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Sächsische Volkszeitung : 14.09.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190409144
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19040914
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19040914
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1904
-
Monat
1904-09
- Tag 1904-09-14
-
Monat
1904-09
-
Jahr
1904
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 14.09.1904
- Autor
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1,.,? gerade von dieser Stelle hat Freiherr von Hammerstein am wenigsten zu befurchten: hier steht er in hoher Gunst. Hat man denn schon vergessen, daß dem Minister des Innern erst im letzten Herbste die Hofjagduniform verliehen worden ist? Wir legen dieser Auszeichnung nicht viel Bedeutung bei: aber einer unserer ..Geheimen " versicherte uns erst die ser Lage ganz wichtig, dah diese Auszeichnung ein ganz be sonderer Gnadenbeweis sei. selbst der Reichskanzler l>abe noch nicht das Recht, die Hofjagduniform zu tragen. Wir wünschen auch, dah er es nie erhält: Minister von Hammer stein hat iin Laufe des letzten Jahres, seitdem er das Recht zum Tragen der Hosjagduniform hat. zu ..viele Böcke ge schossen"'. und vor diesem Geschick möchten wir den Reichs kanzler bewahrt wissen. In Berliner eingeweihten Kreisen ist aber auch sonst bekannt, dah Herr von Hammerstein in hoher Gunst steht; man führt dies nicht so sehr aus die interaktuelle Befähi gung des Ministers zurück als auf die Tatsache, dah er sich als Hannoveraner völlig ans den Boden der gegebenen Tat sachen stellte und von den „Welfen " lossagte. Jedenfalls ist sich Hainnierstein dieser kaiserlichen Gunst bewnht: denn er fühlt sich selbst vor Lucainis sicher. Seit fast einer Woche geht das Spiel fort: Geht er? Bleibt er? Nun hat er selbst gesprochen und auf seinem Landgute Steinhorsl iin Hannoverischen einen Berichterstat ter des „Berl. Lok. Anz." empfangen und diesem zum Ab schiede versichert: „Ich sehr mir größter N-he der Interpellation über die Mirliachsammlung im Vthgeordnetenhauie entgegen Ich klebe nicht au meinem Amte Mein kleine» pandbanS nimmt mich jederzeit auf. aber jept zu gehen, liegt gar kein Arund vor. Ich bal-e mich während meines Urlaubes sehr erholt In 14 Tuge» bin ich wieder in Berlin und werde mit frischen Kräiten mein Amt weiter« führen." Hieraus geht daS eine klar hervor, dah Herr von Ham merstein nicht um seinen Abschied eingekommen ist, wie man vielfach hörte und dah er fest entschlossen ist, vorerst Mini ster zu bleiben. Tie eifrigen Leute, die ibm das noch nicht geschaffene Amt eines ..Spreepräsekten" zugedacht haben, sind den Ereignissen selbst in nebelhafte Ferne vornnSge- »,'tten. Aber Minister von Hammerstein hat doch selbst daS Gefühl, dah er endlich etwas über die Mirbachsnmmlungen sagen muh. Was er im Abgeordnetenhause nicht der Oef- scntlichkeit anvertranen wollte, das erfährt man jetzt durch das scherlsche Sprachrohr. Wohl ist damit auch die Ab sicht verbunden, dem Kaiser einen Bericht zu erstatten; denn bekanntlich ist der „Berl. Lok.