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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19030513015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903051301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903051301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-05
- Tag 1903-05-13
-
Monat
1903-05
-
Jahr
1903
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 13.05.1903
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Tage". Da» Referat gipfelte i« folgenden vier Thesen: 1. Zu den erfreulichen Zeichen unserer Zeit gehört e», daß religiöse Fragen immer wieder in den Bordergrund de» allgemeinen Interesse» treten und daß da» Bedürfnis nach Erweiterung und Vertiefung der religiösen Erkenntnis sich entschieden gemehrt hat. 3. Die SonntagSpredigt hat weder di« Ausgabe noch die Möglichkeit, jene Zeitfragen ausführlich zu besprechen und jenes Bedürfnis in er- wünschtem Möahe zu befriedigen: e» ist daher Heilsvcrkündiguna außer der Predigt in unseren Tagen Seelsorgerpslicht. 3. Durch Bioelstunden zu tieferem Schriftverständnis zu helfen, durch Vor träge je nach Bedürfnis über kirchliche Tagesfragen zu orientieren und durch «ne nach den örtlichen Verhältnissen verschieden zu ge- staltende Einrichtung jedem die Möglichkeit zu bieten, über reli giöse Fragen sich in erwünschter Weise Auskunft zu verschaffen: in dieser oder ähnlicher Art sollte man besonders in größeren Ge meinden versuchen, den Bedürfnissen unserer Zeit zu entsprechen. 4. Steht für solche Veranstaltungen statt der Kirche ein Gemeinde- saal zur Verfügung, so wird dadurch zugleich dein Verlangen nach engerer Gemeinschaft lebendiger Gemcindeglieder gedient. — Aach kurzer Debatte sprach die Konferenz ihre Zustimmung zu diesen Gedanken aus, womit die Versammlung ihr Ende erreichte. Nachmittags fand ein gemeinsames Mittagessen aus dem Burg keller statt. — Meißen. Unter Leitung des Herrn OberpfarrerS Wehr! au» BtschusSiverda hielt vorgestern nachmittag auf dem hiesigen .Burgkeller' der Sächsische Jerusalemsverein. der im ganzen Königreich 1000 Mitglieder zählt, seine diesjährige Jahreshauptversammlung ab. Herr Oberpfarrer Wetzet erstattete den Bericht aus da» Geschäftsjahr 1902/M. Wählend der letzte Jahresbericht mit der Mitteilung schloß, das; der Ankauf des Grund und Bodens für ein Missionshaus in Bet Sahur, dem dem Sächsischen Jerusalemsverein überwiesenen Arbeitsfeld?, noch immer nicht gelungen sei, ist es nnnmehr gegluckt, ein etwa 5000 Quadratmeter großes Grundstück für 5810 Mk. zu erwerbe». Ans dem von Herm Pastor Lange in Pulsnitz erstatteten RccheiischaskS- berichte ging hervor, daß der Verein zur Zeit 7500 Mk. besitzt, wovon »100 Mk. Lehrergehalte für 1902 abznschrcibc» sind Bon der diesjährigen Kollekte wird ein Eitra» von 5000 Mk erwartet. Außerdem sind »och je zwei Stiftungen von 200 Mk. für die Erziehung zweier Waisenkinder vorhanden. Die Brrsanimlnng erklärte ilch damit einverstanden, das; von den gegenwärtig vor handenen Mitteln von 4500 Mk. bestritten werden 3000 Mk. Lehreraehalte für 1903. :i00 Mk. Beihilfe an das syrische Waisen haus in Jerusalem. 