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70. Jahrgang. ZK 130 Donnerstag- 18. Miirz 1928 Gegründet 18SK «rad>a»I»rM! »,-*ri-Hle» Dr»«»r». gerniprecher - Sammelnummer 26 241 Au» svr NachiaeiprSche: 20 011, vom l«. bis 31. Mürz WAi dec iäqlich jwennultger Zustellung Ir», Kau» ».so War». L)öHU05' Gklluuk PoiN>ecua»pr»i» Mr Mona, März 3 Mar» odne PvstzustellungsgedUdr ^ «Inz»,Nummer IV Plennl,. Dl, Anzeigen werden nach Woidmark verechnei, die einivallige 30 nun dretie Zeile 3t> Pia. Mr auswiirls >5 Pig. Yvmiiienan^iaen und Siellenaeiuchr ohne Anzetgen-Prene. ^ad-n I»Pi„.. auiierkaib rv-pia.. dl» st» mm drei,. Rei,iamez.il» >Ä) Pia ansterdaM 206 Pin cMeriennedlldr Iv Pia Auew Au'iräq« nenen Vorausbezasti. «chrlstiellunq und Kaupige,ch>IN»ft»ll- MarlenIIrMil« 68 42 Druch u. Verla-, uon Utepich » RrlchardI m Dresden. Postichech - Kanin 1068 Drrrden. AachdruM nur mti veuilich», auellenangade .Dresdner Aachr " „Niiiiia. Unverlnna>e Schr-iistllri,» werden nich! nuibewahri. 2^ St-°^ ktesanle, NeisegepSck Seiafl, Leäenvarev 26 Kehraus im Völkerbund. Parkamenlarische Weiterungen in Berlin, Paris und London in Vorbereitung. Rücktritt -es Prager Kabinetts. — Kullursragen im Reichstag. — Abschluß -es Volksbegehrens. Abreise -er Deutschen. Genf, 17. DlLrz. Die dentsche Delegation l»at heute abend l! Uhr im Lon-erzugc die Rückreise nach Deutschland augc- trctc». Bor ihrer Abreise empfing sie noch die Besuche ver schiedener Delegationen der BölkerbuiidSvcrsammlung, dar unter den Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Namek, des italienischen Natsmitgliedes Seialosa und des polnischen Ministerpräsidenten Grasen Skrzynski. * Genf. 17. Mär,. Zur Abreise der deutschen Delegation batte sich eine größere Menschenmenge, darunter zahlreiche Vertreter der deutschen Kolonie in Gens, aus dem Bahnhof etngcsundcn. Der Reichskanzler und der Netchsauftcnnttniitcr sowie die Staatssekretäre nahmen in einem Salonwagen Platz, der sich gleich hinter der Lokomotive befand. In dem anderen Wage» saften di« übrigen Mitglieder der Delegation und viele deutsche Journalisten, die gleichzeitig die Reise nach Berlin antraten. Beim Verlassen der Bahnhofshalle standen der Reichskanzler und NeichSanftenminister am Fenster und winkten noch lauge der Menschenmenge zu. Deutschnallonales Mißtrauensvotum gegen Luther un- Stresemann. Berlin, 17. März. Die deutschnationale Pressestelle keilt mit: „Die Genfer Vorgänge haben in den gestrigen Sitzungen des Partcivorstandcs und der Laudcsvorsitzcuden sowie der Rcichstagsfraktion der Dcntschnationalcn Volkspartei zu einer Aussprache geführt, in der die einmütige Auffassung zum Auödruek kam, das, die Behandlung des deutschen Aufnahmc- antrages aus Eintritt in den Völkerbund und die Haltung der deutschen Delegierten in Genf zu einem völligen Miftcrsvlg der Anftenpvlitik deS Kabinetts , Luther—Stresemann geführt hat. Die Ncichstagssraktion der Tentschnakionalcn Volkspartci wird sofort die erforderlichen par lamentarischen Maßnahmen ergreifen." * Berlin, 17. März. Di« deutschnationale Reichs tagsfraktion hatte heute mittag beim Rcichstagspräsiden- ten Löbe die Einberufung des A e l t e st e n r a t s be- antragt, um die sofortige Aussprache Über die Genfer Vor gänge in der Vollversammlung des Reichstages zu beschließen. Muss Grund des deutschnationale» Antrages wurde eine Sitzung des Aeltcstcnratcs aus Freitag vormittag anberaumt. Wie cs in parlamentarische» Kreisen hciftt. wird die grofte auftenpolitifche Debatte über Genf in Verbindung mit der zweiten Lesung des Haushalts deS Reichs-Ministeriums des Acuftern erfolgen. Diese Debatte wird voraussichtlich am nächsten Montag ihren Anfang nehmen und mehrere Tage dauern. Ehamberlain wird ungeduldig erwarlel. Anfragen im Unterhaus wegen Genf. London, 