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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 27.11.1928
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1928-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19281127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1928112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1928112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-11
- Tag 1928-11-27
-
Monat
1928-11
-
Jahr
1928
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. vread«« Aach.tchl«»- rtr.SSS Sette 2 «»viOtWMUMklMetilrtWlinilSAltr Wet««r, »7. Nov. Dt« vetfetzungesrierlichkeit«» für Admiral Gcheer sind für Freitag, d«n 80. November, X» Uhr nachmittags tn der Herderktrche angesetzt worden. Di« Leich« trifft heut« mittag 12 Uhr t« vrimar «In und wirb tn all«« Still« »ach dem Friedhof, übergeführt. Zur vrerdlgung wird Htnbenburg erwartet. Da der ReichSwehrmintster vrrhindrrt ist. persönlich darin teilzunehmen, wird er sich vom Chef der Martneleitung. Bi»«- admiral Dr. h. c. Rae der, vertreten lasten. La Admiral Scheer seinerzeit Kommandant de« Ltnienschtsses.Elsaß" war. das noch heute im Dienst ist, wird der jetzige Kommandant der .Elsaß" mit einer Abordnung der Schiff«, besatzung an den veisetzungdfeirrlichkeite» tetlnehmen. Sämtliche deutsche Schiffe der ReichSmarin« sind angewiesen, am Bcisetzungslage die Flagge auf halbstock zu setze». Englische Mchnisr für Admiral Schm Landau, -'7. Nov Zum Tode des Admirals Lcbeer erklärt Lord Bcatty, der in der Schlacht von Iniland sic britischen Panzerkrenrer beicliligie. im „Daily Ezvreß": Ich bedauere die Nachricht vom rode des Admirals Scheer austerordent lich. Er ivar ein großer Seemann und ein kiihncr und geschickter Taktiker. In dem Nach,»! der „Times" bcistt eS u. a : In seinen Bücher» und Vorleuiiigeii hat Lüieer viele Ansichten an» gedrückt, die uns eigensinnig nnd kurzsichtig erscheinen, aber Ton und Absicht seiner Aensternngen zeugen von Verant- ivortnngSgeiuhl, Ehren!,aitigkeit nnd Beicheiöenlicit Er hatte ein Recht zu behaupten, daß trotz der Endkataslrophe »te dcnliche Flotte 'ich »m das Denttche Reich grostc Berdtensie erworben hat und es gereicht ihm zur Ehre, dast er nieinats daran! aus war, den Beifall etnzuhctmlen. aus den er An- ipruch gehabt hatte „Daily N eivS" sagt: Scstecr ivar ein tavsercr und unternehmender Seemann und rettete tetne Strcttkräste mit kaltbtütiaer Geicliickttclikeit oor der Erfahr der Berntchiung „Daily Telegraph" erklärt: Mit Admiral Scheer verliert Deutschland den verdienstvollste» seiner Seeleute Wir, die wir den besten Anlast haben, seine Geschicklichkeit und seinen Kampfgeist zu würdigen, dürfen ihm bei seinem Hiii cheide» unsere Achtung erweisen Der englische Geschichts- schrcibcr wird der Gelchickiichkcit, mit der Admiral Scheer die Schlacht von Iiicland durü,gekochten hat, nnd seinem kalt blütigen Mut im Augenblick der höchsten Gefahr hohe- Lob «ollen. Eß» km» LtMdtagjslKmg Dr,»ß««. d«» >h. R«»««ß«r 1»«. A»,f »er Dag«»»r»«uaa ß«r heutigen v«. Sitzung d«» Landtag,» stehen nuhee g««t kleiner«» Vorlagen t« wel«»t. lich«n »«frag«« und Antrag« der bürgirllch«« Oart«t««. h«t». kVMMMlWflhG AUsschrMUHGEU. Vom Vizepräsidenten Dr. Eckarbt wird namen» h«ö Vor- stände» jedoch vorgeschlage«, alle -lese Punkt« von ö«« Tag«», ordnung ad» »setzen und sie zusammen mit ri««r sozial, demokratischen Anfrag« ,u der Versetzung einig«« Poltz«t. beamten erst am «. Dezenebrr »« behandeln. «tz». Nenner tKvmm.j protrsttert