300 Mk. Beihilfe an das AuSsätzigenaWI „Jestthils" in Jerusalem und 900 Mk. Baukosten sür das Missions haus. Weiter teilte der Vorsitzende mit. daß er es sür opportun halte, gelegentlich des im lausenden Jahre stattsindenden Festes des 50jährigen Bestehens des Jeriisalemvcreins mit einer großer?» gottesdienstlichen Feier des sächsischen Vereins vor die Öessenttich- keit,n treten. Es wnrde beschlossen, dieses Fest in Leipzig zu begehen. — Kohlenversorg nng der Stadt Dresden im April. ES gingen ein aus den Dresdner Bahnhöfen und ans der Elbe: aus dem Königreich Sachsen 14 849 (14 491) t Stein- kahlen. — (60) t Braunkohlen, ans Sachieii-Altenburg 10 (50) t Braunkohle», ans den Provinzen Schlesien, Sachsen und Branden burg 11068 (12988) t Steinkohlen. 8296 (2946) t Braunkohlen, ans Westfalen und Rheinland 253 (254) t Steinkohlen, aus Böhme» 457 (565) t Steinkohlen. 42266 (46 9731 t Braunkohlen. Zu sammen : 26 647 (28098) t Steinkohle». 50 572 (50 029 t Braun kohlen. Vom gesamten Kobleneingange sind im Zwischenhandel 70 (62) t Steinkohlen und 31 (47) t Braunkohle» wieder versendet worden. — An der König!. Turnlchrer-Bildungs-Anstalt zu Dresden beginnt am 8. Juni ein Kursus zur Ausbildung von Turnlehrern. — Bei der gestern gezogenen Lotterie der 28. Dresdner Pserdeansstellung entfiel der Hauptgewinn, ein Vier spänner. auf Nr. 19636, der zweite Gewinn, ein Zweispänner, ans Nr. 17200, der dritte (Einspänner) auf Dir. 11637 und der vierte, ein Erntewagen mit 2 Pferden, auf Nr 25042. Je ein Pserd gewannen die Nummern: 2054 4203 4131 6980 8705 9057 11181 11626 11866 12629 15517 18705 19503 24180 24682 25231 32123 33368 3-1431 36385 37189 38643 41667 42821 43896 44215 46528 47111 47742 47851. — DercrsteRenntag des Dresdner Mai-McetingS am kommenden Sonntag, nachmittags 2Vs Uhr. dessen Programm init dem „Großen Sachlcnpreis', „Saxonia-Handicap' und dem „Elbtal-Jagd-Rcnnen" recht versprechende Konkurrenzen auszu- wcisen hat, dürfte große Anziehungskraft auf die sportliebcnde Bevölkerung Dresdens ausüben. — Unter den zahlreichen, namentlich weiblichen Personen, denen beim Einzug des Königs Georg am vorvcraangencn Sonn tag infolge der großen Sonnenhitze von Mitgliedern der freiwilligen Samtätskolonne Hilfe geleistet werden mußte, be fand sich auch die Gattin des Amtsgerichtssekretärs Lade, hier. Die beklagenswerte Dame wurde von der Hilfsstation nach dem Johannstädter Krankenhanse gebracht, wo sie leider jetzt noch an einer Lähmung darniederliegt. — Im Verein für Erdkunde sprach Herr Kalbfus über unsere Dentsch-Südwestafrikanische Bahn von Swakopmund nach Windhoek. Der Bau dieser Balm war durch Gcländeschwierig- leiten sehr erschwert, auch machte sich die Wasserarmut des Landes vielfach unangenehm bemerkbar. Aus diesen Gründen und um möglichst billig bauen zu können, entschied man sich sür die An wendung der Sclnnalsvur von 60 Zentimeter. Während man an- fanas plante, alle Flußübcrgänge auf der Sohle der ja meist trocken liegenden Flüsse zu bewerkstelligen, kam man später doch von diesem Plane ab. Nur den Khan und Dorstrivcr ouert man noch nach dem ursprünglichen Plane. Im Bette des Khans wird die Linie sogar auf ringe Kilometer entlang geführt. Be denken gegen dieses System sind an diesen Stellen kaum zu er heben. Die Steigungsverhältnisse sind in der Hauptsache als un günstige zu bezeichnen. An Bahnhofsanlagcn erhalten nur die beiden Endpunkte und Karibik solche größeren Umfanges; alle anderen Stationen sind nur Betricbsstationcn mit entsprechender einfacher Ausstattung. Das vorhandene Betricbsmaterial dürste zur Zeit vollständig genügen und gleichzeitig eine angemessene Leistungsfähigkeit der Bahn erreichen lasten. Auch um die Ver zinsung-des angelegten