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71. Jahrgang. X I »iNwach, ». Januar 1S27 Gegründet 1SS6 »> »o«xn. B-»«gr.»«I>ühr «LLUTiNLL Ä!L4 «TL Gtz» NnMg Anzeigen-Preise: auh-rkalb 2 Ivr «»«Sri» PIg g»mil!«nan»»>a»>> und S^ll»na»!uch» »du» isg„ aukerdaw 20 Plg-, dt» Ai mm dr»t>, Reklame»»!!» ISO Pso. 0 Plo. 01ser!»n,»dvl»r >0 PI». Au»w. AuftrS«» qeaen Doraueb«»»»!. VUchrlLMNZ^W»»U Ab ^2. Drnck ». Bola, -an Uteplch » Reich»»*« N» Dreeke». Po»tch«ch-ch«»i» Ivas De«»«». «-»dnilk nur mii »euUlcher Vuellenenaed» ..»reeaner 4Iachr ' iuldMq Unverlanale SchrilMück» werden nichi ouldewakel. u»,ii»iuiiii»milmiii>iu»iminin»»iii.imiiuiiiimiiiiiiiinlnniiiimimimnrii,»iiuuiii»iiimii>iuinimiiri»ii«ii ki'glklasslgss k^sstsul-anl ILgliek 4 Oki': Isrir-Iss „Vssbsi'ina ^r»g«r StrmS« / k^silbaknstraks ^dsncjs 8 M: vss psskstt clsf ^tls-sktlokisi-! sllsi' Welt Jas Ringen um die Seele des Zentrums. Kleine Rechte unter bayrischer Führung -ie Sicherste Möglichkeit sür -ie Volksparkei. Drlan- un- Skesemann zur DerslSnöigung. - Die Deulschnalionalen ln Sachsen warlen ab. - Keldelberg außerhalb -er Slu-enleuschafl. Eine ernste Mahnung an -le Mitte. SU«. 4. Ja». Unter der Ueberschrtft »Passive inner- politisch« Bilanz" befaßt sich die .Kölnische Zeitung" hrute mit der tnnerpoltttschen Lage und schreibt u. a.: »Das Zentrum hat vor kurzem durch die „Germania" angekündtgt, daßeS künftig dt« Rechte nicht regieren lassen werde. Es will wieder aus das Ziel hinaus, an dem gerade die Regierung Marx gescheuert ist: Tie Mtnd-crheitsregierung der Mitte mit Bindung an die Sozialdemokraten. Die Deutsche Volkspartci hatte mit voller Klarheit fest- gestellt» dast sic dafür nicht zu haben ist. Ihr äußerstes Ent gegenkommen an das Zentrum, wenn sie seine tatsächliche« innere» Schwierigkeiten berücksichtigen will, könnte in einer etwa non der Bayrischen Bolköpartci zu führenden Negierung der Mitte «itsestcrBindnng nachrechtSbestehe«. Wem dieses dusterstes Zugeständnis. daS für die bestehenden politische« und parlamentarischen Notwendigkeiten gerade «och tragbar wäre, nicht genügt, der mnst die Berantwor. tang für die Dinge übernehmen, die dann kommen müsse«. Die innerpolitische Bilanz des vergangenen Jahres ist passiv, der Ausblick in das neue Jahr ist trübe." Eine Zenlrumsstlmme für -ie bürgerliche Koalition. Berlin, 4. Jan. Die „Glocke", ein offizielles Zentrums- organ in Westfalen, das besonders die Interessen der kleinen Bauernschaft und der christlich gesinnten Arbeiterschaft ver- tritt, beschäftigt sich jetzt mit dem Artikel des Staatsministers von Loebcll zur Lösung der Regierungskrise, in dem dieser den Vorschlag machte, gegebenenfalls eine Negie rung der „kleinen Rechten" z» bilden, und mit den Ausführungen des Berliner ZcntrumSorganS dazu und schreibt darüber: Man höre endlich einmal damit auf, immer aas die Wirkung auf bas Ausland hinznwelscn. Die ländlichen Zentrumswählcr haben derartige Mätzchen satt. Tatsache ist, dast in der ZentrumSpartet heute Männer de« AnSschlag gebe«, die in die Sozialdemokratie verliebt sind. Warum versucht man e» denn nicht mit einer Regierung der bürgerlichen Parteien? Eine solche Negierung würde sich keine arbeiterfeindliche Politik erlauben können. Warum lehnt die ZentrnmSfrakkion des Reichstages die Vllrgerliche Koalition ab? Man wäre doch nicht mit den Deutschnationalen ver- heiratet. Wir möchten den mastgcbendcu Herren der Zen, trnmSfraktiou des Reichstages nicht vorenthalten. dast die Zentrumswähler aus dem Lande und i« den Landstädten cS sehr bedauern würden, wenn die Zeutrumssraktion auch nach der Rede Scheidemanns noch eine Koalition mit den Sozial demokraten suchen würde. Wir sichen geschlossen hinter dem Neichstagsabgcordnctcn Bornscld-Ettmann, der diesen Stand punkt auch in Berlin schon zum Ausdruck gebracht hat. Ostpreuhische Dertrauenskun-gebungen sür Dr. Scholz. Königsberg. 