gegen bi« Absetzung. Seine Fraktion habe ei» grvstrs Interest« daran, dast dies« Dinge heute besprochen würden. Die Absetzung erfolge offen, bar. weil -er Retchsanwalt kein Material zu de» Anklagen gegen die Kommunisten zusammenbringe. Etegen die Stimmen der Aommnnifte» nnd einiger So« zialdemokratcn wird die Absetzung beschlossen. von der kommunistischen Fraktion liegt ein Schreiben vor. nach dem an Stelle des Abg. Böttcher der Abg. Nenner zum Vorsitzenden gewählt worden sei. fHürt, bvrtl recht».» Der Landtag behandelt nun in erster Beratung den Ent- wurf z» einem ErmSchl>gung»gejehe über die Zwanglos llstreekung wegen Geldleistungen in Verwaltungssachen. ynstan» mrstöndtg. G«U hg« ynkraktt ätz« üd«r Voraussetzung, >« und Mai sorg« vom 4. L«»emb«r Ivs« ist atz«« 'M'S «sfent! «at«rt,ll, N,»so,a«l . liiSU'.'ä'd.M.k.'L daß all« Farsorarftrettiskett«« »»tfche« . einheitlich durch «ad vundedamt für »«recht t« ««ientlichen ttietea »ß der . ^ ba» «i«tz»itlich, »1«reste der daher ««wünscht, llrforgev«rb«nden da» H«tma>. «in Reich »v er waltungs. «eien, späterhin durch . ^ arrtcht al» letzt« ynstan» entichied«« werden. Dem wird in o«r Vorlage Rechnung getragen. Atz«. R«n jSoz.j behauptet, baß die vorlag« mangelhast begründet sei. Da» ganze Gesetz hätte daraufhin geprüft wer- den müssen, ob e» avünderunaSbedürstla sei. Das sei in so» melier und materieller Beziehung der Fall. Auch dieser Entwurf wird an den Rechtdaudschust vcr, wiesen. XL Uhr wird die Sitzung, di« nach 1 Uhr begonnen Halle, wieder geschlossen. Nächst« Sitzung Donnerstag. 1 Uhr. Tagesordnung: Ai>- lrag Böttcher auf Aenderung de» 8 »'Kl der NVO-, wonach Betriebs- und JnnungSkrpnkenkassen nicht mehr errichtet werden können. — Antrag Arzt auf einheitliche Regelung der verschiedenen in Lachsen gültigen Bauarbciterschntz. Danach soll daö Gesamtintntstcriui» ermächtigt werde», das Gesetz über die Zwangsvollstreckung wegen Geldlei stungen tn Verwattungssachen vom 18. Juli 1002 jeweils in. soweit zu ändern, als dies zue Ungleichung an dir gegen, wärtigen staatS-, vcrwaltungS. und kirchenrechtlichcn Bee« bältntsse sowie zur Angletchung an da» im Reich geltende ZwangSvoilstreckungSrecht erforderlich ist. Abg. Nenner lKomin,, wendet sich gegen die Borlage. Der Negierung dürfe keine Blankovollmacht erteilt werde». Der Entwurf geht an den RechtSausschust. Die andere Vorlage betrifft eine Aenderung de» Gesetzes über dl« Verwaltung»- rechtrpflege. Bisher war für Nechtostrettigketten unter sächsischen Für- svrgcverbändcn da» Sächsische Oberverwaltungsgericht alS bkslimmnngc». — Antrag Büchel gegen das Ofscnhaltcn der Ladrngeschäsle vor 7 und nach 0 Uhr. — Antrag Kaiser und Astmann gegen eine Acndernng pon 8 V der Verordnung über die Regelung der Arbeitdzeit d«x Angestellten. — An frage Schladebach über die Belieferung der Lanbesanstalt Zschodrast mit Nahrungsmittel». — Antrag Böttcher wegen Abführung der SozialverstcherungSbclträge und gegen die Errichtung von Werksparkasicn. — Anfrage Dr. Frucht über die Krcdilschwierigkciten der sächsischen Wirtschaft nnd die Verwendung der tn Sachsen auskommenbe» öffentlichen Selber. * Der kandtag hält dem vernehmen »ach vor Weihnachten nur »och vier Sitzungen ab. Am 18. Dezember geht er in die W e t h n a ch t S s r r t c n. Die falsche Prinzessin vor Gericht Erfurt. 