Volltext Seite (XML)
87. Jahrgang. ^ 69. Ticnstag, U. MSrz 1919. 18SH Druck und Verlag von kiepsch L Reichardt in Dresden. Telegramnl-Adresse: Nachrichten Dre-Ve«. Femsprecher: 1t » LVSV « SSV1. kSi»M f»inuckm»L!l»rl bkeibmä. , foncksnI-L/ioco/acks ,D^ /?sdm- estocokscks chD^Si>?s»— S/ioeolscko Lscso />«- >4 <g. 0ssse^ -er tkakon co/»6s> 9 eolscks i pir 7s5ek SSZ rolscko! ! <4 tlz. Lore 2,qo dl. Keton 2, L u. 4 dl. ^ Anjetgen-Lartf rin»al»ne iwn AnsNn- digunge" di» nachm i> Uhr, SamUagb nur Marienstrahe !!« von N bi» >/>! llär. einwaluge Zeile (etwa KLiwen» !IÜ PI., dm zwciivallige Zeile aul 2e-k,se!>e ?a PI., die zmehpaU. Ulcllamezeile I,LO M„ Familien- Nachrichten nur Dree. den die einlpait. Zeile LS Ps. - In Num- mern nach Sonn- und Feiertagen erhöhier Toris. — Auswärtige Aufträge nur gegen Vorausbezahlung Jedes Belegdlatl iVPs. Hauptgeschäftsstelle: Marienstratze 38/4«. SvdrüävrLdvralolL iioittas.eanton S.k.n.nr.et« tiu»»t«»uNU von 20 ><ompl,««n NUed.n. tliailgllttsail' Oemüsescliranlee, ^iiivoscli- »iiväiailioillll. uscim, U>ssckräni-e,0esclrirr- seliränkc, lie-ensckiänlic, Qaräinensponner. Verlangen Sie über»» nur kaöeberAer ?Ü8ner aus 6er kraäedsi'ASi' Lxpoi'tdlSi'di'auSi'ei. HarLvlldLäer Voo ,,V«»oIkür 6en tä^l. Qekrsuct, be',tinlmt<'8 cliLteti^cker Oennrs- mittel, velckes 6ie Xu85ckt.itkuns-50»^3ne in iniI6t:r, aber sperifiLOder V^eise rmreet un6 in unsciiLäUcker >Vejsc kt/U/eNrr.-n(k virkt. I'Lkel. kür eine 4 vückixL I<ur suLieickenL!, r»1k. 3.-, l^n^enüun^ von 3,ü0 krüntco. kt«, Nt«s6ou, /dltitttrrLtl. l-axsr dookkvivor ävutscksr und enxlisoksr Anrug-, ssossn-, pslvtol- und Wvstvnstoffv in killen modernen warben uuä ?rim» tzua itiitell, IA»i»»VN-IL«8tt»i»»8t«K«, »iHttriltUvI»«, N»»t« V»«I»e. U^itllkttrrnt»«!»« kür Löuixlieii LLodkiseko und Iil vnt1oir-«1 t»«n>ttt« Uernuinn I'üp8bliel 8edeÜ6l8trs886 19 21 l-iauL'as). srtigs Lefsip. Mutmaßliche Witterung: Wechselnde Bewölkung. Mild, zeitweise Niederschlag. Das b a y r i s ch c P r i n z - N c g e n t e n - P a a r unter nahm gestern in Begleitung des Königs einen Ausflug nach Meissen: die Abreise nach München erfolgte abends kurz nach 10 Uhr. Die Sächsische Bank zu Dresden setzte die Dividende sür 1012 aus 8 Prozcnt fest. Konsul Wilhelm Knoop, Vorsitzender des Auf- sichtsratcS der Dresdner Bank, ist am Montag nach mittag einem Herzschlag erlegen. Der Kaiser aab bei der Jahrhundertfeier am Denkmal König Friedrich Wilhelms III. im Lustgarten einen Tagesbefehl an dasHeer bekannt. Die Jahrhundertfeier wurde in Wilhelms haven und K t e l auch vvn der Flotte festlich begangen. Auf Anregung des Prinz-Regenten Ludwig wird am 25. August in der Bcsreinngshallc bei Kelheim in Gegenwart des Kaisers und sämtlicher Bundesfürsten eine N a t i o n a l f e i e r stattsinden. Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers wurden gestern <m Retchsamt des Innern die Verhandlungen über die Ausbringung der für die Heeresverstärkung notwendigen Mittel eröffnet. Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langen- bürg, der frühere Statthalter in Elsaß-Lothringen, ist am Sonntag g estvrbc n. Das englische Parlam c n t wurde am Montag mit einer Thronrede eröffnet. Zer Reichstag lünlerlübt bei seinem Eintritte in die Osterserien kein be sonders erfreuliches Andenken. In sechzig Plenarsitzungen hat er weder den Etat, noch auch nur einen einzigen grötzc- ren Gesetzentwurf zu erledigen vermocht, vielmehr die kostbare Zeit mit endlosen Redeplätschereien bei der Budget beratung und mit einer Uebersülle kurzer Anfragen ver geudet. Der Scniorenkonvent lmte verstänöigerweise eine Mkiirzung der Etatsdebattcn in Aussicht genommen, aber gegen den Redeürang der „Genossen" war das Präsidium, das im übrigen