4. Januar. Der Vorstand der Deutschen Volkspartci, Bezirk Königsberg, hat einmütig beschlossen, dem Neichstagsabgevrdneten für den Wahlkreis Ostpreußen Reichsminister a- D. Scholz zum neuen Jahre besondere Glückwünsche zu senden und ihm seinen Dank dafür ans- znsprcchen, dast er gerade in Ostprcuste« die politische Lage nnd das Verhältnis der Deutschen Volkspartci z« den üb rigen Parteien ko mutig nnd charaktervoll geklärt habe. Auch der Prvvftizialvorstand der Dei siche" Volkspartci Ost preußens hat in gleicher Weise Dr. Scholz in besonders an erkennenden Worten seinen Dank ausgesprochen. Es hat dies deshalb besonderes Interesse, weil die Jnsterbnrgcr Rede Dr. Scholz' seinerzeit zu den bekannten politischen Ent wesungen führte. Noch kein Austrag sür -as Kanzleramt. Eine voreilige Meldung eines Wiener Blattes. >Drabi», eldung unserer Berliner Schrlllleltung.I Berlin, 4. Januar. Ein Wiener Blatt hatte be richtet, daß der Reichspräsident den NeichSwirtschaft smintster Dr. Curtius bereits mit der Bildung der neuen Ncichs- regicrung beauftragt hätte. Die offizielle Ernennung würde im Lause der nächsten Woche erfolgen und Dr. Enrtins wolle ein Kabinett der Mitte bilden, das alle bürgerlichen Par teien umfassen sollte. Wie wir dazu von Berliner amtlicher Stell« erfahren, entbehrt diese Nachricht jeder tatsächlichen Grundlage. Weder hat der Reichspräsident Dr. Eurtius mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt, noch hat er die Absicht geäußert, im Falle des Scheiterns eines solchen Kabinetts den Reichstag aufzulösen. Auslandshilse für die deutsche Linke. Französische Einmischungsversuche. Berlin und die schleichende Pariser Krise. lDrahtme.dung unsrer Berliner Schriirlettnng.) Berlin, 4. Januar. Die Anzeichen einer Regierungs krise in Frankreich werden in Berlin mit gespannter Ansmerksamkci« »ersolgt. Der Kamps, der bisher in Paris zum großen Teil hinter den Kulissen gegen den Außen minister Briand geführt wurde, soll nu» offenbar in aller Oessentllchkeit ausgesuchten werden, da Briand selbst, wie berichtet, nach dem Wicderzusammcutritt der Kammer eine auswärtige Aussprache herbcisührcn will. Man ist hier der Meinung, daß selbst bei einem Mißtrauensvotum gegen Briand, die sranzösischc Außenpolitik namcnilich Deutschland gegenüber eine wesenttiche Aendcrung kaum erfahren könnte, da Dawes-Plan und Lvcarnovertrüge aus absehbare Zeit das deutsch-französische Verhältnis in Bahnen gewiesen haben, die cs sehr leicht nicht wieder verlassen kann. Trotzdem können aber sür »ns die Ereignisse in Paris nicht bedeutungslos sein. Der Rcichsa»ße»mi»istcr Dr. Strcsemann »nt dcö öfteren erklärt, daß seine Politik ans dem ganz besonderen Vertrauen basiere, das er zu Briand empfinde. Gerade aber die Vorkommnisse der jüngsten Zeit, wie die Fälle GcrmerSheim, Landau und setzt Mainz haben aber doch ge zeigt. daß dieses Vertrauen zu Briand solche überaus uner freuliche Dinge nicht hat verhüten können. Immerhin wird man die Sorge darüber, ob Briand ge stürzt wird, oder ob er sich wird behaupten können, den Franzose» überlassen können. Bon hohem Interesse für uns sind jedoch sehr eigenartige Dinge, die sich an die Vorgänge in ivrankrcich knüpfen und rein äußerlich den Versuch darstellcn, die deutsche nnd die sranzösischc