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Dresdner Nachrichten : 14.04.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-04-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187404147
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18740414
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18740414
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-04
- Tag 1874-04-14
-
Monat
1874-04
-
Jahr
1874
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 14.04.1874
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lskip l»7 «bon- dt, »t-r. «»»rl», «mtn, i «er. «usl-,e: S4000 «r»r gUr dl« «llügair elnae- sandte« M»nulcrlpl« macht lich dt« Redactlo» nicht verblitdllch. Inseraten.Ilnnadme aul> tvartdt uock Vo»>«r ln Hamburg. «««. "n. «>en. Lew,,g. «alel. «rrelLN. Kranksurr a. M. — Lack. «o»^ ,n Berlin. Lelpjla, Llien. Hamburg, iirailkfurt a. M.. MLn- Ken. — Dalli» d La. tn Jranksurl a. M. — kr. Valrt in lldemnl». — u. raa.Datltt». kulllar » La. t» Pari». Tageblatt für Unterhalttmg und Geschästsveüehr. Druck und Sigenthum der Herausgeber: Lttpsch k Neichardt in Dresden. Verantwortl. Redacteur: Julius Neichlirdt. rinserarewerdeitMarten- ««ade Ut angenomeneir »iS 2ld. S Udr. Sonnlag» di» MiUagS >L Udr. In Neuiiadt : arode »ioiirr» aailc d bi» Ramm.- Udr. Der Raum eitler ein- i»altiaen Petiltcile lopet Id Pia. tiiuaciandl dt« Zeile » iligr. Sine Äaranlic illr da» nachiltiiaiae lirichei» neu der Inserate wird nicht gegeben. SlnSwlirtige Annoncen- Aullruge uoil UN» unbe kannten ttirincil u. Pcr- ionen inserirc» wir nur gegen Pränumerando» tiablttng ditich Brtek» tnarkcn oder Pol>ein»>b» litNt. tt SNor» kosten I>, Agr. 'stttswartlae k.tnnen die Zaninng auch ani eine DreoNiciTiirma antuelsen. Tic Exp. Rr. 1V4. Rennrehater Jahrgang. Mttredacteur: Or. L»»tl Für daS Feuilleton: LnSvis H»rtn»i»i»a. Dresden. Dienstag, 14. April 1874 PoMII«,». Wenn diese Zeilen gedruckt vorliegen, wird das militärische Septennat bewilligt sein. Jedes Wort, das man dagegen schriebe, käme post t'sstum; jedes Wort, das dagegen in Volks- und Partei versammlungen wie im Reichstage selbst gesprochen wurde, ist ver geblich gewesen, ist in den Wind geredet. Nachdem bezüglich des Militärwesens der Reichstag 8 Jahre lang ohne Budgetrccht gewesen, wird er es 7 weitere Jahre sein. Die 8 Jahre ließen sich recht fertigen mit der Nothwendigkeit, daß das preußische Kriegsministerium zur Ausdehnung der preußischen HeeresverfassuNg auf das ganze deutsche. Reich einen freien Spielraum haben müsse; für die folgenden 7 Jahre kann ein gleicher Grund nicht angeführt werden. Wenn vom 1. Januar 1875 der Militäretat 109,138^97 Thlr. beträgt und ohne alle Controle der Volksvertretung jährlich wächst, so wird es nach Ablauf des Jahres 1882 wenig Abgeordnete geben, die sich in diesem ohnehin complicirten und dunkel gehaltenen Kapitel «60 Etattitel mit mehr als 3000 Positionen) zurechtfinden werden. Thatsächlich also bedeutet das Aufgeben des Budgetrechts auf 7 Jahre einen Verzicht auf alle Zeiten. Wir wollen unsre Zeit nicht mit Klagen über diesen AuSgang ausfüllen; nach wie vor leben wir der Ueberzeugung, daß der auch von uns hochgehaltcne Friede im Reiche, die