-Anz." das einzige Blatt, das an höchster Stelle ganz vorgelegt wird; ob es ganz gelesen wird, ist eine andere Frage. Aber immerhin genieht das Scherlsche Blatt diesen Vorzug, »nährend alle anderen Fes tungen nur durch geschickt gewählte Ausschnitte dem Kaiser bekannt werden. Minister von Hammerstein hat deshalb auch recht ausführlich über die Mirbach-Sammlungen ge plaudert. Ter Scherlsche Aushorchcr lupfte ihm die Zunge und erzählt nun: „Herr von Hammerstein hat tatsächlich nichts davon gemuht, dah Freiherr von Mirbach an die Oberprä sidenten geschrieben hatte; dies war vielmehr ein selbständi ger Akt des Tberbofmeisters. Nachdem dann ein besonde res zweites Komitee in Berlin entstanden war, dem so ziem lich alles angehörte, was zur Gesellschaft gehört, an der Spitze der Reichskanzler sowie fast sämtliche Minister, unter ihnen auch Herr von Hammerstei», auherdem die Oberprä- sidenten, erhielt Minister von .Hammerstein von Freiherrn von Mirbach gedruckte Aufrufe mit der Bitte, sie in seinen Kreisen m verbreiten. Tiefe Trucksachen hat der Minister ohne Anregung des .Herrn von Mirbach an die Oberpräsi- dente» in ihrer Eigenschaft als Komiteemitglieder mit dem Anheimgeben geschickt, sie in Zeitungen zu publizieren. In dieser Mahnahme rein privater Natur dokumentierte sich lediglich das Interesse des Ministers von der Sache selbst. Wie wenig hieraus ein angeblich von Mirbach inspirierter Mihbraucki der Amtsstellung konstruiert werden kann und das ist häufig behauptet worden . gebt daraus am deutlichsten hervor, dah Herr von Mirbach absolut gegen eine Pnblizierung in Zeitungen war und vielmehr die pri vaten Sammlungen vorzog. „Als ihm einmal aus eiuer Provinz die beabsichtigte Ver anstaltung einer öffentlichen Sammlung bekannt wurde, ve: binderte er durch direkte Schreiben an die Oberpräsiden- teu weitere Veröffentlichungen, ohne zu wissen, dah der Mi nister durch seine vorerwähnte Anheimgabe eine private An regung dazu gegeben hatte. Von diesen Briefen Mirbachs Diözesen wurde auch eine strengere Beaufsichtigung dieser Literatur Erzeugnisse gefordert. Jedenfalls ist es ein drin gendes Bedürfnis, dah wir neben diesen Spezial-Zeitschrif ten ein religiöses Organ allgemeineren Ebarakters besitzen, ein religiöses Hochland, wo uns das ganze volle Bild des katholischen Glaubens und Lebens gezeigt wird und wohin der Staub und Lärm des Kampfes nicht dringt. Dieses hohe Programm suchen die „Friedens Blätter" zu verwirk lichen. i-Heransgeber Präsekt Bernhard Strehler, Ver lag von Göbel und Scherer in Würzbnrg. Jährlich 12 Hefte 3 Mk.1 Was sie bisher geleistet haben, ist aner kennenswert und zeigt ein zielbewuhtes Streben nach auf wärts. Heilige Schrift und Missale haben in ihnen eine hervorragende Stellung. Anziehend und nützlich zugleich sind die herrliche» Psalmenerklärnngen, die uns in den tie fen Sinn dieser von Gottes Geist durchwehten Lieder ein führen. Tie Artikel zur Aufklärung und Belehrung über Mißverständnisse sind von einer vornehmen Klarheit und Ruhe. Selbst aus die Auswahl der religiösen Gedichte ist große Sorgfalt verwendet. Gutes aus Vergangenheit und Gegenwart wird darin geboten. Wie wir mitteilen kön nen. wird der kommende Jahrgang die bisherigen noch um ein Bedeutendes überragen. Eine beträchtliche Zahl der bewährtesten Mitarbeiter ist für dieses ideale und dock» so notwendige Unternehmen gewonnen. Fiir Heft 1 (Oktober 10041 sind Beiträge in Aussicht gestellt von Bisckwf Augu stinus Egger. Prof. Tr. Knöpfler, Dr. Jos. Popp und Ka nonikus Tr. Mcyeuberg. Da