Regierungskrise miteinander zu verquicken. Der Briand nahestehende „O u v t i d i e »" schreibt heute zu der Auseinandersetzung i» Frankreich, wie bereilS kurz berichtet, daß man den Gedanke» der vor» zeitigen Räumung der Rheinland,: durchaus er örtern müßte. Die Lösung diese» Problems hänge aber nicht von Frankreich, sondern von D e u t s ch l a n d ab. Deutschland müsse neue Garantien geben. Die notwendigste Garantie sei die. daß die deutschen Republikaner sich scsi zusammen« schlöffen. »Nur die Linksparteien gebe» unS die Garantie für den Friedenswillen des Reiches, sür seine Loyalität und seine« aufrichtigen BcrsöhnungSwillc«. Nur den Linksparteien könne« wir Konzessionen geben. Locarno wäre nur noch ein leeres Wort, ohne Sinn und Inhalt, wenn es in Deutschland von einer RechtSregicrung angewcndet würde." Das ist eine unerträgliche Einmischung in die deutsche Innen politik, die früher bereits oft genug versucht wurde, die aber um so empörender ist, als eine RechtSregicrung die Lvcarno- politik eingcleitet und die Recht« im Reichstage unzweideutig erklärt hat, daß »ach dem Völkerbundseintritt Deutschlands der damit geschaffene RcchtSzustand auch von ihnen anerkannt wird. Fürchtet man in Paris vielleicht nicht mit Unrecht, daß eine Regierung der bürgerliche» Rechten Deutschlands nicht so ruhig manches cinstccktc, wie es jetzt der Fall ist? Weit mehr aber tritt die Frage in den Vordergrnnb, vb cS wieder einmal deutsche sozialdemokratische Kreise sind, jene Lentc, die zu der Minderheit ihrer Fraktion gehören, die eine NcgierungSbctciligung der Sozialdemokraten wünschen, die hier ans dem Umwege über Paris die inneren deutschen Vor gänge beeinflussen will. Man kann nicht gut annchmen wolle», daß Briand selbst hinter den Auslegungen deS „Ouotidicn" steht. Vielmehr wird man sie dahin zu werten habe", daß sic weniger den tnnerpolitischen Vorgängen Frank- retcnS, als vielmehr denen Deutschlands dienen sollen, und die Annahme, daß hier deutsche Linkskreise dahinterstecken, liegt sehr nahe. Möglicherweise sollen diese offensichtlich inspirierten Auslassungen des „Ouotidicn" dazu dienen, die regierungsfeindliche Mehrheit der sozialdemokratische» ReichS- tagSsraktion den Wünscl>cn der Minderheit gefügig zu machen, indem ihnen eine ausländische Stimme vorgehaltcn wird. Der größere Zweck aber dürste wohl der sein, die Linkspartcien in dem Bestreben, die Dcutschnationalcn von der Rcgicrnngö- bctcilignng fcrnznhaltcn. noch fester zusammcnznschliestcn. Die- ser plumpe Versuch, unsere innerpolitischen Vorgänge mit Hisse des Auslandes zu beetnslussen. muß aber aus das aller entschiedenste »urückgewteseu werde». Die Demokrake» in -er Krise im Reiche nnd in Sachsen. Nächst dem Zentrum richtet sich die Aufmerksamkeit kn der sctzigen kritischen Periode der Innenpolitik insbesondere auf die Haltung der Demokraten. Dies« Partei verliert »war stän dig an Anhang in der Wählerschaft und geht dementsprechend in der Mandatszahl zurück, sie trumpft ober dessenungeachtet in ihrer Presse so auf, als wenn sie wer weiß was zu bedeuten und zu sagen hätte, und sucht in einer diktatorisch a»mutende» Weise di« Lösung der Krise im Reiche und in Sachsen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Für di« Eigenart der sächsische» Demokraten? die von 22 Mann im ersten Landtage nach dem Kriege auf S zusammengeschmolzcn sind. Ist der Vorschlag be zeichnend, Dr. Retnhold mit der Kabinettsbildung zu betraue«, falls die Parteien sich über einen anderen Kandidaten nicht einig werden könnten. Imponierender war« eS gvwose«» wenn