27. November, In übersülltei» Schwurgericht be- gann heute die Verhandlung gegen das Dtenstinüdchen Martha Barth, die i» der Maske einer angeblichen Prin zessin Margarete von Prensieii zahlreichen Bewohnern von Erfurt und Ilmenau Geldbeträge und Waren herausgelvekt bat. Es handelt sich um 28 Fälle de» Betrug» und Urkundenfälschung. Die Angeklagte ist bereits im Jahre >02l mit einem Jahre Gefängnis wegen Urkundc » süls ch n n g und später zwei- mal wegen Betrugs und Diebstahls bestraft worden. Sie ivar zunächst als Kinderniädche» tätig nnd hat später in verschiedenen adligen Familien, so beim Grasen Berg, beim Fürsten Lippe und beim Hofmeister von Wange li ste i in als Zofe gedient, Tic Angeklagte, die 41 Iastre alt ist, aber erstcbltch jünger aussichl ist die Mutter zweier unehelicher Kinder, von denen «ins bereits ist Jahre all ist Lus die .Frage des Vorsitzenden, ob sic sich schuldig bekenne, aiitmvrtele die Angeklagte: „Zum Teil." In der heuligen Sitzung kamen zunächst die Betrüge- reien zur Sprache, die die Angeklagte an de» beiden Fräu lein Herold, den Inhaberinnen eines Putzgeschäflcö in Erfurt, zwei älteren Damen, begangen hat. Ihnen gegenüber bat sie sich alS Tochter der Schwester des Kaisers, der Prinzessin Sophie, spätere» Königin von Griechenland, ausgcgcbc». Sie hat im verlaufe einer sehr abenteuerlichen Schilderung ihrer weiteren LebcnSgeschichle den Geschwistern Herold er zählt, dast sie mit dem dciitt'chcn Kronprinzen, allerdings nur zur linken Hand, verheiratet gewesen sei Bcmerkens- ivcrt ist, dast die Mutter der Angeklagten in Erfurt „massig ist. Den Geschwistern Herold gegenüber hat d>c Angeklagte deshalb unter anderem auch erzählt, sie sei von ihrer wirk lichen Mutter in aller Stille in Rad Berka zur Welt ge bracht worden. Tie Frau, die als ihre Mutier gelte, sei nur ihre Amme. Wirbelst,irm in Barcelona. Durch einen Wirbclsturm ist in Barcelona großer Schade» angerichtet morden. Oertliches und Sächsisches —* von den Relchsdisziplinarbehörben. Der Reichs. Präsident hat zu Mitgliedern der N e t ch S d i s z i p l t n a r - bei, örden in Leipzig folgende Beamten ernannt: :1t e i ch S d i s z t p l i n a r h o f: Präsident Tr. Limon», Präsident des Reichsgericht»: stellv. Präsident an Stelle de» Scnatspräsident Dr. Mansfeld ReichSgerichtSrat Dr. Nte- land: stellv. Mitglied Dr. Tittel. ReichSgerichtSrat: an Stelle des ReichSgerichtSratS Zeiler ReichSgerichtSrat Dr, G ü n g e r i ch : an Stelle deS ReichSgerlchtSroiS Dr, War- ncvcr NeichsgertchtSrat Tr. Schwarz, an Stelle des Reichs, gcrichisrais Müller Reichsgerichtsrat Tr, H a l l a in i k: an Stelle des ReichSgericlilsrats Dr. Metz ReichSgerichtSrat Dr, Mende, Retchsdisztpltnarkammcr: stellv, Prä- sident Dr. Thtcmc, LandgertchtSdirektor: Mitglied Dr. Mcndc. R c t ch S d i s z t p l t n a r k a m m e r: stellv. Prä- gcrichtsrat: stellv. Mitglied Dr, Klopfer, Landgerichts,,r: —* Di« sozial« GerichtShilfe ist nach einer Mitteilung de« Insttznitnisterlalblatics in den Anfängen nunmehr auch im Freistaat Sachsen eingcfiihrt worden. GerichtdhllsSstcllen wurden bis jevt eingerichtet bei den Beztrkokiirsorqeverbändc» der AmtShaupkmannschasten Dresden. Meisten und Lübau, sowie bei den städtischen Wohlfahrtsämtern in Meißen. Rade- bcrg, Bautzen, Zittau und Löbau — * BolkSkirchltcher Laicnbund für Sachsen. In der Dresdner OrtSausschußsihung gab der Bundc-vorsihend«, Professor N. Hickmann, tn cinstündigem vortrage einen eingehenden Bericht über die k t r ch l i ch e L a g e. Er behan delte dabei vor allem da» drohende preußische Konkordat tn seiner nationalen, konfessionellen und kulturellen Bedeutung. Wieder wurde dringend die Forderung laut, daß