Eintracht zwischen Kaiser und Neichslagsmehrheit unter besseren Bedingungen hätte abgeschlossen werden können. Wir unterdrücken jede weitere Bemerkung des Unmuths; nur flüchtig verweilen wir bei der charakteristischen Thatsache, daß das preußische Kriegsministerium sich entschieden geweigert hat, behufs Errichtung desParlamentsgebäudes auf dem vom Reichstage dazu auserschenen Platze ein paar Quadratruthen des ministeriellen Gartens abzu treten, dagegen vom Reichstage frischweg die Abtretung seines Bud getrechts verlangt. Aber was uns in der Seele leid thut, ist, daß das Ansehen der höchsten parlamentarischen Körperschaft des Reichs wenig in den Augen des Volkes gewinnen kann, wenn sie in dem Geschäfte: die Freiheit des Volks zu begründen, so wenig Geschick und Muth zeigt. Wenn der Militarismus in Zukunft nicht blos Fundament und Säule unseres Neichsgebäudes, sondern auch Fach- und Balkenwerk, Sparre und Bedachung wird, so komme man später nicht mit Klagen. Pu l'us voulu, dsorxs vsuäiu! Anfänglich schenkte die Wiener Bevölkerung den Debatten des Herrenhauses über die konfessionellen Gesetze weniger Beachtung. Zu tief nagt die Noth des täglichen Lehens an dem Volle, M sichtbar ist das steigende Verarmen erkennbar, als daß man für das Erringen politischer und geistiger Güter noch großes Interesse hätte. Denn es wiederholt sich auch hier, daß sich die idealen Güter politischer uni» geistiger Freiheit nur auf dem sicheren Postamente materiellen Wohlstandes erheben. Als aber bekannt wurde, daß die glänzendsten Namen des Herrenhauses: Ritter von Hye, Anastasius Grün und Baron von Lichtenfels sich hören lassen würden, füllten sich die Galerien. Soeben hatte der Schöpfer des ConcordatS, Graf Leo Thun sich in 1 ständiger Rede beschwert, daß der Staat die Rechte der katholischen Kirche feststellen wolle, soeben hatte er dem Staat den Rath ertheilt, lieber „die Rechte des Unglaubens" zu begrenzen — man sieht, Graf Leo Thun will um jeden Preis Concordatc schaffen; gehtS nicht mit dem Papste, so gchtS vielleicht mit dem Teufel! — so erhob sich der greise Vorkämpfer geistiger Freiheit, v. Lichtenfels, zu einem glänzenden Schlußworte. Indessen, der müde Leib des Greises erwies sich als zu gebrechlich für die Anstren gungen des jugendlichen Geistes; nach ^ständiger Rede, während deren sich um den leisen Redner die Abgeordneten gesammelt hatten, sank er in der schwülen Atmosphäre um. Der korpulente Direktor des stenographischen Bureaus, Conn, eilt durch den Saal mit dem Rufe: Wasser! Die Gruppe theilt sich, man sieht Lichtenfels auf den Sitz niedergeglitten, leichenblaß, den Kopf auf die Brust geneigt — eine packende Situation, eine dramatische Szene, ists eine Kata strophe, ists ein Zufall rasch vorübergehend? Die Glocke tönt, die scharfe Stimme des Präsidenten ruft: Ist kein Mcdizinae Doktor da? nach der Galerie hinauf. Der Kardinal Schwarzenberg, der nahe am Redner stand, war hcrangetreten, ein zweiter Kirchcnfürst bricht sich Bahn durch die Gruppen — drängt die Beiden vielleicht der Gedanke näher, man könnte eine pricstcrlichc Function bcnöthi- gen? und da schwingt sich auf den Ruf des Präsidenten eine Gestalt von der Galerie hinab in denSaal — ein Arzt? Nein, der Sohn Lichtenfels, aber aus der Nische, welche für die Abgeordneten reservirt ist, schreitet vr. Roser hervor, dem Ohnmächtigen ist Wasser ins Antlitz gesprengt worden, der Ministerpräsident Auersperg, Graf Wilczek und Direktor Conn haben den Ohnmächtigen erfaßt und tragen ihn in die sogenannte Ritterstube. Dort wird Lichten- scls der Oberkleider entledigt, die üblichen Hilfsmittel in solchen Fällen angewandt, kommt zum Bewußtsein, die Affaire ist glücklich erledigt. Der Kaiser ließ sich zweimal nach dem Befinden des Patienten erkundigen. Alle alten Weiber, auch die männlichen Geschlechts, werden unzweifelhaft einen strafenden Finger, oder wenigstens eine mahnende und warnende Fingerspitze des Herrn in Mer Ohnmacht sehen wollen -- wenn dem so ist, dann hat sich die Vorsehung sehr unparteiisch benommen, denn neulich wurde einem klerikalen Redner übel, dem Cardinal Tarnoczy, und dieser fehlt .'eitdem im Herrcnhause, obwohl den klerikalen jetzt dort jede Ltiinme mehr eine Tonne Golds werth ist. Locales und Sächsisches. — Aus Anlaß des auf den 13. fallenden 25jährigen Gedcnk- dgeS des Gefechtes bei Düppel hat Se. Maj. der König ein Erinnc- rungSkreuz für dieThcilnahme an dem Feldzüge 1849 inSchü .wig- Holstcin gestiftet. Dieses Erinnerungszeichen besteht aus einem oroncenem Kreuze, dessen von Lorbeer» und Eichenkrünzen umwun dene Mittelschilder auf der Vorderseite den Namendzug des Königs, auf der Rückseite die Jahreszahl 1849 zeigen. Dasselbe wird an einen: gelben viermal blau gestreiften Bande getragen. Anspruchs berechtigt sind alle Offiziere, Aerzte, Beamte, Unteroffiziere und! Mannschaften, welche an dem gedachten Feldzuge bei dem sächsischen Contingente Theil genommen und sich durch ihre Führung dessen würdig gemacht haben. Alle der aktiven Armee nicht mehr ange- hörigen zur Empfangnahme dieses Erinnerungskreuzes Berechtigten haben ihre Ansprüche bis zum 15. Mai o. geltend zu machen, und zwar die Offiziere, Aerzte und Diejenigen, welche ihren Wohnsitz außerhalb Sachsens genommen haben, direct bei dem Kriegsministe rium, alle klebrigen aber, unter Beifügung ihres Militärabschiedes und obrigkeitlichen Führungsattestes bei dem Landwehr-Bezirks-Com- mando ihres dermaligen Aufenthaltsortes. — Zur Feier des 25jährigen Gedenktages des Gefechts bei Düppel empfing gestern Se. Majestät der König die Generalität, namens deren der Herr Kriegsminister eine Ansprache an den König richtete. Der Redner gedachte dem „Dr. I." zufolge des Tags, an welchem vor 25 Jahren der König das erste Mal mit den könig lichen Truppen dem Feinde gegenüber standen, an welchem er die Truppen in Mitten des Kampfes aussuchen wollte, dessen Gefahren mit ihnen zu theilen und in Gleichmuth, Entschlossenheit und Tapferkeit ihnen schon damals voranzuleuchten, als ein glänzendes, nachahmenswertes Beispiel. „Unser Militär-Orden, fuhr der Redner fort, den Ew. Majestät an jenem Tage vor Düppel sich erwarben, sollte in seiner Devise in seltener Weise sich bewahrheiten. Der damals jugendliche Sproß unseres Für stenhauses, er sollte heranwachsen zum bewährten Führer, ja zum sieg- und ruhmgekrönten Feldherrn, und die Lorbeeren, welche Allerhöchstdieselben