den guten Willen zeigte, die vom Senivren- konvent getroffene Bereinbarnng durchzuführen, einfach nrachtlos. Die in den tendenziösen Ausführungen der sozialdemokratischen Redner enthaltenen Angriffe nötigten dann wiederum die Bcrtrctcr der bürgerlichen Parteien, vielfach zur Abwehr das Wort zu ergreifen, und so konnte die Elalberatuna nicht in der wünschenswerten Weise ge fördert werden. Die übermässige Anwendung der kurzen Anfragen war auch nicht gerade geeignet, das Tempo der Verhandlungen zu beschleunige». Wenn in sechzig Plenar sitzungen ausgerechnet zweiundsechzig kurze Anfrage» gestellt werden, jo muß das geradezu als ein parlamentari scher Unfug bezeichnet werden, der nur zu sehr die auch an dieser Stelle ausgesprochenen Bedenken rechtfertigt, die gegen die Schaffung der Einrichtung überhaupt geltend ge macht wurden. Solange der Reichstag nicht lernt, die kurzen Anfragen mit weiser Selbstbeschränkung zn hand- l-aben. können sie mir als parlamentarischer Ballast emp funden werden, der den raschen Fortgang der Geschäfte des Hauses noch weiter erschwert. Die Entwicklung, wonach Ser Reichstag im Plenum immer weniger wirklich gründ liche und eingehende gesetzgeberische Arbeit leistet und sich statt dessen auf teils beklemmend langweilige, teils agita torisch zugespitzte Redeübungen beschränkt, während der Schwerpunkt der gesetzgeberischen Tätigkeit in den Kom missionen ruht, geht scheinbar unaufhaltsam vorwärts. Wie sehr das Ansehen deS Parlamentarismus darunter leiden mutz, liegt auf der Hand. Die Hauptschuld an dieser un erfreulichen Erscheinung trügt die Sozialdemokra tie, die das Bestreben der bürgerlichen Parteien zur Her beiführung besserer Zustände immer wieder durchkreuzt. Das kann nicht nachdrücklich und nicht oft genug betont werden. Einen Lichtblick in den Verhandlungen boten die Er örterungen über unsere Kolonialpolitik, die den Beweis lieferten, in welchem Matze das Interesse und das Verständnis für eine kraftvolle und ziclbewntzte Betätigung Deutschlands auf kolonialem Gebiete in unserer Volksver tretung zugenommen hat. Insbesondere von dem Fort schritt kann man ohne Uebertretbung sagen, datz er sich ans einem kvlvnialfeindlichen Saulus in einen kolonial- freundlichen Paulus verwandelt hat. Früher war cs ein Freisinniger, der das grobe Wort gelassen aussprach, datz wir am besten tüten, unsere gesamten Kolonien zu einem annehmbaren Preise loszuschlagen. Und heute'/ Wie anders wirkt dies Zeichen aus mich ein! Die Fortschritts partei hat sich bei der jetzigen Beratung des Kolonial- ctats auf einen entschieden positiven Standpunkt gestellt, allen Forderungen der Negierung zur weiteren Nutzbar machung unserer Kolonien und Schutzgebiete zugestimmt und ist nirgends auf sozialdemokratische Strcichungs- wünsche, namentlich in bezug auf die Schutztruppe, ein- gcgangen. Einer derartigen Haltung darf die ihr ge bührende patriotische Anerkennung nicht versagt werden, und cs bleibt nur zu wünschen, datz das gute nationale Beispiel, das der Fortschritt hier gegeben hat, auch weiter seine Wirkung äutzern und ihn zu einer klaren und un zweideutigen Revision seiner Stellungnahme gegenüber der Sozialdemokratie veranlassen möge. Die Umsturz partei beharrte allein auf ihrem grundsätzlich ablehnen den Standpunkte gegenüber jeder Kolonialpolitik und ge fiel sich, wie üblich, in einer wahren Verhimmelung der Eingeborenen, die ja überhaupt in Wort und Schrift durch die „Genossen" derartig herausgestrichen werden, daß der unbefangene Leser und Hörer notwendig den Eindruck ge winnen mutz, als mangelte den Vertretern der roten Ob servanz völlig die Einsicht in die Ueberlegcnheit der weihen Nasse und deren natürliches Herrentum gegenüber den Farbigen, dessen