Kapitals braucht man nicht zu ängstlich besorgt zu sein. Die Fahrzeit für die 382 Kilometer lange Strecke beträgt für Personenzüge clnschließlich des Nachtanfcnthalts in Karibik zwei Tage, für Güterzüge drei bis vier Tage. Die Tarife kann man als günstig charakterisieren. Schließlich gab der Vor- tragende noch einge Mittellungen über die Hasenanlage in Swakopmund und wies darauf bin, daß mit diesen , Verkehrs erleichterungen der Kolonie die wichtigste Hilfe für eme bessere Entwicklung gegeben sei. ^ — Der Verein zur Förderung Dresdens und des Fremdenverkehrs (Ehrenvorsitzender Oberbürgermeister Geh. Finanzrat Beutler) versendet seinen 27- Jahresbericht, aus dem wiederum hervorgeht, daß der Verein eine ungemein rege Tätigkeit entfaltet. Die Geschäftsstelle des Vereins, die sich gegenwärtig im Haiiptbabnhose befindet, hatte trotz der Ungunst derZeitverhnllnisse 2450 Besuche von Fremden (250 mehr alS 1901) zu verzeichnen, worin nicht eingerechnet find die zahlreichen Anfragen der Einhei mischen zur Reisezeit, denen sie mit Auskünften über fremde Städte, Bäder usw. gern zu Diensten stand. Am 31. März 1902 zählte der Verein 900 Mitglieder, am 31. März 1903 861. Der Vorstand legt von neuem den Mitgliedern dringend ans Herz, zur Hebung des Vereins durch Werbung neuer Mitglieder beizntrngen. Nach amtlichen Nachweisen wurde Dresden im Jahre 1902 von 300439 angemeldeten Fremden besucht. Im Vorjahre betrug die Zahl 284 173. Heute abend 8 Uhr findet in Kncists Restaurant die diesjährige Hauptversammlung des Vereins statt. — Anläßlich deS großen FrühlinaSfestes, welches am Sonn abend, den 6. Juni, zum Besten der Pensionsanstalt Deutscher Journals st en und Schriftsteller hier im Etablissement „Bergkeller" stattfindet, wird als besondere Festgabe eine literarische Festschrift erscheinen, zu der eine Anzahl der namhaftesten deutschen Schriftsteller Beiträge, die zum Teil im Orlginal-Faksimilr-Druck veröffentlicht werden sollen, gesickert haben. Der Festzeitunas- auSschuß bat sich auch an eine Anzahl bedeutender hiesiger Maler und Illustratoren mit der Bitte um Ueberlassung rknlger Original- sklzzen für diese Fcstzeitung gewendet. Diese Festzettschrift, deren typographische Aussührung die hiesige Kunstanstalt Wilhelm Hoff- mann, Blasewitzer Straße, übernommen hat. dürste eine außer ordentlich wertvolle Erinnerungsgabe an das FrühlinaSfest bilden. Der Ipezialzeichner der „Lelpzlger Illustrierten Zeitung', Herr Maker Emil Limmer, hat anläßlich des Festes eine reizende Origi- nal-AnsichtSpostkarte entworfen, deren Druck die Kunslanstalt von Melsenbach» Riffarth n. Co.. Dresden und Leipzig, übernimmt. -Am Montag abend beging die „Sektion Blase witz' de» GebtratveretnS sür die sächsische Schweiz ihr Stlftunäs est durch ein Festmahl im „Hotel Bellevue" zu Blase- Witz. Aus ein an den König abgrsandte» Begrüßungstrlegramm traf im Lause de» Festabend« ein Danktrlegranim ein. ^ "7 Der Dramatisch« Klub im Deutschnationalen Handlungügebtlsen-Berband Haniburg, Ortsgruppe Dresden, veranstaltet am Sonntag im Gocciiegartcn ,u Blasewitz fein, Stiftungsfest. bestehend in Musik- und GesangSvorträgen. sowie Theaterausführuna. — Dem Joyannissriedhofe in Tolkewitz gegenüber, in der sogenannten Erdegrube, wird gegenwärtig daran gearbeitet, eine elektrische Kabelleitung quer durch die Elbe in die Stromsohle einzu'egen. Während dieser Arbeiten hat sich die Tal- und Äerq- schisfahrt von dieser