ist cs unsere Ehrenpflicht für eine weite Verbreitung der Friedens- Blätter, die auch von edlen Protestanten gern gelesen werden, zu sorgen. Es gilt einem hohen Ziel: Der Pflege des religiösen Lebens und Friedens als einer entfernteren Vorbereitung fiir die Wiedervereinigung der Christenheit. Amicus. wi ßte aber der Minister nichts. Infolgedessen ist erklärlich, daß er im Abgeordnetenhause eine erschöpfende Antwort nicht geben konnte. Andererseits steht fest, daß seine pro- visorische Antwort völlig korrekt war. Als Herr von Ham merstein sagte, er werde späterhin, wenn er die Akten stu- di rt habe. Auskunft geben, kannt er in der Tat erst 3—4 Oberpräsidialberichte. Er war eben mit der Durchsicht der Akten noch nicht fertig. „Tie Einforderung der Berichte der Lberpräsidenten ist aber nun erfolgt, weil für den Kaiser ein Bericht zusam- mengestellt werden mußte. Die Interpellation folgte kurz darauf. Erst nach dieser und nach seiner provisorischen Stel- lungnahme im Hause der Abgeordneten hat Herr von Ham- merstein durch das Studium der weiteren Berichte Kennt nis von d" i ia"i!tlichcn Secb.azc erhalten. Daß das Ver halten des Ministers von Hammerstein in der Mirbach-An- gelegenheit ganz einwandfrei »var, erhellt auch aus dem Um staude. daß der Kaiser vor Mirbachs Rücktritt über alles ganz genau informiert war und keinerlei Anlaß zu einem Tadel hatte." Soviel läßt Minister von Hammerstein durch Scherl der Oefsentlichkeit mitteilen; durch diese Darstellung wird allerdings der scheinbare Widerspruch gelöst, der zwischen der lninimriellen Erklärung im Abgeordnetenhause und dein li.'gt, was später bekannt wurde; cs liegen eben zwei Schreiben des Oberhofmeisters vor; das erste kannte Ham merstein nicht und die Art der Uebermittlnng des zweiten Hai allerdings für ihn nichts Belastendes. Wenn nun die Sache so harmlos liegt, daß selbst der Kaiser keinen Tadel aussp rach diese Mitteilung ist recht interessant — so muß man fick' al>cr doppelt fragen: Weshalb hat Minister Ham- merstein diesen Tatbestand nicht schon längst der Ocffent- lick leik unterbreitet? Weshalb hat er nicht in der „N. Allg. Zte." das Wort ergriffen und gewartet, bis ein von Scherl emse: derer Berichterstatter zu ihm kommt? Der Scherlis- .uns scheint las in den höchsten Regionen zu spuken; einer Pnblieation im „Berl. Lok.-Anz." wird hier mehr Gewicht beigelegt, als in dem offiziösen Blatt. Das sind keine ge sunden Zustände. Sb Minister .Hammerstcin geht oder nicht, läßt lins von: Pv.rteistandpunkt aus kalt; ein Zentruinsmann rückt doch i icht au seine Stelle. Vom allgemeinen staatlichen Ge sichtspunkte ans würden wir seinen Abschied begrüßen; er ist nicht der Mann, der mit dem Parlament verkehren kann; er ist auch fi-duu Fortschritt feind, der heftigste Gegner der Gewährung von Anwesenheitsgeldern an die Neichstagsab- geordneten- er war ein hartnäckiger Gegner der Kaufmanns- gerichte, und so ließe sich sein politisches Schuckldregister noch sehr verlängern. Aber würde etwas Besseres Nachkommen? Minister von .Hammerstein hat gesprochen, was tut nun sein Koluge von der Justiz? Herr Schönstedt schweigt und — geht! Politische Rundschau. Deutschland. — Tie Anwesenheit des Kaisers in Schwerin hat einen doppelten Zweck. Zunächst sind es die großen Herbst- Übungen des Gardekorps und des