Aufrechtcrhaltung eine uncrlätzliche Vor bedingung jeder erfolgreichen Kolonialpolitik bildet. Wenn die Sozialdemokraten sich darin gefielen, gegen eine „Bevormundung" der Eingeborenen mit ihren „Huma nitären" Phrasen zu Felde zu ziehen, so machten sie dem Kolonialstaatssckretär die Abfertigung leicht. Herr Dr. Sols zeichnete mit überlegenem Sarkasmus ein Bild von den Eingeborenen, wie es der Wirklichkeit entspricht: „Die Eingeborenen sind faul und müssen arbeiten lernen, sie sind unwissend und müssen in die Schule gehen, sie sind schmutzig und müssen Reinlichkeit lernen, sie sind Krank heiten ausgesetzt und müssen dagegen geschützt werben." Von fortschrittlicher Seite wurde der Etngeborenrnpolttik des Staatssekretärs, im Gegensatz zu der sozialdemokrati schen Nörgelei, ausdrücklich zugestimmt durch die Er klärung. cs sei erfreulich, daß Herr Dr. Solf nicht für ein „sentimentales Weltbürgertum", nicht für eine „nebelhafte Humanitätsduselei" gegenüber den Farbigen, sondern für die „Humanität des gesunden Menschenverstandes" cintrete. Sehr energisch machte der Staatssekretär auch gegen die von keiner Sachkenntnis getrübten sozialdemokratischen Angriffe aus die Schutztruppe Front, indem er daraus hinwies, datz keiner der anderen europäischen Kultur faktoren in den Kolonien, weder die Missionen, noch die Kaufleutc. noch die Pflanzer, das geleistet hätten, was junge, oft gerade erst aus der heimischen Armee hervvr- gegangenc Offiziell' in der Anlage von Stationen und im Wegebau leisteten: namentlich seien auch die Erfolge, die erfahrene Stativnsofftziere in der Behandlung von Häuptlingen und Stämmen erzielten, ganz hervorragend. Herr Dr. Sols hatte die Genugtuung, datz seine Kolonialpolitik in ihren leitenden Grundsätzen bei den bürgerlichen Parteien volle Unterstützung fand, so datz man einmal das seltene Schauspiel eines einmütigen Zu sammengehens von Konservativen, Natio nalliberalen und Fortschrittlern geniesten konnte. Der Staatssekretär ist entschieden der Mann des Bertraucns der kolontalsreundlichen Reichstagsmchrhcit und verdankt seine rasche Festsetzung tn der allgemeinen Gunst der persönlich ebenso snmpathischen wie sachlich um sichtigen, klugen und verständnisvollen Art. wie er sein schwieriges Amt verwaltet. Die Jrrtümer, die ihm zuerst während seiner samoanischcn Tätigkeit in der Mischchen- fragc unterliefen, sind längst überwunden, und eine ver tiefte koloniale Erfahrung hat Herrn Dr. Solf die rich tigen Leitsätze erkennen lassen, an die eine zielbewusste, auf die Vorherrschaft der weiften Rasse bedachte Kvlonial- politik sich halten m»tz. Es ist stets ein Beweis wahrer Grütze, wenn ein Mann in vcrantwortungsreicher Stellung sich entschließt, begangene Fehler z» verbessern und ohne Rücksicht auf seine persönliche Empsindlichkcit lediglich das öffentliche Wohl zur Richtschnur zu nehmen. Herr Dr. Sols, der so gebandelt hat, darf mit den bisherigen Erfolgen seiner Amtstätigkeit wohl zufrieden sein. Seit seinem Einzüge in das Rcichskvlonialamt. der mit dem Erlasse! aegen das Mischchcniinmescn begann, ist seine unablässig regsame Hand in allen kolonialen Angelegenheiten zn spüren gewesen. Es ist der Geist irisch-freudiger Hin gebung an die koloniale Sache bei der Beamtenschaft sowohl wie im Reichstage eingezogen, und auch die Ansiedler wisse», datz die Vertretung ihrer berechtigten Interessen in guten, vertrauenswürdigen Händen ruht, und datz sic aus die Stetiglcit der neuen Acra rechnen dürfen. Wenn so alle beteiligten Kreise ein gemctnsamcö Band ver trauensvollen Zusammenwirkens umschließt, so wird da durch Herrn Dr. Sols die Arbeit wesentlich erleichtert, und er hat »m so mehr Aussicht, die großzügigen Aufgaben, die noch seiner