sich errungen, sie sind die höchste Zier, die un serem St. Heinrichs-Orden innerhalb der langen Jahre seines Be stehens überhaupt je zu Theil geworden. Aber auch das Band, das Ew. Majestät mit Allerhöchstdero getreuen Truppen damals auf dem Schlachtfelde geknüpft, sollte nicht minder sich bewähren. In Liebe und Verehrung, in Treue und Hingebung hat die Armee in guten wie in schlimmen Zeiten seitdem zu ihrem Könige ge standen, sie hat aufgeblickt zu Ew. Majestät als ihrem Fürsten, ihrem Führer, ihrem Vorbilde, und in Ausdauer und Tapferkeit hat sie gestrebt nach jenen Zielen, welche, zum ewigen Ruhme un seres Vaterlandes, ihr König auf den Feldern der Ehre ihnen nicht nur bezeichnen, sondern auch in hoher Umsicht sichern wollte. Und möge dies so bleiben alle Zeit. Ntöge des Himmels Segen ver weilen mit Ew. Majestät, möge aber auch der Armee das hohe Glück verbleiben, sich allüberall ihres königlichen Herrn würdig zu erweisen und der besonderen Huld und Gnade Ew. Majestät sich stets ver sichert halten zu dürfen." Der König dankte mit anerkennenden Worten für die Haltung der Armee und ihrer Führer in damaliger und späterer Zeit. Abends fand ein Fest der Düppel-Veteranen in dem Wohllebe'schen Etablissement statt. Der König und Prinz Georg hatten ihr Erscheinen zugesagt. — Der bisherige Oberlehrer an der Annenrealschule und Pri vatdocent an der polytechnischen Schule, vr. xll. S. Rüge, ist zum Professor der Geographie und Ethnologie an der polytechnischen Schule ernannt worden. — Am Sonntag Nachmittag hat Ihre Majestät Königin Marie dem Lüdicke'schen Wintergarten einen längeren Besuch abgestattet und sich daselbst an der herrlichen Flora sichtlich erfreut. — Berliner Briese. Mir werden immer englischer. Der deutsche Reichstag hat in sich eine zu gewaltig treibende Krau, als daß er nicht von den Zöpfen, die cr vomprcußischcnAbgeoid- netenhause übernommen, und die dikscW» Jahr ruhig getragen, mit jeder Session einen mehr abschnitte. Man vergleiche die Session vv» 1867, wo daS Parlament noch unter dem Drucke der preußi schen Geschäftsordnung arbeitete, mit den späteren. Die durch das Looö bestimmte Rednerliste ist geiallcn, nicht mehr folgen in dcm Maße wie früher sich einander die wohlcinstudirtc» großen akade mischen Reden, die Diskussion bewegt sich in den Formen der Konversation, deren Thcilncyincr nur nöthlg haben, durch Anf- stchcn vom Platze sich bei'»: Präsidenten zum Worte zu melden. Allerdings möchten Manche die alte Rednerliste wieder Herstellen und die Disposition über das Wortcrthcilcn dem Benschenden wieder abnehmcn. Die Nltramontancn sagen: Wenn ein Windt- horst schcr oder Reichciispergcr'schcr Antrag ans der Tagesordnung sieht, oder ein gegen nnS speclcll gerichteter Gesetzentwurf verhan delt wird, so hat der Präsident aus unserer Mitte gerade so viel Redner zum Worte zuzulasscn. als ans unserer gesaunntcn Geg nerschaft. Simson antwortete ihnen darauf ii» vergangenen Jahre: Nein, ich muß alle Parteien zum Worte kommen lassen; jede der sieben Regenbogenfarben im Parlamente stellt also ihren Redner. So giebt cS Eonflstte, doch dem sei, wie ihm wolle, die Ultrainontanen sind schwerlich zu kurz gekommen, so wenig, wie jetzt