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Nr. ISO. Tonnabend, den Ä8. Mai 1V04. 3. Jahrgang. Sächsische UolksMng Erscheint tSaltch »ach«, mtt «u»nahme der e»im> uiid Festtag». >>> d^ke'mfche^PoNalrtt^Z^ l° P,' I U. Inserate werden die 6gespaltene Pctilzeilc oder deren Raum m 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt, Puchdrutkerei, Redaktion und «eschüstsftellr! Dredde», Katholiken, abonniert auf eure Vrkssr! Für den Monat Juni kostet das Abonnement auf die „Sächsische Bolkszeitung" (ohne Bestellgeld) SV Pfemria. Die „Sächsische Bolkszeitung", unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit, tritt ein für die Interessen des katholischen Volkes und arbeitet besonders mit an der Lösung der gerade jetzt so brennend gewordenen sozialen Frage. Durch ihre Sonntagsbeilage „Feierabend" bietet sie ihren Lesern reichlichen Stoff zur Unterhaltung und Belehrung und machen wir besonders ans den hoch interessanten und spannenden Roman „Denn alle Schuld rächt sich auf Erden" aufmerksam Außerdem liegt unserer Zeitung ein spannender Roman „Hinauf zum Herrn" zum Einbinden bei. Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die Roman beilagen gratis uachgeliefcrt. Durch die weite Verbreitung der „Sächsischen Volkszeitung" haben auch Inserate jeder Art einen großen Erfolg, und kostet die einspaltige Petitzeile 15 Pfennige. Bei Wiederholungen hoher Rabatt. Kkdaktion und Geschäftsstelle der „Sachs. Nolksjkitlliltz". Der VLI. Delegiertentag des Verbandes der kath. Arbeiter-Vereine (Sitz Berlin) wurde am Dienstag durch den Generalsekretär Lic. Fournelle eröffnet. Die Vertreter von 160 Arbeitervereinen aus ganz Deutschland, darunter sehr viele Geistliche, waren erschienen. Zunächst erstattete den Generalsekretär den Geschäfts und Kassenbericht des Verbandes. Der Verband ist im Jahre 1903 von 303 auf 418 Vereine bezw. von 41 000 auf 58 000 Mitglieder gestiegen und zählt Vereine in 12 Diözesen Deutschlands. Die Verbandskasse hatte am 31. Dezember 1903 einen Ueberschns; von 1052 Mark. Infolge einer Be schwerde, daß bei den in einzelnen Bezirken abgehaltcnen sozialen Kursen einseitig die katholischen Arbeiterfachabtei lungen znin Nachteile der christlichen Gewerkschaften bevor zugt seien, wird von einzelnen Präsides, bei denen bereits soziale Kurse abgehalten worden sind, einstimmig hervorge hoben, daß nie und nirgends bei den Kursen eine Propa ganda für die katholischen Arbeiterfachabteilnngen gegen die Gewerkschaften hervorgetreten sei. Kuratns Beper-Groß- Lichterfelde spricht über „Das allgemeine Verbandswesen". Man müsse versuchen, dort, wo noch keine Arbeitervereine be ständen, neue Vereine zu gründen, sowie die schon bestehenden Arbeitervereine an den Verband anznglicdern. Weiterhin be antragt Referent, zum Zwecke der ferneren Ausbildung von Arbeitersekretären, sowie zu Agitationszwecken die Leo-Jnbi- länmsstiftung durch einen jährlichen freiwilligen Beitrag der einzelnen Vereine kräftig zu unterstützen, sowie, daß die Bezirkspräsides jährlich wenigstens einmal zu einer beraten den Versammlung zusammenkommen. Hierauf sprach Generalsekretär Fournelle über die Be schuldigung, als ob katholische Gewerkschaften (Fachabtei- lnngen) eine obligatorischeVerbandssache sei und betonte, daß die Ansicht der Verbandsleitung und der Inhalt des Blattes „Ter Arbeiter" nicht im Widerspruch ständen mit der Enzyk lika „Nerum novarnm" Leos XIII., mit dem Pastorale der preußischen Bischöfe und mit dem Verbandsbeschlntz von 1902. Die Einrichtung der katholischen Fachabteilnngen sei für den ganzen Verband festgelegt. Den einzelnen Vereinen stände es jedoch frei, ob sie den katholischen Fachabteilnngen des Verbandes beitreten und solche einrickiten wollten oder nicht. Anläßlich eines Antrages Dr. Gerick-Neisse kam