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70. Jahrgang. S4S Sonnabend» 24.Juli 1S2V DraklanIchrMi «ichrichle» Dr«,»,». S»rnspi»ch»r - Samm»lnumm»r. SV 241 1>u» sür Nachl«»tpräch»: SV 011. Gegründet 18S« vom I«. dt» St. gut, UM d«t laolich jw«imult^r Justelluna Ir»t Lau» l.bv Mar». ÜLAUZ5* Wkouk)k Pollt>«iU«»pret» Ittr Mona^Jult z Mar» »dn»^oN^uft»U»mii»g»dichr. Di» 4Inr»tg»n «»rd«n nach «vldmar» d»r»chnch . dt» »tnlpavta« A> Anzelgengprelle: KÄ'L-». aukerdalk 200 Dia. ONrrtenaedtikr Iv Dia. illusw. Sluftrita» a»a»n Dorau»de,adl. SV mm dr»t>» Schrtstl»!tunq und Laupl.«ichl>It»sl»ll Martrnltrai»» SS 42. Druck u. D»rtaa oon Ut,»ich » «»ich»rdi «n Dr«»l>«a. Poft>ch»ck.Ltonla 1068 Dr»»d»n. Dachdruck nur inti d»utltch»r 0u»U»nanaod» ,Dr»»dn»r Nachr " wlitM«. Unv»rlana>' SchrOlftück, w»rd»n nicki »uidewadrt. Xunstspislpisno» seit 1634 bsstbswÄtirlss tZusIItätsksbrikai ^elksn I. La., kHarrinrtraa« 12 O^sen unri klercls iraukt man preiswer» im ssvellgsvellllkl Kl-okociils, Ssspksi-cts, SssIÖwsri, ^ntsn, SLbiwiirirnriiigs sic. PI,» KsrMV " kcüneck, 6l. rMNgKklllk. 13 vIII » llSÜI III2 bernrpiectirr^ IV2K2 peak» Ooslplatz. D. AI. Allütta», StraA« L2 ««»»»»»»»las»»» »u» - Xolll»!,- unri o«»- »«»»«>» - Jas Burgfriedens-Kabinett Palmares. Bon Barthou bis Kerriot. — Briand übernimmt das Außenministerium. Aue Verbale -er Desahungsbehör-en. - Zunahme -er Fremdensein-lichkeil in Paris» - Eine innere 300-Millionen-Anleihe. Vorstellung bei Doumergue. «Durch Funklpruch.t Paris. 23. Juli. Ministerpräsident PoincarS hat heute abend um 7 Uhr dem Präsidenten der Republik das neue Kabinett vorgcstellt. Präsident Doumergue hat darauf das tzmcniningsdekret unterzeichnet. Herriot erklärte Pressevertretern: Man braucht mich nicht zu beglückwünschen, ich bin nicht aus Ucbcrzcugung. sondern uur aus Pslichtgesühl hier. Mil einem Gefühle -er Erleichlerung begrützl. Nachlassen der Opposition. Paris, 23. Juli. Im Palais Bourbon wurde die Nach richt iw» der Bildung des Kabinetts Poincare bei allen Par teien mit Ausnahme der äußersten Rechten und der Kom munisten sowie eines Teiles der Sozialisten mit einem gewissen Gefühl der Erleichterung ausgenommen. Die Opposition, die von seiten der Radikalsozialistcn noch im Lause des heutigen Vormittags dem Kabinett Poincare ge macht wurde, hat heute eine Ab schwäch» ng erfahren. Die Teilnahme HcrriotS an dem neuen Kabinett wird, wie allgemein angenommen wird, die Nadikalsozialisteu daran hindern, Poincarö gegenüber eine ablehnende Haltung cin- zunchmen. so daß ans diese Weise das neue Kabinett als Geg ner nur die Sozialisten, die Kommunisten und diejenigen fin de» wird, die vergeblich erwarteten, ein Ministcrporteseuille zu bekommen. Größere Bedeutung wird allgemein der Hal tung Morincaus beigemesse», dem Führer der republikani schen .'swischeiigruppe, die eine entscheidende Unterstützung Poiiiearcs darstellt. Morincau hat auf Teilnahme im Kabinett verzichtet unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß er als Führer der nunmehr größten parlamentarischen Gruppe im Parlament die Unterstützung des ncncn Kabinetts führen wolle. Wie allgemein angenommen wird, wird das neue Kabinett Poincare sowohl in der Kammer als auch im Senat eine große Majorität finden, jedoch ist die Stellung des Kabinetts von den F i n a n z p l ä n c n abhängig, die Poincar^ der Kammer am Dienstag vvrlegcn wird. Im Senat hat gleichfalls die Bildung des Kabinetts allgemeine Zustimmung auS- aclöit. Sämtliche großen republikanischen