harren, darunter insbesondere die Nutzbar machung unseres neuen Kongobcsitzes und die Verteidigung »nscrcr Kolonien im Kriegsfälle, einer gedeihlichen Lösung cntgcgeiizusührcn. Re nationale Jahrhundertfeier. Zur Feier der 100. Wiederkehr der glorreichen Zeit der Befreiung Deutschlands vom fremden Joche ist nachstehender Tagesbefehl des Kaisers bei der Gedenkfeier am Denkmal König Friedrich Wil Helms lll. im Lustgarten belannt gegeben worden: An mein Heer! Zum hundertsten Male kehren die Tage wieder, da Preußen sich anschickte, fremdes Joch abzuschüttcln Sieben Jahre hatte das Volk unter der eisernen Faust des Eroberers geseufzt. Keine Erniedrigung, auch die tiefste nicht, die Heeresfolge sür den Feind, war ihm er spart geblieben. Aber diese harte Strafe für voran- gegangene Zeiten des Stillstandes und da mit des Niederganges hatte läuternd gcwirli. In voller Scharfe mar das Bewußtsein erwacht, datz ehrlos der Preuße nicht zu leben vermag. Nachdem die Schäden in der Organisation beseitigt waren, brannte das Heer darauf, zu zeigen, datz sein innerer Wert nicht erstorben war, daß noch der alte Geist in ihm lebte, Ser 60 Jahre zuvor einer Welt in Waffen getrotzt hatte. Ta brach durch Gottes Fügung der ersehnte Tag der Ver geltung und Reinigung von erlittener Schmach an. Preußens Aar regte seine Schwingen und stieg zur Sonne empor. Nach langem Bangen schlug die Stunde, da mein erhabener Ahnherr in den herzbewegenden Worten des Aufrufes „An Mein B o l l!" den Krieg verkündete und die Landwehr ans bot. In heiligem Zorn gegen den Bedrücker folgte das Bolk dem Ruse seines Königs. Hochans loderte die Flamme der Begeisterung.' Ein unversiegbarer Strom vvn O P s e r f r c u d i g k e i t durchflutete die Lande. Glücklich, wer König und Vaterland sein Gut darbringen konnte! Doppelt glücklich, wer nnlcr den Fahnen sich selbst ihnen weihen durste! Tie Erinnerung an solche Treue und Hingebung heule nach hundert Jahren, am Geburtstage der u n v e r g c tz l i ch c n Königin, wieder wach zu rufen, empfinde ich als heilige Pflicht. Nicht siegen oder nerben, sondern s i eg e n schlechtweg hieß die Losung des Heeres in dem heiligen Kampfe. Gott hol seine Waisen gesegnet. Von Grvtzgörschcn und Grosibeeren über die Katzbach, über Kulm, Tennewitz. Wartenbnrg, Möckern und Leipzig hat es seine Fahnen a» den Rhein getragen und hinein in die Hauptsladt des Bedrückers! Ein Weltreich war niedergerungcn! Mit nie erlöschender Bewun derung gedenke ich der Helden jener Tage. Ich gedenke Scharnhorsts, der in zäher Friedens- arbcit den Grnndstei» zur Erhebung Preußens, zur all gemeinen Wehrpflicht, gelegt halte, der selbst aber als eines der edelsten Opfer der Befreiungskriege die Früchte seiner Aussaat nicht reisen sehen sollte. Ich gedenke der Führer des Heeres auf seiner Siegcsbahn, Blüchers, orks, B ülows, G neiscna » s und so vieler ande rer, deren Namen in Flammenschrist auf den Tafeln der Geschichte leuchte». Ich gedenke der ungezählten Tapse reu, die mit Jnbelrufen ans den Lippen, für ihren König, sür Ruhm und Ehre des Vaterlandes das Treugelübdc mit dem Tode besiegelt haben. Ihr Ge dächtni S wird n i cli r erlü s ch e n , solang e Preußen besteht. Der Geist der Krieger des Be freiungskampfes lebte fort in Euren Vätern, als sie unter meinem erhabenen Grosivatcr den Stegespreis erstritten, der jenen versagt geblieben war, die Wiedergeburt von Kaiser und Reich! Uns aber, dem jetzt lebenden Geschlecht, rufen die Heldentaten ruhm reicher Vorfahren eindringlich die ernste Mahnung zu, das Dichterwort zn beherzigen und wahr zn machen: Was du ererbt von deinen Vätern hast, er wirb es. um es zu besitzen! Dann werden auch wir mit freudigem, zuversichtlichem Herzen in den Kamps - lM O