es zu einer Diskussion für und wider die christlichen Gewerk schaften. Ein Redner stellte fest, daß im Verbandsorgane Berichte von Arbeitervereinen, die zu Gunsten der christlichen Gewerkschaften gesprochen hätten, stets gestrichen worden seien. (Hört! Hört!) Ein anderer Redner sprach die Bitte aus, man solle doch nicht die Freunde der christlicheil Gewerk schaften einfach niederschreicn. — Dr. Fleischer legte dar, daß die Verbandsorganisation nur eintreten könne für die Organisation des Verbandes, und das um so mehr, als die christlichen Gewerkschaften dein Verband den Kampf bis aufs Messer angesagt hätten. Ein anderer Antrag lautet.- „Die Verbandsleitnng in Berlin und unser Verbandsorgan „Ter Arbeiter" erwecke nicht unter schweren Angriffen auf die gegenteilige Meinung den Anschein, als ob katholische Gewerkschaften (Fachabtei- Inngen) eine obligatorische Verbandssache sei und lasse in bezug auf die gewerkschaftliche Organisation entsprechend dem Beschlüsse des Delegiertentages 1902 den einzelnen Vereinen volle Freiheit." Dr. Fleischer stellt fest, daß niemals die katholischen Ge werkschaften als eine obligatorische Verbandssache be zeichnet worden seien. Dr. Gerick beruft sich für die gegen seitige Auffassung ans ein Schreiben des Verbandsvor standes. Die Diskussion wird geschlossen, der Antrag abgelehnt und zwar mit 422 gegen 75 Stimmen. Zur Annahme gelangt folgende Resolution: „Tie Prä sides der katholischen Arbeitvereine werden dringend gebeten, die Bestrebungen der katholischen: Arbeiter, sich in berufliche Fachabteilnngen innerhalb des Arbeitervereins zu organi sieren, aufs energischste zu unterstützen. Tie Präsides werden gleichzeitig daran erinnert, daß in den katholischen Arbeitervereinen hinsichtlich der gewerkschaftlichen Organi sation nur für die beruflichen Fachabteilnngen des Ver bandes der katholischen Arbeitervereine tSitz Berlin) agi tiert werden kann." Sodann folgte das Referat des Pfarrers Brückner über das Thema: „Arbeiterinnenvereine." Arbeitersekretär Richter referierte über den Frankfurter Kongreß. Verbandssekretär Tr. Fleischer verteidigt die Haltung der Deputierten des Verbandes auf dem Frank furter Kongreß. Dieselben verdienten Dank dafür, daß sie nicht für ein uneingeschränktes Koalitionsrecht eingetreten seien und den prinzipiellen katholischen Standpunkt ge wahrt hätten. Diese Haltung sei durch die Zentrnmspolitik, wie sie die Abgeordneten Herold, Savigny und Brust im Reichstag und Landtag vertreten hätten, gerechtfertigt wor den. Redner stellt einen Antrag, den Vertretern des Ver bandes Decharge zu erteilen in der Form, daß ihnen der Tank für ihre Haltung ausgesprochen werde, sowie die Be strebungen der im Frankfurter Kongreß vertretenen Ar- beiter tatkräftig zu unterstützen. In diesem Sinne empfahl er folgende Resolution: „Ter Telegiertentag empfiehlt den Verbandsvereinen die Bildung von Ausschüssen für Arbeitervertreterwahlen und soziale Angelegenheiten, in denen die Delegierten von Arbeiterorganisationen, die aus prinzipiell verschiedenem Boden stehen unter Wahrung der prinzipiellen Besonder heiten und vorbehaltlich der Zustimmung ihrer Organi sation eine gegenseitige Verständigung zwischen diesen Or ganisationen bei allen die Arbeiter betreffenden sozialen Angelegenheiten von Fall zu Fall herbeiführen, um ein gemeinsames Vorgehen zu ermöglichen." Antrag und Resolution werden einstimmig ange nommen. Hierauf referierte Arbeitersekretär Müller über das Un- terstütznngswesen des Verbandes. Damit ist die Beratung des Delegiertentages beendet. Uns ist die Berufung auf die Zentrnmsabgeordneten Herold, Savigny und Brust ganz unerklärlich. Diese stellten sich ja vollständig auf die Seite der Majorität des Frankfurter Kongresses, konnten also die Ansicht der durch den katholischen