Stromstelle möglichst entfernt zu halten und langsam daran vorübcrzusahren. — Nach wie vor erfreut sich der Zirkus Albert Schu mann zahlreichen Besuches. Der Amerikaner Mister Dtavolo Looping the Loov tritt nur noch einige Tage daselbst aus. Es empfiehlt sich, sich rechtzeitig mit Billetts zu de» Vorstellungen zu versehen. — Der in den letzten Monaten im Berliner Zoologischen Garten ausgestellt gewesene große Walfisch von 21 Meter Länge wird von morgen ab im hiesigen Zoologischen Garten ge zeigt. Die Ausstellungszeit dieses Mcer-Ungetünis wnrde im Ber liner Garten zweimal verlängert. Gefangen wurde dieser Walfisch zwischen Spitzbergen und der Bären-Jnscl. Er ist vollständig ge ruchlos präpariert. Außerdem werden noch eine große Anzahl Raub- und Tiefscefische ausgestellt. — Der heutigen Nummer dieses Blattes siegt für die Gesamt- auflage ein Prospekt der Wein groß Han dl nng von C. A. L. Krause, Berlin IV. 8, Taubenstraße 23. bei. - Als Vorsteher des Bezirkes Löban des Könlgl. Sachs. Militürvereinsbnndes wurde am Sonntag Herr Bürger schullehrer Kretschmer-Löbau gewählt. Zum Bezirk gehören 55 Vereine. — In Schwarzenberg geriet der Schleifer Arnold ans Hermsgrün in das Getriebe der Schleiferei und wurde sofort getötet. Der Meininger. Einen interessanten Artikel über den „Meininger" bringt die „St. Petersburger Zeitung" ans der Feder ihres Berliner Bericht erstatters, der sich mehrfach als wohlunterrichtet in intimen Einzel- besten gezeigt und als pikanter Plauderer bewährt hat. Es heißt in dem Artikel u. a.: Vor einiger Zeit feierte des Kaisers Schwager, der Erb prinz Bernhard von Sachsen-Meiningen mit seiner Gemahlin Prinzeß Eharlotte das Fest der silbernen Hochzeit. Ter Erbprinz erfreut sich in weiteren Kreisen der Bevölkerung einer großen Achtung. Seine geistigen Interessen gehen über den Rahmen des militärischen Handwerks hinaus. Man weiß u. a. von seiner Vorliebe für das Studium griechischer Klassiker und daß er der alten Literatur überhaupt eine ernsthafte Neigung cnt- negcnbringt. Im Offizierskorps und bei der fürstlichen Verwandt schaft wird er kurzweg der Gelehrte genannt, was je nach Indi vidualität gelegentlich auch so klingt wie: der trockene Gelehrte, — wenn nämlich der Sprecher es für Sonderlingswesen oder zuin mindesten nicht für ganz standesgemäß erachtet, daß ein künftig regierender deutscher Bundesfürst und zur Zeit kommandierender preußischer General nach Meinung der feudalen Welt ein Bücher wurm und Federfuchser, ein Mensch mit profcssoralcn Neigungen, kurzum ein halber Schulmeister sei. Dabei gilt der „Meininger", wie er einfach im Volksmund heißt, als ein ernster und tüchtiger Soldat, der zwar nicht immer ein bequemer Vorgesetzter ist, aber ein nach Kräften gerechter, und dazu einer vom Schlage des studierten preußischen Soldaten, vom lateinischen General, wie ein bekanntes Scherzwort sich ausdrückt. Seiner Gattin, der älteren Schwester des Kaisers, der Prinzessin Charlotte, hat bisher noch niemand etwas von dürrer Gelehrsamkeit oder pedantischer Schulmeisterei nachgesaat. Man schätzt sie vielmehr als eine sehr temperamentvolle, geistig höchst lebendige und ge- scheidte Frau ein. Schlank, mittelgroß, beweglich, eine pikante Blondine, unter ihren Schwestern diejenige, welche gelegentlich ihren Starrkops gegen den ihres kaiserlichen Bruders setzt, unbe kümmert um das allerhöchste Mißvergnügen, dazu mit einem starken Freimut der