die Socialdcmokrate». Jedenfalls sind wir englischer gewor den. Wir haben, wie im Weslminstcrpalast, bei »ns die sogenann ten Mlttwochssitzlingen, die zwar oit verzweifelt langweilig sind, aber doch gar nicht selten auch sehr hohen Wellenschlag haben — Schnlze'schcr Diätenantrag, Völk'schcr Civllchc-Autrag, ehemali ger Laöker'scher Antrag in Betreff der Erweiterung der Reici's- compctenz auf daS Civllrecht re. Unser Parlament ist so ver nünftig gewesen, nicht auch die englische Bestimmung auszunehmcn, nach welcher die MittwochSlitzung mit dem Schlage SccvS schlie ßen muß, so daß es wohl vorkommt, daß ein Redner mitten in seinem Bortrage abbrcchcn muß, weil der unerbittliche Zeiger bis zur Sechs vorgerückt ist. Mau denke sich bei uns einen Haupt redner mitten im Fluß der Rede, und die Uhr wollte ihm plötzlich Schwelgen gebieten! Ich glaube, lieber hinge man in unser», Parlamente während gewisser Rcdnerlelstungcn das Schlaggewicht ab. Es muß niit der Eopirung des englischen Parlaments über haupt seine Grenzen haben; sonst müßte la bei uns dicGloctc des Präsidenten abgeschafft werden. Unmöglich! Ein Kopfnicken, eine leise Hanvbewegung, ein Blick würbe» in der Lcipzigcrttraße schwerlich ausrcichcn, die Parlamentsmitglieder daran zu erinnern, daß sie in dem mächtigen deutschen Reichstage sitzen. Sonst müsste ia auch vor unser,» „tzponlwr" (Sprecher, Präsident) kaS gewaltige Servier seines englische» Eollcgcn liegen, und cr gleich diesem in würdigen Talar und lockig wehende Pe>nicke sich kleiden. Herr v. Forckcnbcck In der Perrüclc! Sonst müsstcn wir ja auch einen Caplan anstelle», der die Sitzung mit einem Gebete eröff- nete. Vielleicht Majunken? Nein, solche Einrichtungen können wir nicht gebrauchen. Wir können gewiß auch noch manches Andere vom Engländer mmehmen. Nach seinem Systeme gcian. gen bereits bei nnS nur noch die angefochtenen Wahlen zur Prü fung vor das Plenum. Früher mußte der Reichstag keine schöne Zeit mit dem Anhören sämmtlicher Wahlacten vergeuden, wie daö das preußische Unterhaus zwanzig Jahre getha» hat. In der jetzigen Session ist übrigens die Beschlußfähigkeitsirage nicht wieder zur Sprache gekommen. Vo» der ersten Sitzung an — wao lrüher nie gewesen — hat daö hohe Haus in wichtiger Fülle sich den Tribünen prascnlirt. Haben die Eiscnbahn-Freibillctö allein dieses Wunder bewirkt? Gleichviel, das Thema der Be schlußfähigkeit stand dieses Mal nicht auf der Tagesordnung. Desto besser. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen; die vielen Urlaubsgesuche der letzten Tage sind aber bedenklich. Siatt jenes Thema s haben bis jetzt die Diäten wietcr eine Rolle gespielt. DieLordeerc LaSkcr's, der seine» Competcnzantrag über bas gemeinsame deutsche Eivilrecht nach sieben Jahren endlich durchgcbracht hat, lassen Schulze nicht ichlaicn. Möge ihm hold ein gleicher Kranz aus die S'irn gedrückt werten! Aber englisch sind wir hierin nicht. Windthorst meint, die reichen Engländer könnten sich den Luxus der Diätenlosigkeit eher gönnen. Mag sein. ES ist nur zu wünschen, daß. wenn erst zwanzig Mark per äiem gezahlt werden, gewisse Politiker ihre Ansprüche an den glücklichen Schul-, wollte sagen: Pariamentsbesuch nicht noch