mit den evangelischen Landeskirchen ein StaatSvertrag zustande» kommen müsse, salls daS Konkordat insolge der herrschenden ParlamentSmeürhrtten nicht zu vermeiden sei. Die Lage der evangelischen Schulen in Preußen und Sachsen wurde beson ders berührt, und die 05 Prozent der sächsischen Bevölkerung, die sich auch 1027 noch zur evangelischen Kirche bekannten, wur- den dringend zur Wahrung ihrer evangelischen Belgng« auf- geruien. Dem Vortrag folgte unter Leitung de» Land- gerichtSdirektor- Dr. Iauck eine lebhaft« Aussprache. Vas das Kriminalamt meldet Dr«t vrprdsser sestvdnommen Vor einiger Zeit erhielt eine hiesige Einwohnerin durch die Post einen Brief zuge stellt, worin sie aus. gefordert wurde, zu einer bestimmten Zeit an einer näher bezcichnctcn Stelle einen größeren Geldbetrag zu Hinterleger Im Wcigcrungosalle sollte sie in der Oessentlichkcit bloß- gestellt werden. Ein paar Tage darauf erschien In der Wvh. nung der Frau ein Unbekannter, der unter der gleichen Drohung 10 Mark no» ihr erlangte. Der Kriminalpolizei ist cS nunmehr gelungen, diesen Mann und zwei seiner Mit täter zu ermitteln und festzunchmen. Es handelt sich um drei Männer, 2l bi» 80 Jahre alt, aus Halle und Dresden. DaS sauber« Kleeblatt hatte den Plan gemeinsam entworfen und auSgcsührl. Geslligckd-.cbstahl Tonnlag nacht wurden einer Witwe auS dem Vesltigelstall ihrer Schrcbcrgarlenlaub« an der Lchllllerstraß« sieben verfchledaosarbig« Hühner, Italiener und Oplnktonrnsic, gestohlen. Nachrichten aus dem Lande Ein Schornstein de» Gaßwerkes vom Sinrm« verschoben Vhemnitz. Bon dem tn der Nacht zum Montag hier auf. tretenden starken Sturm, der vielfach Sturmböen von un geheuerer Gewalt bildete, ist der «5 Meter hohe Schornstein am Dfenhaud d«S städtischen GaSwerkeS Hl tn 17 Meter Höbe etwa stbtölVZentimererglattverschoben worden. E» muß al- «in Wunder betrachtet werden, baß der Sturm den starken Schornstein nicht vollständig abgebreht hat. Nach dem Urteil der Sachverständigen ist ein ähnlicher Fall bisher noch nicht zu verzeichnen gewesen. Die ALtragungSarbettzm sollen tn Tag. und Nachtichichten ununterbrochen durchgcführt werben, um möglichst bald jede Gefahr zu beseitigen. „Der ermedrivte Vater" Ein Drama von Paul Claudel Uraufführung Ini Schauspielhaus, 28. Nov. 1828. Ter „erniedrigte Vater", nach dem Paul Elan, del sein Drama lvom Jahre 1020j betitelt, ist der Papst Pius IX., der letzte stolze Herrscher des freien Kirchenstaates, der sich nach Italiens Einigung grollend als „Gefangener" in den Vatikan zurückzog, beraubt des alten Erbes weit- licher Souveränität, „erniedrigt" durch das gewaltsame Ende der pippinischen Schenkung, kia norm, der krastbewußte Ber. küirder des Dogmas der Unfehlbarkeit, hat die Säkularisation des Kirchenstaates nie anerkannt. Claudel zeigt den großen Papst in einer wundervollen Szene, wie er leidet unter dem Mangel an Liebe und Verstehen einer Welt, die von seiner Politik nichts wissen will. Es ist noch vor jenem 20, Sept- tcmber 1870, an den, die italienischen Truppen vor Nom er- schienen und mehr dcmvnstrativ als mililärisch bedeutsam an der Porta Pia Bresche tn die Mauer der ewigen Stadt schossen. Elandels Pins liegt da in Demut vor einem blut jungen Franziskaner, der ihn mit schlichten Worten echt franziskanischer Weltliche anirichlet. Eine Szene, die auch dem nichtkailwlisihen Betrachler e>» Gefühl von der er habenen Innigkeit der religiösen Idee des Hirtenamlcs ver mittelt. Zumal wir sic sahen in einem sttinmniigsschvncn