Arbeitcrverband (Berlin) verbetenen Mino rität nicht rechtfertigen. - Es berührt auch als Wider spruch, wenn behauptet wird, daß bei den sozialen Kursen eine Propaganda für die katholischen Arbeiterfachabtei lnngen gegen die christl. Gewerkschaften nirgends hervor getreten sei, und wenn es trotzdem in der Resolution heißt, daß nur für die elfteren agitiert werden kann. Jedermann weiß, daß man der Verbandsorganisation den Zweck unter schob und daß die Propaganda für die kath. Fachabteilnngen auf mehreren sozialen Kursen der Hauptpunkt gewesen ist warum das also nicht offen eingestchen? Im übrigeil muß die nicht unerhebliche Minorität, welche, trotzdem sie dem Verbände angehört, ganz energisch für die christliche Gewerkschastsidee eintrat, der Verbandsleitnng nabe legen, die Vereinigung der katholischen Arbeitervereine nicht weiter für die „katholischen Gewerkschaften" zu benutzen. Die Opposition wird in den eigeneil Reihen wachsen und nur Anlaß zu Zwiespalt geben, während der Verband der katho lischen Arbeitervereine viel Gutes und Ersprießliches leisteil könnte, wenn er von der Propaganda für die Fachabtei lnngen absiebt, und den christlichen Gewerkschaften, die vom gesamten Zentrum im Gegensatz z» den Fachabteilnngen gebilligt werden, keine Konkurrenz bietet. Politische Rundschau. Deutschland. Ter „Reichsanzeiger" veröffentlicht den sanktionier ten Rcichshnliohnltsctat pro 1904. Die Ausgaben betragen Ein Beitrag zur Paritätsfrage aus dem Leben von F. Kraus. In seiner Skizze „Franz 4-aver Kraus, ein Lebensbild ans der Zeit des Reform-Katholizismus", Colmar i. E., erzählt Hanviller auch die Zurücksetzung, welche F. T. Kraus voll seiten der philosophischen Fakultät der Universität Straßbnrg hat erfahren müssen. Tie philosophische Fakul tät konnte sich nicht entschließen, Kraus zum ordentlichen Professor zu berufen, weil er — den schwarzen Nock trug. Hanviller, über dessen Skizze nebenbei bemerkt, Kraus etwa urteilen würde: Herr bewahre mich vor meinen Freunden-, vor meinen Feinden will ich mich selbst bewahren, schreibt: „So werden wir leider festznstellen haben, daß ihm seitens seiner Straßburger Kollegen mit einer nicht ge rade unbefangenen Haltung begegnet wurde . . . Un angenehme Wahrheiten gibt cs nun einmal hüben und drüben. Und zu diesen gehört jene Tatsache, daß Kraus trotz seiner hervorragenden Befähigung, trotz seiner prinzipiellen und tatkräftigen Bekämpfung des Ultramontanismns in Straßbnrg von jedweder Beför derung ausgeschlossen wurde. Einer der wenigen Freunde, die er im Straßburger Kollegium gefunden, war wahr heitsliebend genug, um ihm den wahreil Grund für die völlige Nichtbeachtung seiner wissenschaftlichen Leistungen mitzuteilen. Die damaligen Straßburger Dozenten waren nämlich nicht so liberal, wie ihre heutigen Pariser Kollegen, welche dem ans dem „Institut catholigne" durch hierarchische Willkür verwiesenen Abbck Loisy eineil Lehrstuhl an der Sorbonne selbst im Pricsterkleide be- steigen ließen. Dieses nun und seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche war in den Augen der maßgebendsten Gelehrten das unüberwindliche Hindernis, welches dem außerordentlichen Professor Kraus den Zutritt in das Heiligtum des Ordinariats in Straßburg auf immer verschließen sollte. — Ein mitleidiges Lächeln glitt über das geistvolle Antlitz des Freiburger Kirchenhistorikcrs, wenn er einem von diesem seltsamen Intermezzo er- zählte . . . Einem Manne wie Kraus mußte diese eng herzige Richtung unter Vertretern der Wissenschaft ebenso widerwärtig wie verderblich erscheinen" <S. 23 24). Gegen diese Darstellung sucht ein Artikel der „Straß burger Post" von Adolf Michaelis, Professor der klassischen Archäologie, »ackigedruckt in der „Beilage zur Allgem. Ztg." (Nr. 109 vom 13. Mai 1904), die