IX. Armeekorps, welche den Monarchen hinführten, dann aber auch die Verlobung des Kronprinzen mit der Schwester des Großherzogs. Aus diesem Aulasse gab es hochofftzielle Toaste beim Galadiuer. Uns interessieren weniger die offiziellen Tischreden militä rischen Eharakters. sondern mehr jene, welche das Familien- creiguis besprechen. Nachdem sich der Großherzog in der Ansprache au den Kaiser gewendet Halle, sprach er zum Kronprinzen: „Eure Kaiserliche Hoheit kann ich heute zu meiner innigsten Freude a's leure» Verlobten meiner vielgeliebten Schwester be grüßen, und ich heiße Eure Kaiserliche Hoheit im Namen meines Hause« und tzandc« von ganzem Herzen willkommen. Ich brauche Eurer Kaiserlichen Hoheit nicht z» versichern, daß wir das so freudige Ereignis dieser Verlobung »nt desto größerer Freude be grüßt haben, at« dadurch die bestehenden verwandischafltichen Be ziehungen zwischen dem erhabenen Hause Hohenzvllern und dem weinigen aus« neue verknüpft werden." Der Großherzog gedachte sodann der bereits bestehenden Verwandt chaftsverk ältuisse. Hieraus erwiderte der Kaiser mit einen, Triukspruch, in welchem er sagte: .Mit hoher Freude haben wir die Kunde vernommen von der Verlobung meine« Sohne« mit Ihrer Hoheit der Herzogin Eäcilic. E« sind alle, liebe, werte Traditionen und Erinnerungen, die Eure Königliche Hoheit hier aufgefrischt haben. Euere Königliche Hoheit haben selber schon unserer hohen Verwandten gedacht, und e.n jeder Blick in die Umgebung diese« Schlosse« erweckt in mir die Erinnerung an schöne vergangene Zeiten. Ich darf von ganzem Herzen meinerseits im Namen meine« Hause« Ihre Schwester will kommen heißen und versichern, daß wir sie mit offenen Armen empfangen und hoch ehren werden. Der Charakter Ihrer Schwester verbürgt mir bestimmt da« Glück meine« Sohne« und damit meines Hauses und des Vaterlandes." — Staatsanwalt Dr. Müller, der durch sein Auf- treten im Kivilecki-Prazeß von sich reden gemacht hat. ist aus dem Iustizdieuste geschieden. Nach Beendigung des Prozesses und mehrmonatigem Urlaub trat er die Stelle eines Staatsanwalts in Elberfeld an. für die er schon vorher designiert war. Er hat sie nur kurze Zeit bekleidet, wie das neueste „Imtizministerialblatt" bekannt gibt, ist ihn, die uachgesuchte Dienstentlassung bewilligt worden. Mau wird dies nicht bedauern, denn gegen die Katholiken hat er sich in dem genannten Prozeß besondets taktlos be nommen; sprach er doch „von Leuten, die renommieren. Meineid auf Meineid schwöre» zu können und die nachher bei ihre» Geistlichen beichten." Der Zentrumsabgeordnete Dr. Schädler rügte dies in seiner Etatsrede vom 0. De zember scharf und fordeite den Staatsanwalt auf. dieses Unrecht wieder gut zu machen. Bisher bat er dies nicht getan; so fassen wir sein Scheiden aus dein Justizdienst als eine Sühne auf. — Ein beachtenswertes Geständnis. In der „Kreuz- Ztg." hat in einer Reihe von Artikeln Pfarrer Schneider- Elberfeld das Werk des Iesnitenpaters Krose über die Konfessionsstntistik recht rühmend besprochen; er kommt hierbei auch auf den Einfluß der Mischehen in der Ver- schiebnng der Konfessionsstärke zu sprechen und gesteht dabei ein: „Als Gesamtresultat für Preußen ergibt sich, daß die Mischehen eine Verschiebung deS Bestandes der Konfessionen zu Gunsten deS Protestantismus herbeigeführt haben, aber