Klostcrhos. wo der Papst in schneewelstem Gewände mit rotem Mantel am Rande des Brnnnens saß und Erich Ponto der Greiiciigcstnlt eine demütige Milde bei voller Hvheit der Erscheinung verlieh, zu der die gvttdnichgliihte Einfalt des „kleinen Bruders" i» einer zärtlich und innig - be'cheibcn wirkenden Verkörperung M a r t i n Hellbergs in reiz vollem Gegensätze stand. Worte voll iinnbolischen Tiessinnö erklangen an diesem Brunnen vvm Walser des Lebens und von den Dürstenden in der Wüste, die dennoch von diesem Wasser nicht trinken wollen. Hier verdichtete sich der katho lische Geist des Schöpfers jenes Mmtcrinms „Verkündigung", das als Drama der verzichtenden christlichen Liebe auch bei uns in Tenlschland viele andächtige Herzen gefunden Hai, von dieser großen nnd schönen Szene ans konnte man er warten, um den leidenden Papst eine Tragödie des Kampfes geistlicher und weltlicher Mächte erwachsen z» sehen, nachdem Im ersten Akte auch schon dunkle politische Gespräche bei einem Maskcilsest in der Villa des polnischen Fürsten Wronskn ans solche Erwartung vorbereitet hatten Kein poli tisch-historisches Drama, aber vielleicht gerade den Einblick in das Herz deS „erniedrigten" heiligen Vaters hoffte man zu erhalten. Statt dessen lenkt Claudel in die Bahn einer LiebeStragvdie ein, di« nur durch eine Gedankenkonstruktion mit der Papsttragödte tn Verbindung steht. Nicht echte Sum- bvlik. sondern Allegorie allein kann erklären, warum PiuK IX. und der Kampf um den Kirchenstaat als Hinter- grund für PensSes glücklose Lieb« gebraucht werden. Pcnsse ist die Tochter de- französischen Botschafter» in Rom, de Loufontaine. und einer Ilidim Das soll bedeuten: „PcnsSe, ber Gedanke, der Zeitgedankc, ist da» Kind de» französischen Unglauben» und de» jüdischen Matertalidmuß." Sie ist aber blind, und angeblich merken da» die Menschen, die sic kenncnlerncn, anfangs gar nicht. Um biefe blinde, katholisch getaufte Jüdin mit der tiescn Vedentung werben aber zwei Brüder. Neffe» de» Papste», lebend« saber sym- bolisch unlebenüigel Sinnbilder der großen, die Zeit um werbenden christlichen Liebe. Sie bringen gewissermaßen mit ihrer Lieb« der tastenden Blinden da» Licht, da» sie nur von innen her erleben kann, von Orlan. den PensSe liebt, wäh rend sie Orso heiraten soll, empfängt sie ein Kind, offenbar das Sinnbild knnstige» MeiterlebenS des im weltlichen Kampfe fallenden LiebrSgedanken», der aber auch in dem überlebenden anderen Bruder nicht erstirbt, der vielmehr die Mutter nnd das werdende Kind zur heiligen Eh« nimmt. Es sei ferne von mir, zu meinen, daß ich mit diesem Den- iiingSvcrsuche daö allein Nichtige getroffen habe. Aber die Elandelianer bchauplen das Bestehen dieses SnmbvliömnS in des Dichters Drama, und so wird man wohl die undent- lichcn Absichten des Dichters tn dieser oder ähnlicher Richtung »n erkennen versuche» müssen. Indessen ganz so frostig, wie solche allegorisch-symbolischen Kvnstruttioneii nun einmal sind, wirkt die LiebeStraaödle dock nicht. Vielmehr ist in ihr eine GefühlSschwärmeret, zugleich eine Sophistik der Herzen darin, die der französischen Romantik eigen bleibt. Wie die beiden Brüder tyre Liebe zu Pensse gegenseitig opfern wollen, wie Pens»« zu Ortan hin gerissen wird, aber Orso nicht von sich stoßen kann, wie all diese Halb gefühlte, halb errechnete Verwicklungen der Herzenv- angelegenhciicn auch ohne sinnbildliche Beziehung sich an», wirken, das ist schließlich ber wahre poetische Inhalt diese» kranzösischen DramaS. Zwar erweist