Gruppen des Senats haben Poincarü ihre Unterstützung zngcsagt. sT. U.) Kerriols erläuferndes Schreiben. Paris, 23. Juli. Herrlot hat an den Vorsitzenden der republikanischen Kammerfraktion, den Abg. Cazal, einen Brief gerichtet, in dem er zur Begründung seines Eintritts in das Kabinett Poincarü u. a. erklärt: Nachdem er entsprechend seiner Uebcrzcugnng die Rechte des Parlaments verteidigt habe, sei er mit seinem Kabinett der republikanischen Linken vor die Kammer getreten, um die Grundsätze und Doktrinen der Radikalen Partei zu vertreten. Aber trotz der ihm von der Radikalen Partei gewährten Unterstützung sei er geschlagen morden. Jetzt, wo man sich bemüht habe, wie in der Zeit des Krieges die nationale Einheit herzustellen, und man auch ihn aufgcfordcrt habe, habe er sich vor seinem Ge wissen nicht für berechtigt gehalten, den Erfolg dieses Versuches zu behindern. Er übernehme allein die Verantwortung für diesen Entschluß, und stelle der Partei die Beurteilung anheim. Er könne nur versichern, daß er der ein ganzes Leben lang von ihm vertretenen Ueberzeugung treu bleiben werde und daß er sich nur davon leiten lassen werde, der Republik, dem parlamentarischen Regime und seinem Lande zu dienen. Die endgültige Mnisterttste. Paris, 23. Juli. PoincarS hat «m 1)4 Uhr d«m Präsidenten der Republik »in Elysee seine Ministcrliste oorgelegt. Die endgültige Liste hat folgendes Anssche«: Ministerpräsident. Finanzen, Wiederaufbau: Poincar 6; Justiz. Elsaß-Lothringen und Vizepräsident: Barthou; Außenminister: Briand; Inneres :Albert Sarrant; Krieg: VainlevS; OcssentUcher Unterricht: Herriot; Marine: Leygncs; Handel: Bokanowski; Ackerbau: Oneuilies: Kolonien: Löon Perrter; Oessentliche Arbeiten: Tardie « ; Pensionen: Marin; Arbeit: Fallt« res srad. Linkes. Beim Verlassen des Elysöe erklärte Poincare: Wir woll ten ein Kabinett der breiten nationalen Einigung, in dem alle Parteien vertreten sind. Wir haben versucht, unsere Ausgabe der größtmöglichen Großzügigkeit anznpasscn. Ich muß sagen, daß es mir nicht schwergefallen ist. weil ich mich bemüht habe, mein Ministerium zu bilden, ohne die be sonderen Wünsche weder der einen noch der anderen zu be rücksichtigen. Wenn wir uns bei allen Anregungen aufgehalten hätten, die man uns gegeben hat, so hätten sich die Arbeiten zur Bildung der Negierung ewig lange hingezogen. Es war aber nötig, schnellstens zu arbeiten. Ich empfange meine Mit arbeiter um 3 Uhr und werde sie »m 7 Uhr dem Präsidenten der Republik vorstcllen. Tie Negierung wird am Die ns t a g vor die Ka m m e r treten. Neue Schikanen der Besatzungsbehörden. Ln Erwartung -er Genugluung für Germersheim. Berlin, 23. Juli. Die deutsche Note an die französische Regierung, die sich mit den Zwischenfällen von Gcrmers- deim beschäftigt, soll nicht veröffentlicht werden. Sie gibt dem Bedauern der Ncichsrcgiernng über derartige Vorgänge Ausdruck, die geeignet sind, die Befriedung des besetzten Ge bietes liintanzuhaltcn und z« gefährden. Man ist in Ber liner politischen Kreisen überzeugt, daß die Folge der Unter- iiichimg durch die französischer! Behörden die in solchen Fällen international übliche Genugtuung sein wird. Der deutsche Botschafter bat die Note Philippe Berthelot t'ber- gebcn und mit ihm das notwendige besprochen. Schon da durch werde, wie cs heißt, die Gewähr gegeben, daß die Be lm,dliiiig der Angelegenheit durch die Kabinettskrise nicht beeinflußt wird. Statt -essen neue Verbote. Verbot von »militärischen Auszügen". Mainz, 