er höhen. Schon jetzt ist cs so, daß, wenn ein Parlamentsmitglied bei unbedeutenden Verhandlungen über Gegenstände, von deren Einzell eiten dasselbe absolut Nichts versteht. z.B. bei derStrand- ordnung, sich auf und davon macht, um sein Eiicnbahnbillet zur Reise nach Hause und zur Abwicklung eines privaten Geschäfts zu benutzen. Giebt cS erst Diäten, tan» wird cS heißen: sie tapfer absitzen. Freilich der Engländer würte Einem in's Gesicht lachen, wenn man voraussetzte.dic grö'ßcrcHälile dcsUnlerhauseS müßte alle Tage beisammen sein und all' ras Gerede hören, welches auch im Lande der Erbwcisheit die verschiedenen Volksvertreter sich ge genseitig zuiügen. In England kehrt man sich nicht einmal immer an die Zahl Vierzig. die zur Beschlußfähigkeit gehört. „Ich sah die Bänke verlassen, während Millionen aus der Tasche tes eng lischen Volkes bewilligt wurden, aber wer darauf aufmerksam ge macht hätte, baß die beschlußfähige Anzahl Mitglieder fehlte, wäre als ein Narr angesehen worden", erzählt Lord Montagne. Zur Auszählung grciit man nur, um einen lästigen Beschluß oder einen recht langweiligen Redner todt zu machen. Diese Praxis könnten wir uns auch aneignen, ohne deswegen unsere Beschiutz- fähigkcitSzabl heeabzusctzen. ES schlt uns keineswegs an Rednern und Antragstellern der bezeichneten Art. Wir werden immer englischer, sage ich. Jetzt ist nun auch noch der „Hammelsprung" dazu gekommen. Es war am lO. April 1874, als der neueAb- siimmungsmotuS zuerst in Scene gesetzt wurde. Miau muß als gcwissenhastcr Ebronist diesen Tag rcgistruen. ES war eine Wahiprüsung, nämlich die kcS Abg. v. Sehdewitz, welche die erste Mo in partes veranlaßte. Milt ehernem Griffel willen die Na me» der beiden ersten Hammel in der Pariamentögeschichte ver zeichnet werden, die Ihre Heerde in den Stall entführten, der Eine von rechts, der Andere von links, der Eine als Führer der Ja s. der Andere als Führer der Nein s. Leider ist dies heute schon nicht mehr historisch genau festzustellen. ES hat sich darüber im hoben Hause, wie au! der Journalistentribüne ein lebhailcr Streit erhoben, dessen Schlichtung erst noch abzuwartcn ist, ehe die be dauerliche Lücke der Paelamentschronik auSge üllt werten kann. Die Zeitdauer der neuen Zählung bat nach genaueren Messungen nur sieben Minuten betragen. Eine namentliche Abstimmung erfordert durchschnittlich 35 Minuten' Diese Zcircrsparnitz findet überall große Lobrcdner. Ich stimme darin nur bevaigt ein. Gott sei Dank, baß Herr v. Stauffcnbergcr gebindert hat, daß die namentlichen Abstimmungen nicht ganz und gar zu Grabe ge tragen sind. Dieselben können nach wie vor in jedem Augen blicke durch 50 Mitglieder beantragt werdcn, wenn es gilt, die Abwesenheiten zu constaliren, reib, zu brandmarken, oder die Ja- reip. Neinsager öffentlich bioßzutteilen. Diese Eontrole mußte nothwcntig bleiben. Zum Zweck der bloßen Zählunaen. nämlich in dem Falle, daß durch Auistchcn und Sitzenbleiben die Majorität nicht scstznsicllcn ist und ans die Ramm der Stimmenden cö nicht so sehr ankommt, mag der eng lische Hammelsprung als annehmbare Neuerung gelten. Die größeren Erbolnngspauscn iür alle Diejenigen, die cs nicht lieben, die Maschine immer