Rede ausgerüstet und mit dem vollsten Stolze, aus dem gleichen vornehmen Stamme wie des Kaisers Majestät zu sein. Vielleicht trug eine gewisse Gleichartigkeit in Charakter und Temperament dazu bei, daß sie mit ihrem kaiserliche» Bruder öfter als ihre Geschwister in Spannung geriet, worüber auch etwas in die Oeffentlichkeit sickerte. Schon zur Zeit, als das erbprinzliche Ehepaar noch in Berlin lebte, wo der Meininger zuerst in Garni son stand, flüsterte man bald von Meinungsverschiedenheiten zwischen der blonden Prinzessin und der brüderlichen Maicstät. Daß der Kaiser mit mancher seiner politischen Handlungen und Acußerungen nicht blos in der weiteren Oeffentsichkeit, sondern auch im engeren Familienkreise ohne freudige Zustimmung blieb, ist ziemlich bekannt. Und in der Bevölkerung galt Prinzetz Charlotte als Diejenige, welche zur Freude gleichgestimmter Seelen daraus am wenigsten Hehl machte. Die Meininger sind nicht sehr rcick und der Aufenthalt in Berlin belastete sie früher in ihrer gesellschaftlich hohen Stellung finanziell wohl mehr als sieb, so daß der Garnisonwcchscl nach Breslau und die Uebernahmc des dortigen Generalkommandos durch den Erbprinzen vor mehreren Jahren ein wohl allen Teilen angenehmer Ausweg war. Zudem war Prinzeß Eharlotte in der Provinz fern vom kaiserlichen Hoslagcr unbestritten die erste Dame der Gesellschaft und repräsentierte in ihrer Persönlichkeit das regierende Haus. Man hörte Wohl noch gelegentlich von ihr in der Reichshauptstadt, aber sie beschäftigte doch nicht mehr so häufig wie früher Phantasie und Zungen. Mir einmal, als ein Majcstäts- beleidigungsprozcß gegen einen vielgenannten Berliner Schriftsteller schwebte, wurde versteckt behauptet, daß die fürstliche Dame in Breslau manchen Handlungen ihres kaiserlichen Bruders recht kritisch gcgenüberstünde. Sonst drang nicht viel aus der Provinz nach der Hauptstadt. Erst als vor ungefähr zehn Wochen das Erb- prinzcnpaar die Silberhochzeit feierte, fiel cs auf, daß diese Familienfeier sich außerhalb des Berliner Kaiserschlosses vollzog. Man munkelte davon, die Erbprinzessln hätte als kaiserliche Prin- zessin gern in einem der Hohenzollernjchlösser zu Potsdam oder Berlin das Fest begangen, doch hätten irgendwelche stichhaltige Gründe in der kaiserlichen Familie dagegen gesprochen. Von anderer Seite hieß es wieder, gesundheitliche Verhältnisse hätten der Erb prinzessin nahe gelegt, das Silberfest in größerer Stille außerhalb Berlins zu feiern. Jedenfalls wurde das Hochzcitsjubiläum nicht in Breslau noch in Berlin und ohne Anwesenheit des Kaiser- Paares, das durch andere offizielle Pflichten in der Rcichshaupt- stadt gebunden war, sondern ohne großen Pomp in Kiel in der Familie des Prinzen Heinrich begangen, wobei als theatralische Abendunterhaltung zu Ehren des Jubelpaares das kleine Bühnen stück „Die zärtlichen Verwandten" aufgesührt ward. Nachträglich hat man leise gelächclt und sich gefragt, ob die Wahl des Festspiels gerade mit vielem Titel nur ein Zufall oder Absicht war und ob sie vom Prinzen Heinrich oder von der Prinzeß Charlotte her rührte. Doch wurde im allgemeinen nicht viel von der Verlegung der Meininger Silberhochzeit nach Kiel gesprochen. Jetzt jedoch erinnert man sich wieder der damaligen Vorgänge. Der Artikel geht alsdann auf die bekannten militärischen Erlasse des Erbprinzen über Soldatenmißhandlungen und Trunk sucht im Heere ein und führt des weiteren ans: „Es ist leicht möglich, daß die rücksichtslose Offenheit, mit welcher der Meininger nicht abzuleugnende Mißstände öffentlich zur Sprache brachte, a» einflußreichen Stellen in Berlin verstimmte. Nicht etwa, daß er cs überhaupt jagte, sondern wie er gerade den Finger auf die Wunde legte, möglicherweise besonders deshalb, daß sich der fürstliche Herr General nicht in der Stille ausschließlich an das Ofsizierkorps und die Vorgesetzten des gemeinen Mannes, sondern gewissermaßen öffentlich an diesen selbst wandte, dessen eigenes Ehrgefühl und Vcr- stand zur Beihilfe anrnfcnd. Das geht aus dem Rahmen alt- preußischer Militärtraditionen etwas heraus. Weniger reaktionäre, aber ängstlichere Köpfe könnten es im allgemeinen unpolitisch finden, daß ein Mann in der Stellung wie der Meininger bei der ouaenolicklich schon vorhandenen geschärften öffentlichen Kritik von militärischen Dingen in Deutschland noch solche Sachen öffentlich zur Sprache brachte, die man von oben her zwar gern energisch obstellen möchte, aber doch inallerStilleundohneihrVorhandensein ausdrücklich offen zuzugeben. Die überwiegende Mehrheit ist freilich wohl der Meinung, daß eS viel nützlicher ist, wenn ein so zur Kritik geneigtes Volk wie das deutsche, dessen gesunde Söhne alle wehr- pflichtig sind, ganz offenkundig hört und sicht, wie die obersten fürstlichen Führer und militärychen Leiter des Volkes in Waffen mit aller Entschiedenheit daraus aus sind, Mißstände von der Armee, diesem kostbarsten Werkzeug der Nation, fern zu halten und Schäden auszumerzen. Feierlich wird zwar von verschiedenen Seiten versichert, daß der Meininger den preußischen Militärdienst und den Generals- Posten in Breslau nur verlasse, um seinem hochbetagten Vater in Meiningen näher zu sein und sich in die Verhältnisse seines Erb- ländchenS zurückzusinden, dessen Regierung ihm nach menschlicher Berechnung bald zufallen könne. Diese Begründung seines Ab schieds ist möglich, sogar recht wahrscheinlich, trotzdem erhält sich im allgemeinen hartnäckig die Auffassung, daß sie nicht ausreichend fei sür die ganz plötzliche Ueberraschung, die er mit seinem Rücktritt der Welt bereitete Und so erinnert man sich jener Dinge, die ich oben erwähnte, besonders auch in Breslau selbst, um sich eine weitere Erklärung für das Ausscheiden des kaiserlichen Schwagers aus dem aktiven preußischen Militärdienst auszubaue» Wenn der Meininger einmal seinen kleinen Thüringer Jürstenstuhl besteigt und nicht bis dahin eine ganz merkwürdige Wandlung seiner Anschauungen durchmacht, dann bekommen seine engeren Thüringer Landsleute einen deutschen Bundesfürsten als Ober haupt, der geistig nicht zu den Nullen zählt und sich ein freieres selbständiges Denken bewahrt hat." Amtliche Bekanntmachungen. Vom 18. Mai ab wird die Torgauer Straße, zwischen Osterberg- und Mohnstraße, wegen Erneuerung der Schotterdecke auf die Tauer der Arbeiten sür den Fabr- und Rcitvcrkchr ge- sperrt. — An demselben Tage soll mit der Hcraushcbung und Ncu- pflastcrung der Blumcnftraße, zwischen der Gutenbcrg- und Hertclstraße, und am 25. Mai mit der Umpslastcrung der Rose n- straßc, zwischen der Parzelle 525» und Freiberger Straße, be gonnen werden. if! Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Zum Kaiserbesuch >n Hamburg an läßlich der dort am 20. Juni stattsindenden Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals wird gemeldet, daß mit diesem Festakt zugleich die Einweihung der neuen Hafenanlagen aus Kuhwörder ver bunden werden soll. Ter Kaiser wird an dem genannten Tage auf der „Hohenzollcrn" von der Unterelbe her in Hamburg ein- treffen und während seines Aufenthaltes in der Hafenstadt an Bord der Jacht Wohnung nehmen. Für die Doppelseier werden sowohl in Hamburg wlbst wie auch im dortigen Hasen bereits die umfangreichsten Vorbereitungen getroffen, U. a. ist beabsichtigt, die alte hamburaiiche Seeschiffahrt zur Darstellung zu bringen. Zu diesem Bchuse toll nach vorbanäcnen Z'ich.mngen im Ham- burger Archiv auf einem Saude der Umcrclbe ein Kriegsiahrzeug erbaut werden, das einem jener alten Hamburger Orlogschifse Hoch gebildet wird, welche unter Führung von Simon von Utrecht, Tittmar Koel und anderen Admiralen zu der damaligen Zeit sehr gefürchtet waren. Diese Schiffsnachbildung soll möglichst historisch gehalten und mit allen Geschützen bestückt werden, die bei der Ankunft des Monarchen den Kaisersalut feuern werden. Außerdem wird auf Knhwärder neben dem neuen Loots«chausc eine Panzerschiff-Imitation, dem Panzer „Kaiser Wilhelm I." nachgebildet, Ausstellung finden und am Abend elektrisch beleuchtet werden. — Gelegentlich seiner Anwesenheit in Hamburg gedenkt der Monarch u. a. auch das gegenwärtig auf der Werft von Blohm u. Voß im Bau begriffene Kriegsschiff zu besichtigen und im Anschluß hieran der Seewarte einen kurzen Besuch abzustatten. Bei der Jubiläumsfeier des badischen Leib-Dragoner-Regi- ments hielt der Großherzog von Baden folgende Ansprache: „Meine Herren! Liebe Kameraden! Der erste Trinkspruch und das erste Hurra soll dem obersten Lkriegsyerrn, dem Kaiser, gelten! Das Regiment begeht heute die Feier seines 100jährigen Bestehens. Ich will nur in kurzen Worten das hcrvorbeben, was, wie ich glaube, Ihrer aller Herzen empfinden. Hundert Jahre schließen einen großen Geschichtsabschnitt in sich. Das Beste, was m den 100 Jahren geworden ist, sind die Folgen des Krieges von 1870. Deutschland ist stark und eine Macht geworden, nicht nur in Europa, nein, cs wurde eine Weltmacht. Das hat das Volk ge schaffen, das Volk in Waffen. Treue, Hingebung, Gehorsam, das sind die Tugenden, die zum Siege führen, ja, zum Siege führen müssen. Nur mit hingehender Selbstverleugnung, die der Soldat haben muß, vermag er seine Pflicht zu erfüllen, um das zu stände zu bringen, was in jener Zeit erreicht worden ist. Meine Freunde! Wenn wir der Erfolge des Krieges von 1870 gedenken, so müssen wir unsere Aiifmerkfamkeit richten auf eine Persönlichkeit, die uns allen mit gutem Vorbild vorangegangen ist. Das ist unser alter Kaiser Wilhelm. Ihm haben wir es zu danken, daß das deutsche Heer ein cinheitlickes, ein starkes geworden ist. Die Frage ist: Wie werden wir dos erhalten? Ich richte diese Frage nicht an die Soldaten, sondern an die Jugend. Die Jugend ist es, die mitgcholfcn hat. das Deutsche Reich zu schaffen durch Tapfer, kcit, Hingebung und durch treue, vaterländische Gesinnung. Ich richte mich ober ganz besonders wiederum an die alten Leute, denn von ihnen muß cs ausgchen. daß schon in der Familie der Geist der Liebe, Treue und Hingebung lebt. Das Vorbild der Alten ist ein gutes und musterhaftes. Aber nicht nur Vorbild, sondern Zusammenfassung, Einigkeit, das tut not. Ter eine Gedanke muß uns alle beleben, uns die Kraft zu wahren, das geschaffene Reich zu erhalten, zu stärken und zu befestigen. Dann sind wir Soldaten