sich bei der HrrauShebung de» Liebeskonfllkies der historisch-polltische Hintergrund ald bloße Kulisse und die Bemülinng dev Papstes aus dir Bühne >,l» eigentlich überflüssige Bennruhlgnng des erniedrigten Vaters, der Wichtigeres zu bedenken hat als die Liebe»- tragödie seiner Ressen, die doch nicht ans seinen väterlichen Rat gehört haben. Aber dafür gewinnt da» Drama Claudel» an menschlicher Wärme und poetischer Fülle, Daran fehlt c» der Dichtung gewiß nicht, doch ist cs die Wärme der Gesühl»- überhltzung und di« Fülle der romanischen Rhetorik, die unserem Gefühl immer innerlich fremd bleiben werben. Etwas Verstiegene», Ungesunde«, Zerguälte» schlägt und au» diesen mehr gesprochenen als gestalteten Seelenleidcn ent gegen. jene ounkclbrünsttge Inbrunst, die die französische Romantik kennzeichnet. Und sieh« da. ed fehlt auch jene» Merkzeichen einer aud mystischer Lust erwachsenden Romantik nicht: da« Grausige. Orso schickt an PensSe, die Orian» Kind unter dem Herzen trägt, einen Blumenkorb, der — das Hauvt de» tm Kampfe gefallenen Bruder« birgt! Daß ist eine ebenso widerlich« wie psychologisch unsinnige Graustgkett au» der Bruthitze jener gallischen Phantasie, die da« Märchen vom Blaubart erzeugt hat. Dteser außerdem geschmacklose Schluß- efsekt nimmt den Rest von Anteilnahme an der seltsamen LiebcStragödie mit historischem Hintergrund und symbolischer Konstruktion und beleuchtet blttzhcll die Fremdarttgkcit dieser romanischen Dichtkunst. Paul Claudel wird in Frankreich für den größten leben den Dramatiker gehalten. Diese maßlose Ueberschätzung brauchen wir nicht mitzumachen. Auch Claudel ist nicht der Dramatiker au« Kraft und Leidenschaft, den wir ersehnen. Er ist dafür viel zu gebunden an traditionelle Mächte und al» Dichter dynamisch viel zu matt. Mit lyrischer Rhetorik und psnchologischer Uebersetnernng ist dem Drama um so weniger ausznhelfc», je mehr noch die sinnbildlichen Absichten die Kraft der Unmittelbarkeit lähmen. Das hier i» Frage stehende Drama bezeichnet diele Sachlage ganz griian. Wir lehnen cs nicht ab wegen seines katholischen Geistes sivenii cö den nur an der Gestalt des Papste» reiner hcrauSgcarbcttet hätte!>, sondern wegen seiner Verschwommenheit und wegen der un gesunden Mischung von Gefühlsüberschwang mit bewußt konstruierender Logik. Die Schwierigkeit, diese entgegen gesetzten Elemente innerlich zu binden, fühlte man den Dar stellern deutlich an. ES muß für den Regisseur Joses Gielen eine mühevolle Arbeit gewesen sein, ihnen diese verzwickte Psychologie mit romantischem Symbolismus so i»ö Gefühl -u treiben, daß st« scheinlcbendige Gestalten hervor- bringen konnten. Man spürte da» vor allem an dem seelischen Ringen Antonia Dietrichs, die unendlich viel zu geben suchte, Feinhörigkelt und Feinfühligkeit brr Blinden. Keusch heit und Sinnlichkeit in einem Verschmelzen. Nasseleiben nnd Sehnsucht nach Licht nnd Frenb», Erotik und Mutter- Hoffnung. und alle» In einer schweren, dunklen und zugleich spitzfindigen Sprach«. Wie sich die Künstlerin hier gestalterisch bewährte, war ein Stück neues Land, da» sie sich schon mit der sreien Leidrnschastlichkett der Eressida zu erobern be- gönnen hat. Für Felix Stetnbvckal» Orian „nb Paul Hoffmann al« Orso bestanden dt» gleichen Schwierig keiten «n der Bewältigung der dichterischen Vorlage: auch sie rangen sich mit äußerstem Teelendruck durch die Klippen und Engen. Nur flüchtig angedeutet bleiben dt« anderen Gestalte»
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