philosophische Fakultät Straßbnrg in Scknitz zu nehmen. Der Gründe, die für die Rechtfertigung des Vorgehens der Fakultät angegeben wer den, sind drei: I) Ein Ordinariat für christliche Archäo logie wäre damals etwas unerhörtes gewesen, auch heute sei noch keins an irgend einer philosophischen Fakultät Deutsch lands vorhanden-, 2) „was damals von Kraus vorlag, wog wissenschaftlich nicht schwer", was auch de Rossi be stätigt habe; ebenso war auch der Erfolg seiner Vorlesungen nicht groß. — Hier wäre der Nachweis zu führen, daß die damals Berufenen und die damaligen Angehörigen der Fa kultät ganz außerordentliche wissenschaftliche Leistungen nnfweisen konnten und ob der Erfolg ihrer Vorlesungen ein besonders bedeutender gewesen. Hanvillers Darstellung des damaligen Kraus als eines tatkräftigen Bekämpsers des Ultramontanismns wird von Michaelis allerdings treffend mit dem feinen Spott abgefertigt, daß damals von einer solchen Tätigkeit bei Krans in Straßbnrg nichts be kannt war. Vielleicht hätte man dann anders gegen Krans gehandelt? 3) habe die Fakultät auch damals Katholiken vorgeschlagcn und zwar „eben damals an Stelle des Pro testanten Weizsäcker de» Katholiken Scheffcl-Boichhorst für das Fach der mittelalterlichen Geschichte." Man traut seinen Augen nicht, wenn man sieht — um nur den letzten Entschnldigungsgrund etwas zu beleuchten — wie der „Katholik" Scheffcl-Boichhorst auf einmal ans gespielt wird. Welcher Art der „Katholizismus" eines Schesfel-Boich- horst gewesen, erhellt am besten aus dessen eigenen Worten, die in der Lebcnsskizze von F. Gütcrbock im ersten Band der „Gesammelten Schriften" von Paul Scheffel-Boichhorst, Berlin 1903, mitgctcilt sind: „Bitter klagte er, daß bei uns in Preußen ans das dogmatische Bekenntnis so viel Wert gelegt wird. Ob wohl die protestantischen Professoren ja wissen, daß ich innerlich ans die dogmatischen Unterscheidungen nicht den geringsten Wert lege, so rufen sie doch, wenn mein Name einmal genannt wird, ich sei ja als Katholik unmöglich. Die Katboliken aber, gleichviel ob Alt oder Ne», mögen mich erst recht nicht: denn nach meiner Geburt sollte ich mich der einen oder anderen Partei znwenden, mit meine» Ueberzengnngen stehe ich beiden gleich fern, eben so fern, als den dogmatisckien Protestanten" <S. 36). Ein „Katholik" also, von dem man weiß, daß er inner lich ans die dogmatischen Lehren seiner Kirche nicht den ge ringsten Wert legt, der das auch i» seinem Verhalten äußerlich zeigt und über seinen Unglauben keinen Zweifel läßt, findet in den Angen der philosophischen Fakultät Gnade und muß hinterher dazu dienen, den Vorwurf des grundsätzlichen Ausschlusses von .Katholiken zu widerlegen! Man sieht, daß es eine ganz besondere Art von Katho lizismus ist, welche in den Auge» dieser Herren faknltätS- sähig macht. Daß die Herren seit den 70 er Jahren nicht toleranter geworden sind, zeigt ihre Kapitolsretterei bei der Ernennung des katholischen Historikers Spalm. In Erinnerung daran klingen die Worte von Micha elis: „Was auch eine gewisse Parteipresse und Herr Hau- piller sagen mögen, die Fakultät hat niemals „das Heilig tum des Ordinariats" einem .Katholiken als solchen ver schlossen: er mußte nur in seinem Fach ebenso tüchtig sein, wie andere" - - recht archäologisch. Tb Schefser Boichhorst berufen worden wäre, wenn er ein überzengnngstrener Katholik gewesen wäre? Herr Professor Michaelis wird wohl einsehen, daß er mit der Zitierung des „Katholiken" Schesfer-Boichhorst keine besonders glückliche Hand gehabt hat. Gegen den von Michaelis betonten Grundsatz, daß nicht die Konfession bei Professorenbernfnngen maßgebend sein dürfe, sondern nur die Tüchtigkeit, haben wir gar nichts einznwenden. Aber wann hat man bei Katholiken von anerkannter Leistungsfähigkeit danach gehandelt?