erst seit 30 Jahren. Ob frühere Verluste damit ausgeglichen sind, steht dahin; über die Höhe der früheren Verluste steht Zahlenmaterial nicht zur Verfügung. Wenn der Kulturkampf seinerzeit das katholische Bewußtsein gekräftigt hat. so hat er doch auch — da» wird oft über» sehen — eine Steigerung de» protestantischen Bewußtsein» hervorgerufen. ES ist auch nicht zu verkennen, daß die Arbeit des Evangel. Bunde» — mag man seine politische Haltung noch so sehr beanstanden — zur Stärkung des evangelischen Bewußtseins, besonders in der Diaspora, und damit auch zur Verstärkung der evangelischen Position auf dem unbe strittenen Boden der Mischehen viel beigetragen hat." Der erste Satz ist uns der wichtigste; es wird endlich von pro testantischer Seite zugegeben, daß der Katholizismus in den Mischehen sehr viel verliert. Wie oft hat man dies früher bestritten! Wir erinnern nur an die von protestan tischer Seite erhobenen Klage über die „römische Mischeyen- praxiS" u. a. mehr. Für die katholische Kirche liegt aber die Sache erwiesenermaßen so, daß sie sich nur dagegen wehrt, daß der Protestantismus in den Mischehen nicht einen vollen Siegeszug feiern kann. Die Klagen über die „römische Propaganda" nehmen sich deshalb neben diesen Zahlen sehr eigenartig aus ; wenn man nun nochmals mit diesen kommen will, werden wir uns auf obiges Urteil deS protestantischen Pfarrers Schneider berufen. — Die protestantisch-kirchliche Presse schiebt die Verab- schiedung des Frhrn. v. Mirbach dem Reichskanzler in die Schuhe. Die „Köln. Ztg." führt diese Behauptung auf das richtige Maß zurück und sagt, daß die „Maßregelung Mirbachs keineswegs eine Staatsaktion sei. die von einem verantwortlichen Minister gegengezeichnet" wurde. Darauf schreibt der „Reichsbote": „Der Sturz Mirbachs war eine politische Aktion so gut wie die Aufhebung des Iesuitengesetzes, und deshalb richten sich unsere Klagen gegen die politischen Ratgeber de« Kaiser«; daß sie seit Jahren eine für un« Evangelische sehr empfindliche Nichtachtung der Vertreter der evangelischen Kirche selbst in solchen Fällen, wo inan der katholischen Kirche zu Willen war. an den Tag gelegt haben, ist in Deutschland allgemein bekannt. Diese Nichtachtung der evangelischen Kirche gegenüber der Hochachtung der katholischen hat die evangelische Kirche in Deutschland und zumal in Preußen nicht verdient, und die großen Interessen der evangelischen Kirche und ihre Bedeutung für die ganze Entwicklung Deutschland« zwingen un«, Widerspruch dagegen zu erheben, und die Hintermänner der Köln. Ztg. sollten sich nicht täuschen! Man sieht, wie es gemacht wird, um gegen den in ultraprotestantischen Kreisen verhaßten Reichskanzler einen Feldzug zu eröffnen. Zu diesem Zweck wird die ganze Mirbach-Affäre in ihrer Bedeutung überschätzt; man lese nur. was der Evang. kirchliche Anzeiger schrieb. Nach ihm ist die Verabschiedung ein „schlag ins Gesicht der geist liche!' Würdenträger", ferner eine tief zu beklagende „Miß achtung und Herabsetzung der evangelischen Kirche", die auf die Dauer vom evangelischen Volk nicht ertragen werden wird. „Die leitenden Staatsmänner", so heißt cS weiter, „sollten wenigstens sich hüten, ans der bisherigen schiefen Ebene weiter zu gleiten. Das evangelische Volk verstehe darin schließlich doch keinen Spaß, und die