17. März. Im Unterhause fragte Macdonald den Premierminister, ob er eine Erklärung über die Genfer Vorgänge »om Vormittag abgebcn könne. Valdwin er widerte: Nein! Auch zweifle er sehr, daft Ehamberlain vor Mittwoch in der Lage sein werde, eine Erklärung abzugebcn. Lloi, d George griff mit der Bemerkung ein, daft der Aoftenlekretär doch vermutlich sofort nach England zniück- kchre. In diesem Falle werde die Beantwortung der Inter pellation vor Mittwoch möglich sein. Lloyd George schlug Montag vor. Valdwin erklärte: Ich hatte diese Frage» nicht erwartet. Ich weift cs nicht, wenn der Auftensekretär zurückkehren wird. Ich glaube, man muft billigerweise be rücksichtigen. daft er in den letzten Tagen denkbar grofte Schwierigkeiten und Anstrengungen zu überstehen hatte. Ich bin sicher, daft, falls es ihm nicht möglich sein sollte, noch diese Woche zurückzukchrcn, das Unterhaus dafür Verständ nis haben würde, wenn er sich nach de» Anstrengungen i» letzter Zeit einen oder zwei Tage Ruhe gönnt. Erledigung deuijch-poinischer Fragen im Böliieidundsrat ID u r ch „ r> t i p r u iv.t Gens. >7. März. Der Rat hielt heute nachmittag eine kurze öffentliche Sitzung ab, in der er unter anderem einige kleinere den S ch u v der polnischen M inderheiten i» Deutschland bclrcssende Fragen durch vorläufige Maftnahmcn in einer dem deuischen Liaiidpunkt gerecht wer denden Weise entschieden hat. Aufterdem nahm der Rat dcn von dem schwedischen Natsmitgiied Undon erstatteten Be richt über die anfterordentlichc Tagung der Mandats kommission des Völkerbundes in Rom entgegen. Der Bölkcrbundsrat wird am Donnerstag noch zwei Sitzun gen abhalten und dann die ordentliche Frühjahrstagung ab- schlieftcn. Auch der schwedische Auftenminister ist bereits von Gens abgereist. <W. T. B.s Ir. Luther für Fortsetzung der Völkerbundspolitit. Empfang der Presse bei Luther und Slresemann vor ihrer Abreise. Genf. 17. März. Reichskanzler Dr. Luther und Reichs- auftenministcr Dr. Stresemann empfingen heute nach mittag die in Gens anweicndcn Vertreter der deutschen Preise vor der Abreise der Delegation. Reichskanzler Dr. Luther knüpfte an die Worte Rriands, die er bei einem vorangegangcncn Empfang der dcvtschcn Presse ausgesprochen hatte, an. Wir haben, so führte er ai's. bezüglich unserer Anmeldung t^im Völkerbund zwei Ausgangspunkte. Der erste fällt mit dem Worte P> a c o o >, a l d s im Herbst I!>21 über dcn „I e e r c n S t u h l" zusammen. Aus unsere damalige Anfrage bei den zehn Mächten des Völkcrbnndsratcs wurde uns der ständige Rats- sit, zngrsichcrt. Brasiliens Antwort, die jetzt veröffent licht wurde, war bei der großen politischen Aktion nicht nur moralisch, sondern auch juristisch im Nahmen der gesamten Aktion bindend. Deutschland war daher durchaus berechtigt, sich aus diese Antworten zu stützen und leinen Rats- sitz als gesichert anzuschen. Der zweite Ausgangspunkt hängt mit dem deut schen Febrvar-Mcmoraiidum zusammen. Dieses enthielt eine Anregung bezüglich deS Eintritts Deutschlands in dcn Völker bund nicht. Erst im Juni wurde eine solche oo» Frank reich zugleich namens seiner Alitierten verlangt und deutichcrieits unter de» Voraussetzungen, die sich auS dcn im Herbst IN21 erhaltenen Antworte» der RatSmächtc ergaben, zugciagt, Dan» kam der Vertrag von Locarno zu- stände. Er ist juristisch indessen noch nicht wirksam ge worden Unbeschadet ihres Ausmaßes ist die Tatsache deS Eintretens non sogenannten Rückwirkungen unbcstrcttbar. Demgemäß stellt die Verpflichtung deS gestrigen Kommunigu--, Locarno weiter wirken zn lassen, eine bedeutungsvolle Kund gebung dar. Der Kanzler verwies daun daraus, daft wir erst nach Absenkung des EintrittSantragcS die Ansprüche anderer Mächte vernommen haben, aber daft offenbar vorbcrbcrcltS Bindungen bestanden