23. Juli. Die Jiiterallicrte Rheinlandkommission int ein Verbot für Aufzüge und Vorbeimärsche erlassen, die durch ihre Ausmachung „militärisches Gepräge" tragen. Ver- boten ist danach die Verwendung von Trommler, «nd Pseiser- l«rs. von Musikkapellen. daS Spielen von Militärmärschen, Inner gleichmäßige Einteilung in Marschkolonne«, uniform- «ähigc Bekleidung, militärische Zugleitnng der Kommandos »sw. Es wird ausdrücklich betont, daß das Verbot auch für Auszüge gilt, die aus dem unbesetzten Gebiet kom- oien. Verstöße werben mit Strafverfolgung der verantwort lichen Leiter bedroht. Die Militärbehörden können in beson- deren Fällen Abweichungen von dem grundsätzlichen Verbot stlassen. sT. U.) Die „Kohe" Kommission such! die Schuldsrage zu verschieben. Berlin, 23. Juli. Die Interalliierte Rheinlandkommission hat, wie ans Koblenz berichtet wird, im Zusammenhänge mit den dortigen Zwischenfällen mit den Besatzungstruppen den Art. 25 der Ordonnanz Nr. 2 in Erinnerung gebracht, wonach das Singen vaterländischer Lieber im besetzten Gebiet nicht verboten, sedoch dann strafbar sei, wenn es in einer für die BcsatznngStruppcn beleidigenden Weise erfolge. Der Art. 25 der Ordonnanz Nr. 2 hat folgenden Wortlaut: Jede Person, deren Worte, Gebärden oder Haltung mit Bezug auf die Mitglieder der Hohen Kommission oder ihr zugeteilten Perso nen, denen die kommandierenden Generale einen Paß auf Widerruf ausgestellt haben, oder mit Bezug auf eine Fahne oder ein militärisches Emblem der der Alliierten sich als be leidigend kennzeichnen, verwirkt diejenige Strafe, die die Hohe Kommission zur Durchführung der Verordnung vor gesehen hat. * Der „Hohen" Kommission dürfte nachdrücklichst in Erinne rung zu bringen sein, daß tn Germcrsheim deutsche Fah- nen und Embleme hcruntergerissen wurden und daß Worte, Gebärden und Haltung der aus Widerruf zugclassenen Be sä tz u n g S t r u p p e n mit Bezug ans die tn ihrer Heimat lebenden Deutschen sich als in höchstem Maße beleidigend kennzeichncten, in einem Gebiet, das noch immer der deutschen Staatshoheit zugchört. Deutschland erwartet hierfür keine unangebrachte Aufwärmung von Ordonnanzen, sondern for dert KenuMngg. Landkag und Schule. Von Edmund Leupolt, Dresden. Das Thema Landtag und Schule hat für Sachsen eine be sondere Bedeutung. Während Preußen das Schulwesen der Kriegs- und Vorkriegszeit im ganzen hiniibcrgercttct hat durch dte Stürme der Revolution, während die süddeutschen Staaten ihre alte Schule behalten haben und nur Braun- schiveig und Thüringen ihre Schulfvrm abänderten — sie haben seither ihre alte Schule wieder anfgebaut —, hat Sachsen in seinem Nebcrgangsschulgesctz die weltliche Gemeinschaftsschule cingesührt und hat sie trotz aller Proteste und Beschwerden der evangelischen Eltern bis heute als das letzte Bollwerk der weltlichen Schule in Deutschland gehalten. Das aber ist das Werk des Sächsischen Landtages, das Werk seiner Linksmehrheit, die bis hinein in die Reihen -er Demokraten reicht. Das was die Zeigncr-Regierung und dt« straffe Herrschaft eines Fleißner aufgebaut, steht noch heut« in ragender Pracht. Der schwere Druck der Fleißncrschcn Herrschaft, die die christlichen Eltern in schwerer Bitternis getragen haben, er klärt es, daß der Regierungswechsel, der mit der Errichtung der Großen Koalition am 4. Januar 1924 in Erscheinung trat, mit vielleicht überschwenglichen Hoffnungen begrüßt wurde. Löste doch ein Volksparteiler den Sozialisten ab, der grund sätzlich Sie religionslose