im besten Sinn des Wortes. Wenn es gelingt, in diesem Sinne sich zu einigen, jo wird cs uns Wohlergehen in der Zukunft. Und von diesem Wunsche ausgehend, fordere ich Sie auf, mit mir ouszu- rufcn: Unser Deutscher Kaiser Wilhelm II. Hurra!" Ans der Rede des Prinzen Ludwig von Bayern ans der Wanderversammlung bayerischer Landwirte in Schweinfurt sind noch folgende Stellen bervorzuhebcn: Ich bin kein neuer Land wirt : ich treibe die Sache schon seit einigen Dezennien, und wie es da nicht anders möglich ist. habe ich viele Freude, aber auch viel Enttäuschung erlebt. Ich glaube aber, vaS gebt bei allen Bernsen io Eins aber möchte ich bei der L a n dwirt s cd a s t hervorhrben. eine Bedeutung, die sie über alle anderen Bemfc in gewisser Hinsicht emporhebt: die Verknüpfung mit dem Boden, die Anhänglichkeit, die den Landwirt mit der eigenen Scholle, mit der eigenen Geaend, mit dem eigenen Lande verbindet. Denn jeder andere (?) kann sich ja fortbewegcn, der Landwirt aber, und noch mehr der Forstwirt, ist an die Scholle gebunden. Hcrr v. Thünacn bat hlirgewiescn ans die Bedeutung der verschiedenen Größe oer Güter, und da ist kein Zweifel, daß der Großgrundbesitz, sofern er in Regle betrieben und nicht verpachtet wird — denn dann spielt der Großgrundbesitzer keine Rolle als Landwirt. londern er ist nur Rentier —. also wenn der Großgrundbesitz selbst die Landwirtschaft betreibt, so ist kein Zweifel, daß er dann von Segen für seine Umgebung lein wird. Das ist ja auch die große Bedeutung der Fideikommisse, daß. wenn, wie cs im Lause der Dinge nicht anders möglich ist, aus einen guten Wirtschafter ein schlechter folgt, die Familie damit nicht zu Grunde geht, sondern daß es dem Nachfolger möglich ist, das gut zu machen, was der Vorfahre schlecht gemacht bat. Nur dürfe» wir hier auch nicht zu weit gehen. Der Großgrundbesitz ist recht, wenn er einen im Verhält nis kleinen Teil des Landes innc bat. I» Bayern Ist das gewiß der Fall. Schlimm wäre es nur, und schlimm war es in den Ländern, in denen Grund und Boden sich tn den Händen einiger befunden hat. Es ist zu wünschen, daß niemand ausgeschlossen ist. im eigenen Lande sich Grundbesitz zu erwerben, wenn er Freude daran hat. und Ich nehme ebenso wenig den mittleren Ärund- siker, den Bauern und die kleineren Leute, dir Tagelöhner, aus, die letzteren, die ja so nur beschränkt ans Ihrem eigenen Boden leben, im übrigen aber auf den Verdienst auf größeren Gütern oder auf den Nebenverdienst als Fabrikarbeiter nnqewlescn sind." Das auffällige Unterbleiben der Grundsteinlegung deS Gocthedenkmals in Rom, das der Kaiser der Stadt ge schenkt hat, und zu dem bei seiner Anwesenheit feierlich der Grund- stein gelegt werden sollte, läßt sich immer nock nicht erklären. Unter den einander widersprechende» Gerüchten, die einen Grund für die Verschiebung angeben wollten, stand in erster Reihe die Nachricht, der Boden des Monte Pincio, wo das Denkmal seinen Platz erhalten sollte, habe sich nachträglich als nicht geeignet er wiesen. Demgegenüber steht jedoch eine Erklärung Prof. Gustav Eberlcins, des Schöpfers des Gocthcstandbildeö, die in der „Ber liner Morgcnpost" veröffentlicht wird. Nach dem Grund der ver änderten Dispositionen gefragt, erwiderte der Künstler: „Wenn ich den nur wüßte! Man läßt mich hierher nach Rom kommen. Der Botschafter Graf Monts, der Bürgermeister Fürst Colonna
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