haben, die nnS unbekannt waren. Das Festhalten an den Gr»ndprtnzipte», mit denen wir nach Geni kamen, war deshalb niinmgängttch notwendig, weil liniere ganze Werbearbeit für Locarno ans diesen Gedanken- gang ansgebant war. Der Kanzler verwies daraus, das, in seiner Hamburger Rede die Einzelheiten der Genfer Entwick- l»»g nicht vorweg genommen werden konnten, doch habe der Inhalt dieser Darlegungen bedeutet, daft weder eine Ber» gröfternng noch eine wesentliche ürästcvcrschiebnng im Rat von Deutschland zngelasscu werden konnte. Deshalb war z. B. der Vorschlag, Schweden im Rat durch Polen zu ersetzen, unmöglich, der letzte Versuch aber, der die Ersetzung zweier Mächte durch zwei andere, wesentlich gleichbedeutende, vorsah, tragbar. s?s Spaniens angekündigteö Ver halten — Zustimmung zu dem deutschen Ratssitz und eigene Zurückziehung von der Mitarbeit im Völkerbund — war aller dings schon ein höchst unangenehmes Ereignis gewesen. Die Ablchnnng Brasiliens indessen hat wie ein Naturereignis ge wirkt. Sic war im höchste» (Krade schwerwiegend und wurde von der Versammlung deö Völkerbundes als eine anher- ordentliche Schädigung empfunden. Die völlige Einigkeit der Locarnomächte und die einmütige Zustimmung der übrigen ergibt aber für uns die Ausgabe, auch in der Völkerbunds richtung entschieden weiterzuarbei- t e n und den Stand der Dinge so zu betrachten, doh wir uns bemühen, zum Segen des deutschen Volkes eine Entwicklung zu fördern, die uns im weiteren Verlause doch noch als Mitglied in den Völkerbund und in den Rat führt. Deutschland als Mitglied der vorbereitenden Natstrommission? Paris, 17. März. Der Havas - Berichterstatter in Genf meldet: Stresemann und Brtand haben bei ihrer letzten Zusammenkunft in Genf Fragen der künftigen Auftc»Politik erörtert. In der Frage deS Eintritts Deutschlands in dcn Bölkerbnnd werden England und Frank reich, wenn der Vorschlag des japanischen Delegierten Ishii aus Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der Reorganisation des VölkrrbundSrats verwirklicht werden sollte, beantragen, daft Deutschland in dieser Kommission ver treten sei, da dies das sicherste Mittel sei. die Wiederkehr von Ereignissen wie in der letzten Tagung zu vermeiden. Vriand nnd Stresemann sind, so schein« cS, entschlossen, nicht länger zu warten, die 2 ch i e d s g r u n d s ä tz r, die dcn wesentlichsten Bestandteil der Abmachungen von Locarno bildeten, aus die Beziehungen der beiden Länder in An wendung zn bringen. sW. T. B.s Keine Verschiebung -er Veranlworkung! Das schmähliche Spiel in Genf ist aus, endgültig auS. Aber — und das ist im höchsten Grade bezeichnend für das unerträgliche Hin und Her vv» Intrigen, Schiebungen und Widerwärtigkeiten, das dieser Locarno-Tagung des Völker bundes den Stempel aufgedrückt hat — es ist nicht zu Ende gegangen, ohne daft man nicht noch einmal das ganze Narren spiel in grotesker Welse auf die Spitze getrieben hätte, nach dem die einzelnen Delegationen bereits mit dem Packen ihrer Koffer begonnen hatten. Noch einmal konnte der Völkerbunds- sckretär durch seinen telephonischen Anruf im Hotel Metro pole. der eine Aciidcruug der brasilianischen Instruktionen an- deutete und trotz des Fiaskos vom Tage vorher der deutschen Delegation die Vorbereitung für eine etivaige sofortige Auf- nahmcsitzung des Völkerbundes zumntcte, ohne daft diese ent rüstet ablehnte, dem deutschen Volke das beschämende Schau spiel bieten, daft seine Vertreter am Narrenseil in Genf festgehalten wurden, bis sich der Schlüssel des Reformation?