unter scbr hohem Druck arbeite» zu lassen, werden allerdings in Folge dessen Wegfällen. Was nutzt noch eine Pause von siebe» -Ministen, die zumal noch damit auö- zuiüllcn ist, sich den richtigen Hammel aufzusuchen. Den Jour nalisten schlug jedesmal das Herz Heber und wurde der Kopf freier, wenn cr von der Tribüne bcrab daS Schwanken zwischen den Ausstebciiden und Sitzcnblcibcntcn bemerkte und eine na mentliche Abstimmung sich im Anzuge meldete. Tiei Athcm ho lend, legte cr ans 35 Minuten die Feder hin, um sich zu erholen, und cr fand die Muße, das Nictcrgcsclnicbenc noch einmal zu turchblättcrn, und waS die Hast geschaffen, in Ruhe za prüicn. Ich will nur vom Abgeordneten v. O. sprechen, der mir seine Gedanken vcnakhcn. -„Der Namcnsauinif beginnt mit dem Buch staben P.", ertönt cS vom Präsidentciisitz. Herr v. O. yat also mindestens 33 Minuten sür sich. Das ist gerate die Zeit, iür welche cS sich lobnt, im Fovcr eine Eigarre anzuzüntcn. Mit derselben Seelenruhe kan» cr den Sitzungssaal zu einer anderen Zeit nicht verlassen. Könnte nicht während bcr Debatte sich etwas Wichtiges zutragen? Stattpsarrer Wcstcrmahcr sprechen oder Hassclmann? Eine wirlliche Erholungspause gestattet nur ein NamcnSauirus. und iür den Büffcticr ist der F-orisaU derselben sogar eine Lebensfrage. Doch wir werten englischer. Unsere Nationalität verleugnen wir deswegen nicht um ein Titclchen. Dach fortwährende Hin- und Herichwankcn unseres Parlaments zwischen zwei Brennpunkten während jeder Sltznng, diese Oöcii- lation, welche nur besonders interessanten Debatten nacbgicbt.die im Stande ist, den Schwerpunkt in den Sitzungssaal selber zu pcrlcacn und das Büffet zu tegagwen, sie wird immer unser un veräußerliches Erbthcil bleiben. Auch der englische Hammel sprung möchte daran nicht antastcn. Pis jetzt habe ich jene Pen delschwingung immer nur zunchmcn sehen, iast jährlich. Von der bescheidenen Buttcrscmmcl des alten preußischen Abgeordneten hauses biö zu den DincrS dcS bcutigcn deutschen Parlaments, welcher Fortschritt! Im Fohcr siebt man eine Menge AuLicnzcl' crthcilcn, die an cmcin ankeren Ort ibre» Abschluß tindLii. Da von ist im Wcstminstcr-Palast nicht Aebistiches zu verspüren. Der englische Abgeordnete geht gar nicht in die Sitzung oder bicibr drinnen, außer wen» ciimmr-iimo kommt. Dann fährt er nach Hause oder ins Hotel und keint hinterher ins Parlament zurück. Um 4 Uhr beginnt die Sitzung, bis 7 Uhr hält er aus, um 0 oder 10 Ubr kommt er von Tische zurück und sitzt bis I oder 2 Uhr nach Mitternacht. ES liegt nabe, zu welcher Zeit sich dort die Auszählungen empfehlen. Der Telegraph gebt da nicht big in alle Hotels, wie be! uns in das Nebenzimmer, das dcm ">tz- ungösaal Eoncnrrcnz macht. So englisch wir auch mit tce ..cit noch werken mögen, lind käme es selbst bei nnS bis zm Vel tagung der Sitzungen ans die Abendstunden, wir bleiben doch gute Deuiichc und lassen uns darin auch durch den engl. Hammelsprung Nichtstörer,. — Eine für den Verkehr hochwichtige Frage ist die der Ver breiterung der Durchfahrt in: Gcorgcnthor und Hunderte unserer Mitbürger haben ganz specielles Interesse daran. So anerkennens-
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