, ich kenne sie, denn ich habe täglich mit ihnen zn tun, tagtäglich mich mit ihnen herum znjchlagen, um meine geistigen Kinder vor diesen reißenden Wölfen zn schütze». Und ich kann dir jagen, sie machen einem zn schaffe»! Es sind ge bildete Menschen n.iit scharfem Verstände und großer Redegewandtheit. Sic lnüpsen an wirklich vorhandene Mißstände an und verstehen es meisterlich, sie ins Riesenhaste zn übertreiben. Die Fürsorge für die Arbeiter, so weit sie sie nicht geradezu weglengnen oder ignorieren können, suchen sie als gänz lich unzulänglich und lediglich als Produkte des Egoismus der Arbeitgeber nachznweisen und wissen alles so darzusiellen, daß die bestehenden Verhält nisse als der Inbegriff alles Unvollkommenen, Schleckten erscheinen, so daß es ein Verdienst ist, solche Zustände zn beseitigen. Ich habe oft sogar selbst Mühe, wenn ich ihnen im Redekampf cntgegentrete, diesen Wust von Halb Wahrheiten, Unwahrheiten. Vedrehnngen und Sophismen kurz, knapp und allgemein verständlich zn widerlegen. Und nun denke dir jene armen, n» gebildete» Menschen! Die müssen ja von solchen in volkstümlichem Tone vor getragenen Hetzereien bestochen und verführt werden!" „So soll man es ihnen einblänen," fuhr Eisold ans, „daß sie jene» nickt zu gehorchen, überhaupt sich nicht um Dinge zn kümmern haben, die sie nickt verstehen. Und wollten sie gar Ausschreitungen begehen na. warte nur - " „Zu Ausschreitungen ist cs allerdings bereits gekommen: es wird von Gewalttätigkeiten gegen die Arbeitswilligen, die am Streik nicht teilnelnnen wollen, gemeldet," schaltete Brandt hier ein.