Schule vertreten mußte, ein Mitglied jener Partei, die die christliche Schule auf ihre Fahne ge schrieben hat. Das schien ein großer Gewinn. Aber nicht nur das. Weite Kreise unseres Volkes hofften auch ans eine Ein dämmung jener Strömungen, die sich in einer allgemein ge lockerten Schulzucht, in einer grundlegenden Acndernng der Schularbeit und in der Einrichtung einer Selbstverwaltung offenbarten, die die Schulleiter znm Briefträger des Lehr körpers machte sso kritisiert der Abgeordnete Fell-isch die tat sächliche Lage), und die durch die AussichtSbeamten nicht reguliert werden konnte. Die Forderungen einer strafferen Schulzucht, einer besseren Schulaufsicht, einer Aenderuna der Schularbeit, die bei aller Berücksichtigung moderner Anschau ungen an scharfer geistiger Zucht fcsthält, schienen ihrer Er füllung nahegerückt. Und der Teil der Lehrerschaft, der an der deutsch-christlichen Schule scsthiclt und in schwerem Kampfe mit dem Sächsischen Lehrerverein stand, erhoffte von dem neuen Regiment die Durchsetzung der Verhältniswahl, die auch der Minderheit in den Lchrcrausschüssen die Möglichkeit gegeben hätte, ihre Meinung zu vertreten, und die moralische Unterstützung jener Glieder, die ans vorgeschobenem Posten für ihre Ideale tapfer gefochtcn. Das waren die Hoffnungen, Wünsche, Erwartungen der großen Mehrheit des sächsischen Volkes in den Jannartagen von 1924. Was haben Regierung und Landtag getan, diese Schulmüiische zu erfüllen? Man kann nicht sagen, daß cs an dem guten Willen der Regierung und der Abgeordneten, die das Programm der deutsch-christlichen Schule vertreten, gefehlt hat. Aber 2)4 Jahre haben dem Landtage zur Verfügung gestanden, und das Ergebnis der Schulreform ist, an der Schulnvt und diesem Zeiträume gemessen, recht bescheiden. Zunächst fing das neue Ministerium tatkräftig an. Die Flcißnersche Ge- bctsverordnung, die so viel böses Blut gemacht hatte, wurde ausgehoben — eine fühlbare Erleichterung für die evangeli schen Eltern und Lehrer. Und um die gesamte, so scharf an- gegriffene Schularbeit überblicken zu können, forderte die Negierung von den höheren Schulen und den Schulaufsichts beamten Berichte ein, die ein möglichst getreues Bild der Volksschularbeit geben sollten, ein Bild, das noch deutlicher geworden wäre, wenn auch die Berilfsschiilmänncr gefragt worden mären. Immerhin: diese Umfrage war eine Tat. Und als im Herbste 1924 jene Denkschrift erschien, die in ihrem fünften Kapitel: „Ergebnisse und Folgerungen" eine maßvolle Kritik an der Arbeit der sächsischen Volksschule aussprach und eine Reihe von Forderungen ausstclltc, da brach zwar auf der Sette derer, die in der neuen Schule ihres Herzens Sehnen erfüllt fallen, ein Sturm los. aber netteste Kreise unseres Volkes sahen in der Denkschrift den herzhaften Anfang einer Schulreform, die das Ucbercilte, Ucberspannte der Revolu tionszeit tn der sächsischen Volksschule auf das richtige Maß zurückführen würde. Namentlich dte am Schlüsse der Denk schrift erhobene Forderung der Einstellung von zweiten Be amten", die den Bezirksschulräten bcigcgcbcn werden und mit diesen die Schulaufsicht durchführen sollten, weckte wett- in Freude. Die allgemeinen Sympathien waren bei der kcgierung. AIS der Jahrestag der Koalition herankam. war die Hoffnung der Oeffcntlichkeit auf die Reform noch un- eschwächt. Am zweiten Jahrestage war aber noch keine der Forderung«» erfüllt, und am 8. Juli I., an dem Tage, da der Landtgg seine Arbeit abschloß, war festzustellen, -aß da»