- saalcs für uns endgültig herumdrchtc. Wir haben vergeblich an der Tür eines Saales geklopft, aus dem der Geist von Locarno längst zum Fenster hinausgcslogcn war, wir standen Etnlaft heischend noch vor derselben Tür. als sich tm Sänke der empörende Betrug von Locarno enthüllte, wir gingen noch nicht einmal endgültig, als sich sogar die deutsche Zustimmung zu einer gleichzeitigen Ausnahme des notorischen KrakelerS und Friedensstörers Polen als nutzlos erwiesen hatte. Und wenn jetzt, nachdem in Genf fürs erste der ciscner Vorhang für uns nicdergegangcn ist. ein befreiendes Aufatmen durch die weiteste» Kreise des deutschen Volkes geht, der wahren Freunde eines wirklichen Völkerbundes sowohl wie der grundsätzlichen Gegner von Locnrsto. wenn sich heute für die anti deutschen Treibereien Polens der Weg zu schrankenloser Be tätigung im Völkerbundsrat noch nicht öffnet, bann ist daS wahrlich kein Verdienst der dcnttchen Delegation. Es ist da? Walten eines günstigen Schicksals, das der deutschen Locarno- Mehrheit noch einmal die Möglichkeit eröffnet, in halb'^'riger Praxis Wert und Wirkung von Loc no praktisch zu erproben und uns im Völkerbünde dcn ver sprochenen Einfluß zu sichern. Mit zunehmender Bcv- ständniSlosigkctt hatte es die Heimat — und nicht zuletzt, wie die Haltung der „Köln. Ztg." zeigt, die eigene Partei Dr. Stccse- manns — verfolgt, wie die deutsche Delegation vo" ^ e,n un antastbaren. in England, in Amerika und in der gesamten neutralen Welt anerkannten RcchtSstandpunkt abglitt, wie zu einem Verschanzen hinter formalen nnd juristischen S"itz- findigkciten wurde, was ein« Vertretung wichtigster politischer Forderungen sein mußte. Unbegreiflich war das Eingehen des letzten bedenklichen Kompromisses, und nur ein Zufall wollte cS, daft wir vor ihm bewahrt wurden. Ueber die Haltung der deutschen Delegation wird das letzte Wort der Kritik sicherlich heute noch nicht gesprochen. Wohl aber ist es nötig, mit aller Deutlichkeit der Verschiebung der Ver antwortlichkeiten in Gens entgcgenzutreten, wie sie in der Völkerbundsversammlung und in dcn sonstigen Genfer Er klärungen versucht wird. Es ist gewiß rührend, mit welchen bewegten Worten der deutsche» Delegation ihr Wohlvcrhalten bescheinigt wird. Aber cS sind widerwärtige Taschenspteler- siücke, wenn Ehamberlain und Vriand stets nur von „bedauer lichen Mißverständnissen »nd Schwierigkeiten" sprechen an gesichts einer Situation, die einzig und allein durch eine scham lose Jllonalität Englands und Frankreichs in Locarno hervor- gernfen worden ist. Daft Vriand »nd Ehamberlain in Locarno in dem Augenblick, als sie von Lonalität. Verständigung nnd Bertrauenspolitik troffen, den polnischen Widerstand durch das Versprechen eines RalssitzeS brache», daft sic von dieser voll kommenen Verschiebung der VertragSgruiidlage, wie cs die Pflicht selbstverständlichster Lovalitat erheischte, dcn deutschen Unterhändlern keine Mitteilung machten, ist der wahre Grund des Fiaskos in Gens, den keine Erklärung beseitige» kann. ES kann keine Frage sei», daft die deutsche Entscheidung über Locarnv und über den Beitritt znm Völkerbund anders auS- gefallen wäre, daß auch die deutschen Apostel des Völkerbundes eine andere Auffassung von dem Wert der Genfer Institution gewonnen hätten, wen» nnS damals bereits bekannt geworden wäre, das; Polen gleichzeitig mit n»S in de» Völker, bnndsral ausgenommen werden soll! Und diese Erwägung zeigt die ganze Bedeut,»,g des schändlichen VertranenSbrnchS, den die erklärten Hüter von Locarno an »nS begangen haben. Locarnv ist auf einen Betrug anfgebaitt. und einzig daran liegt cS das, daS Gebäude in Genf nicht wohnlich gemacht werden konnte. Vergebens bemüht man sich heute, mit Fingern auf Brasilien alS den Störenfried im Genier Porzellanladen hin« zilwcise», vergebend arbeitet auch die deutsche Politik in Genf im Sinne der Verlraiiensbrechcr. wenn sie offiziös erklären läßt, bah der negative Ausgang in Genf auS einer „Schwierig keit deS Verfahrens" hcrvorgcgangen sei. Nirgends und i»