Unzufriedenheit sei schon gegenwärtig wahrlich groß genug, namentlich seit dem auch durch die völlige Nichtbeachtung der Kundgebung der Synoden und des evangelischen Kirchenausschusses der evangelischen Kirche (in Sachen 8 2 des Iesuitengesetzes!) Faustschläge versetzt worden wären." — Die Aufhebung des 8 2 des Jesiiitciigesetzes kann man dem Grafen Bülow nicht verzeihen. Es handelt sich weniger hierbei um das Gesetz selbst, sondern vielmehr um die Niederlage, welche die protestantischen „Herrschsnchtsgelüste" der Regierung gegenüber, wie die „Köln. Ztg." meint, erlitten haben; das kann man nicht verzeihen! — Die Zahl der Nörgler in Preußen. Daß ein preußischer Staatsbürger nicht mit allem glatt zufrieden ist. beweisen die im letzten Jahre bei den preußischen Land gerichten erhobenen Beschwerden, die sich auf nicht weniger als 28402 belaufen haben; darunter sind 324 Be schwerden. die bei der Kammer für Handelssachen ein gereicht werden. Mit den 1178 überjährigen Klagen stellt sich die Gesamtzahl der erhobenen Beschwerden auf 29670, von denen 28370 Fälle erledigt wurden, und zwar durch Entscheidung 2.7412. Von den erhobenen Beschwerden sind 10 407 für begründet erachtet worden, eine Zahl, welche darauf hindeutet, daß man bei einigermaßen begründeter Veranlassung sein Recht energisch verfechten soll. Aber nicht nur in Zivilsachen allein wird der Beschwerdeweg vielfach betreten, sondern auch, und das in annähernd der halben Höhe, in Strafsachen. Von diesen beziehen sich 11788 über Richter und 1282 über die Zuständigkeit der Gerichte. Interessant, aber auch vielsagend wegen ihrer hohen Ziffer, sind die im letzten Jahre vorgekommenen Strafsachen, von denen 72008 anhängig im Vorverfahren waren, dazu die neuen Fälle mit 761701. sodaß sich die Gesamtzahl auf 633709 stellt, trotzdem 97863 Anträge und Anzeigen ohne weiteres von der Staatsanwaltschaft zurückgcwiesen und 79708 an die zuständigen Behörden ab gegeben worden sind. — Obcrgeuosse Singer ist von einem schlimmen Miß- geschick betroffen worden. Er leidet an einer schmerzhaften Venenentzündung, die ihn. wie eS heißt, voraussichtlich für mehrere Wochen aus Veit fesseln wird. Dem Parteitag von Bremen kann er somit nicht präsidieren: es ist das erste Mal seit 1890, daß Singer nicht Präsident deS Parteitages ist. — Die Befreiung der Prinzessin Luise v»n Ksburg, welche die Schwiegermutter des Bruders der deutschen Kaiserin ist. hat durch die Beteiligung des sozialdemokra tischen Abgeordneten Südeknm politisches Interesse ge wonnen. Man konnte den Herrn für einen heißen Freund unterdrückter Unschuld halten; man konnte von ihm glauben, er habe Opfer gebracht, um der Prinzessin ihre Freiheit wiederzugeben. der man sie ungerechter Weise be raubt hatte. Dieser Herr Südeknm ist auch der Ver fasser des BncheS. das Maltasich herausgegeben hat, jener Mattastch. der vier Jahre lang wegen DechseUälschiing im Zuchthaus saß. Aber Südeknm glaubt, daß der Geliebte der Prinzessin ungerecht saß. daher interessierte er sich skr ihn. so würde man glauben müssen, wollte man die Tat SüdekumS entschuldigen. Die Sache liegt aber anders. — Herr Südekum erhielt für seine Hilfe bei der Flucht — 60000 Mark au-gezahlt! Der Lorbeerkrmiz sinkt nun von dem Haupte des großen i ' «MM
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