die sächsischen Demokraten auf den Gedanken gekommen wären, Dr. Reiuhold als Kandidaten für daS heikle un» des halb allgemein unbeliebte Finanzportefeuille zu präsentiere«. In der Bereitwilligkeit, ihren Finanzsachverständiscn wieder auf einen so exponierten Posten zu stellen, hätte man immerHtq ci» eBevo rzn gung de söffent tichc »vor dem Partei politische «Inter esse erblicken können. Dr. Neinhold aber in der Eigenschaft als Ministerpräsident als letzten Rettungsanker zur Vermeidung der Landtagsauslösung verschieben zu wollen, ist ein« aus gefallene Idee, die keinerlei Aussicht auf Verwirklichung hat »nd deren Aufwerfung nur davon zeugt, wie krampfhaft dio Demokraten bestrebt sind, aus allen Blüten parteipolitische« Honig zu saugen, um immer mit dabei sein und die Dinge »ach Möglichkeit ins Fahrwasser der Linkspolitik leiten z« können. So ist cs denn auch in diesem Sinne folgerichtig» daß die sächsischen Demokraten einer bürgerlichen MIndcrheitS« rcgicrung mit Einschluß der Deutschnattoualen vor und Hint«r den Kulissen entgcgcnarbcitetcn. Di« Demokratische Partei im Reiche beging de» für st« folgenschwersten Fehler lm Oktober 1924, als eS sich darum handelte. Sie Gefahr -er Reichstagsauflösung durch die Um bildung der Regierung nach rechts unter Ausschluß der Sozial demokraten zu beseiligen. Die Deutsche Volkspartei hatte da mals selbst die erst von ihr geschaffene Große Koalition ge sprengt. weis Dr. Siresemann zu -er Erkenntnis gekommen war, daß sich die bevorstehenden wirtschaftS- und steuer- politischen Gesetze nicht mit der Sozialdemokratie, sondern nur mit der Rechten durchführen ließen. Nun galt cs. die Negie rung nach rechts durch Aufnahme der Deutschnationalcn zu er weitern. Das Zentrum wagte nicht direkt nein zn sagen, son dern steckte sich hinter die Demokraten und schob diesen die Ent scheidung zu. mit der Erklärung, daß cs von der Stellung nahme der Demokraten die eigene abhängig machen werde. Die Demokraten hatten also das letzte Wort zu sprechen, und sie taten das in dem Sinne, daß sie ostentativ oon der Rechten «brückten. Mit Rücksicht ans die „schwere Gefahr", die d«r deutschen Außenpolitik angeblich durch die Beteiligung de< Deutschnationalcn an der Rcgicrung drohen würde, lohnte» die Demokraten eS ab, dte Verantwortung für eine NechtS- wendung mit zu übernehmen, iu der Hoffnung, mit Hilfe voll Neuwahlen bessere partcipolitsche Geschäfte machen zu können, und zogen ihre Minister auS dem bereits durch den Austritt der Deutschen Volkspartei geschwächten Kabinett zurück. Nun- mehr schnappte auch das.Zentrum ab, und so blieb nur die Neuwahl des Reichstages übrig, die dann zur Einsetzung einer RechtSregicrung führte. Di« Demokratische Partei hatte sich wieder einmal als die Partei -er mangelnden bürgerlichen Grundsätze und der verpaßten Gelegenheiten erwiesen. Dr. Strcsemann selbst bescheinigte ihr in öffentlicher Rebe, datz sie, wenn sie dte Politik der Linken machen wolle, in der Mitte nichts zn suchen habe. Nach dieser Glanzleistung partcipolitischet Einsichtslosigkeit begann eine wahre Massenflucht aus det Demokratischen Partei, durch die sie der besten ihr noch oer- blicbcnen Kräfte beraubt wurde. Die bei der Abstimmung über die Entschließung zur Negierungsbildung ln der Minder- heit gebliebenen NcichstagSabgeordncten Gcrland, Kcinath und Schisser sowie die preußischen Landtagsabgeordneten Do- mlnikuS und Grund schieden aus der Partei auS. Damit ver lor di« Demokratie ihre geistige Elite; insbesondere Professor Gerland war einer der hauptsächlichsten Mitbegründer der Partei.